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~ Dialoge über aktuelle und weniger aktuelle Kinofilme

Film Im Dialog

Schlagwort-Archiv: Francois Truffaut

Adieu au langage

16 Freitag Jan 2015

Posted by filmimdialog in Filmdialoge

≈ Ein Kommentar

Schlagwörter

3D, Adieu au langage, David Bordwell, Film socialisme, Francois Truffaut, Histoire(s) du cinéma, Jean-Luc Godard, Notre musique

Jean-Luc Godard beehrt die heimischen Leinwände wieder einmal und ist dabei kryptisch wie eh und je. Auch äußerst erfolgreich.

PD: Ich bin eher ein Anhänger des Francois Truffaut-Lagers, denn mir ist Godard oft zu abgehoben und unzugänglich. Vor allem Filme wie „Notre musique“ hat mich hauptsächlich abgestoßen. „Film socialisme“ habe ich überhaupt nur in der Fast Forward-Version betrachtet, aber mit „Adieu au langage“ bin ich überraschenderweise wieder mit ihm versöhnt.

YP: Jean-Luc Godards Werk ist so umfangreich, dass meine Beschäftigung mit ihm ohnehin auf einer sehr fragmetarischen Ebene stattfindet. Wie der Film „Adieu au langage“. Hier treibt er über fünfzig Jahre Film und Filmgeschichte auf einen künstlerischen Höhepunkt. Das Problem ist nur, dass es so reichhaltig war, dass der Kopf noch immer arbeitet und brummt, aber was für ein Film!

Mir gefällt der Gedanke an die Entwicklung, die er seit den 60ern (bzw. 50ern) gemacht hat. Vom Autorenfilmer zu jemanden, der eine eigene Filmsprache entwickelt hat. Bzw die bestehende Sprache verwerten kann.

PD: Bei all den Filmen die er gedreht hat, ist es natürlich kaum möglich, ein endgültiges Urteil abzugeben. So wie mir „À bout de souffle“ oder seine „Histoire(s) du cinéma“ gefallen haben, so wenig konnte ich mit „Pierrot le fou“ oder „Detéctive“ oder eben „Notre musique“ anfangen.

Was mir an seinem neuesten Film gefiel, war, dass er einerseits sich selbst inhaltlich treu geblieben ist, und den essayistischen Stil weiter voran trieb, dies aber mit einer Beschäftigung zur Filmtechnik verknüpfte. Wie er 3D einsetzte, war einfach atemberaubend.

Ich bin gespannt, wie mir dieser Film am heimischen Fernseher, in 2D gefallen wird. Immerhin funktionieren viele seiner 3D-Experimente mit überlagerten Bilder, deren Witz sich erst dadurch zeigt, dass man auf dem einen Auge Bild A und auf dem anderen Auge Bild B sieht.

David Bordwell hat dazu ja auch einige Gedanken geäußert.

YP: Leider muss ich hier Bordwell vollkommen recht geben, so habe ich 3D noch nie gesehen. Da stumpft jeder Blockbuster ab, hier wird nämlich die technische Errungenschaft erst richtig der Narration untergeordnet (was in Blockbustern auch der Fall ist), allerdings kennen wir hier keine Grenzen. Mich haben einige „Einstellungen“ mehrmals perflex zurückgelassen. Untergeordnet ist vielleicht auch das falsche Wort. Die Narration ist sehr einnehmend, vielleicht passt hier verknüpft besser. Auf jeden Fall verknüpft er die 3D besser in die Narration, zerrt an deren Bedeutungen, nimmt ein.

Witzig finde ich auch, dass zu Bordwell zitierst, weil ich wollte aus seiner Besprechung unbedingt dieses Zitat anbringen:

„Godard’s Adieu au Langage is the best new film I’ve seen this year, and the best 3D film I’ve ever seen.“

PD: So viel lobpreisen wie Bordwell möchte ich dann doch nicht. Es war die witzigste und interessanteste Behandlung eines Films mit 3D und noch dazu mit so offensichtlich einfachen Mitteln, wie ich sie zuvor nicht sehen durfte. Allerdings ist „Adieu au langage“ dann auch wieder, im Guten wie im Schlechten, ein typischer Godard-Essay.

Es bleiben so viele Filmminuten auf Plot-Ebene unzugänglich und undurchdringlich, dass es ein wenig frustriert. Das war etwa ein Grund, weshalb ich „Notre musique“ nicht mochte. Seine Verweise und Zusammenhänge wirken manchmal einfach beliebig und der überraschend platte Kack-Humor hat mich auch nicht überzeugt.

Aber vom klassischen Plot-getriebenem Kino hat sich Godard ja bereits mit „Week End“ verabschiedet.

YP: Warum stört dich das dermaßen? Die Bestäftigung mit dem Film ist eine umfangreichere. Finde den Plot nicht unzugänglich, finde ihn wenig ausgereift und in alle möglichen Richtungen interpretierbar. Keineswegs unzugänglich.

PD: Es sind die Auslassungen, die frustrieren können. Bei „Adieu au langage“ weniger, denn bei anderen seiner späten Filme, aber der Einwurf von Szenen eines anlegenden Schiffes oder seines Hundes, der in einer Wiese sein Geschäft verrichtet, scheinen weder auf einer technischen noch auf einer inhaltlichen Ebene irgendeinen Zweck zu erfüllen.

Vielleicht will Godard das hier ja auch nicht und es geht ihm nur darum, sich selbst zu unterhalten, aber das darf ich dann auch entsprechend uninteressant finden. Ganz im Gegensatz zu unglaublich lustigen Ausflügen ins Literaturhistorische, wenn er Lord Byron und Mary Shelley am Genfer See zeigt und die Feder aufs Papier drückt. Die kratzende Federspitze habe ich jetzt noch im Ohr und konnte mich vor Lachen darüber kaum halten.

YP: Der Film befasst sich mit Sprache in mannigfacher Form. Godard und Sprache, das ist das einzig Unzertrennbare hier. Für mich erfindet er Sprache, wägt Sprache ab, definiert Sprache. Salopp und simpel ausgedrückt. Was mich aber richtig berührt hat, ist, wie herzlich und wehmütig Godard mit dem geschriebenen Wort nach wie vor umgeht (Denken wir an die Einstellungen, in denen er Buch neben Handy inszeniert). Film und Literatur sind in „Adieu“ so inneinander verzweigt, dass sie untrennbar scheinen. Und doch will er mit dienem Film eine neue Beschäftigungsmöglichkeit andeuten.

Gerne würde ich den Film einmall stumm sehen. Und einmal schwarz. Dieser paradoxe Gedanke kam mir nach der ersten Sichtung.

PD: Den Film mal stumm und mal nur mit Ton zu sehen, wäre sicher interessant und wohl das genaue Gegenteil dessen, was Godard damit bezweckte. Allerdings würde es wohl sehr schön auf die verschiedenen Einflüsse hinweisen, die er in seine Arbeit einfließen ließ. Alleine die Referenzlisten, die durch das Internet geistern, gehen ja geradezu über vor Zitaten.

Es ist auch interessant, wie er mit Zwischentiteln und auch Untertiteln umgeht. Es ist immer ein wenig die Irreführung des Zusehers, die er im Sinn zu haben scheint. Das verstärkt sich durch die 3D-Ebene noch mehr, denn der Blick wird gleichzeitig in zwei verschiedene Richtungen gelenkt und dann soll man auch noch den Text und schließlich noch den Ton aufmerksam betrachten.

YP: Wollte er Bilder oder Worte wirken lassen, oder beides? Wie er die Rezeption akzetuiert hat, ist mir herzlich egal. „Adieu au langage“ ist nicht einfach.

PD: Das auf keinen Fall. Man muss schon bereit sein, sich ein wenig anzustrengen. Pure Berieselung gibt es hier nicht.

YP: Nein, wobei wir bei Godards Intentionen sind: Schön, zu sehen, dass sich jemand auch nach einem halben Jahrhundert noch einmal selbst erfinden kann.

PD: Das macht „Adieu au langage“ auch so sehenswert. Hier hat eine lebende Filmlegende sich noch einmal an eine neue Technik gewagt, und diese mit dem ihm eigenen Witz eingesetzt.

Deshalb bin ich schon so gespannt darauf, diesen Film in 2D zu sehen, um herauszufinden, ob die Wirkung auch ohne 3D-Brille so intensiv ist. Ich nehme es einmal an, denn er hat sich ja nicht rein auf Jahrmarktstricks á la „Kampf der Titanen“ eingelassen, sondern tatsächlich mit den Bildebenen experimentiert.

YP: Bei einer 2D-Sichtung hoffe ich mehr auf Vertiefung und Verlagerung auf die Zitat-Ebene.

PD: Es ist ja zudem eine erneute Betrachtung. Man kann sich also auf neue Elemente konzentrieren.

YP: Ein Fan von der spärlich bekleideten jungen Schönheit werde ich aber nie, das kann ich dir versprechen. Godard hin oder her.

PD: Die Nacktszenen sind zum Beispiel etwas, wie auch der Toiletten-Humor, der sich mir auch nicht erschlossen hat. Warum musste das dabei sein?

YP: Wobei die Metapher mit dem Kacken war witzig: „Auf der Toilette sind wir alle gleich“. Und das nackte Mädchen ist nicht allzu sexualisiert zu betrachten, den Beigeschmack des Male Gaze kriegt es aber nicht so schnell weg. Godard hat da ein Faible dafür, mir muss es nicht gefallen.

PD: Der Spruch „Auf der Toilette sind wir alle gleich“ war schon witzig, nur die entsprechenden Geräusche dazu waren unnötig und haben für mich den Witz ruiniert.

YP: Noch intimer als die nackten Personen und die Toilettenszenen waren seine Roxy-Aufnahmen. Das war sehr bewegend, wie er da sein Haustier, seinen Begleiter dargestellt hat.

PD: Neben „Fehér isten“ von Kornél Mundruczó, den ich im vergangenen Herbst am Let’s CEE-Festival gesehen habe, der nächste Film, dessen heimlicher Star der Hund des Regisseurs war.

Frances Ha

21 Freitag Mär 2014

Posted by filmimdialog in Filmdialoge

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Schlagwörter

Adam Driver, Frances Ha, Francois Truffaut, Girls, Greta Gerwig, Lena Dunham, Mumblecore, Noah Baumbach, Nouvelle Vague, Woody Allen

Mit „Frances Ha“ erschafften Noah Baumbach und Greta Gerwig einen Charakter, der weltweit die Independent-Szene in zwei diametral gegenüberliegende Lager teilte. Ist die Darstellung einer noch unsicher durch ihr Leben watenden Mitzwanzigerin authentisch, oder doch nur aufgesetztes Kunstkino? In unserem neuesten Dialog unterhalten wir uns über die unterschiedlichen Auffassungen zu diesem Kritikerliebling und auch über die unvermeidlichen Vergleiche mit dem HBO-Serienhit „Girls“.

Wie beinahe schon üblich, beinhaltet auch dieser Dialog wieder einige Spoiler.

YP: Was mir zu Beginn des Films aufgefallen ist. „Frances Ha“ hat durch die schnellen Schnitte und die vielen aufeinanderfolgenden Einstellungen einen Videoclip-Charakter. Musikbegleitung drüber und fertig ist das Musikvideo.

PD: Schön, dass du das gleich zu Beginn erwähnst, denn darin liegt für mich ein ganz großes Problem. Nicht dass es wie eine Abfolge von Musikvideos wirkt, sondern, dass es eher wie ein Imagevideo oder ein Show Reel für Greta Gerwig. Dabei möchte ich anmerken, dass sie dieses hervorragend zu nutzen weiß.

YP: Nein, so sehe ich das nicht. Wie schnell und kurzweilig die Geschichte voranschreitet, das empfand ich eher als positiv. Und es gelingt dem Publikum (zumindest mir), sich (mich) an die Figuren zu gewöhnen. Beispielsweise Frances, ihre beste Freundin Sophie, dann der von Adam Driver gespielte Mitbewohner. Mit allen kann man sich eigentlich anfreunden. Wie auch ihr Weihnachtsurlaub bei ihren Eltern daheim schnell abgefertigt wurde, das war einfach klasse.

PD: Anfreunden? Da ging es mir ganz anders. Ich konnte mit kaum einem Charakter wirklich etwas anfangen. Jeder dieser Charaktere war angefüllt mit betont humorvollen Neurosen oder Eigentümlichkeiten. Etwa Benji dessen Mantra „undateable“ spätestens nach der zweiten Wiederholung sehr aufgesetzt klang.

Zudem schien mir Adam Driver, so gern ich ihn als Schauspieler habe, einfach nur eine aufgewärmte Version seines Charakters aus „Girls“ zum Besten zu geben.

YP: „Mit den Charakteren anfreunden“ bedeutet für mich: Ich habe ein paar Jahre im Studentenwohnheim gelebt, mir sind immer wieder die verschiedensten Menschen über den Weg gelaufen. So kommt mir der Film vor. Einerseits eine Reise in die eigenen Vergangenheit, andererseits wieder ganz neue Figuren, die es zu entdecken gilt. Das mit Benjis „undateable“ ist darauf zurückzuführen, dass er offensichtlich ein Faible für Frances hat und damit nicht umzugehen weiß, aber auch wieder nicht wirklich weiß, wie er sich ihr annähren soll. Das fand ich eher süß.

PD: Ich habe auch einige Jahre im Studentenheim gelebt und erkenne auch einige Charaktere wieder, aber sie sind viel zu oberflächlich gestaltet.
An Frances gewöhnt man sich, denn man verbringt ja keine Sekunde des Films ohne sie. Dadurch war man fast gezwungen sich an sie zu gewöhnen. Das wurde durch das tolle Spiel von Greta Gerwig auch erleichtert, aber der Charakter von Frances war mir nicht sympathisch. Das Tanzen durch die Straßen von New York etwa, wirkte auch so aufgesetzt. In solchen Momenten dachte ich mir immer: Ja, das passiert nur im Film.

YP: Die Figuren in „Frances Ha“ finde ich prinzipiell zugänglicher als die Figuren aus „Girls“. Aus dem Grund, weil ich die Figuren in „Girls“ einfach so abgehoben finde. Das ist dann für mich weniger nachvollziehbar, und weitaus weniger Identifikationspotential vorhanden. Wobei in „Frances Ha“ erkenne ich Mitmenschen, Situationen, Gespräche aus meinem eigenen Leben wieder.

PD: Interessant, denn ich finde die Figuren in „Girls“ und „Frances Ha“ geradezu austauschbar. Nur dass Lena Dunham ihren Charakteren mehr Tragik zugesteht und auch mehr Drama. Bei Noah Baumbach und Greta Gerwig besteht das Leben rund um Frances aus ein paar humorvollen aber belanglosen Gesprächen.

Was mich an den Charakteren so stört, ist, dass sie rein auf gewisse Eigentümlichkeiten herunter gebrochen werden. Adam Driver ist der Frauenheld, Benji der Typ der „undateable“ sagt und so weiter. Selbst Frances bleibt völlig hohl. Es dreht sich alles darum, dass man sich in der Situation hoffentlich wieder findet, dabei ist das Rundherum völlig leer.

YP: Die meisten Freundschaften im Studentenwohnheim waren oberflächlich. Von 100 Leuten, die ich dort getroffen habe, habe ich noch mit max. fünf Kontakt. Also passte diese Darstellung auch gut für mich. Manche Menschen sind austauschbarer als andere.

Und dieses Faseln und Geschwafel („mumblecore“), ist  zwar irre peinlich und total schlimm, aber ich habe das am eigenen Leibe einfach so oft miterlebt. Darum trifft der Film auch den Nerv dieser Zeit. Und so treffend. Pointiert.

PD: Nur bleiben Frances und ihre Freundin Sophie genauso oberflächlich.

YP: Was Frances und Sophie betrifft: Da ist die Phase der Verbundenheit, und irgendwann lebt man sich auseinander, weil das Leben einen auseinanderdriftet.

Eines muss ich sagen, mir hat Sophie – als die „Erwachsene“ von den beiden – fast genauso leid getan wie Frances, die ihr Leben noch nicht so ganz genau herausgefunden hat.

PD: Mir taten weder Frances noch Sophie leid, denn außer ein paar unangenehmen und auch peinlichen Begebenheiten, ist nichts von allzu großer Tragik passiert. Frances betont zwar immer, wie arm sie ist, später reist sie aber dennoch einfach mal kurzentschlossen nach Paris zu einem Kurztrip.

Es ist alles von erschreckender Belanglosigkeit. So wie auch der Weihnachtsbesuch bei den Eltern. Der zog, so wie Baumbach den ganzen Film inszeniert, schlicht an mir vorbei, ohne einen großen Eindruck zu hinterlassen, außer dass die Eltern sich offenbar mit ihr verstehen.

Da habe ich mit Baumbachs Zynismus in „Greenberg“, ein viel abgründigerer Film mit einer ebenso tollen Rolle für Gerwig, viel mehr anfangen können.

YP: Ich habe keinen anderen Film von Baumbach gesehen. Also kann ich keine Vergleiche ziehen.

Ausgesprochen gut gefällt mir der Film auch deswegen, weil er eine – meine – Generation einfängt.  So wie eben die Serie „Girls“. Es werden junge Menschen gezeigt, die sich verdammt schwer tun, sich in Schubladen und Muster hineinpressen zu lassen. Auch der Zustand des „Schwebens“ wird nicht so verteufelt … oder eben doch. Wie auch immer. Für mich ist das ein konkretes Abbild meiner Generation.

PD: Dieses Abbild erkenne ich ganz und gar nicht. So sehr ich mich theoretisch mit den Wirrnissen identifizieren müsste, erscheint mir alleine die Machart des Films völlig ungeeignet dafür dies auch stimmig einzufangen.
Alleine die weich gezeichnete Schwarzweiß-Fotografie, die an Francois Truffaut und Woody Allen erinnern soll, sagt jedoch mehr über den Filmemacher aus, als über die Charaktere die im Film zu sehen sind. Da kann ich mit den Figuren aus „Girls“, auch wenn ich mit deren Lebensentwürfen wenig gemeinsam habe, viel mehr anfangen.

YP: Woody Allen hat in „Annie Hall“ und „Manhattan“ nichts anderes gemacht, als über Leben und Liebe zu schwafeln. Bloß war Woody Allen Ende 30, Anfang 40 und hat sich seine Depression eingestanden. In Frances erkenne ich einen Charakter, der seine Depressionen NICHT zum Thema machtl. Das ist in gewisser Weise überaus charmant. Wie eben erst kleine Dinge und auf den ersten Blick unbedeutende Dinge das gesamte Leben umkrempeln können und es nicht immer irgendwelcher weltbewegenden Situationen bedarf.

PD: Na ja, das meine ich ja auch. Baumbach inszeniert den Film in dieser Art und Weise à la Woody Allen und à la Nouvelle Vague, da er schlicht an die nostalgische Erinnerung an diese Art von Filmen anknüpfen möchte.

YP: Ich liebe die Serie „Girls“, aber Hannah Horvath (Lena Dunham) ist eine privilegierte junge Frau. Sie hält sich zwar in diesem Café auf, aber arbeiten sieht man sie selten. Frances wiederum muss für ihre Miete arbeiten. Das ist in „Girls“ einfach zu nebensächlich, es erinnert mich manchmal zu sehr an „Sex and the City“. Niemand arbeitet. Oder nur nebensächlich. In „Frances Ha“ ist das schon ein Thema.

PD: Die Miete ist tatsächlich Thema, aber wie ich schon vorher kurz erwähnte. Frances spricht sehr viel darüber, dass sie arm ist und sich nicht einmal die Miete leisten kann. Dennoch sieht man sie so gut wie nie arbeiten und auf Teufel komm raus fliegt sie mal nach Paris. Sie mag nicht dem privilegierten Elternhaus von Hannah entstammen, aber in „Girls“ wird Hannah von ihren Eltern sehr deutlich darauf hingewiesen, dass sie die Tochter nicht länger durchfüttern können.

Woher Frances, obwohl sie ja kaum arbeitet, ihre finanziellen Reserven schöpft, bleibt völlig unklar.

YP: An den Lebensumständen, den unausgegorenen … Keine Wohnung, jobmäßig sehr schlecht unterwegs, ihre Beziehungen sind nebensächlich.

PD: Dass die Beziehungen nebensächlich sind, fand ich schön. Das Gespräch mit ihrem Freund und der Anschaffung zweier Katzen war herrlich. Das war toll gespielt und geschrieben.

YP: Weil sie sich wegen Paris so verschuldet hat, muss sie ihre Eltern um Geld bitten, zudem nimmt sie deshalb diesen furchtbaren Sommerjob an. Paris war eine Kurzschluss-Reaktion, die bittere Folgen hat. Und man sieht sie ständig arbeiten: Tanzen und Choreografieren.

PD: Die Details wie sie zu Geld kam, finde ich, liegen nicht so klar offen. Sie hat Gespräche mit ihren Eltern, die bleiben aber eher vage.

Man sieht sie übrigens nicht ständig arbeiten. Sondern zumeist tanzen. Erst als sie an ihrem alten College nicht mehr mittanzen darf, ist auch tatsächlich so etwas wie ein emotionaler Tiefpunkt zu spüren. Die Choreografie kommt ganz am Ende, wenn sie ihren Weg gefunden hat und die Erzählung zum Abschluss kommt.

YP: Sie unterrichtet junge Mädels beim Ballett, da sieht man sie öfter. Und Geld ist ständig Thema. In einer Tour. Dass sie nicht nach Tribeca ziehen kann, dass sie statt 1200 Dollar Miete nur 900 zahlt, dass sie eine Steuerrückzahlung bekommt, dass sie noch nie in Europa war, usw.

PD: …aber das sind Kleinigkeiten. Mich hat viel mehr gestört, wie Baumbach den Film inszenierte.

YP: Ok, die Inszenierung ist sicher gewöhnungsbedürftig, aber das fand ich dann wieder originell!

PD: Merkwürdigerweise empfand ich das nicht so. Das mag am Stil von Baumbach gelegen haben. Die Ereignisse zogen einfach an mir vorbei, ohne dass sie einen Eindruck hinterließen.
Originell fand ich das nicht.

YP: Gibt es etwas, was dir eigentlich gefallen hat am Film?

PD: Was mir gefiel war Greta Gerwig. So gewöhnungsbedürftig ich den Film fand, konnte ich keine Sekunde daran zweifeln, einer eindrucksvollen Performance zuzusehen. Dass ich ihren Charakter nicht toll fand (und jenen fast aller Nebenfiguren ganz und gar nicht), mindert in keiner Weise ihre darstellerische Leistung.

YP: Ich konnte keinen Charakter wirklich ausstehen, manche Gespräche haben bei mir ziemliches Unwohlsein verursacht, ich fühlte mich einerseits ertappt, andererseits mittendrinnen.

PD: Es fehlte jegliche Fallhöhe. In „Frances Ha“ sehen wir eine Frau die nach ihrem Weg sucht, ein wenig auf dem Weg schlingert und am Ende glücklich und zufrieden ankommt.

YP: Hm, interessant. Den Schluss, also mit Wohnung und einem Ziel vor Augen, fand ich dann auch eher: Jetzt beginnt das richtige Leben.

PD: Sie ist vor allem glücklich lächelnd im Büro zu sehen und wohnt ihrer Choreografie bei, zu der sie beglückwünscht wird. Da wirkt sie befreit und gelöst.

YP: Ja, aber nur weil sie sich mit ihrer Zukunft abgefunden hat, nicht weil das Alles jetzt so supertoll ist.

PD: Findest du? Sie hat ja auch kaum Initiative gezeigt, was ihre professionelle Karriere als Tänzerin angeht. Eben weil sie offenbar gar nicht sicher war, ob sie das will.

YP: Was sie will, ist Tänze choreografieren, das kommt in mehr als einem Gespräch heraus. Bloß verfolgt sie dieses Ziel aus Unzufriedenheit nicht. Wahrscheinlich auch, weil sie mit dem restlichen Leben überfordert ist.

PD: Sie will „auch“ choreografieren. In anderen Gesprächen klagt sie darüber, dass sie nicht in dem Bereich arbeitet, in dem sie arbeiten möchte und zwar als Tänzerin.

YP: Das Ende des Films zeigt dann den Beginn des restlichen Lebens von Frances Ha. Kein auflösendes Happy End.

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