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Das britische Schriftsteller-Allroundtalent Alex Garland versucht sich bei „Ex Machina“ erstmals als Regisseur. Dem Kinopublikum unbekannt ist er bisher natürlich nicht, verfasste er bereits die Vorlagen zu Filmen wie „28 Days Later“, „Never Let Me Go“, „Sunshine“ und „Dredd“. Wie sehr Garland im Kino zu Hause ist und wie wohl er sich fühlt, sieht man seinem Debütfilm eindeutig an.

PD: Alex Garland hat mit „Ex Machina“ den Sci-Fi-Film erschaffen, den ich mir von „Transendence“ so erhofft hatte.

YP: „Transendence“ hat aber noch den Aspekt des Menschlichen immanent in der Figur Johnny Depps. In „Ex Machina“ geht die Maschine dem Menschen vor. Eher so wie in „Her“ würde ich sagen. „Ex Machina“ und „Her“ eignen sich herrlich für ein Double Feature, wohingegen „Ex Machina“ mehrere Fragen aufwirft. Spinke Jonze hat vielmehr an eine Romcom gedacht als an einen kritischen Sci-Fi-Streifen.

PD: „Her“ hätte ich auch als romantische Komödie im Sci-Fi-Gewand betrachtet. Sowohl bei „Transendence“ als auch bei „Ex Machina“ wird ja nicht nur die Frage der künstlichen Intelligenz behandelt, sondern auch, inwiefern sich diese auch selbstständig machen und gegen die Menschen wenden kann. Dabei profitiert „Ex Machina“ aber vor allem von dem Kammerspiel-artigen Aufbau. Die abgeschieden liegende Forschungseinrichtung von Nathan (Oscar Isaac) ist ideal dazu geeignet, um auch allerlei Parallelen zu „The Island of Dr. Moreau“ zu ziehen. Vor allem wenn man sich dann den weiteren Verlauf der Handlung ansieht.  Nathan und Caleb agieren ja doch auch ein wenig wie Moreau und Prendick im Roman von H.G. Wells.

YP: Dieses Kammerspiel ermöglicht es uns auch, Kernfragen (Künstliche Intelligenz, Objekt versus Subjekt) besser abzuhandeln, da der Fokus ziemlich konzentriert auf der Cyborg-Figur Avas (Alicia Vikander) liegt und ich sie fast als Gegenspielerin zu den zwei Männern aus Fleisch und Blut sehe.

Ich nehme jetzt vorweg, dass der Film Caleb und den Turing-Test gar nicht gebraucht hätte. Das Endergebnis, dass Ava sich aus den Fängen Nathans befreit, deutet doch bereits von übermäßiger emotionaler Intelligenz. Dann hätten wir aber auch keinen Film von 120 Minuten Filmlänge.

PD: Mir gefiel wie Garland sehr schnell den Rahmen festlegte. Er hätte von Calebs (Domhnall Gleeson) Alltag als Programmierer oder seinem Leben mehr zeigen können, doch stattdessen wird uns nur ein kurzer Blick in sein Büro gegönnt und schon stehen wir mit ihm vor dem versteckten Haus von seinem Chef, in das er hinabsteigt, wie in den Kaninchenbau. Daher funktioniert auch die zunehmende Paranoia Calebs, ob er nicht selbst ein Android ist.

Den Turing Test fand ich passend, da er nicht nur als Handlungskatalysator benutzt wurde, sondern auch die Dialoge zwischen Caleb und Ava definierte. Ihre Gespräche hatten vor allem Anfangs eine sehr gekünstelte und technische Note. Ganz als ob er sich mit einem Chat-Bot unterhalten würde. Erst im Laufe der Sitzungen beginnt Ava menschlicher zu klingen und auch mit Caleb zu flirten.

YP: Der Handlungsaufbau ereignet sich wirklich sehr zügig und dann befinden wir uns (das Publikum) mit Caleb plötzlich inmitten des Geschehens.Der Katalysator war ohnehin alleine die Existenz Avas, mehr hätte es überhaupt nicht gebraucht. Calebs Erscheinen hätte auch zufällig sein können.

Erschreckend und abstoßend fand ich Nathans Figur. Anfangs hatte ich so meine Schwierigkeiten dabei, wie ich an den Widerling Nathan herantrete, der vom mir sehr sympathischen Oscar Isaacs verkörpert wird.  Der größenwahnsinnige Schöpfer. Ich frage mich, warum jemand mit seiner Schaffensgabe ausgestattet dermaßen schonungslos verfahren kann. Er wirkt richtig als Sadist, ein bisschen unheimlich.

PD: Ein zufälliges Vorbeistolpern von Caleb wäre aber recht unwahrscheinlich gewesen. Natürlich war auch der Gewinn der Firmen-Lotterie unglaubwürdig, aber als Zuseher wusste man sofort Bescheid. Mir gefiel diese Grundlage für Calebs Anwesenheit. Er war ein Mittel zum Zweck. Für Nathan war er dadurch nicht mehr wert als die Maschinen, die er entwickelte. Womöglich sogar weniger, da er mit ihm nicht verfahren konnte wie er wollte. Auch wenn er ihn immer wieder schroff auf seinen Platz verwies.

Oscar Isaacs hatte ich vor „Inside Llewyn Davis“ gar nicht am Radar und mittlerweile freue ich mich über jeden neuen Film mit ihm (dass „A Most Violent Year“ gar keinen offiziellen Starttermin in Österreich bekam, finde ich sehr enttäuschend) und war auch von seiner Transformation zum bulligen und schroffen Genie begeistert. Wäre ich in einem Raum mit Nathan, dann hätte ich mich automatisch eingeschüchtert gefühlt. Schon die erste Begegnung, mit Nathan am Sandsack und Caleb ruhig und schüchtern hinter ihm stehend und auf die Erlaubnis mit ihm zu sprechen wartend, setzte die Dynamik der beiden für einen Großteil der Handlung fest. Nathan manipulierte sowohl Caleb, als auch seine Schöpfung.

YP: Meine Befürchtung ging zu Beginn in die Richtung, dass es darum geht, einem Mann dabei zuzuschauen, wie er seine Traumfrau erschafft, und sei sie nur ein artifizielles Objekt. Aber schnell löst sich Ava von ihrem Schöpfer und wird ihm sogar überlegen. Dabei spielt es schon eine Rolle, dass sie ein weibliches Wesen ist, denn dazu hat er sie explizit erkoren.

PD: Dieser Gedanke kam mir gar nicht. Ich wollte nur keinen Film sehen, in dem sich der weibliche Androide und der junge Mann ineinander verlieben. Zum Glück wird aber genau diese gegenseitige Anziehung benutzt, um einerseits festzulegen, inwiefern Ava über Intelligenz verfügt und auch um schließlich sowohl Nathan als auch Caleb zu überrumpeln. Gerade Nathan behandelt seine Schöpfungen, die er ja nicht zufällig als attraktive Frauen angelegt hat, wie Gefangene, die seinen Wünschen nachzukommen haben.

YP: Nie konnte Nathan den vollen Ausmaß seiner Schöpfung absehen. Das erinnert an „Frankenstein“ oder „Avengers: Age of Ultron“.

Sein primäres Interesse bestand darin, ein eigenständig denkendes Wesen zu erschaffen. Im aufklärerischen und Kant’schen Sinne liegen die Emanzipationsbestrebungens Avas natürlich auf der Hand und sind nicht weit hergeholt – gerade aus Calebs Intentionen abgeleitet. Für mich der mit Abstand interessanteste Aspekt des Films.

Alles andere – diese Optik, wo die Landschaft und das Interieur des Hauses die Handlung unterstreichen – ist schön anzusehen, aber dann doch nebensächlich. Das Setting ist aber auch äußerst interessant. Diese Villa ist inmitten der wilden unberührten Landschaft platziert – Metalle, Holz, Stein, Wassen – Natur verwoben mit den Räumlichenkeiten der menschlichen Architektur – augenscheinliches Synonym für das Eindringen der Menschen in die Natur. Wieder gleichzusetzen mit Nathans wissenschaftlichen Bestrebungen.

PD: Als irrelevant sehe ich die Optik ganz und gar nicht. Diese abgeschottete Landschaft und das Designer-Haus von Nathan sind ebenso Ausdruck seiner Psyche, wie seine betrunkenen Ausbrüche. Es wäre ein völlig anderer Film, hätte sich das Geschehen in einer Fabrik, mitten in der Stadt zugetragen.

Auf Nathan aber auch Caleb trifft ein Wort exakt zu: Hybris. Nathan ist von seiner eigenen Genialität derart berauscht, dass er niemals wirklich den Gedanken zu Ende führt, was es bedeutet, eine künstliche Intelligenz zu erschaffen. Wenn er bei einem Bier mit Caleb darüber spricht, dass die KI in Zukunft Menschen als nichts anderes denn als Affen sehen wird, ist das ein kurzer, aber nie von ihm wirklich zu Ende gedachter Gedanke. Caleb hingegen glaubt, dass nur er in der Lage wäre, Ava zu retten und übersieht dabei völlig, dass Ava seine „Hilfe“ gar nicht nötig hat, sondern ihn nur benutzt. Er ist in diesem Sinne auch nicht besser als Nathan, der seiner KI zwar Intelligenz aber dann doch wieder keine eigenständigen Handlungen zutraut.