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Rechtzeitig zum Start der Realfilm-Version (auch wenn man bei dem heftigen Einsatz von CGI über den Begriff „Realfilm“ diskutieren kann) werfen wir wieder einen Blick auf den Walt Disney-Klassiker. Haben die kindgerecht aufbereiteten Abenteuer von Mowgli, Balu und Co. noch immer den Charme wie einst in Kindertagen?

PD: „Das Dschungelbuch“ ist neben „Dumbo“ einer jener Disney-Klassiker, die sich am tiefsten in mein Gedächtnis eingebrannt haben. Wohl deshalb, da ich ihn in seiner synchronisierten Version so oft gesehen habe.

YP: Damit kann ich leider nicht dienen, da ich „The Jungle Book“ – bis vor kurzem – noch nie gesehen habe.

PD: Wie war dein Ersteindruck? Heute können mich Disney- und für Kinder gedachte Animations-Filme nicht mehr so begeistern, wie noch in meiner eigenen Kindheit und Jugend.

YP: Immer wieder musste ich mir vor Augen führen, dass dies ein Zeichentrickfilm aus 1967 ist. Mir kommt er irgendwie zeitlos vor. Zudem ist das ein Film für ein sehr junges Publikum. Wohingegen die jüngeren Disney-Filme wie „Inside Out“, „Up“ oder „Brave“ keineswegs als Kinderfilme betitelt werden können und für ein breiteres Publikum gemacht wurden. Ich muss aber dazusagen, dass man nicht im deutschsprachigen Raum aufwachsen kann, ohne die deutschen Synchronisationen der Songs zu kennen. Es führt kein Weg daran vorbei.

PD: Darin liegt für mich auch die Zeitlosigkeit dieses Filmes: in den Songs. Selbst heute noch hört man immer wieder „Probiers mal mit Gemütlichkeit“ oder „Ich wäre gern wie du“ im Radio. Auch das Design der Figuren hat die Zeit überlebt, vor allem auch deshalb, da es zumindest ein weiteres Mal – in „Robin Hood“ (1973), ebenso wie „The Jungle Book“ von Wolfgang Reitherman inszeniert – eingesetzt wurde.

Die klassischen Disney-Filme zeichnen sich auch durch diese Unschuld aus und das direkte Ansprechen des kindlichen Publikums, wobei ich hier Erwachsene gar nicht ausnehmen möchte. Als Erwachsener kann man auch Unterhaltungswert in Filmen wie „The Jungle Book“, „Snow White and the Seven Dwarfs“ oder „Pinocchio“ finden. Die haben aber mit den heutigen Pixar-Disney-Werken nur noch wenig gemein.

YP: Nehmen wir die ersten zwanzig Minuten des Films her: wie Mowgli auf Abenteuer geht. Hier (und später natürlich auch) nimmt sich der Film die Zeit, die er braucht, um uns in die Geschichte einzuführen. Wie dieser Elefanten-Trupp bei Mowgli und Baghira einmarschiert, hat Slapstick-komödiantische Elemente. Den Film als „süß“ zu bezeichnen, täte ihm unrecht. Allerdings sind die Figuren herzerwärmend und erinnerungswürdig, ohne jegliche Plattitüden oder Schwarzweißmalerei. Mowgli wird auf ein fantastisches Abenteuer durch diesen Dschungel geschickt. Den Erfolg des Films – auch noch Jahrzehnte (bald 50 Jahre) später – kann ich nachvollziehen.

PD: Mir fehlt der Vergleich mit den Geschichten von Rudyard Kipling, aber die Realversionen hatten immer einen sehr düsteren Einschlag. Immerhin handelt es sich hier um einen 10 Jahre alten Buben, der inmitten der Gefahren des Dschungels überleben muss. Da ist die Zeichentrick-Version von Disney deutlich entschärft. Die Gefahren sind um ein Vielfaches gemindert. Egal ob der Hypnose-Blick der Schlange Kaa oder die Entführung durch die Affen, um ihn zu König Louie zu schaffen. Nichts davon erzeugt ein Gefühl dafür, als ob sich Mowgli tatsächlich in großer Gefahr befinden würde. Dafür sorgen auch die eher Slapstick-artigen Rettungstaten durch Baghira und Balu.

Drastischer wird der Film erst zum Finale hin, wenn der wie ein bedrohlicher Schatten über der Geschichte liegende Tiger Shir Khan, das Leben Mowglis bedroht. Bis dahin folgt aber eine Sketch- und Song-Einlage auf die andere. Da würde ich den Grundton des Films sehr wohl als „süß“ bezeichnen.

YP: Da wären wir aber wieder beim Beginn des Dialogs. Das ist für mich ein Kinderfilm, dem erwachsene Personen eben auch aus der eigenen Kindheit nostalgisch gegenüberstehen und deshalb vielleicht auch ein bisschen romantisieren. Ich möchte eben aber kurz auf den pädagogischen Wert des Films zu sprechen zu kommen: einfach nur fantastisch. Der Dschungel als Kontext einer fremden Umgebung für den sich von allen anderen dort lebenden Geschöpfen unterscheidenden Mowgli. Der in einer Tour ermutigt wird, seinen Jungen zu stehen und sich gegen den bedrohlich anmutenden Shir Khan und seine menschenfeindliche Ideologie zu behaupten. Shir Khan mag Mowglis Andersartigkeit nicht. Ich kann mir schon vorstellen, dass es junge Moralvorstellungen herausbildet. Außerdem ist Mogwli kein weißer Junge. Das klingt alles sehr simpel gestrickt, mir gefällt es aber, wie schön und schnörkellos das in die Story eingearbeitet wurde.

„The Jungle Book“ war übrigens der letzte abendfüllende Film, an dem Walt Disney höchstpersönlich mitgearbeitet hat.

PD: Am Ende jedoch, wandert Mowgli schlussendlich doch in das Dorf der Menschen. Denn aus dem Jungen wird langsam der Mann und dieser hat keinen Platz im Dschungel bei seinen tierischen Freunden. Das Ende symbolisiert auch ein wenig das Ende der kindlichen Unschuld, die ihn bis zum finalen Kampf mit Shir Khan prägte. Der Menschenfressende Tiger hat aber nicht nur Mowgli im Visier gehabt. Seine Schreckensherrschaft erfasste auch den Rest des Dschungels und nur mit vereinten Kräften war es möglich, ihn zu besiegen.

Da du Walt Disney ansprichst. „The Jungle Book“ markiert ja nicht nur den letzten Film, der unter seiner Führung entstand, sondern auch das Ende der klassischen Disney-Ära. Erst 1989 sollte die „Disney Renaissance“ einsetzen, und diese hat mich als Kind wohl noch mehr geprägt, da die moderner wirkenden Animationen in „Beauty and the Beast“, „Aladdin“ oder „The Lion King“ noch viel direkter ansprachen.

YP: „Robin Hood“ steht da auf meiner Liste ganz weit oben und die beiden ersten von dir erwähnten Filme mochte ich als Kind auch gerne. Wobei ich „The Lion King“ auch erst vor ein paar Jahren erstmals gesehen habe. Mich hat Disney irgendwie verpasst. In dem Alter, wo es interessant gewesen wäre, hatte ich keinen Zugang dazu. Seit Disney aber Pixar gekauft hat, ist es wieder interessanter geworden.

PD: Als Konzern hat Disney hervorragende wirtschaftlich begründete Entscheidungen getätigt. Der Aufkauf von Pixar, Marvel, der Rechte für Star Wars und Indiana Jones. Das ist aus Marktsicht beeindruckend. Die Animationsschiene hat aber für mich ihren Reiz verloren. „Robin Hood“ sehe ich eher als „Klassiker der zweiten Reihe“, hintangestellt an Filme wie „Snow White and the Seven Dwarfs“.

Die neuen Animationsarbeiten sind auch eher durch Pixar geprägt, wobei mir die Pixar-Filme vor der Disney-Übernahme besser gefielen. „Wall-E“ oder „The Incredibles“ kann ich mir immer wieder anschauen. „Inside Out“ war dagegen eine kleine Enttäuschung. Wohl deshalb hat man sich wohl dazu entschlossen, die ganzen klassischen Zeichentrickfilme nun in Realfilm-Versionen umzuarbeiten. Auch wenn mein Interesse daran nur sehr gering ist.