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Bret Easton Ellis, James Deen, james franco, jennifer lawrence, Kickstarter, Lindsay Lohan, Palo Alto, Paul Schrader, Rocco Siffredi, Romance, The Canyons, Wish I was here, Zach Braff
Eine Zusammenarbeit des alteingesessenen Regisseurs Paul Schrader („American Gigolo“, „Affliction“) mit Hollywood-Schriftsteller Bret Easton Ellis ließ zuerst einmal aufhorchen. Als daraus auch ein per Kickstarter finanziertes Crowdfunding-Projekt wurde, nahm es erst richtig interessante Konturen an. Zudem versprach „The Canyons“ auch ein Wiederbelebungsversuch von Lindsay Lohans Karriere zu werden. Im folgenden Dialog wollen wir diese Punkte besprechen.
YP: Ist „The Canyons“ das erste Crowdfunding-Projekt, das du per Kickstarter unterstützt hast?
PD: Es ist neben „Wish I Was Here“ von Zach Braff eines der prominenteren Projekte. Dabei gebe ich geradezu winzige Summen. In dem Fall war es der Gegenwert der DVD. Ich sehe es gerade bei diesen prominenteren Projekten als Geste meinerseits, in der Hoffnung den Film einmal sehen zu können. Ansonsten unterstütze ich, sofern finanziell möglich, Projekte unbekannterer Filmemacher. Vor allem im deutschsprachigen Raum. Zum Beispiel: etwa „Die Geschichte einer Legende“, „Internal Games“ und „Homesick“. Aber auch James Francos „Palo Alto“.
YP: Warum ausgerechnet „The Canyons“? Ehrlich gesagt war für mich wenig Reiz vorhanden.
PD: Gereizt hat mich allein die Kombination Paul Schrader-Bret Easton Ellis. Mir erschien das geradezu perfekt und ich konnte nicht glauben, dass eine anvisierte Zusammenarbeit von den Studios nie finanziert wurde.
YP: Wie das dann am Entstehen war, fand ich es zum Scheitern prädestiniert. Vor allem, was die Besetzungsliste betrifft: Mir schienen sowohl Lindsay Lohan als auch James Deen gewagt. Der Film leidet unter beiden Darstellern, allerdings aus ganz unterschiedlichen Gründen.
Auch finde ich das Drehbuch von Bret Easton Ellis ziemlich trocken. Es gibt zu wenig her. Wobei Schraders Regie einiges noch rausholt aus dem Stoff.
PD: Gerade die Besetzung gab dem Projekt den nötigen Schwung und die Aufmerksamkeit. Ansonsten wäre das ein besseres Homevideo von Paul Schrader. Zudem fand ich, dass vor allem aufgrund von Lohan und Deen der Film stellenweise sehr interessant geworden ist.
Das Hauptproblem liegt im betont sterilen Drehbuch. Eine Geschichte voller unsympathischer Charaktere, ohne Tiefgang.
YP: Nehmen wir einmal die Dialoge als Beispiel her. Es wirkt so konstruiert und statisch, dass du permanent das Gefühl hast, hier werden im Schuss-Gegenschuss-Verfahren Satzfetzen rausgeschossen, ohne Sprachmelodie, ohne Dynamik, ohne Bedeutung. Auch wenn ich sowohl Lindasy Lohan als auch James Deen schlecht fand, es ändert nichts daran, dass sie nichts Besseres zu sagen bekommen. Und der Dialog-Inhalt ist eine Katastrophe. Steht für alles Künstliche, was es an Hollywood ohnehin zu bemängeln gibt.
PD: Ellis war auch noch nie ein wirklich guter Dialogautor. Seine Stärke, in den Büchern, liegt ja viel mehr in diesen Darstellungen der Leere der seine Charaktere umgebenden Szenerie. Ob in „American Psycho“ die Wall Street oder in „Less Than Zero“ die ganze Party- und College-Szene. Deshalb hat es mich auch nicht verwundert, dass die Dialoge eher gestelzt und gekünstelt klangen.
YP: Andererseits: Es ist gewissermaßen ironisch, wie Lindsay die Figur der Tara spielt: Als gescheiterte Schauspielerin, die sich aus Verzweiflung und Bequemlichkeit einen Sugar Daddy zulegt.
PD: Lohan holte da, auch dank der Regie von Schrader, noch das Beste heraus. In den Momenten, in denen Tara mit ihren Ängsten konfrontiert wird, ist das wirklich großartiges Kino. Kaum interagiert sie aber mit einem anderen Charakter, scheint plötzlich alles starr und tot zu sein.
Deen ist für mich auch ein hervorragender Bret-Easton-Ellis-Charakter. Weniger ein Schauspieler der einen Charakter aus seinen Büchern spielt, sondern der passende Charakter. Sein Image allein genügt, um diese Figur zu beleben. Deen selbst kann nicht wirklich viel dazu beitragen. Das wird vor allem in der Szene mit Gus Van Sant als Therapeuten offensichtlich. Deen spielt beinahe alles gleich.
YP: Genau das meine ich: Abgesehen davon, dass Bret Easton Ellis ohnehin selten zugängliche und sympathische Figuren schreibt. Hier ist es durch die Qualität des Spiels eine Spur offensichtlicher, wie wenig sie funktionieren.
Gus Van Sants Kurzauftritt als Therapeut fand ich hingegen gelungen.
Eines muss ich dir sagen. So wenig, wie ich den Film auch gelungen fand, war ich nichtsdestotrotz stellenweise sehr gebannt. Nicht aufgrund der Spannung, sondern einfach nur deswegen, weil ich wissen wollte, was die noch daraus machen.
PD: Mir ging es ebenso. „The Canyons“ ist zu großen Teilen richtig zerfahren, voller missglückter Ansätze, mal mit grandiosem, mal mit grandios schlechtem Schauspiel und gerade deshalb bleibt man gebannt sitzen.
Da scheint auch ein ganz besonderes Missverständnis in der Zusammenarbeit von Schrader und Ellis zu liegen, die sich dann ja auch in aller Öffentlichkeit nur mehr „Nettigkeiten“ ausgerichtet haben. Für Schrader war das Buch von Ellis eine Vorlage, um über den Tod Hollywoods, wie er es kennt, zu philosophieren, während Ellis ein dreckiges B-Picture im Kopf hatte. Da klaffen einfach die Vorstellungen grundsätzlich auseinander.
YP: Genau das ist es. Die Montage der heruntergekommene Lichtspielhäuser als Metapher für den Untergang des Kinos. So habe ich das auch gesehen!
PD: … und Ellis legt Tara dann einen Dialog wie „Do you really like movies?“ in den Mund und es könnte kaum gekünstelter klingen.
YP: Auch die Anfangssequenz mit den Hollywood-Kinos, die an glorreiche Zeiten erinnern sollen, fand ich hingegen hervorragend. Und die gesamte Stimmung mit den Settings im Film zeigt ein Hollywood, welches wir selten zu sehen bekommen.
PD: Schrader hat zu großen Teilen eine hervorragende Stimmung in den Film gezaubert. Auch wenn ich manche Kamerafahrten geradezu unfreiwillig komisch fand. Tara steht im Schlafzimmer und zieht sich bis auf ihre Unterwäsche aus, die Kamera folgt ihr hinunter, nur damit sie sich dann wieder einen Bademantel anziehen kann.
YP: Lindsay Lohan ist eine Schauspielerin, die beide Seiten Hollywoods verkörpert wie keine andere. Der Star und hell leuchtende Stern am Filmhimmel als Teenager, dann wieder die verzweifelte gescheiterte Schauspielerin. Das ist auch der einzige Grund, warum sie dermaßen gut zu Tara gepasst hat.
PD: Dass Lohan diese gebrochene Frau, die ihre Unschuld schon vor langer Zeit verloren hat, spielt, wirkt ja wie ein Treppenwitz, oder auch die letzte Chance für Lohan. Sie ist das Paradebeispiel für einen Teenie-Star, dessen Leben durch die Maschine Hollywood gedreht wurde. Insofern funktioniert Tara auch nur durch die Besetzung mit Lohan. Ohne diesen Hintergrund, dieses Wissen, ist der Charakter einfach nur hohl.
Eine Frau wie Jennifer Lawrence etwa, ist nicht nur talentierter, sondern scheint auch mit dem ganzen Zirkus viel besser zurecht zu kommen.
YP: Der Pornodarsteller James Deen ist das komplette Gegenteil. Der Star der ebenso in Kalifornien beheimateten Schattenindustrie, der es zwar in ein B-Movie, dennoch Hollywood-Movie schafft.
PD: Bei Deen hatte ich im besten Sinne auf einen Coup wie einst mit Rocco Siffredi in „Romance“ gehofft.
YP: Mir ging auch Breillats „Romance“ mit Siffredi als Vergleich durch den Kopf.
Wobei ich Lohan niemals Talent absprechen würde. Dafür war sie mir in „Mean Girls“, „Freaky Friday“, „A Prairie Home Companion“ und „The Parent Trap“ viel zu gut.
PD: Damit wollte ich ihr auch nicht das Talent absprechen, ich finde nur Lawrence talentierter und im Umgang mit den Hollywood-Mechanismen geschickter. Dass Lohan Talent hat, sieht man nicht nur in den von dir genannten Filmen, sondern eben auch stellenweise in „The Canyons“.
Dass sie das Spiel mit der Öffentlichkeit nicht beherrscht, sieht man auch an Berichten wie diesem aus der New York Times.
YP: Hast du nicht Lawrence in unserem „Catching Fire“-Dialog als austauschbar bezeichnet?
PD: Da müsste ich jetzt nachsehen, aber ja, in „Catching Fire“ finde ich sie austauschbar. Dabei bleibe ich. Das ist eine akzeptable aber nicht sonderlich aufregende Leistung gewesen. Kein Vergleich mit „Winter’s Bone“ zum Beispiel.
YP: Oder in den David O. Russell-Filmen.
PD: Man sehe sich nur „Divergent“ an. Shaileene Woodley spielt im Grunde dieselbe Rolle und ist dabei ebenso gut.
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