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Burgess Meredith, Creed, John G. Avildsen, Raging Bull, Rocky, Southpaw, sylvester stallone, Talia Shire, The Wrestler
Bevor mit „Creed“ das neueste Kapitel in der „Rocky“-Saga in unseren Kinos startet, widmen wir uns dem ersten Teil. Der Film, der die Karriere von Sylvester Stallone startete und aus ihm einen Oscar-nominierten Schauspieler und Autor machte. Doch kann nach so vielen Jahren die Aufsteiger-Story weiterhin überzeugen?
PD: Ich bin ja zwiegespalten, wenn es um das Genre des Boxfilms geht. Wenn der Film gut gemacht ist, dann tauche ich richtig in die Erzählung ein, aber meine Toleranz ist sehr gering.
YP: Das ist ein Sport (!), dem ich nicht und nie viel abgewinnen konnte. „The Wrestler“ aus 2008 von Darren Aronofsky ist zwar kein Boxerfilm, aber der einzige Film einer ähnlichen Sportart, den ich mir öfters ansehen kann.
Der Reiz am ersten Teil von der sechsteiligen „Rocky“-Reihe liegt auch hauptsächlich darin, welche Ausmaße der Kult drum herum angenommen hat und was der Film aus dem damals 28-jährigen Sylvester Stallone und seiner Karriere gemacht hat. Immerhin stammt auch das Drehbuch zum ersten Teil aus seiner Feder. Das beeindruckt mich immer wieder.
PD: Stallone gehört auch zu dem sehr exklusiven Kreis der Männer, die sowohl für ihre Leistung als Hauptdarsteller wie auch als Drehbuchautor für den Oscar nominiert wurden. Orson Welles („Citizen Kane“), Charlie Chaplin („The Great Dictator“) und eben Sylvester Stallone. Dass er bis heute das damals in „Rocky“ gemachte Versprechen nach einer Karriere als Charakterdarsteller nicht eingelöst hat, gehört ja mittlerweile zum eigenwilligen Reiz dieser Filme.
Der allererste „Rocky“ zeigt einen völlig unverbrauchten und frei aufspielenden Stallone. Sein Spiel wirkt so natürlich, dass ich mir niemals die Frage stellte, wieweit er sich für die Rolle des einfachen aber anständigen Rocky hat verbiegen müssen. Das gilt auch für Burgess Meredith als dessen Ersatz-Vaterfigur Micky. Darüberhinaus reizt mich an guten Boxer-Filmen wie „Rocky“ oder „Raging Bull“ allerdings mehr der Hintergrund der Sportler. Die Boxerei selbst ist meist eintönig.
YP: Wie konnte ich nicht an „Raging Bull“ als einen der besten Filme in diesem Boxer-Genre denken?
Das ist auch der Aspekt am ersten „Rocky“, der mir besonders gefiel: das Greifen nach den Sternen, die Vehemenz des Trainings, Stallones bodenständiges Spiel. Der Plot darin ist auch sehr linear und unspektakulär. „Rocky“ kam 1976 ins Kino und doch sind so viele Filme davon inspiriert.
PD: Scorseses Film ist auch jener, mit den besten Boxszenen. Der funktioniert auf allen Ebenen.
Bei der erneuten Ansicht von „Rocky“ musste ich auch immer wieder an John Travolta in „Saturday Night Fever“ denken. Beide Filme handeln von Männern aus dem italo-amerikanischen Arbeitermilieu, die auf ihren Spezialgebieten (Boxen hier, Tanzen da) nach ein wenig Ruhm und Glanz suchen. „Rocky“ ist dabei optimistischer und lässt seinen Charakteren mehr Hoffnung, was sich allein schon am sehr knapp ausgehenden Kampf zwischen Rocky und Apollo Creed zeigt, aber auch an der Liebesbeziehung mit Adrian (Talia Shire).
YP: Dein Vergleich ist nicht nur treffend, sondern auch witzig. Vor allem, weil Rocky Balboa in einer Szene auf Adriens Frage, warum er denn boxt, sagt, dass er weder Singen noch Tanzen könne. Also bleibt ihm nur das Boxen als einzige Möglichkeit, aus dem Milieu zu entkommen. Als Tänzer – metaphorisch – im Boxring. Und dann verfolgt er den amerikanischen Traum mit Hingabe und Leidenschaft. Mit hoffnungsfrohem Ausgang.
PD: Wobei er im Film ja anmerkt, dass er immer schon eine furchtbare Beinarbeit gehabt hätte. Der große Tänzer á la Muhammad Ali ist er auch im Boxring nicht.
„Rocky“ ist im Vergleich auch besser gealtert, obwohl die Inszenierung von John G. Avildsen relativ bieder wirkt. Er verließ sich auf die Strahlkraft der universell einsetzbaren „Vom Tellerwäscher zum Millionär“-Geschichte, und zudem auf das Schauspiel. Im Rückblick, vor allem wenn man bedenkt wie Stallones Karriere verlief, erscheint es geradezu komisch, dass Roger Ebert ihn damals mit einem jungen Marlon Brando verglich.
„Saturday Night Fever“ hingegen, ist allein schon wegen des Fokus auf die Disco-Szene derart mit seiner Zeit verbunden, dass er eher wie ein Zeitkapsel wirkt.
YP: „Rocky“ ist – im Gegensatz zum Hauptdarsteller – würdig gealtert, aber bewahrt sich – im Gegensatz zum Hauptdarsteller – diesen Charme der Siebziger Jahre ziemlich gut. Diesen Film habe ich insgesamt drei Mal gesehen, Mitte der Neunziger, Mitte der Nullerjahre und kürzlich. Mir gefällt er heute besser als früher, da er mit den Jahren einfach auch an Bedeutung im Film-Kanon gewonnen hat. Stallones Karriere mit Brandos zu vergleichen ist vielleicht ein Treppenwitz, aber der Mann ist noch immer im Geschäft. Das ist beeindruckend.
Außerdem gehen Boxer-Filme scheinbar nicht aus der Mode. Ganz im Gegenteil, wie Pilze sprießen sie regelmäßig aus dem Hollywood-Boden. Wohl auch darauf zurückzuführen, dass Boxen eben eine populäre Sportart mit breiter Mainstream-Wirkung ist. Erst letztes Jahr erschien „Southpaw“ mit Jake Gyllenhaal. Egal, ob Russell Crowe, Denzel Washington oder Will Smith, jeder dieser Darsteller hat sich schon mal in so einem Film versucht. Nicht zu vergessen Clint Eastwoods „Million Dollar Baby“ mit Hilary Swank. Der wiederum steht durch die weibliche Besetzung fast einzigartig in diesem Genre da.
PD: Mir gefällt „Rocky“ im Vergleich zu früheren Sichtungen auch immer besser, was mich jedoch bislang dennoch nicht dazu führte, den Fortsetzungen von Teil 2 bis Teil 5 eine Chance zu geben. Einzig der äußerst nostalgisch verbrämte „Rocky Balboa“ hat mich dazu gebracht, auch den Originalfilm wieder einmal anzusehen. Es ist für mich nicht nur der Charme der damaligen Machart, sondern auch die Naivität und Authentizität der Darstellungen.
Sehr schön, dass du „Southpaw“ erwähnst, denn diese Box-Genre-Schablone ist ein perfektes Beispiel dafür, dass ein bereits erprobtes Handlungsmuster nicht automatisch zu einem tollen und einnehmenden Film führt. Gyllenhaal als abgestürzter Box-Weltmeister und Forest Whitaker als sein Trainer, können sich bemühen, aber die Inszenierung Antoine Fuquas ist die reinste Genre-Parodie.
YP: Genau so sehe ich das auch. Wenn ich an das Genre Boxerfilm denke, dann fallen mir doch einige Vertreter dieser Gattung ein, aber keine Handvoll Filme – und zu denen gehört nun mal „Rocky“ dazu – schaffen es, auch nicht so Box-Affine Menschen wie mich dafür zu begeistern.