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Blue Steel, Kathryn Bigelow, Keanu Reeves, Lexi Alexander, Michael Mann, Near Dark, Patrick Swayze, Point Break, Strange Days, The Hurt Locker, Zero Dark Thirty
Ganze 25 Jahre nachdem das Original von Regisseurin und Oscar-Preisträgerin Kathryn Bigelow in die Kinos kam, kommt „Point Break“ in einer neuen Version in die Kinos. Das nehmen wir uns zum Anlass, Bigelows Film wieder zu sehen, genauer unter die Lupe zu nehmen und an dieser Stelle zu besprechen.
YP: Alles in allem ist „Point Break“ ein feiner und handwerklich gut gemachter Action-Thriller, typisch für die Endachtziger und Neunzigerjahre. Für Reeves ging es ab 1991 eigentlich nur noch stetig bergauf mit der Karriere. Was mir allerdings schon in den Sinn gekommen ist: Reeves hat immer das gleiche Spiel. Hier liefert er eine solide Leistung, aber viel verlangt ihm die Rolle des FBI-Agents Johnny Utah auch nicht viel ab. Wobei Patrick Swayze die bessere Vorlage bekam und auch mehr Freunde an der Interpretation dieser beweis. Einen sehr guten Text zu Reeves und seinem Schauspiel-Stil hast du auf der Roger Ebert-Seite entdeckt: „The Grace of Keanu Reeves“ by Angelica Jade Bastién. Kann ich jedem empfehlen, der sich schon mal länger mit Reeves auseinandergesetzt hat (siehe auch der Dialog zu „John Wick“).
PD: Wäre das Remake nicht aktuell in den Kinos, dann hätte ich kein großes Interesse daran gehabt, mir Bigelows Actionklassiker erneut anzusehen. Bei meiner ersten Sichtung vor über zehn Jahren, hat der Film wenig Eindruck auf mich gemacht und auch heute, bin ich nicht so fasziniert davon, dass ich den Kultstatus verstehen würde. Solide trifft es ganz gut. Es gibt schon einige Sequenzen, die handwerklich beeindruckend sind, wie die Fallschirmsprung-Szene, oder auch die Verfolgungsjagd zu Fuß, die auch in „Hot Fuzz“ herrlich parodiert wurde.
Inhaltlich und darstellerisch bietet „Point Break“ aber wenig, was mich beeindruckt hätte. Gerade Reeves‘ Darstellung ist derart eintönig, dass ich mich schon wundere, weshalb er danach zu einem gefragten Action-Darsteller wurde.
YP: Die Darstellung in „Hot Fuzz“ war aber eher eine Parodie auf das gesamte Genre der Buddy-Bromance-Movies und eher eine Hommage an „Point Break“, vor allem eben diese Szene, die du erwähnst. Für einen Actionfilm, der zu Beginn der Neunziger gedreht wurde, ist er aber gelungen. Mir gefällt auch das Tempo, der Film nimmt sich auch wirklich 120 Minuten Zeit und zeigt dabei keine Hektik. Auch kommt für mich der Film zwar nicht an den wunderbaren Millennium-Thriller „Strange Days“ heran, aber ist durchaus sehr sehenswert.
PD: Es gibt Szenen, in denen alle Elemente hervorragend zusammenpassen. Wenn erstmals der Bankraub der „Ex-Presidents“ gezeigt wird, dann hat das schon auch ein wenig von einem Michael-Mann-Film. Wie auch Bigelows Interesse an den Charakteren und ihren Lebensumständen. Die Philosophie, die hinter Bodhis Leben steckt und in die Johnny immer mehr versinkt.
Im Gegensatz zu späteren Bigelow-Filmen, die mich mehr einnahmen, von „Strange Days“ über „The Hurt Locker“ bis zu „Zero Dark Thiry“, fehlte mir hier aber einfach die Intensität. Swayze spielt den verführerischen Surfer-Guru großartig und es fällt nicht schwer, sich zu fragen, wie man ihm verfallen kann. Daneben sind die Charaktere und ihre Darstellungen aber eher Genre-Abziehbilder. Von Bodhis Handlangern bis hin zu Johnnys Vorgesetztem.
YP: Die Michael- Mann-Filme, die ich mit „Point Break“ assoziiere, sind alle nach 1991 und diesem Film entstanden. Aber grundsätzlich gebe ich dir recht, dass Bigelow ihren späteren Filmen vielmehr ihre eigene Handschrift aufdrücken konnte. Vor allem bei „Zero Dark Thrity“ ist sie zur Höchstform als Regisseurin aufgelaufen – wobei sie bereits in „Near Dark“ und „Blue Steel“, ihren beiden Werken aus den Achtzigern, hervorragende und leider zu wenig beachtete Leistungen gezeigt hat. Sie ist außerdem die einzige Regisseurin Hollywoods, der ich den Titel Action-Regisseurin geben würde.
PD: Manns Ästhetik hatte sich ja schon in den späten Siebzigern („Thief“) und den Achtzigern („Miami Vice“, „Manhunter“) gefestigt. Da sehe ich schon ein paar Parallelen.
Da du ihre Frühwerke erwähnst, muss ich auch zu meiner Schande gestehen, dass ich „Near Dark“ noch nie gesehen habe und die letzte Sichtung von „Blue Steel“ auch schon über zehn Jahre zurückliegt. Trotz des Bekanntheitsgrades von Bigelow, sind diese Filme immer noch unter dem allgemeinen Radar der Filmöffentlichkeit.
Sie ist mit Sicherheit DIE Action-Regisseurin, aber mir fällt auch noch spontan Lexi Alexander ein, die einen missglückten „Punisher“-Film gedreht hat. Die Frage ist auch, weshalb es so wenige Action-Regisseurinnen in Hollywood gibt. Als für die Fortsetzungen der „Hunger Games“-Filme nach einem neuen Regisseur für den abgesprungenen Gary Ross gesucht wurde, wurde dezidiert nur nach einem Mann gesucht. Als ob keine Frau in Hollywood dazu fähig wäre. Immerhin hatte Bigelow auch vor „Point Break“ keine großen Actin-Blockbuster gedreht, sondern sich erst dadurch einen Namen in diesem Genre gemacht.
YP: Was bei Bigelow aber auffällt, wie spät sie eigentlich die gebührende Anerkennung für ihr Werk erhalten hat. Man kann fast behauten, dass sie zur Höchstform aufgelaufen ist. Und trotzdem macht die Frau nun seit vier Jahrzehnten Filme auf einem unglaublichen hohen Niveau. Ich finde das beachtenswert. Ob sich die Qualität ihrer Filme gesteigert hat, kann ich in diesem Sinne nicht beantworten, da ich ihre Frühwerke auch gut finde. Aber sie hat medial natürlich viel mehr Beachtung bekommen – vor allem waren ihre Filme nicht nur zeitgemäßer, sie hat fast einen gewissen Zeitgeist eingefangen. Und neben der politischen Brisanz mit „The Hurt Locker“ und „Zero Dark Thirty“ kam natürlich auch die Anerkennung der Academy (of Motion Picture Arts and Sciences). Wobei da auch Filme dabei sind, die eher in Vergessenheit geraten, wie zB „K-19“.
PD: Ihr Gesamtwerk betrachte ich mit Respekt. Sie hat sich ja auch mit „The Hurt Locker“ und „Zero Dark Thirty“ trotz aller Komplexität, vor allem als moderne Action-Regisseurin positioniert. Ein Genre, in dem die Filmöffentlichkeit doch nur den Michael-Bay-Machismo sehen will. Umso erstaunlicher, mit welchem Erfolg sie arbeitet. Dass sie bislang eine Ausnahmeerscheinung ist, finde ich hingegen wieder traurig. Sobald eine Regisseurin einen Misserfolg abliefert, wie die zuvor angesprochene Alexander, dann wird dies sofort auf das Geschlecht reduziert. Ich kann mich nicht erinnern, wann einem Mann der finanzielle und/oder künstlerische Misserfolg eines Films mit seinem Geschlecht in Verbindung gebracht wurde.
YP: Das, was du ansprichst, ist ein allgemeines Sexismus-Problem: bei Frauen werden Misserfolge leider nach wie vor mit dem Geschlecht konnotiert, in einer überwiegend patriarchalen Gesellschaftsstruktur ist die Diskriminierung leider in vielen Bereichen Norm. Allerdings glaube ich nicht, dass die Filmöffentlichkeit das so haben will. Die Branche hat sich scheinbar gut damit arrangiert. Vielmehr werden alte Muster nur schwer durchbrochen. Das ist dann oft ein Teufelskreis und steht für den ganzen Umgang mit Minderheiten in Hollywood. In unserem Dialog zu „Creed“ sind wir auch ausführlich darauf eingegangen. Der Sexismus (Rassismus, usw.) ist so stark verwurzelt, dass man das ganze System auf den Kopf stellen müsste. Es fehlen Aushängeschilder, weil dem Nachwuchs auch kaum Chancen geboten werden, diese geschweige denn anerkannt werden. Wie du das auch bereits oben in Bezug auf die „Hunger Games“-Debatte angesprochen hast: Regisseurinnen werden keine Blockbuster-Filme angeboten, wie sollen sie sich denn da überhaupt behaupten können? Dann gibt es aber Regisseure wie David Fincher, die auch nach Schrott wie „Alien 3“ weitere Chancen (was in Finchers Fall auch gut ist) bekommen. Oder es gibt Regisseure wie Zack Snyder, die überhaupt Chancen bekommen.
Bigelows Karriere ist in diesem für Regisseurinnen im Allgemeinen und für Action-Regisseurinnen im Besonderen feinseligen Umfeld wirklich einzigartig. Noch dazu macht sie Filme, die in Erinnerung bleiben.