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Zuerst ein Spionage-Roman von John le Carré, dann eine einflussreiche BBC-Serie mit Alec Guinness und schließlich ein edles zweistündiges Psychodrama unter der Regie von Tomas Alfredson. „Tinker Tailor Soldier Spy“ in all seinen verschiedenen Formen, aber vor allem in seiner jüngsten Version mit Gary Oldman, ist Thema unseres neuesten Dialogs. Ist die Suche nach einem Maulwurf innerhalb des britischen Geheimdienstes wirklich der intelligente Bourne, wie David Bordwell es nannte?

PD: Hast du den Roman von John le Carré „Tinker Tailor Soldier Spy“ gelesen?

YP: Nein, ich kenne nur die Serie mit Alec Guinness als George Smiley.

PD: Hab überhaupt noch kein Buch von le Carré gelesen, nehme es mir aber schon seit Ewigkeiten vor. Die Serie mit Alec Guinness habe ich vor einigen Jahren gesehen und der Eindruck daran ist schon ein wenig verblasst.

YP: Geht mir genauso, da hat der Kinofilm von Tomas Alfredson weitaus mehr Eindruck hinterlassen. Das schreibe ich einerseits dem komprimierten Plot und andererseits der traumhaften Starbesetzung zu.

PD: In britischen Raum gelten sowohl Roman als auch Serie als ganz wichtige Klassiker, ein Ruf den beide am Festland (behaupte ich jetzt einfach einmal) nicht so inne haben. Insofern hatte ich weniger Bedenken, als ich mir die Kino-Adaption erstmals ansah. Abgesehen von Alec Guinness als Smiley in der Serie und Gary Oldman im Film, habe ich kaum Vergleiche gezogen.

Viel mehr habe ich mich an der wunderbaren Kamerarbeit von Hoyte Van Hoytema berauscht. Man beobachtet aus der Distanz immer wieder wichtige Gespräche und dahin gesagte Anspielungen, die man wohl auch beim zweiten und dritten Mal nicht so ganz verstehen kann.

YP: Die Bedeutung der Serie war mir schon im Vorfeld bekannt, aber mir ist die Fernsehdramatik der späten 70er Jahre einfach zu langatmig, verglichen mit dem Kinofilm aus 2011. Nicht zu vergessen, dass sich die Machart des Films alleine schon von den meisten Produktionen der letzten 10 Jahre unterscheidet. Für mich ist das einer der interessantesten Geheimdienst-Filme überhaupt. Inhaltlich vielleicht gar nicht so interessant, wie anzunehmen ist.

PD: Die Serie würde aber heute wohl genauso gestaltet werden. Ich fand es bemerkenswert, dass die BBC vor gut 40 Jahren eine Fernsehserie produzierte, die sich mit den modernen Arbeiten durchaus messen kann. Einige gestalterische Elemente würden sich ändern, aber ich glaube den Szenen würde ebenso viel Raum bemessen, wie damals.

Das hat mich aber wieder am Film erfreut, dass hier kompakter und strategischer vorgegangen wurde. Bei Erstansicht war ich von den vielen Rückblenden und Enthüllungen in neuen Blickwinkeln der bereits bekannten Rückblenden ein wenig überfordert, aber das war wieder der Genuss an dieser Adaption. Die Puzzlestücke werden nach dem Film im Kopf weiter zusammengesetzt, die Anspielungen weiter verfolgt. Alfredson vermeidet es allzu offensichtliche Antworten zu liefern. Waren Jim Prideaux und Bill Haydon ein Liebespaar? Wie war die Beziehung zwischen Connie Sachs (Kathy Burke fand ich grandios in diesem Kurzauftritt) und Smiley im Detail? Was wusste Smiley von den Affären seiner nie gänzlich sichtbaren Frau?

YP: Dann kann schon sein, dass sich in der gestalterischen Herangehensweise nicht viel ändern würde. Wobei ich trotzdem glaube, dass – würde die Serie heute produziert werden – das Tempo ein anderes und dem Verfilmung viel näherkommendes Tempo wäre. Die Serie erzählt auch viel gemächlicher, wohingegen der Film strukturiert und – wie bereits erwähnt – komprimiert. Deine Fragen haben sich mir nicht gestellt, bei der ersten Sichtung hatte ich die inhaltlichen Eckdaten mit der Serie abgedeckt und bei der letzten Sichtung konnte ich mich auf die Dramaturgie konzentrieren. Wirklich großartig fand ich Alfredson Entscheidung, die Budapest-Szenen mit Jim Prideaux (Mark Strong) immer wieder zu wiederholen und aus jedem Blickwinkel zu zeigen. Das war auch der einzige rote Faden im Film (nebst der Affäre). Eine Sichtung ohne Vorkenntnisse kann ich nicht empfehlen. Der Film wirft einfach zu viele Fragen auf.

PD: Ja, das Tempo würde bei einer neuen Auflage als Serie höchstwahrscheinlich etwas verschärft werden, aber die Filme auf Basis der Romane von John le Carré, die ich kenne, sind allesamt keine allzu Aktionsgeladenen. Gerade im Vergleich mit „The Spy Who Came In From The Cold“, „A Most Wanted Man“ oder „The Constant Gardener“ gefiel mir die Konzentration auf die zermürbende Archiv-Arbeit.

Wenn Peter Guillam die Akten stiehlt, ist die Spannung sehr hoch und dabei passiert nicht viel mehr, als dass Blicke gewechselt werden. Generell konzentriert sich Alfredson sehr auf die Anordnung der einzelnen Verdächtigen. Wenn Control seine Mitarbeiter um sich schart und diese – je nach Smileys (oder auch nur unseres) Kenntnisstandes – immer wieder neu in verschachtelten Kamerablicken gezeigt werden, ist das die Art von Thrill die einen Spionagefilm á la le Carré ausmacht.

Ohne Vorkenntnisse kann gerade die Suche nach Hinweisen von hohem Unterhaltungswert sein.

YP: Schließlich, wenn der Maulwurf bekannt ist bzw. die Katze aus dem Sack, klingt es auch einleuchtend und alle Hinweise wurden richtig gelesen, aber davor hatte ich gerade deshalb meine Schwierigkeiten, weil es wirklich jeder sein kann.

PD: Was aber auch daran liegt, dass man sich nie sicher sein kann, ob Control (John Hurt) nicht doch einfach nur verrückt geworden und von seiner Paranoia übermannt worden ist.

YP: Gary Oldman bot eine der besten Performances der letzten Jahre.

PD: Der Vergleich zwischen Guinness und Oldman ist auch sehr interessant, da Guinness eine viel „weichere“ Version von Smiley bot.

Oldman wirkt regelrecht gefühlskalt, was in dem Gewerbe, in dem er tätig ist, ja auch Sinn ergibt. Selbst wenn er am Ende zu Triumphklängen den Platz von Control einnimmt, hat das eine ironische oder auch bittersüße Note.

YP: Gefühlskalt ist mir zu harsch, eher distanziert, aber dann wieder – wer nicht – Alleline, Esterhase, Haydon. Einzig da auch Prideuax, der natürlich als Lehrer ein bisschen mehr Wärme erlaubt.

Je länger ich über den Film nachdenke, desto mehr kristallisiert er sich als einer meiner liebsten Filme der letzten Jahre heraus.

PD: Smiley wirkt aber auch nie eingebunden in diese Welt. Er wird aus dem Ruhestand geholt und wirkt wie ein Eindringling, während die Verdächtigen sehr wohl interagieren und persönliche Beziehungen aufgebaut haben. Die immer wieder gezeigte Weihnachtsfeier zeigt derweil, dass Smiley auch inmitten seiner Kollegen ein wenig Abseits steht. Da fand ich es auch so entlarvend, dass seine Frau nie zu sehen ist, aber dafür mit Bill (Colin Firth) flirtet.

YP: Für mich sah das aber auch so aus, als ginge das schon länger so.

PD: Schon, aber Smiley schien dies auch hingenommen oder einfach ignoriert zu haben. Wenn er seine Frau draußen in der Dunkelheit inflagranti erwischt, ist seine Reaktion kaum wahrnehmbar. Auch eine Stärke von Oldmans Performance, der Smiley so schwer durchschaubar gestaltet, dass man auf jedes Zucken achten muss.