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catching fire, divergent, donald sutherland, Francis Lawrence, harry potter, jennifer lawrence, Josh Hutcherson, Julianne Moore, Mockingjay, the hunger games, twilight
Die „Hunger Games“-Reihe hat mit „Mockingjay Part 2“ ihren Abschluss gefeiert. Ob und wie uns dabei nach Feiern zumute war, wollen wir folgend besprechen. Es lohnt sich natürlich auch, einen Blick auf unsere Dialoge zu „Catching Fire“ und „Mockingjay Part 1“ zu werfen.
YP: Das ist wahrscheinlich der letzte Film mit Philip Seymour Hoffman, den ich im Kino gesehen habe. Bei der Sichtung ist mir das immer wieder durch den Kopf gegangen. Auch fast eineinhalb Jahre seit seinem Tod.
PD: So ging es mir auch. Der Gedanke, nun die letzte Darbietung von Hoffman auf der großen Leinwand zu bewundern, war ein trauriger Gedanke. Vor allem da er, so wie auch Jeffrey Wright oder Woody Harrelson, leider nicht viel zu tun bekam. Natürlich lässt sich im Nachhinein aber nicht sagen, ob die Rolle des Plutarch nicht erst nach Hoffmans Tod reduziert wurde, oder ob bereits im Vorhinein dessen Charakter ein wenig in den Hintergrund trat. Dafür konnten Donald Sutherland als Snow und Julianne Moore als seine Rivalin Alma Coin umso mehr glänzen.
YP: Ich hatte aber auch das Gefühl, dass in der Filmadaption Plutarch Heavensbee (allein dieser Name!) besonders im Hintergrund agiert, vor allem, da er in der Romanvorlage viel prominenter und erinnerungswürdiger eingesetzt wurde.
Sutherland als Snow fand ich von Anfang an fantastisch. Er spielt das wirklich mit einem unverschämten Lächeln. Hauptsächlich brilliert er in den Szenen der Rivalität in der von Lawrence gespielten Figur von Katniss Everdeen. In der letzten gemeinsamen Szene merkt man auch, dass die Rivalität mit Faszination Hand in Hand ging. Julianne Moore hat Alma Coin fast zu offensichtlich mit einem Unterton gespielt. Moore spielt immer großartig, das ist nicht das Thema, aber das passte irgendwie nicht. Woody Harrelson ist mir diesmal gar nicht aufgefallen. Genauso wenig wie Liam Hemsworth.
Am Beispiel von „The Hunger Games“ zeigt sich auch wunderbar, dass – egal wie gut der Schauspieler – wenn die Rolle nicht viel hergibt, ist schauspielerisch kaum etwas zu machen. Es ist – wenn nicht eine der einzigen Blockbuster-Reihen – in der mehrheitlich die weiblichen Figuren (nämlich Mehrzahl) ausgefeilter angelegt sind.
PD: So mancher Name im „Hunger Games“-Universum ist gelungen. Mir gefielen ja auch Cinna oder Haymitch. Es gab aber für kaum einen Akteur die Möglichkeit wirklich viel aus dem Charakter heraus zu holen. Sutherland hat Präsident Snow auch nicht sonderlich subtil angelegt, und den besten Moment für seine Todesszene aufgespart. Das war sehr gut gemacht und unterhaltsam, aber keine große Anstrengung für einen Routinier wie Sutherland. Auch Hoffman, Stanley Tucci als Caesar Flickerman oder Jeffrey Wright als Beetee mussten sich verausgaben. Ihre Präsenz veredelte das Werk.
Die weiblichen Charaktere waren aber allesamt interessanter gestaltet, selbst wenn Julianne Moore ihren Charakter ähnlich auffällig sinister anlegte, wie Sutherland. Es war dennoch schön, ihr dabei zuzusehen, wie sie sich von der politischen Führerin der Rebellion hin zu einer neuen autoritären Herrscherin verwandelte. Davon hätte ich aber gerne etwas mehr gesehen, stattdessen bekamen wir im abschließenden Film noch einmal das Liebesdreieck Katniss – Gale – Peeta (mit der bislang besten Leistung von Josh Hutcherson) in aller Ausführlichkeit geboten. Bis hin zum sich endlos dahin ziehenden Schluss.
YP: Teil 3 der Reihe war – jetzt nach Betrachtung von Teil 4 – wirklich überflüssig, aber auch dieser untragbare und furchtbar gestaltete Schluss mit Happy Ending in Teil 4, der mich dann auch zu sehr an die Masche in Harry Potter 7.2 erinnerte. Generell ging man in der gesamten Reihe auf Nummer sicher. Uninspirierte Regie und alles schön im Rahmen, solange es Geld abwirft. Natürlich leidet die Reihe, aber im Großen und Ganzen bleibt das ordentliches Popcornkino mit einer großartigen Heldin. An dieser Stelle möchte ich aus einem anderen Dialog (Scott und Dargis aus 2012) zitieren, da ich das nicht besser in Worte fassen kann:
„This makes her a perfect surrogate for the reader turned viewer, who perceives this dystopian world through her eyes and who also imagines him- or herself in Katniss’s place. I say him or her because “The Hunger Games” allows — or maybe compels — a kind of universal identification that is rare, or maybe even taboo. It’s generally assumed that girls can aspire to be like Harry Potter or Spider-Man, or can at least embrace their adventures without undermining their own femininity. But at least within marketing divisions of the culture industry, it is an article of faith that boys won’t pretend to be princesses.“
PD: Das stört mich auch so ungemein an der „Hunger Games“-Filmreihe. Die Bücher habe ich vor einigen Jahren gelesen und ich war nach Teil 1 milde enttäuscht, aber konnte mit der Trilogie ganz gut leben. Die Filmreihe hingegen hat für mich nach dem ersten Teil beinahe jeglichen Reiz eingebüßt. Den ersten Film kann ich mir immer noch ansehen. Die Filme Nummer 2 und vor allem 3 und 4 hätte man mühelos zu einem einzigen Werk zusammenfassen können. Es wäre kaum etwas verloren gegangen. Vor allem die letzten beiden Filme sind so offensichtliche Marketingprodukte.
Auch wenn ich im abschließenden Film mehr entdeckt habe, was mich unterhielt und interessierte – wie der Angriff der Mutanten im Kanalnetzwerk, oder die an verschiedenste Kriegsfilme jüngeren Datums erinnernden Wanderungen durch die zerbombte Hauptstadt – so zeigte sich darin wieder die schlampige Regie von Francis Lawrence. Nehmen wir nur die Todesszene von Boggs (Mahershala Ali). Ihm wird selbstverständlich der nötige Raum gegeben, um sich auch vom Publikum zu verabschieden und einen künftigen Plotpoint einzubauen, aber kaum ist er verschieden, sehen wir am Rand des Filmbildes eine der beiden Leeg-Schwestern verletzt herum liegen, und sie wartet auch noch, bis Boggs gestorben ist, ehe sie sich zu Wort meldet. Das beraubt den zuvor aufwühlenden Abschied zwischen Boggs und Katniss jeglicher Wirkung.
Jennifer Lawrence kann im letzten Film ja kaum noch etwas zu dem Charakter hinzufügen, was wir nicht schon längst in den Filmen gesehen haben. Was aber nichts an der Wirkung ihrer Darbietung ändert.
YP: Die Szenen im Schacht erinnerten mich stark an „The Descent“, was vielleicht ein bisschen befremdlich war, aber nichtsdestotrotz spannend. Überhaupt hat es der Film nicht so mit Genre-Grenzen. Das Liebesdreieck bzw. die lovestory ist – genauso wie die Aufspaltung in zwei Teile total verzichtbar und ein Dorn im Auge, keineswegs so einnehmend wie in „Twilight“ oder „Divergent“. Ich fand sowohl Hutcherson als auch Hemsworth furchtbar, aber in der Vorlage waren die beiden auch nicht besser oder gar erträglicher. Man muss auch dazusagen, dass die beiden Herren auch viel präsenter sind auf der Leinwand, als ihnen die Vorlage überhaupt eingesteht.
Ein bisschen lieblos und stiefmütterlich wurden die letzten beiden Teile aber schon behandelt. Mich konnten die ersten beiden noch so richtig mitreißen. Die Bücher habe ich verschlugen, vor allem, weil ich damals noch keinen Film kannte. Im letzten Punkt teile ich deine Meinung nicht. Gerade am Ende des Films entfalten sich auch immer wieder neuere Facetten von Katniss‘ Charakter – sie wirkt weniger impulsiv, überlegter, wägt alles mehr ab (und obendrauf trauert sie um ihre Schwester, in deren Namen sie überhaupt zu den Hunger Games fuhr) – und Lawrence spielt das zwar ohne schauspielerische Offenbarungen, dafür routiniert und solide. Auch wenn ich nicht daran zweifle, dass es eine andere Schauspielerin nicht auch mindestens genauso gut hätte spielen können, mag ich Lawrence in dieser Rolle. Immerhin macht sie derzeit auch Schlagzeilen, indem sie als eine (oder die?) der am besten verdienenden Schauspielerin Hollywoods immer wieder auch ganz lautstark die horrenden Differenzen in der Entlohnung kritisiert. Das gibt ihr dann als Katniss auch eine Spur Glaubwürdigkeit.
PD: Interessant, an „The Descent“ hatte ich gar nicht gedacht, aber der Vergleich bietet sich an. Hutcherson fand ich im zweiten Teil von „Mockingjay“ teilweise sogar richtig gut. Keine Leistung bei der ich in Verzückung geriet, aber es schien ein wenig Talent durch. Dennoch änderte das nichts daran, dass das Liebesdreieck schlicht verzichtbar war. Die im Film (und auch im Buch) geäußerte Kritik von Johanna an Katniss, in Bezug auf ihren Charakter und das Hin und Her in Liebesdingen, traf den Nagel ziemlich auf den Kopf.
Für sich genommen war Teil 2 des Finales streckenweise recht unterhaltsam, aber es war dann auch der vierte Film in einer Reihe, die bereits nach zwei Filmen hätte zu Ende sein können. Bis auf die letzten Minuten war „Catching Fire“ auch nicht mehr, als eine leicht variierte Wiederholung der Ereignisse aus Teil 1. Die Regie von Francis Lawrence der Teile 2 bis 4 ist anonym und somit auch im Trend der Zeit. Auch bei den Avengers-Filmen könnte sich herausstellen, dass ein Computerprogramm Regie führt, und ich wäre nicht schockiert.
Der Einfluss von Jennifer Lawrence hat natürlich deutlich zugenommen. Cate Blanchett, Julianne Moore und Meryl Streep mögen die Ungerechtigkeit im System immer wieder thematisieren, aber sie sind keine Vertreterinnen der für Marketing-Menschen wichtigen Zielgruppe. Dass Lawrence hier ihre durch den Erfolg von „Hunger Games“ nunmehr prominente Position nutzt, finde ich großartig. Das hat aber nur am Rande mit der Filmreihe zu tun, und mehr damit, wie Jennifer Lawrence diesen Erfolg nutzt.
YP: In meiner Welt gibt es noch viel zu wenige Sympathieträgerinnen, die Ungerechtigkeit schreien. Egal, ob im Film oder in der Realität. Und wie Jennifer Lawrence diesen Erfolg nutzt – für eine Schauspielerin die noch nicht jenseits der 50 ist und etabliert, seit 20, 30 oder 40 Jahren im Business ist – ist exemplarisch.
>Bis hin zum sich endlos dahin ziehenden Schluss
Tatsächlich war das schwer erträglich. Wenn der Film nach dem „Geh nach Hause und lass Gras drüber wachsen“ zu ende gewesen wäre, hätte er gewonnen. Stattdessen kommen noch zwei weitere Enden: „im Bett mit Peeta“ und „dicker Säugling auf der Wiese“ bevor wir endlich entlassen werden. Der Sinn dieser Übung hat sich keinem meiner Bekannten auch nur Ansatzweise erschlossen.
Auch nicht schön war die explizite ‚Ankündigung‘ des Schusses auf Präsidentin Coin. Auch wenn es vielleicht realistisch ist, dass man in dieser Situation schon einmal das wirkliche Ziel anpeilt, hat es hier den Geschmack von Suspense-Erzeugung im Jugendfilm – irgendwie edukativ, würde ich sagen.
Schön war wieder (wie in Teil 1 und 2 auch) die Kernkompetenz von „Tribute“: Menschen kämpfen gegen unbekannte Fallen und Monster. Die „Schlacht im Schacht“ war eine der spannendsten, die ich in den letzten zwei Jahren gesehen habe (und das schließt ‚Alien‘ mit ein).
Ich habe auch noch etwas mehr dazu geschrieben unter: http://friendly101.blogspot.de/2015/12/die-tribute-von-panem-4-mockingjay-teil.html
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