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Der Feel-Good-Hit aus Großbritannien fand außerhalb seines Heimatlandes nur wenig Beachtung. Wir finden, dass das zu schade ist, und besprechen in unserem Dialog zu „Pride“ weshalb man sich diese Dramatisierung einer wahren Geschichte unbedingt ansehen sollte.

PD: Im Nachhinein bin ich sehr überrascht, weshalb ich nicht schon viel früher für „Pride“ ins Kino gestürmt bin. So eine charmante und unterhaltsame Komödie habe ich schon lange nicht mehr gesehen.

YP: Oh ja! Bei uns in den Kinos gibt es den Film bereits eine Zeit lang, aber erst durch die Empfehlung von Mark Kermode, der „Pride“ in seiner Bestenliste 2014 ganz weit vorne ist, hat es mich schließlich an einem kalten Sonntagabend ins Kino verschlagen. Ich bin sehr froh darüber, weil dieser Film wischt böse Wolken über dem Gemüt sehr schnell weg. Ich bin prinzipiell gar nicht für Kinohumor empfänglich, bzw. lache ich im Kino viel weniger als im wahren Leben, aber „Pride“ ist herrlich.

PD: Der Zusammenprall der homosexuellen Community mit den kernigen Minenarbeitern in Wales, hatte auch sehr viel von einem anderen Feel-Good-Hit aus Großbritannien: „The Full Monty“. Beide Filme schafften es ja nicht nur das Publikum zu amüsieren, indem sie völlig gegensätzliche Lebensweisen aufeinander prallen ließen, sondern zeigten Charaktere, mit denen man lachte und nicht über die man lachte.

YP: Oh ja, entblößt werden nur die Situationen und nie die Figuren. Was mir auch unheimlich gut gefallen hat, sind diese Widersprüche, mit denen hier gearbeitet wird.

PD: Regisseur Matthew Warchus hat es auch gut verstanden, dieses Lokalkolorit einzubauen. Die Dynamik innerhalb des Ortes war sehr klar ersichtlich und wirkte nicht aufgesetzt.

YP: Abgesehen davon, dass ich das Kino ziemlich baff verlassen habe, weil ich – das muss ich gestehen – keinen Deut von dieser wahren Geschichte hatte. Zudem hat mich der Film auch aufgrund der darin enthaltenen Herzlichkeit sehr bewegt. Nichtsdestotrotz ist es für mich eine Komödie mit melodramatischen Momenten.

PD: Genau diese melodramatischen Momente sind für mich der kleine Kritikpunkt. Manche Entwicklungen fand ich ein wenig zu passend, was die Dramaturgie angeht.

Mir hat etwa Andrew Scott als Waliser Junge, der wieder nach Hause zurück sucht, sehr gut gefallen, aber bei seinem Handlungsstrang hatte ich auch stets das Gefühl, dass hier ein wenig zu sehr dramatisiert wurde, damit es auch in die 3-Akte-Erzählung hinein passt.

Auch dass der von Bill Nighy herrlich gespielte Cliff gegen Ende zugibt, dass er schwul ist, hat mir – rein von der Art und Weise wie es eingebaut wurde – nicht gefallen. Es war zu sehr auf einen Gag aufgebaut und zwar, dass ohnehin jeder davon gewusst hat. Am Vergnügen und Charme, die der Film ausströmt ändert das aber nichts. Alleine wenn Dominic West seine Tanzszene im Gemeindesaal hat, kann man nicht anders, als hingerissen zu sein.

YP: Und obwohl beide Momente ziemlich unaufdringlich waren. Da fand ich das Aids-Schicksal viel schlimmer.

PD: Die Aids-Thematik musste ja eingebaut werden, und man fiel nicht komplett in die Problemfilm-Nische hinein, was mich sehr freute. Auch hier sehe ich wieder eine Verbindung zu „The Full Monty“, der auch die sozialen und gesellschaftliche Probleme ansprach, ohne den erhobenen Zeigefinger zu gebrauchen.

YP: Ein bisschen frustriert die Tatsache schon, dass es sich hier um Begebenheiten handelt, die 30 Jahre zurückliegen und erst letzte Woche gab es in Österreich den Gerichtsbeschluss über das Adoptionsrecht von Homosexuellen.

PD: Österreich hängt ohnehin immer um Jahre/Jahrzehnte hinterher, wenn es um soziale Gleichstellung geht. Noch viel schlimmer ist ja, dass dies der Verwaltungsgerichtshof „erledigen“ musste.

YP: Langsam mahlen die Mühlen in der Gleichberechtigung. Aber schön, dass es dann Filme wie „Pride“ gibt, die es schaffen, ein bisschen aufzubauen.
Ich würde „Pride“ verpflichtend in den Schulunterricht einbauen.

PD: „Pride“ als Beitrag zur Gleichberechtigung? Als Schulfilm-Material ist er sicher lohnenswert, da er eben unterhaltsam Themen wie Gleichberechtigung und auch sozialen Zusammenhalt anspricht.

YP: Das lässt auch an „Billy Elliot“ denken.
Es ist auch bewundernswert, wie viele Themen hier behandelt werden und wie sich das trotzdem auf den fertigen und eher fluffigen Film auswirkt. Fluffig im Sinne von „geht schön runter“. Obwohl einige Themenbereiche natürlich sehr gewaltig sind. Wie es hier präsentiert wird, ist einfach nur klasse.

So eine komödiantische Sozialstudie ist hierzulande kaum vorstellbar. Wir haben Ulrich Seidl.

PD: Umso trauriger, dass er von der Mehrheit des nicht-britischen Kinopublikums leider ignoriert wurde. Weshalb dem so war, kann ich mir nicht so recht erklären.

YP: Ich bin auch großer Fan von „Happy-Go-Lucky“, aber mit dem kannst du wieder nichts anfangen.

PD: Stimmt, der ist mir wieder zu „luffig“ ohne wirklich etwas auszusagen. Da ist mir etwa „Another Year“ lieber, wenn wir von Mike Leigh und humoristischen Sozialstudien sprechen.

YP: Auf dem Papier – würde es auf keiner wahren Begebenheit beruhen – wäre so ein Thema komplett unnahbar. Stell dir das mal vor? Die Queer-Community unterstützt die streikenden Minenarbeiter.

PD: Der reale Hintergrund war mir wieder weniger wichtig. Vor dem Hintergrund der Streiks gegen die von der Thatcher-Regierung angeordneten Minen-Schließungen, hätte man das auch so erzählen können.

Dass man es hier wirklich mit einer wahren Begebenheit zu tun hat, lässt einen natürlich noch etwas mehr in die Hintergründe hinein kippen.

YP: Und ich komme einfach nicht aus dem Staunen heraus, wie leichtfüßig so ein Thema präsentiert werden kann.

PD: Das hat auch viel mit der Spiellaune des Ensembles zu tun. Vor allem Imelda Staunton ist einfach großartig.

YP: Nicht nur sie, auch natürlich Bill Nighy, der mir hier besonders gut gefallen hat. Generell wurde dem Casting viel Aufmerksamkeit geschenkt.

PD: Andrew Scott, Dominic West und die vielen anderen Darsteller, deren Namen mir nicht so geläufig waren. Ein richtig gut zusammengestelltes Team.