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Vom bildenden Künstler, hin zum ausgereiften Filmemacher. Diese Wandlung hat der Brite Steve McQueen hingelegt und dafür benötigte er nur drei Filme. Nach den eher nur einem kleineren Publikum bekannten Werken „Hunger“ und „Shame“, zeigt McQueen einem breiteren Publikum, eindrücklich den Horror der Sklaverei in „12 Years a Slave“.

PD: „12 Years a Slave“ hat ja das Potential in den Filmkanon als ein großer, wichtiger Film einzugehen.

YP: Simpel gesagt wird er das auch, weil er das einfach ist.

PD: Filme wie dieser müssen nur den Hype überleben, die beinahe automatisch (zyklisch) vorkommenden Kritiken, die den Film vom Podest stürzen wollen. Dabei kann ich – bis auf ein paar Kleinigkeiten – auch nichts am Film aussetzen.

YP: Das spürt man einfach schon im Kinosaal. Ich war von „Gravity“ begeistert, aber in „12 Years a Slave“ beschleicht einen dieses seltene Gefühl, so etwas bekommst du nicht alle Tage geboten. Vielleicht liegt es auch daran, dass mich Filme nicht so oft umhauen.

PD: Was Steve McQueen mit diesem Film geschafft hat – mit seinen beiden Arbeiten davor eben nicht -war, dass mich gewisse Sequenzen auch noch Tage später verfolgt haben. Wenn Paul Dano als Tibeats die Sklaven bei „Dienstantritt“ im Takt klatschen lässt, während er ein rassistisches Hetzlied singt … das war einfach nur gruselig und erschreckend.

… oder die vermeintliche Freundlichkeit, wenn einer Sklavin gesagt wird, sie solle sich ein wenig ausruhen, dann werde sie die Kinder (die ihr genommen wurden) schon vergessen. Das sind richtige Schläge in die Magengrube.

YP: Es ist fast nicht zu ertragen, wie viel Unmenschliches bzw. Bösartiges in manchen Figuren steckt. Die Verbindung, die ich zu „Das radikal Böse“ hier ziehe, ist die des „Begreifenwollens“, des „Nicht-Fassen-Könnens“ …

PD: Da fand ich aber McQueens Film faszinierender und packender. Das kann aber auch daran liegen, dass der Fokus auf Solomon Northup liegt und die auf ihn einprasselnden Grausamkeiten der Sklavenhalter und einfachen Menschen mit ihm durchlitten werden „müssen“.

YP: Ich möchte auch nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. (Non-Fiction mit Fiction).

PD: In einem Punkt, stimme ich McQueen zu, der in einem Interview meinte, dass für ihn der von Benedict Cumberbatch gespielte Sklavenhalter Ford grausamer war, denn Edwin Epps (Fassbender). Denn Ford hätte Northup helfen können, entschloss sich aber sein Eigentum einfach weiterzuverkaufen, da er beim Tod von Northup auf den Kosten sitzen geblieben wäre.

YP: Ich kann mit diesem Vergleich nichts anfangen. Der ist auch irrelevant. Geholfen hat ihm schließlich nur der von Brad Pitt gespielte kanadische Hilfsarbeiter und Vagabund mit der freiheitsliebenden Auffassung.
Als der Kanadier Epps darauf aufmerksam macht, wie er seine Sklaven, sein Eigentum behandle, bekam ich eine Gänsehaut. Das war eine der besten Szenen im Film, weil man in Epps‘ Gesicht schon sieht, das es nicht zusammenpasst, was er sagt und was er tut. Der Zwiespalt stand ihm ins Gesicht geschrieben.

PD: In der Charakterisierung ist er sehr wohl relevant, denn Ford wurde so gezeigt, als würde ihm am Leben der Sklaven etwas liegen. Im Falle einer Eskalation der Situation war er aber dennoch dazu bereit, den Sklaven kurzerhand zu verkaufen. Interessant, gerade die Szene mit Pitt, fand ich eher irritierend, durch das Casting. Ein weniger bekannter Darsteller, hätte die Rolle nicht so sehr mit seinem Image überladen. Pitt hätte da in der Rolle des Produzenten bleiben sollen.

YP: Ford ist wohl jemand, der etwas von Wirtschaft versteht und Epps ist einfach ein gnadenloser Sadist und Alkoholiker obendrein. Ford fand ich in der einen Auktions-Szene schlimmer, wo er die Kinder der Frau nicht kauft, weil er nicht zu viel ausgeben will. Bis zu dem Punkt, wo er Solomon hätte helfen können, war er für mich ein geldgetriebener Unmensch. Wie wir wissen, hat Brad Pitt hat den Film mitproduziert, sein Auftritt betrachte ich somit als Schmankerl. Nicht mehr nicht weniger.

PD: Während der von Paul Giamatti gespielte Sklavenhändler von Anfang bis Ende ein Geschäftsmann ist, der sich gar keine Gefühle erlaubt.

YP: Wie gesagt, bevor ich eine Reihung aufstelle, wen ich schlimmer fand (Danos Figur, die von Epps Frau, usw.), konzentrieren wir uns lieber auf Solomon

PD: Eine wunderbar subtile Darstellung von Chiwetel Ejiofor.

YP: Seine Figur und seine zurückgenommene Art zu spielen, Solomon darzustellen.

PD: Es hat auch wehgetan, Solomon so in sein Unglück taumeln zu sehen. Beinahe naiv, kann er gar nicht glauben, dass ihm diese beiden Männer ein Unrecht zufügen wollen.

YP: Mir ist das auch durch den Kopf gegangen die ganze Zeit: Willst du überleben, musst du dich um jeden Preis anpassen.

PD: Das wird Northup schon auf der Plantage von Ford klar, und das bringt er in aller Deutlichkeit der Leidensgenossin gegenüber auch zum Ausdruck, die weiter um ihre Kinder trauert. Anpassung, oder Tod.

YP: Ein klitzekleiner Kritikpunkt meinerseits wäre, dass die Szenen vor der Entführung wohl ein wenig zu sorglos und hell beleuchtet dargestellt wurden. Und ich hätte mir auch gewünscht, dass die Familienzusammenkunft nicht gezeigt wird, der Schnitt erfolgt, als er vor der Tür zu seinem Haus, in dem seine Familie auf ihn wartet, steht.

PD: Mir war der Schwenk über Washington hin zum Kapitol ein wenig zu sehr mit Bedeutung aufgeladen. Als ob der Zuseher noch darauf hingewiesen werden müsste, wo sich das alles abspielt und dass nur unweit von seinem Gefängnis die vermeintlichen Hüter der Freiheit sitzen. Die Familienzusammenführung am Ende war mir auch zu kitschig. Doch da hat McQueen offenbar einen positiven Abschluss für nötig gesehen. Dabei war der bereits mit seiner Befreiung gegeben.

YP: Nein, zu kitschig war mir die Zusammenführung nicht. Ganz und gar nicht. Ich hätte nur gut drauf verzichten können.

„12 Years a Slave“ ist Steve McQueens zugänglichster Film, man glaubt es kaum.

PD: Seine Filme werden immer zugänglicher. „Hunger“ ist noch am schwersten zu verdauen, während „Shame“ unter seinem eigenen Stilbewusstsein kollabiert. Bei „12 Years a Slave“ ist McQueen an einem Punkt angelangt, an dem er sowohl Stilist und Erzähler ist (etwa die Sequenz in der Solomon aufgehängt wird … ein Musterbeispiel für die perfekte Verschmelzung von Form und Inhalt). Ein weiterer kleiner Kritikpunkt: Der Film heißt „12 Years a Slave“ aber ich hatte überhaupt kein Gefühl dafür, wie viel Zeit denn nun verging.

YP: Das hat man aber Solomons Gesicht angesehen, da waren keine Zeitangaben nötig. Mir gefiel auch das Vor- und Zurückspringen in der Zeit, die Flashbacks im Film.

PD: Die waren gut eingesetzt. Positiv überrascht war ich auch von Hans Zimmers Soundtrack. Der war stellenweise sehr unkonventionell und hat gerade deshalb so gut gepasst.

YP: Das Gute am Zimmer-Soundrack war, dass es kein typischer Zimmer-Soundtrack war. Ich hoffe der Film bekommt die Auszeichnungen, die er verdient. Vor allem aber, weil es ein Meisterwerk ist.