Schlagwörter

, , , , ,

Cate Blanchett gilt für ihre Darstellung der Manhattan Upper-Class Lady Jasmine als große Oscar-Favoritin. Doch hat sie auch all das Lob verdient und was ist mit Sally Hawkins, die ebenfalls für den Oscar nominiert wurde? Ob Woody Allens „Blue Jasmine“ all das Lob verdient, oder doch nur ein gut gespielter Aufguss altbekannter Themen des New Yorkers ist, erörtern wir in unserem brandneuen Dialog.

Der folgende Dialog beinhaltet den einen oder anderen Spoiler.

PD: Du bezeichnest in deiner letterboxd-Kritik „Blue Jasmine“ als anti-feministisch. Ich verstehe diesen Einwand ehrlich gesagt nicht.

YP: Nur die Figur der Jasmine (Cate Blanchett), nicht den gesamten Film. Weil sie als Frauenfigur so rückständig ist, das es wehgetan hat. Obendrein ist sie so selbstbesessen, so heuchlerisch, so ichbezogen. Anti-feministisch in dem Sinne, dass es nur darum geht, einen Mann an die Angel zu kriegen. Damit auszusorgen.
Ihrer Schwester (Sally Hawkins), der es offensichtlich finanziell nicht so gut geht, hilft sie nicht, aber sie veranstaltet Charity-Abende für andere Menschen. Ich habe ihre Figur einfach nicht ertragen.

PD: Vollste Zustimmung, damit ist ihr Charakter gut beschrieben. Noch dazu ist sie jähzornig und scheinheilig, hochnäsig und labil. Darin sehe ich aber kein Problem.
Die Scheinheiligkeit, die auch ihr Ehemann Hal an den Tag legt, ist Muster der ganzen Erzählung. Ihre Wahrnehmung von der Welt ist so abgehoben, dass sie im Endeffekt ja nur noch mit sich selbst diskutieren kann.

YP: Genau. Sie bildet sich ihre eigene Welt, die nur für sie selber so zugänglich ist. Wobei Hal (Alec Baldwin) ja in gewisser Weise einen Charme an den Tag legt in seiner Rolle. Hal ist auch abgehoben, aber eben der Ganove mit dem Ponsi-Scheme.

Mit tat die von Sally Hawkins gespielte Schwester Ginger so leid, die offensichtlich so bodenständig und gefestigt ist, dann lässt sie sich von Jasmine, die eigentlich Jeanette heißt, aus der Bahn werfen. Der einzig zugängliche Charakter war Ginger.

PD: Interessant fand ich, dass Jasmine die Rückblenden erzählt und so auch ein wenig auswählt, was erzählt wird und was nicht. Es bleibt dem Zuseher überlassen, ob sie nun die typische Mafia-Braut war, die einfach auf die andere Seite sah, wenn ihr Mann kriminelle Geschäfte tätigte, oder ob sie wirklich so ahnungslos war, wie sie die Welt Glauben machen wollte.

Leid tat mir Ginger nicht. Mich haben sowohl die Geschichte von Jasmine und von Ginger interessiert und ich habe sie mit großem Interesse verfolgt. Dass sie sich von ihrer so Weltgewandt gebenden Schwester derart aus der Fassung bringen lässt, hat zum Charakter gepasst, aber hat in mir kein Mitleid ausgelöst. Eher war ich daran interessiert, wie sie sich aus der Zwickmühle (Beziehung mit Chili ja, oder nein) heraus windet.

YP: Ich muss zugeben, dass mir der Film jetzt nach der zweiten Sichtung eine Spur besser gefallen hat. Einfach deswegen, weil allesamt darin so gut spielen. So gut Cate Blanchetts Darstellung von Jasmine auch war, so wichtig war auch das reduzierte Spiel von Hawkins als Ginger. Alec Baldwin ist eigentlich ein- und derselbe Charakter wie in anderen Filmen von Allen, aber er hat sich damit gut hineingefügt.

PD: Hawkins gibt die perfekte „supporting“-Performance, da sie die Haupthandlung und die Hauptdarstellerin mit ihrem Spiel tatsächlich unterstützt. Sie ist dabei zurückhaltend und wirkt einfach echt, das war wirklich toll zu beobachten.

Cate Blanchett erinnerte mich in vielen Passagen sehr an Vivien Leigh in „A Streetcar Named Desire“. Generell finde ich, dass Jasmines Geschichte viel von der Geschichte von Blanche Dubois aus dem Tennessee Williams Stück hat.

Was mich etwas störte war, trotz der guten Darstellungen (auch Bobby Canavale als Chili gefiel mir), dass Allen ein wenig zu sehr in Klischees hängen blieb. Vor allem die Arbeiterklasse, in der sich Ginger bewegt, hatte mehr von den 1950er-Jahren, denn von der Gegenwart.

YP: Nichtsdestotrotz, für mich war der letzte gute Film von Woody Allen „Match Point“.

PD: „Match Point“ ist einer meiner liebsten Allen-Filme, aber auch „Vicky Cristina Barcelona“ und „Midnight in Paris“ waren gute Filme.

YP: Aber die New Yorker-Elite wird auch ziemlich Klischeebehaftet dargestellt. Es ist nicht so einseitig, würde ich sagen. Das wirkte zeitweise wie eine Farce auf mich, vor allem, was die von Jasmine geprägten Rückblenden betrifft. Insbesondere beide Male, wo sie Hal konfrontiert. Oder überhaupt schön inszenierte Szenen mit Hal und Gästen im Countryhouse, im Stadthaus am Pool usw.
Das ist wie aus einem Katalog und wirkt gerade deshalb so abstrakt.

PD: Die High Society lässt Allen sehr affektiert auftreten, aber da hatte ich eher das Gefühl, dass er mit einem boshaft-witzigem Blick auf diese Welt sieht und Jasmine sticht da mit ihrer manierierten Art heraus. Die Szenen mit Ginger und Chili in San Francisco hatten aber nichts Satirisches, die wirkten einfach ein wenig Klischeebehaftet.
Bobby Canavale spielt aber dabei sehr gut auf.

YP: Ganz im Gegenteil, die Szenen in San Francisco fand ich witziger als die in Manhattan.

PD: Ja, witziger, aber die Szenen in Manhattan hatten etwas Realistischeres, Beißenderes an sich.

YP: Das ist eben das Problem für mich, daran fand ich nichts Realistisches, weil es für mich so abgehoben war. Und das merkt man auch an der Figur von Jasmine, wo sie herkommt und wo sie hinwill.

PD: Es ist aber auch ihre Sicht der Dinge und für sie sind Ginger und ihre erster Mann Augie auch völlig deplatzierte Eindringlinge in ihre Welt. Dass sie dann von Hal auch noch übers Ohr gehauen werden, ist für sie nicht mehr als eine peinliche Unannehmlichkeit. Das fand ich sehr böse, während die Szenen in San Francisco sehr viel Witz hatten. Die Tragik folgt dann später und lässt Jasmines Weltsicht (sowohl jene von Manhattan als auch jene von San Francisco) völlig zusammenbrechen.

YP: Da ihr Zusammenbruch selbstausgelöst war, war es nichts Tragisches für mich. Sie hat sich da hineinmanövriert. Sie hat nicht gehandelt, war quasi Mittäterin und hat das bekommen, was unausweichlich war. Keine Spur vom Tragik da. Ich verstehe den Film als Komödie, wobei Jasmine natürlich dann ein Fehlkörper darin ist, aber dabei hat sich Allen schon was gedacht.