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~ Dialoge über aktuelle und weniger aktuelle Kinofilme

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Schlagwort-Archiv: Domhnall Gleeson

Brooklyn

05 Freitag Feb 2016

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Brooklyn, Colm Tóibín, Domhnall Gleeson, Emory Cohen, Jim Broadbent, John Crowley, Julie Christie, Nick Hornby, Saoirse Ronan

Für Eilis (Saoirse Ronan) hat das Irland der Fünfzigerjahre nicht so viel zu bieten, daher sagt sie nicht nein, wenn sich ihr die Chance anbietet, in die Vereinigten Staaten auszuwandern. Es verschlägt sie schließlich nach Brooklyn, wo sie einen Job bekommt und eine Ausbildung beginnt. Nick Hornby hat den Stoff von Colm Tóibíns Roman für das Kino adaptiert.

YP: Kaum etwas hat den Weg den Menschen dermaßen gezeichnet und beeinflusst wie die Möglichkeit zur Migration. Dieser Film beschäftigt sich mit dem Begriff Heimat und dessen Bedeutung. Dieses Thema ist eigentlich immer von brisanter Relevanz, aber in Zeiten wie diesen scheinbar noch mehr. Im Falle von „Brooklyn“ wurde der Story ein pastellfarbener Instagram-Filter drübergelegt, nichtsdestotrotz erzählt der Film eine spannende Geschichte.

PD: Heimat und der Verlust eben dieser steht ganz zentral inmitten dieser Geschichte. Jedoch überwog im Laufe der Handlung mehr das Interesse an der Selbstfindung von Eilis, die sich in der neuen Welt langsam zurechtfindet und schließlich zu einer selbstbewussten Frau wird. Das war für mich der eigentlich spannende Zugang an „Brooklyn“. Dagegen wirkt die Darstellung der Einwanderer- und auch Rassenproblematik im New York der 1950er-Jahre beinahe kitschig geschönt.

YP: Da will ich dir nicht widersprechen, bei dem Weihnachtsfest zeigt sich das auch ganz gut. Da wird wehmütig reminisziert, irisches Essen serviert und es werden gälische Lieder gesungen obwohl die meisten Männer Jahrzehnte nicht mehr dort waren. Wie das Brooklyn der Fünfziger für viele der dort lebenden Menschen einen eigenen irischen Mikrokosmos darstellte.

PD: Auch werden einige Konfliktstellen in der edel anmutenden Inszenierung von John Crowley umgangen. Wenn Eilis bei Tonys (Emory Cohen) Familie zum Abendessen ist, dann wird die Gangproblematik mit „Wir hassen die Iren“ zwar angesprochen, aber da es das vorlaute Nesthäckchen war, wirkt es eher amüsant und weniger bedrohlich.

Da du die Weihnachtsfeier angesprochen hast. Das war einer jener Momente, in denen Saoirse Ronans Spiel auf den Punkt perfekt war. Mit ganz gezielt eingesetzter Mimik, konnte man ihre Sehnsucht nach Irland wie auch ihre Einsamkeit ablesen. Der ganze Film wird ohnehin von ihrem wunderbaren Spiel dominiert. Immer wieder bleibt die Kamera auf ihrem Gesicht, um ohne viele Worte ihr Innenleben zu ergründen und Ronan macht das perfekt.

YP: Und wie großartig Ronan diese junge Frau spielt. „Brooklyn“ ist aber auch ein ganz anderer Film. Im Mittelpunkt steht doch die Eilis‘ Geschichte, die keine Zukunft in Irland sieht und eine in den USA finden wollte. Der Film spielt in einem kurzen Zeitraum (Herbst bis Sommer des Folgejahres). Und Eilis wirkt wie eine junge Frau, die in keine Situation mit Gangproblematik reingeraten kann. Sie konzentriert sich auf 3 Dinge im Leben: Arbeit, Buchhaltungskurs und den Samstagstanz, wo sie dann Tony kennenlernt.

Ich war eher davon überrascht, wie leicht ihr alles gelingt, wie sich ihr überhaupt keine Hindernisse in den Weg stellen. Ihr irischer Akzent scheint niemandem aufzufallen. Dass sie Arbeit hat, weiß sie bereits, als sie Irland verlässt. In Brooklyn passiert alles mühelos und von selbst.

PD: Es ist dennoch ein Aspekt, der zwar angesprochen, aber recht schnell zur Seite geschoben wird. Natürlich handelt es sich hier nicht um die Art von Film, in der Gang Rivalitäten thematisiert werden, aber sie hätte in einem „West Side Story“-artigen Szenario sehr wohl zwischen die Fronten irischer und italienischer Gangs geraten können. So ganz abwegig halte ich das nicht, aber es blieb dann eben bei der Szene beim Abendessen mit Tonys Eltern.

Die Mühelosigkeit von Eilis‘ Leben in Brooklyn verwunderte mich weniger. Es schien mir eher ein Ausdruck dafür, wie stark die Gemeinschaft dort organisiert war. Bereits auf der Überfahrt wird ihr ja klargemacht, dass in Brooklyn fast mehr Iren wohnen, denn in Irland selbst. Deshalb erstaunte mich diese Mühelosigkeit weniger. Verwunderter war ich darüber, wie schnell sie sich nach ihrer Rückkehr in ihren Heimatort, um ihrer Mutter beizustehen, wieder gefangen nehmen ließ, obwohl die neue Anstellung und auch der neue Mann (Domhnall Gleeson) in ihrem Leben, für mich beinahe wie eine Gefangennahme wirkten.

YP: Es überraschte mich wiederum weniger, dass sie mit der Entscheidung haderte, wieder nach Brooklyn zurückzukehren. Sie half in der Firma ihrer Schwester aus, hatte sogar einen besseren Job als sie vorher je zu hoffen gewagt hätte. Immerhin ist sie doch dort aufgewachsen. Auch wenn sie dieser Gegend den Rücken kehrte, dann doch eher aus Ausweglosigkeit. Wie sehr sie dann die Kleingeistigkeit dieser Dorfgemeinschaft nervte, wunderte mich schließlich weniger. Und ihr love interest Jim (Gleeson) diente dramaturgisch nur als Mittel zum Zweck. Irgendwie war ich auch nicht so ganz überzeugt von der Chemie zwischen Ronan und Gleeson, aber natürlich sollten wir – das Publikum – uns auch mit Eilis für Tony entscheiden.

PD: Es war schön zu beobachten, wie sie zwischen dem neu aufgebauten Leben in den USA und ihrer alten Heimat hin und her schwankte, dennoch verstand ich nicht so ganz, weshalb sie sich so schnell wieder einfangen ließ. Es war erst wieder die Bosheit ihrer alten Chefin nötig, damit sie bemerkte, wie wenig sie mehr mit diesem Leben dort zu schaffen hatte.

Zwischen Tony und Eilis flogen offensichtlicher die Funken, während Jim als vernünftigerer Mann präsentiert wurde. Dass hier aber kein „Gut-Böse“-Schema etabliert wurde, gefiel mir sehr gut. Beide Männer und beide vor ihr ausgebreiteten Lebensentwürfe, hatten ihre Vor- und Nachteile. Allerdings schien es für mich in dem Moment klar, dass sie nach New York zurückgeht, als sie in ihrer prächtigen Kleidung und mit selbstbewusst getragener Sonnenbrille ins Haus ihrer Mutter zurückkehrt. Ein Leben in Irland schien da kaum mehr wahrscheinlich.

YP: Was wäre das für ein Film geworden, wenn Eilis nicht in die USA zurückgekehrt hätte? Aber du hast schon recht, in dem von dir beschriebenen Moment war es klar. In beiden Teilen der Erde – Brooklyn und Enniscorthy – hat sie schließlich ähnliche Möglichkeiten und Zukunftsversionen, die sie zu Beginn von „Brooklyn“ nicht einmal zu Träumen gewagt hätte. Ihre Ausgangssituation zum Schluss ist eine andere und Eilis hat die Wahl. Mir gefiel auch nicht sonderlich, wie ihre Entscheidung motiviert war, aber es war dann doch plausibel.

PD: Im Endeffekt blieben mir von „Brooklyn“ vor allem das Mienenspiel Saoirse Ronans und ihre immer farbenfroheren Kleider im Gedächtnis.

Sie mag zwar nach Irland zurückkehren und es mag eine Möglichkeit sein, dass sie tatsächlich in ihrer Heimat bleibt, aber ihre Selbstfindung ist so eng mit ihrem aufgebauten Leben in der neuen Welt verbunden, dass man auch beinahe mit ihr mitfiebert, dass sie erneut das Schiff nach Amerika nimmt.

Wenn sich ihre Mutter, wohl für immer, von ihrer verbliebenen Tochter verabschiedet, ist das Herzzerreissend und zugleich auch erlösend.

Frank

18 Freitag Sept 2015

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Chef, Domhnall Gleeson, frank, Frank Sidebottom, I'm Not There, Maggie Gyllenhaal, Michael Fassbender

Wir von Film im Dialog können uns ohne schlechtes Gewissen als Bewunderer von Michael Fassbender bezeichnen. Davon zeugen unsere bisherigen Dialoge. In der schrägen Musiker-Komödie „Frank“ ist Fassbender zwar der Titelcharakter, im Zentrum steht allerdings der von Domhnall Gleeson gespielte Möchtegern-Musiker Jon.

PD: Je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger ist „Frank“ ein „Michael-Fassbender-Film“, sondern die eindrückliche Visitenkarte von Domhnall Gleeson, der uns schon in „Ex Machina“ einiges von seinem Können zeigte.

YP: Ehrlich gesagt bin ich gar nicht ins Kino mit der Annahme, dass sei ein Fassbender-Film, im Gegensatz wie das bei „Slow West“ der Fall war. Die Tatsache, dass Fassbender 90 Prozent des Films einen riesigen Kopf aus Pappe trägt, der seinen eigenen Kopf komplett verdeckt, hat mich aber hellhörig gemacht. Und ich möchte auch nicht zu sehr Domhnall Gleeson heruasheben, da das Ergebnis dem Zusammenspiel des Teams zu verdanken ist. Eigentlich finde ich Gleeson unaufällig hier, mir wollte nicht einmal eingallen, wo ich ihn schon mal gesehen hatte: „Ex-Machina“, „Dredd“, „Anna Karenina“ und „Harry Potter“. Im Gegensatz zu Fassbender ist Gleeson unglaublich unscheinbar.

PD: Das macht seine Darstellung in „Frank“ aber umso geglückter. Wir sehen ihn zunächst bei seinen völlig missglückten Versuchen, aus seinen Alltagsbeobachtungen Songs zu kreieren und stolpert zufällig in die Band von Frank. Dass er sich diese immer mehr aneignet und am Ende einen beinahe größeren Anteil an der Außendarstellung von Soronprfbs hat, als Frank oder die von Maggie Gyllenhaal herrlich gespielte Clara, machen aus „Frank“ am Ende eher einen Film über Jon.

YP: Da will ich dir auch nicht widersprechen. Jetzt und nach „Frank“, habe ich zu Domhnall Gleesons Namen auch ein Gesicht und vice versa. „Frank“ ist ein herrlich kurzweiliges Vergnügen. Ein bisschen bizarr, ein bisschen verrückt und sehr witzig. Und die Komik ergibt sich oft aus den Situationen und dem Schauspiel.

PD: Bei Fassbender auch aus den Dialogen. Da er aufgrund seines Pappmaché-Kopfes über einen großen Zeitraum nicht zu sehen ist, greift das Drehbuch von Jon Ronson und Peter Straughan zu dem Kniff, Franks Gefühlslagen und seine Mimik per Dialog zu transportieren. Das sorgt für unglaublich komische Situationen, vor allem im Zusammenspiel mit dem in der Band wie ein Fremdkörper wirkenden Jon.

Am meisten gefiel mir die Zeit in der Waldhütte, als Frank seine Bandmitglieder mit bizarren Eindrücken konfrontiert und aus dem Geräusch einer sich schließenden Tür am liebsten ein ganzes Album machen würde. Dass er dann später immer wieder darauf hinweist, dass die meisten Zuhörer nicht wüssten, was sie bei einem Konzert erwartet, und sie nach ein paar Minuten beschließen würden, die Band zu hassen, ist ein Charakterzug der mir gefiel. Frank will zwar seine Kunst erschaffen, aber er will auch, dass diese von einem großen Publikum geliebt wird.

YP: Bei Frank war dieser Zwiespalt immer offensichtlich. Es ging ihm um Musik, die er ohne Rücksicht auf Verluste nur für sich selbst macht, aber sein Anspruch an das Publikum war auch immer vorhanden. Obwohl er dieses im Schaffensprozess nicht mit berücksichtigte.

Noch unglaublicher finde ich die Tatsache, dass sich der Film an eine wahre Geschichte anlehnt. Mark Kermode schreibt in seiner Guardian Review zum Film Folgendes: „To be clear: this is not the Frank Sidebottom story, in the same way that Todd Haynes’s I’m Not There was not a Bob Dylan biopic. Rather, it inhabits an alternative universe in which mimicry and tribute (the film is dedicated to Sievey) form their own kind of strangely sincere (un)truth; in which characters try on one another’s clothes, haircuts, and heads while striving to be somebody else; and in which it’s not entirely unusual for someone to be sexually attracted to Mannequins.“

Auch wenn ich keinen Vergleich zum real life Frank anstellen kann, da mir dieser vorher gänzlich unbekannt war, finde ich den Ansatz des filmischen Paralleluniversums und mit „I’m Not There“ treffend.

PD: Die Verbindung zu Frank Sidebottom – man vergleiche nur den Pappmaché-Kopf von Frank im Film und jenen von Frank im realen Leben – kannte ich bereits, aber ich hatte Sidebottom als Fernseh-Entertainer im Kopf und wusste nicht sehr viel über sein Schaffen. „Frank“ hat in diesem Sinne für mich mehr mit künstlerischen Alter Egos zu tun. Es ist eine Rolle, wie David Bowies Ziggy Stardust und eben jener kreative Prozess hat mir daran sehr gut gefallen.

Der Unterschied zu „I’m Not There.“ besteht rein aus formeller Sicht, dass „Frank“ ein viel geradlinigerer Film ist. Das Quasi-Bob-Dylan-Biopic erstreckt sich über mehrere Jahrzehnte und setzt auch noch auf verschiedene Stilmittel und Darsteller, um die verschiedenen künstlerischen Facetten greifbar zu machen. So unterhaltsam und gelungen „Frank“ dann auch ist, aber derart tief gräbt sich der Film nicht in die Psyche seiner Charaktere hinein.

YP: Bei „Frank“ geht es – besonders zum Schluss hin – um den emotionalen und mentalen Zustand seines namensgebenden Protagonisten. Anfangs glaubte ich, Franks Aufmachung mit dem Riesenkopf sei nur ein Gag. Zum Ende hin und schließlich und beim Gespräch mit Franks Eltern merkt man erst, welche Art von Selbstschutz der Kopf hat für den unsicheren Frank hat. Was nach Exzentrik anmutete, bekommt eine ganz neue Bedeutung und diesen Übergang meistert der Film ganz fantastisch, fast beiläufig, aber sehr gelungen.

PD: Dies kam recht unvermittelt. Der Zusammenbruch von Frank auf der Bühne und das exzentrische Verhalten von Clara, die Jon immerhin mit einem Messer ins Bein sticht, überdecken lange, unter welchem psychischen Druck all diese Charaktere stehen. So ist die Szene in Franks Elternhaus auch die bizarrste des ganzen Films. Diese bürgerliche Normalität, wirkt nach all den Erfahrungen, die das Publikum innerhalb dieser Band machte, wie aus einer anderen Welt.

Spannend fand ich auch, wie die Nutzung sozialer Medien in die Geschichte einfloss und wie sehr die Reichweite der Video-Aufrufe und Tweets überschätzt wurde.

YP: Die Einbeziehung sozialer Netzwerke hat mich nicht beeindruckt, da sich viele Filme mit einem jüngeren Publikum als Zielgruppe („Carrie“) oder älterem Publikum („Chef“) die sozialen Netzwerke eigen machen. Das ist nicht fortschrittlich, es spiegelt nur einen Zeitgeist wieder. Hier diente Twitter besonders für nette Punchlines, die Jons Internet-Alter-Ego von sich gab, vor allem während der herrlichen Episode im Wald. Die gehört nämlich auch zu meinem Lieblingsabschnitt von „Frank“.

Überhaupt gehört der Film für mich zu den gelungensten Filmen des Jahres. Die Mischung aus bizarrer Komik und zugänglicher Tragik ist eine willkommene Abwechslung zu den vielen Komödien, die wir sonst zu sehen bekommen („Ted 2“, „Magic Mike XXL“).

PD: Innovativ würde ich das nun auch nicht nennen, aber im Gegensatz zu „Chef“, wo die Nutzung von Twitter als Katalysator für den Erfolg dargestellt wurde, zeigte sich in „Frank“ eher die Verklärung dieser Nutzerzahlen. Jon und Frank glauben, dass ein paar Tausend Hits auf YouTube bereits mit überregionaler Popularität gleichzusetzen wären. Vor allem Jon befeuert dieses Trugbild und wie es dann am South by Southwest-Festival zerstört wird, hat mir gefallen.

„Frank“ gehört auf jeden Fall zu den gelungensten Komödien des Jahres und genau genommen zu jenen des Vorjahres, da wir ihn hierzulande mit einem Jahr Verspätung zu sehen bekommen. Ehrlich gesagt würde ich auch nur die herrlich verschrobene Thomas-Pynchon-Verfilmung „Inherent Vice“ darüber stellen. Vom Großteil der im Sommer angelaufenen Komödien habe ich mich ferngehalten, wie ich in diesem Sommer generell sehr wenig im Kino war.

YP: Über den Begriff „innovativ“ lässt sich vielleicht streiten. Was sich nicht abstreiten lässt: der Komödien-Sektor kränkelt, die Filme scheinen sich zu wiederholen oder der Humor darin teilweise unzumutbar wird („Ted“). Dann gibt es Lichtblicke wie eben „Frank“. Ich gehe ins Kino und weiß nicht, was mich erwartet. Zu meiner großen Überraschung komme ich unterhalten heraus. Filme wie „Frank“ gehören für mich zu den Filmen, die mich ins Kino locken. Bei der Masse an Komödien komme ich gar nicht soweit.

PD: Dem kann ich nur zustimmen.

Ex Machina

15 Freitag Mai 2015

Posted by filmimdialog in Filmdialoge

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28 Days Later, Alex Garland, Alicia Vikander, Domhnall Gleeson, Dredd, Ex Machina, Her, inside llewyn davis, Never Let Me Go, Oscar Isaacs, Transendence

Das britische Schriftsteller-Allroundtalent Alex Garland versucht sich bei „Ex Machina“ erstmals als Regisseur. Dem Kinopublikum unbekannt ist er bisher natürlich nicht, verfasste er bereits die Vorlagen zu Filmen wie „28 Days Later“, „Never Let Me Go“, „Sunshine“ und „Dredd“. Wie sehr Garland im Kino zu Hause ist und wie wohl er sich fühlt, sieht man seinem Debütfilm eindeutig an.

PD: Alex Garland hat mit „Ex Machina“ den Sci-Fi-Film erschaffen, den ich mir von „Transendence“ so erhofft hatte.

YP: „Transendence“ hat aber noch den Aspekt des Menschlichen immanent in der Figur Johnny Depps. In „Ex Machina“ geht die Maschine dem Menschen vor. Eher so wie in „Her“ würde ich sagen. „Ex Machina“ und „Her“ eignen sich herrlich für ein Double Feature, wohingegen „Ex Machina“ mehrere Fragen aufwirft. Spinke Jonze hat vielmehr an eine Romcom gedacht als an einen kritischen Sci-Fi-Streifen.

PD: „Her“ hätte ich auch als romantische Komödie im Sci-Fi-Gewand betrachtet. Sowohl bei „Transendence“ als auch bei „Ex Machina“ wird ja nicht nur die Frage der künstlichen Intelligenz behandelt, sondern auch, inwiefern sich diese auch selbstständig machen und gegen die Menschen wenden kann. Dabei profitiert „Ex Machina“ aber vor allem von dem Kammerspiel-artigen Aufbau. Die abgeschieden liegende Forschungseinrichtung von Nathan (Oscar Isaac) ist ideal dazu geeignet, um auch allerlei Parallelen zu „The Island of Dr. Moreau“ zu ziehen. Vor allem wenn man sich dann den weiteren Verlauf der Handlung ansieht.  Nathan und Caleb agieren ja doch auch ein wenig wie Moreau und Prendick im Roman von H.G. Wells.

YP: Dieses Kammerspiel ermöglicht es uns auch, Kernfragen (Künstliche Intelligenz, Objekt versus Subjekt) besser abzuhandeln, da der Fokus ziemlich konzentriert auf der Cyborg-Figur Avas (Alicia Vikander) liegt und ich sie fast als Gegenspielerin zu den zwei Männern aus Fleisch und Blut sehe.

Ich nehme jetzt vorweg, dass der Film Caleb und den Turing-Test gar nicht gebraucht hätte. Das Endergebnis, dass Ava sich aus den Fängen Nathans befreit, deutet doch bereits von übermäßiger emotionaler Intelligenz. Dann hätten wir aber auch keinen Film von 120 Minuten Filmlänge.

PD: Mir gefiel wie Garland sehr schnell den Rahmen festlegte. Er hätte von Calebs (Domhnall Gleeson) Alltag als Programmierer oder seinem Leben mehr zeigen können, doch stattdessen wird uns nur ein kurzer Blick in sein Büro gegönnt und schon stehen wir mit ihm vor dem versteckten Haus von seinem Chef, in das er hinabsteigt, wie in den Kaninchenbau. Daher funktioniert auch die zunehmende Paranoia Calebs, ob er nicht selbst ein Android ist.

Den Turing Test fand ich passend, da er nicht nur als Handlungskatalysator benutzt wurde, sondern auch die Dialoge zwischen Caleb und Ava definierte. Ihre Gespräche hatten vor allem Anfangs eine sehr gekünstelte und technische Note. Ganz als ob er sich mit einem Chat-Bot unterhalten würde. Erst im Laufe der Sitzungen beginnt Ava menschlicher zu klingen und auch mit Caleb zu flirten.

YP: Der Handlungsaufbau ereignet sich wirklich sehr zügig und dann befinden wir uns (das Publikum) mit Caleb plötzlich inmitten des Geschehens.Der Katalysator war ohnehin alleine die Existenz Avas, mehr hätte es überhaupt nicht gebraucht. Calebs Erscheinen hätte auch zufällig sein können.

Erschreckend und abstoßend fand ich Nathans Figur. Anfangs hatte ich so meine Schwierigkeiten dabei, wie ich an den Widerling Nathan herantrete, der vom mir sehr sympathischen Oscar Isaacs verkörpert wird.  Der größenwahnsinnige Schöpfer. Ich frage mich, warum jemand mit seiner Schaffensgabe ausgestattet dermaßen schonungslos verfahren kann. Er wirkt richtig als Sadist, ein bisschen unheimlich.

PD: Ein zufälliges Vorbeistolpern von Caleb wäre aber recht unwahrscheinlich gewesen. Natürlich war auch der Gewinn der Firmen-Lotterie unglaubwürdig, aber als Zuseher wusste man sofort Bescheid. Mir gefiel diese Grundlage für Calebs Anwesenheit. Er war ein Mittel zum Zweck. Für Nathan war er dadurch nicht mehr wert als die Maschinen, die er entwickelte. Womöglich sogar weniger, da er mit ihm nicht verfahren konnte wie er wollte. Auch wenn er ihn immer wieder schroff auf seinen Platz verwies.

Oscar Isaacs hatte ich vor „Inside Llewyn Davis“ gar nicht am Radar und mittlerweile freue ich mich über jeden neuen Film mit ihm (dass „A Most Violent Year“ gar keinen offiziellen Starttermin in Österreich bekam, finde ich sehr enttäuschend) und war auch von seiner Transformation zum bulligen und schroffen Genie begeistert. Wäre ich in einem Raum mit Nathan, dann hätte ich mich automatisch eingeschüchtert gefühlt. Schon die erste Begegnung, mit Nathan am Sandsack und Caleb ruhig und schüchtern hinter ihm stehend und auf die Erlaubnis mit ihm zu sprechen wartend, setzte die Dynamik der beiden für einen Großteil der Handlung fest. Nathan manipulierte sowohl Caleb, als auch seine Schöpfung.

YP: Meine Befürchtung ging zu Beginn in die Richtung, dass es darum geht, einem Mann dabei zuzuschauen, wie er seine Traumfrau erschafft, und sei sie nur ein artifizielles Objekt. Aber schnell löst sich Ava von ihrem Schöpfer und wird ihm sogar überlegen. Dabei spielt es schon eine Rolle, dass sie ein weibliches Wesen ist, denn dazu hat er sie explizit erkoren.

PD: Dieser Gedanke kam mir gar nicht. Ich wollte nur keinen Film sehen, in dem sich der weibliche Androide und der junge Mann ineinander verlieben. Zum Glück wird aber genau diese gegenseitige Anziehung benutzt, um einerseits festzulegen, inwiefern Ava über Intelligenz verfügt und auch um schließlich sowohl Nathan als auch Caleb zu überrumpeln. Gerade Nathan behandelt seine Schöpfungen, die er ja nicht zufällig als attraktive Frauen angelegt hat, wie Gefangene, die seinen Wünschen nachzukommen haben.

YP: Nie konnte Nathan den vollen Ausmaß seiner Schöpfung absehen. Das erinnert an „Frankenstein“ oder „Avengers: Age of Ultron“.

Sein primäres Interesse bestand darin, ein eigenständig denkendes Wesen zu erschaffen. Im aufklärerischen und Kant’schen Sinne liegen die Emanzipationsbestrebungens Avas natürlich auf der Hand und sind nicht weit hergeholt – gerade aus Calebs Intentionen abgeleitet. Für mich der mit Abstand interessanteste Aspekt des Films.

Alles andere – diese Optik, wo die Landschaft und das Interieur des Hauses die Handlung unterstreichen – ist schön anzusehen, aber dann doch nebensächlich. Das Setting ist aber auch äußerst interessant. Diese Villa ist inmitten der wilden unberührten Landschaft platziert – Metalle, Holz, Stein, Wassen – Natur verwoben mit den Räumlichenkeiten der menschlichen Architektur – augenscheinliches Synonym für das Eindringen der Menschen in die Natur. Wieder gleichzusetzen mit Nathans wissenschaftlichen Bestrebungen.

PD: Als irrelevant sehe ich die Optik ganz und gar nicht. Diese abgeschottete Landschaft und das Designer-Haus von Nathan sind ebenso Ausdruck seiner Psyche, wie seine betrunkenen Ausbrüche. Es wäre ein völlig anderer Film, hätte sich das Geschehen in einer Fabrik, mitten in der Stadt zugetragen.

Auf Nathan aber auch Caleb trifft ein Wort exakt zu: Hybris. Nathan ist von seiner eigenen Genialität derart berauscht, dass er niemals wirklich den Gedanken zu Ende führt, was es bedeutet, eine künstliche Intelligenz zu erschaffen. Wenn er bei einem Bier mit Caleb darüber spricht, dass die KI in Zukunft Menschen als nichts anderes denn als Affen sehen wird, ist das ein kurzer, aber nie von ihm wirklich zu Ende gedachter Gedanke. Caleb hingegen glaubt, dass nur er in der Lage wäre, Ava zu retten und übersieht dabei völlig, dass Ava seine „Hilfe“ gar nicht nötig hat, sondern ihn nur benutzt. Er ist in diesem Sinne auch nicht besser als Nathan, der seiner KI zwar Intelligenz aber dann doch wieder keine eigenständigen Handlungen zutraut.

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