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Die erste von Netflix produzierte und von einem großen Studio gedrehte Serie „Bloodline“ verspricht auf den ersten Blick ein dichtes und düsteres Familiendrama zu werden. Wir haben die erste Staffel auf Herz und Nieren überprüft und wollen unserer Meinung Ausdruck verleihen.

Dieser Text enthält einige Spoiler!

PD: Meine erste spontane Reaktion nach den letzten Momenten der ersten Staffel, war Enttäuschung.

YP: Irgendwie hat „Bloodline“ keinen allzu großen Eindruck bei mir hinterlassen. Während der Sichtung dachte ich mir schon: irgendwie ist das anstrengend. Und tatsächlich wurde es dann nur Szenenweise anstrengend. Spannung will ich der Serie nicht absprechen, aber die Art, wie die Geschichten erzählt werden, das wirkt nach einiger Zeit richtig ermüdend. Mir kommt jede Folge der Serie so vor, wie oft die Cliffhanger-Serien ganzer Staffeln und ich bin „Game of Thrones“ gewöhnt.

Außerdem versprüht die Serie dann zeitweise einen Flair von „Denver Clan“ und „Dynastie“ nur ohne Weichzeichnungs-Optik der Achtziger Jahre. Die Familienintrigen sind die gleichen, vielleicht sind sie in „Bloodlines“ nicht so offensichtlich.

PD: Das überrascht mich jetzt dann doch. Schließlich hatte ich aus deinen ersten Reaktionen auf Twitter geschlossen, dass du der Serie regelrecht verfallen wärst. Jetzt bin ich richtig beruhigt, dass ich in meiner Ungeduld nicht völlig alleine bin.

Es hat schon seinen Sinn, dass sich die Konflikte recht langsam entwickeln und die Motive derer dann auch erst im Laufe der 13 Episoden offenbaren, aber während in den ersten Episoden die Voraus- oder Rückblenden (je nachdem, aus welchem Blickwinkel man es betrachtet) dominierten, kamen im weiteren Lauf der 1. Staffel immer mehr Cliffhanger zum Einsatz. Gute 50 Minuten ließ man so gut wie kein Tempo aufkommen, nur um dann zum Ende hin, dem Zuseher doch noch zu vermitteln, dass man sich die nächste Episode ansehen sollte.

Deshalb war ich dann auch enttäuscht, als die Staffel erneut auf einem Cliffhanger endete. Die Erzählung rund um die Heimkehr des schwarzen Schafes Danny Rayburn (Ben Mendelsohn) hätte als abgeschlossene limitierte Serie besser funktioniert.

YP: Dir entgeht auch wirklich nichts. Aber nachdem ich dir im Juli dermaßen überschwänglich vorgeschwärmt habe, gerate ich jetzt natürlich in Erklärungsbedarf. Tatsächlich war ich anfangs von der Serie sehr angetan, die ersten drei oder vier Folgen habe ich sogar an einem Tag im Binge-Modus eingesogen, die finde ich nach wie vor sehr sehenswert. Dann folge ein Durchhänger, der mit dem dramaturgischen Durchhänger in der Serie zusammenhängte. Was ist da eigentlich im Mittelteil der Staffel passiert?

PD: Für mich begann das Drama bereits in Episode 2. Während ich den Beginn noch wie einen langen Epilog bewertete, der die Figuren behutsam in Position brachte, zog sich der Handlungsbogen aller Figuren einfach viel zu lange dahin. Einzig bei Danny war ein wenig mehr Dynamik im Spiel, da er auch schlicht mehr erlebte. Zudem gefiel es mir, die viel zu selten gesehene Chloe Sevigny als seine Freundin zu sehen.

Ein wichtiger Punkt für die Serie war aber, der Tod des Familienpatriarchen (Sam Shepard). Dadurch wurden diverse Diskussionen, rund um den Verbleib von Danny im Familienverbund und auch -betrieb von Neuem entfacht, was ein wenig ermüdete. Vor allem da die Geschwister – bis auf Kyle Chandlers John – recht austauschbar wirkten.

YP: Diese Familiengeschichte entblättert sich zwar wie erwartet, aber in einem mühseligen Tempo, welches sich nicht gerade positiv an die Aufmerksamkeit des Publikums auswirkt. Wobei ich Sam Shepards Vater nicht als Patriarchen bezeichnen würde. Bei den Rayburns gibt es eine flache Hierarchie, das lässt sich auch gut an der Dynamik erkennen. Über Dannys Verbleib entscheidet schließlich jedes einzelne Familienmitglied und nicht der Vater alleine.

Eigentlich wäre es sehr doch einfach. Danny (Ben Mendelsohn) – der verlorene oder verstoßene Sohn, das schwarze Schaf der Familie – kommt zurück und gräbt ein bisschen in der Vergangenheit seiner Familie herum. Für seinen Vater und seine Geschwister ist er die Persona non grata obwohl alle anderen – buchstäblich – genug Leichen im eigenen Keller haben.

Eigentlich war Kyle Chandler (den ich seit „Friday Night Lights“ großartig finde) der Grund, warum ich überhaupt in die Serie reingeschaut habe. Nun stellt es sich nach der Sichtung von „Bloodline“ heraus, dass ich jetzt großer Ben Mendelsohn-Fan geworden bin.

PD: Meine Anhaltspunkte, um überhaupt mit der Serie zu beginnen, waren Sam Shepard, Sissy Spacek und Chloe Sevigny. Alle drei liefern auch gute Darstellungen, aber ihre Charaktere sind schon sehr oberflächlich geraten. Viel schlimmer fand ich da nur den Heißsporn Kevin (Norbert Leo Butz) und die Anwältin Meg (Linda Cardellini). Ihre Konflikte konnten mich so gut wie nie einnehmen. Es war mir schlicht egal, da der Hauptfokus auf John und Danny sowie die Beziehung zu den Eltern gelegt war.

Hätte sich die Serie mehr auf darauf konzentriert, anstatt die Charaktere in alle möglichen Nebenhandlungsstränge zu verwickeln – etwa Johns Ermittlungen zu den Immigranten -, wäre ich wohl mit einem positiveren Fazit aus der ersten Staffel heraus gekommen. So jedoch, fand ich es regelrecht traurig, wie eine fantastische Leistung wie jene von Ben Mendelsohn, in einer derart zähen und zerfahrenen Serie unterging.

YP: Wenn deine Anhaltspunkte sich auf diese drei Nebenrollen konzentrieren, dann überrascht mich deine Conclusio auch kaum. Von den Figuren Kevin und Meg war ich schlichtweg genervt, beide haben sich eindeutig nicht im Griff und dreschen auf Danny los. Mir gefielen vor allem jene Szenen mit John und Danny, den beiden ältesten Kindern der Rayburns.

Was allerdings wirklich gelungen rüberkam, war diese Hin- und Hergerissenheit der Moralvorstellungen aller Figuren. Bei manchen mehr (John, Danny), bei manchen weniger (Meg, Kevin).

PD: Die innere Zerrissenheit, was mit Danny zu geschehen habe, war bei John schön dargestellt. Kyle Chandler konnte da sehr viel vom Innenleben des Charakters offenlegen, so wie es Ben Mendelsohn mit einem einzigen Blick schaffte, von Bemitleidenswert zu Einschüchternd zu wechseln.

Allerdings kamen auch die Rayburn-Eltern ein wenig zu kurz. Sie schienen immer nur dann ins Geschehen miteinbezogen zu werden, wenn die endlosen Diskussionen rund um Dannys Verfehlungen, wieder mal einen Nullpunkt erreicht hatten. Das gilt vor allem für die Episoden, nach dem Tod von Sam Shepards Figur. Dass sich dies mit der zweiten Staffel wohl ändern wird, kümmert mich jedoch nicht mehr. Als in sich geschlossene Erzählung hätte „Bloodline“ mehr Charme gehabt.

YP: Nichtsdestotrotz möchte ich nicht ausschließen, dass ich mir die zweite Staffel ansehen werde.

PD: Hier könnte der Netflix-Algorithmus dafür sorgen, dass ich auch in die zweite Staffel hinein kippe. Bei meiner aktuellen Befindlichkeit, sehe ich allerdings wenig Grund, weshalb ich „Bloodline“ ohne Ben Mendelsohn weiter verfolgen soll.