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Schlagwort-Archiv: Künstliche Intelligenz

Transcendence

09 Freitag Mai 2014

Posted by filmimdialog in Filmdialoge

≈ 3 Kommentare

Schlagwörter

Captain America, Christopher Nolan, Inception, Johnny Depp, Künstliche Intelligenz, Rebecca Hall, Transcendence, Wally Pfister

Ursprünglich wollte Christopher Nolan inszenieren, hat dann aber „Interstellar“ übernommen und Wally Pfister „Transcendence“ angetragen. Dieser konnte sich bei Filmen wie „Inception“ bisher einen Namen als Kameramann machen. Wie sich das auf Wally Pfisters Regiedebüt ausgewirkt hat und wie viel von Nolans Einfluss außerdem noch im Film steckt, wollen wir folgend besprechen.

YP: Ob du es glaubst oder nicht, mir hat der zweite „Captain America“ besser gefallen als „Transcendence“

PD: Inwiefern hat dir „Captain America“ besser gefallen?

YP: Erstens gibt es Ähnlichkeiten im Plot zwischen „Captain America“ und „Transcendence“. (Das Bewusstsein bzw. das gesamte Denkvermögen und Wissen von jemanden wird virtuell hochgeladen. Welche Sicherheits-Gefahren die virtuelle Welt mit sich bringt usw.) Zwar ist „Transcendence“ schöner anzusehen, aber die Comicverfilmung hat mehr Schmäh und macht dadurch auch mehr Spaß.

PD: Gut, diesen Vergleich kann ich nun nicht ziehen, da ich den neuesten „Captain America“-Film noch nicht gesehen habe. Ich stimme aber auf jeden Fall darin zu, dass „Transcendence“ nicht unbedingt ein humorvoller Film geworden ist.

YP: Nicht nur nicht humorvoll, das muss er nicht. Aber auch so ist der Film absolut zäh und langweilig. Konnte mich kaum mitreissen und ließ mich unbeeindruckt zurück. Schön und gut, er wirft ein paar Fragen auf, über die es sich nachzudenken lohnt. Das wars dann auch.

PD: Keineswegs. So sehr das Debüt von Wally Pfister auch narrative Probleme hatte (und davon gibt es ja doch einige), aber langweilig fand ich ihn keineswegs. Gestört hat mich eher, dass Pfister so viele interessante Themen anschneidet, aber nicht gründlich vertieft, sondern sich stattdessen auf die „Liebesgeschichte“ zwischen Will (Johnny Depp) und Evelyn (Rebecca Hall) versteift und genau darin liegt das Problem. Die emotionale Seite des Konflikts Künstliche Intelligenz vs. „echte“ Gefühle ist sehr schnell ausgearbeitet, alle anderen Aspekte bleiben viel zu oberflächlich.

Im Gegensatz dazu hat „Her“ den richtigen Zugang gefunden, und sich einfach auf einen Aspekt konzentriert.

YP: An „Her“ musste ich auch öfters denken, da der Vergleich auf der Hand liegt. Zugegebenermaßen, ich habe mir jetzt auch kein „Inception“-Spektakel erwartet, aber dadurch, dass der Film keinen roten Faden, bzw. Hering, findet, verliert er mich als Zuseherin. Es hätte nicht schlecht getan, hätte sich die Story mehr auf die Terror-Gruppierung konzentriert, denn auf Evelynes und Wills Beziehung. Die so keine war, sie hat mit einem Computer gesprochen, und es war unmissverständlich, dass es sich um einen Computer gehandelt hat. Erst zum Schluss kippte das um.

PD: Da muss ich dir widersprechen, ich finde das war ein spannender Aspekt, dass man sich eben die Frage stellen musste, ob es sich nun tatsächlich um Will, um eine Simulation von Will oder um eine computerisierte Fortführung von Wills Bewusstsein handelte, mit der Evelyn es zu tun hatte. Seine Reaktionen speisten sich aus den Erinnerungen, die ihm mitgegeben wurden, aber inwiefern er doch noch dem Menschen glich, der er war, ob er nur eine Simulation war oder doch ein weiter entwickeltes Wesen, das war bis zum Schluss nicht klar, sondern oblag dem Zuseher. Ich interpretierte die Entwicklungen in Nano-Technologie und der Transzendenz, mit der Will die Welt überziehen wollte, als die Handlungen eines neuen, eigenständigen Wesens.

Was die Terrorgruppe R.I.F.T. angeht. Zu Beginn hatte ich mich schon über deren Präsenz gefreut, da ich an die Terrorgruppierung aus David Cronenbergs „eXistenZ“ denken musste, aber mehr als ein nie klar ausformulierter Nebenplot, waren sie dann doch nicht. Das gefiel mir an Will als Künstliche Intelligenz. Er war nie wirklich ein Bösewicht. Genauso wie die Menschen nie wirklich die Guten waren. Es blieb alles im Graubereich.

YP: Ein Bösewicht war er nicht im traditionellen Sinne, aber Gutes getan hat er auch nicht. Seine Armee bestand aus Menschen, die er sich zunutze und willig gemacht hat. Er hat sie manipuliert, sie von sich abhängig gemacht. Dieser Aspekt seines Charakters hat mir nicht gefallen, ob es Wills Intelligenz war oder irgend eine artifizielle Computer-Intelligenz. Für mich war das ein Indiz dafür, dass es nicht der Mensch Will sein kann. Und so wie sich Evelyn von ihm distanziert hat, war er es auch nicht. Das Ende ist mir obendrein zu sentimental angehaucht gewesen. Echter Will hin oder her.

PD: Das ist ein schöner Punkt, der nicht schwarz-weiß inszeniert wurde. Einerseits hilft Will den Menschen, indem er sie von ihren Krankheiten heilt, andererseits infiltriert er sie und – in bester „Invasion of the Body Snatchers“-Manier – benutzt sie. Doch seine „Armee“ wird erst aktiv, als die US-Army mit ihrem Angriff beginnt. Es ist nicht klar, ob er überhaupt irgendwelche Pläne mit ihnen hatte.

Das Finale war mir auch zu sentimental, wie auch der Score von Mychael Danna zuweilen viel zu sehr ins Sentimentale kippte. Für jeden musikalisch grandios untermalten Moment (da kamen ein wenig Erinnerungen an den tollen Soundtrack von Steven Soderberghs „Solaris“-Remake hoch) gab es einen ebenso furchtbar-klebrig-süßen.

YP: Willst du damit sagen, dass sein Größenwahn ausschließlich im Dienste der Erforschung der Nanotechnologie stand?

PD: Die Problematik, wie er die Nanotechnologie eventuell einsetzt, ist natürlich sehr negativ besetzt und passt ins beste „Großer böser Bösewicht“-Schema. Doch auch hier: Er regeneriert die Umwelt, reinigt Flüsse und Ozeane, lässt Wälder von Neuem wachsen. Es ist ein schmaler Grat auf dem all diese Entwicklungen stattfinden. Die Angst, dass Will damit nur seinem eigenen Größenwahn dienen würde, stammt auch wieder von den Menschen.

YP: Offensichtlich haben wir beide diesen Aspekt ganz anders aufgefasst. Die Stärke des Films lag im Cast – wobei ich hier Johnny Depp herausnehme  – und in den Bildern. Auch wenn Christopher Nolan nur als Executive Producer angeführt wird, der Nolan-Schriftzug ist nicht zu leugnen.

PD: Ja, der Cast ist ein Hauptpunkt, weshalb man sich den Film ansehen soll. Dabei hat Depp zwar den Starfaktor und über ihn wird der Film auch verkauft, aber er verbringt den Großteil des Films doch relativ starr auf einem Computerscreen. Die Kameraarbeit von Jess Hall hat mich hingegen ein wenig enttäuscht. Es waren einige schöne Aufnahmen dabei, aber da ist man von Wally Pfister als Kameramann einfach mehr gewohnt.

Nolans Einfluss ist zwar nicht zu übersehen, aber im Gegensatz zu seinen Filmen, gefiel mir an „Transcendence“, dass es nicht in einem endlosen Actionfinale endete. Die Logiklöcher in der Handlung sind nicht gerade förderlich, für das Gelingen des Films. Darunter leiden dann auch ganze Charaktere, wie etwa die von Kate Mara gespielte Terroristin, oder Cillian Murphys FBI-Agent.

YP: Der Film wirft interessante Punkte auf, über die man sich Gedanken machen kann. Zum Beispiel die Gesellschaft ohne Internetzugang und was es bedeutet, ständig vernetzt und online zu sein. Außerdem das Expandieren des Bewusstseins. Ich kann nicht leugnen, dass da ein gewisser Reiz immer mitschwingt. Aber mich ließ der Film komplett leer zurück und ich hatte Schwierigkeiten dabei, gedanklich nicht abzudriften. Kathartische Action-Sequenzen à la „Captain America“ brauche ich bestimmt nicht, aber in „Transcendence“ passt für mich einiges nicht zusammen.

PD: Die Internetlosigkeit hat mich gar nicht so sehr interessiert. Viel mehr wie leicht es für Will war, an der Wall Street Geld zu verschieben, was der nächste Schritt in der Evolution wäre, würde eine künstliche Intelligenz mit den Ressourcen von Will Forschung vorantreiben und so weiter. Es ist im Grunde die etwas pessimistischere und weniger romantische Version von „Her“. Genau genommen kann man die beiden Filme auch hintereinander in einem Double Feature betrachten.

Was nicht zusammenpasst, sind eben die vielen Logiklöcher. Wie kann etwa niemand von der Regierung bemerken, dass in der Wüste eine riesige Serverfarm aus privaten Mitteln entsteht? Woher kam das Geld? Hat niemand untersucht, wie das Geld an der Wall Street verschoben wurde? Wieso wird über die Jahre nicht einmal versucht, Will aufzuspüren, oder Evelyn?

YP: Das mit dem Geld hat mich auch beschäftigt, sie wird Multi-Millionärin, ihr Unternehmen macht unglaublich hohe Summen an der Wall Street und niemanden fällt es auf, es kommen keine Journalisten usw. In der Wüste entsteht ein technologisches Babylon und niemand kommt dem auf die Schliche. Da ist weggelassen worden, aber es fehlt dann auch dem Publikum, damit die Geschichte ein rundes Ganzes ergibt.

PD: … und die Terrorgruppe entführt Wissenschaftler und mordet sich durch die Gegend, aber der Kern bleibt unbehelligt, obwohl die Behörden ja offenbar wissen, wo die sich herum treiben.

…und warum hat das FBI einfach nichts getan in etwa fünf Jahren? Der von Cillian Murphy gespielte Agent, wurde ja mehr oder weniger darüber informiert, dass bei der Fahndung nach Terrormitgliedern, das Bewusstsein von Will sich ins FBI-System gehackt hat, und es passiert…nichts. Niemand wird dadurch nervös, oder einfach nur aufmerksam. Das fehlt, aber dafür hätte es noch viel mehr Zeit nötig gehabt, oder einen Regisseur, der über solche Logiklöcher geschickter darüber inszeniert und nicht einfach nur woanders hinschneidet.

YP: Nichtsdestotrotz bleibt der Film ein ambitioniertes Regiedebüt von einem exzellenten Kameramann. Gute Regisseure fallen nun mal nicht vom Himmel. Nicht wie die Regentropfen.

PD: Da hätte die Nanotechnologie von Will vielleicht geholfen.

Gerade deshalb stehe ich dem Film vielleicht etwas milder gegenüber. Es ist ein sehr ambitioniertes Projekt, dass einfach die vielen großartigen Ideen nicht gut genug umzusetzen weiß. Leider.

YP: Das verstehe ich schon, aber mich um mein Kinovergnügen zu bringen, stimmt mich nicht sonderlich milde. Da kenne ich kein Pardon.

PD: So ging es mir eben mit „Noah“. Da fühlte ich mich um mein Kinovergnügen gebracht. Bei „Transcendence“ hatte ich zumindest das Gefühl, dass hier etwas versucht wurde. Der Film, so viele Fehler er auch in sich trägt, brachte mich zum nachdenken und zum grübeln.

Her

04 Freitag Apr 2014

Posted by filmimdialog in Filmdialoge

≈ 3 Kommentare

Schlagwörter

amy adams, Her, Joaquin Phoenix, Künstliche Intelligenz, Olivia Wilde, Rooney Mara, Scarlett Johansson, Spike Jonze

„Being John Malkovich“, „Adaptation“, „Where the Wild Things Are“ und nun die Sci-Fi-Romanze „Her“. Das Oeuvre von Spike Jonze, der für seine jüngste Arbeit einen Oscar für das Beste Drehbuch erhielt, ist geprägt von einem beeindruckenden Stilwillen. Doch nicht einzig sein leicht identifizierbarer Stil, sondern auch Fragen nach künstlicher Intelligenz und dem menschlichen Auseinanderdriften in einer technologisch fortgeschritteneren Gesellschaft sind die Themen unseres neuen Dialogs.

YP: Also da stand doch überall groß „Lost in Translation“ geschrieben …

PD: Findest du? Inwiefern?

YP: Die Großstadtaufnahmen. Die zwei etwas verlorenen Seelen, verschlungen vom großen Ganzen. Die Probleme in der zwischenmenschlichen Kommunikation. Sofia Coppola hatte doch einen großen Einfluss auf Jonze, das sieht man dem Film an. Es stört aber nicht. Beide Filme eignen sich für ein Double Feature.

PD: Jetzt wo du es erwähnst, kann ich mir eine Doppelvorführung der beiden Filme sehr gut vorstellen. Vor allem da auch noch Scarlett Johansson als verbindendes Element mit hinein spielt. Doch an „Lost in Translation“ musste ich während des Films ganz und gar nicht denken.

Meine Gedanken verliefen eher in Richtung „Eternal Sunshine of the Spotless Mind“. Zudem nimmt bei Coppola die Stadt einen sehr großen Teil der Erzählung ein, während bei Jonze diese futuristische Stadt (mit ihren asiatischen Einschüben) eher dezent im Hintergrund steht.

YP: So hintergründig fand ich die Stadt gar nicht. Um in Genretypen zu reden, ich finde „Her“ als Sci-Fi-Streifen viel gelungener als den Liebesfilm „Her“. Das futuristische Setting ist demnach sehr wichtig. Was ich dem Film gänzlich abkaufe ist dieses Davondriften. Die Menschen distanzieren sich voneinander, kommunizieren über Dritte (Theodores Brotjob als Schreiber von Liebesbriefen) oder kommunizieren mit künstlicher Intelligenz (die interaktiven Computer-Spiele, Samantha). Das schreit nach absehbarer Zukunft.

PD: Das war für mich eine der ganz großen Stärken des Films. Die Stadt, die einzelnen Orte (das Büro, die Wohnung) sowie die kleinen hinein spielenden Details (Werbescreens, das 3D-Spiel oder auch die Projektion im Fahrstuhl), machen diese Zukunftsvision greifbar, aber es wird nicht demonstrativ in den Vordergrund gestellt wie, sagen wir einmal, bei Spielberg in „Minority Report“ oder „A.I.“.

Lustigerweise gefiel mir „Her“ auch als Sci-Fi-Film besser, denn als Liebesgeschichte.

YP: Ach, so betrachtet stimmt das schon, dass die Darstellung der Zukunft hintergründig ist. Aber essentiell für die vordergründige Love Story zwischen Theodore und Samantha.

PD: Genau. Es ist unumgänglich, dass der Zuseher sich in dieser Welt verliert. Wie sollte man sonst die künstliche Intelligenz Samantha auch nur im Ansatz akzeptieren.

Ansonsten wäre Samantha auf dem Niveau von Chatrobotern wie „A.L.I.C.E.“ (http://alice.pandorabots.com/).

YP: Was dann noch hinzukommt: Ich kann mich nicht mit Theodore dentifizieren. Vielleicht fehlt mir da Samanthas Körperlichkeit, um die Geschichte glaubhaft zu finden. Einzig Amys (Amy Adams) und Catherines (Rooney Mara) Verhalten wirkt ansprechend. Dann ist da noch die Umbesetzung der Schauspielerin. Das ist mir ein Dorn im Auge, denn Samantha Morton war tatsächlich präsent und hat mit den anderen am Set kommunizieren können. Scarlett Johansson hat ihre Rolle im Tonstudio gemacht. Versteh mich nicht falsch, das macht sie fantastisch, ihre Stimme ist großartig und überhaupt sehr passend für diese Rolle, aber mir fehlt da irgendwie etwas, woran ich mich festhalten kann.

PD: Das ist allerdings eine Sache der Interpretation. Du gehst davon aus, dass Samantha Morton aufgrund ihrer Anwesenheit am Set eine fühlbarere Präsenz darstellen würde, denn es Johansson (die ja, laut Jonze, auch ein paar Szenen mit Phoenix durchspielte) ist.

Dieses Fehlen des körperlichen Kontakts fand ich spannend. Denn es ist schon zu Beginn in Theodores‘ (Phoenix) Verhalten festgelegt, dass er dies nicht unbedingt braucht, und zwar als er sich in einen Chat einloggt. Das langsam sich aufbauende Vertrauen zwischen Theodore und Samantha entsteht sehr natürlich, auch wenn mir die „Flitterwochen“-Momente in der ersten Hälfte zu lange dauerten. Erst die angedeuteten weiteren Entwicklungen im Bewusstsein von Samantha (im Kontakt mit anderen Systemen) und die Auswirkungen auf ihre Beziehung, waren für mich von größerem Interesse. Da musste ich auch immer an „A.I.“ denken.

YP: Es war kein Problem für mich, die körperlose Annäherung zwischen Theodore und Samantha zu beobachten, das habe ich so erfrischend gefunden. Das Zusammentreffen auf intellektueller statt körperlicher Ebene. Die Telefonsex/Cybersex-Szene spielt sich ohnehin im Kopf ab (und nicht auf der Leinwand).
Ich habe mich allerdings gefragt, ob und wie sich Theodore Samantha vorgestellt hat? Das hat er doch bestimmt, es ist unumgänglich. Sie ist auf der einen Seite offensichtlich das Mädchen seiner Träume und auf der anderen Seite hat er ein ernstzunehmendes Problem mit Frauen aus Fleisch und Blut (Catherine und sein von Olivia Wilde gespieltes Date). Das hat ihn ein bisschen zum Freak gemacht.

PD: Das war auch eine Frage die ich mir stellte: Inwieweit hat Theodore Probleme, sich mit Frauen (oder Menschen generell) einzulassen? Mit seiner Ex-Frau Catherine scheinen aber auch so viele glückliche Momente stattgefunden zu haben, dass es mir schwer fällt, ihn einfach als Freak abzutun. Viel mehr, fand ich das Verhalten des von Olivia Wilde gespielten Blind Dates eigenwillig. Dieses Drängen auf eine Verpflichtung, auf eine sofortige Festlegung des Beziehungsstatus bzw. der Absichten von Theodore war nicht minder eigenartig.

Zudem scheint er in seiner sozialen Abkapselung nicht alleine zu sein. Die Seitenblicke auf Passanten, die auch ständig mit ihren Betriebssystemen (den OS) in Kontakt zu stehen scheinen, deuten eher auf ein gesellschaftlich akzeptiertes Muster hin.

YP: Das ist mir auch aufgefallen, darum mein Einwand zu Beginn: Ich bin überzeugt davon, dass in einer uns noch bevorstehenden Zukunft sich die Menschen voneinander noch mehr distanzieren und vermehrt über technologische Errungenschaften kommunizieren werden.

PD: Dass sich die Menschen voneinander immer mehr distanzieren löst Jonze am Ende ja schön auf. Er zeigt keinen positiven oder negativen Abschluss (vor allem die negative Variante wäre ja sehr einfach gewesen), sondern lässt alles in der Schwebe.

YP: Die Angst vor dem Menschen zum Anfassen, Angst vor Beziehungen, die es auf eine gemeinsame Zukunft abzielen. Das ist in dieser einen Szene mit seinem Date ersichtlich. Und erschreckend.

PD: Diese soziale Neurose ist aber auch nicht großartig ungewöhnlich.

YP: Das sieht man auch bei der Szene mit Catherine, als sie sich zum Lunch treffen.

PD: Da haben wir es aber mit einem frisch geschiedenen Paar zu tun. Das kann gar nicht gütlich ablaufen, was zwar ein Klischee sein mag, aber mir erscheint es stimmig, wie sich Theodore und Catherine verhielten.

YP: Catherine hat ihm Verhaltensweisen vorgeworfen, die mich in dieser Feststellung bestärkt haben: Er war schon immer ein unzugänglicher Tüftler. Ein Romantiker. Theodore will ewig schweben, von der Seifenblase umschlossen sein. Eine Frau aus Fleisch und Blut ist ihm zu viel. Das ist mir einerseits zu sentimental, andererseits zu abgehoben.

PD: Das scheint die beiden zunächst einander näher gebracht zu haben, diese Romantik und dieses ewige auf Wolken schweben. Selbst mit Samantha ist er am Glücklichsten, wenn er in dieser Verliebtheitsphase steckt. Mit ihrer Weiterentwicklung kommt er nicht klar. So wie es wohl auch bei Catherine war … dass sich ein Mensch verändert, scheint für ihn nicht vorstellbar oder verarbeitbar zu sein.

YP: Ich wollte mich so unbedingt in den Film verlieben, vielleicht war ich zu verkrampft. Somit war es nur ein harmloser Flirt mit wunderschönen Bildern.

Mir war da zu viel rosa Schleier mit der „lens flare“ Optik.

PD: Da ging es mir anders. Ich war so fasziniert von der Vorstellung einer Zukunft, in der eine künstliche Intelligenz völlig umstandslos in unser Alltags- und Liebesleben eintritt, dass ich die Mängel der Liebesgeschichte (die mir, wie zuvor erwähnt, in der ersten Hälfte einfach etwas zu langatmig ausfiel) verdrängte.

Die Optik fügt sich schön in das Set Design und passt auch zur Kleidung der einzelnen Charaktere. Alle scheinen sich im selben Laden zu bedienen.

YP: Bis auf die Szenen mit Amy hat jede zwischenmenschliche Interaktion zwischen Theodore und den Frauen (Catherine, Date, Surrogate Body) eindeutiges Unbehagen verursacht. Besonders diese Szenen in seiner Wohnung, wo das blonde Mädchen Teil der Beziehung zwischen Theodore und Samantha sein wollte. Klarerweise konnte Samantha, die keinen Körper hat, das nicht nachvollziehen, aber da tat mir der Anblick Theodores schon weh. Diese Eindeutigkeit, dass Körper und Geiste (von mir aus Seele) Hand in Hand gehen und Sex mit dem Surrogate Body wie ein Seitensprung auf ihn wirkte.

PD: Da habe ich auch Theodore verstanden. Er hat sich von Anfang an deutlich gegen diese Idee Samanthas gestellt und konnte im Endeffekt nicht auf ihren Wunsch eingehen. Dass damit wohl auch ihre Beziehung zum Scheitern verurteilt war, ist eine andere Sache.

Das war eine Szene, wo ich sein Unbehagen am allerdeutlichsten verstand.

Abseits davon: Wie fandest du die Leistung von Scarlett Johansson? Sie gewann ja beim Filmfestival von Rom den Preis für die Beste Darstellerin und war auch für weitere Preise nominiert. Meiner Meinung nach völlig zu Recht.

YP: Bewundernswert. Auch deswegen, da sie nicht am gesamten Drehprozess beteiligt war. Es muss unheimlich schwer gewesen sein, immerhin ist sie Schauspielerin. Aber sie meistert das fantastisch und wie sie es schafft, stimmlich Erstaunen, Freude, Angst, Zweifel und die restliche emotionale Palette auszudrücken.

PD: Bei Johansson war ich fasziniert, wie schnell ich sie als eigenständigen Charakter akzeptierte und dies nur allein über ihre Stimme. Bislang waren die gefeierten Arbeiten im „Voice“-Bereich meist im Animationsfilm zu finden. Etwa Robin Williams in „Aladin“ oder Ellen DeGeneres in „Finding Nemo“. Doch da konnte man auch die animierte Reaktion, zu der Stimme betrachten. Hier musste Johansson einen Charakter ganz ohne jede Hilfe auf der Leinwand erschaffen. Imponierend.

YP: Ich finde auch, dass Joaquin Phoenix sehr gut spielt. Stark reduziert, doch stets treffend, etwas verklärt, immer romantisch.

PD: Phoenix hat mir auch gut gefallen. Seine Melancholie und dann die aus ihm heraus brechende Freude. Ich konnte aber auch nicht anders und musste sah ihn stets als eine Art „Avatar“ von Spike Jonze.

YP: Die sanfte Stimme in höherer Tonlage. Der Hipster-Look. Der Schnurrbart.

PD: Alles auf den Punkt genau.

YP: Noch eine Frage, die mich persönlich sehr beschäftigt: Kommt das Publikum umhin, sich einen Körper zur Stimme vorzustellen?

Jetzt mal abgesehen von den Dreharbeiten. Mir geht es nur um den Zugang zum Film, zur Figur.

PD: Das kommt wohl auch darauf an, wie weit man sich auf den Film einlässt bzw. wie sehr das Konzept von „Her“ überzeugt. Obwohl ich von der Idee begeistert war, stellte ich mir nie einen Körper zu der Stimme vor, da es immer wieder klar war, dass es sich um ein Computerprogramm handelt.

Viel mehr beschäftigte mich die Frage, inwieweit ein Programm mit Bewusstsein entstehen kann, wenn es auf Basis alter Werke geschrieben wird, so wie es im Film ja einmal mit Alan Watts geschieht. Was hat dieses Programm mit der realen Person gemein? Inwieweit handelt es sich um zwei voneinander unterschiedliche Identitäten?

Als Beispiel: Albert Einstein ersteht auf Basis seiner wissenschaftlichen Texte von neuem als K.I. zum Leben. Inwieweit hat diese K.I. etwas mit dem echten Einstein zu tun, inwieweit ist sie aber auch ein eigenes Wesen?

YP: Aber sie hat sich auch einen Namen ausgesucht. Und die Szenen mit dem  „Surrogate Body“. Es fehlt ihr offensichtlich etwas.

PD: Samantha schon, aber was ist mit dem „Alan Watts“-Programm, welches die anderen OS-Systeme, auf Basis der Schriften von Watts geschrieben haben? Das Programm trägt den Namen und das Wissen dieser realen Person.

YP: Das ist komplex. Für mich ist es diese Körperlosigkeit eben schwer vorstellbar, weil einen Menschen erst – haptische – Erfahrungen zum fühlenden Wesen machen. Man begreift die Welt mitunter und zum größten Teil erst durchs Berühren. Durch die Sinnesorgane.

PD: Darin lag für mich der Reiz des Films. Denn auch in Computersimulationen, tauchen wir in Welten ein, ohne wirklich in ihnen zu stecken. Es fehlt auch hier der haptische Kontakt und doch fühlt man sich (in einer richtig guten Simulation), als wäre man Teil dieser Welt.

YP: Sich auf jemanden einzulassen, der diesen selbstverständlichen Erfahrungsreichtum nicht teilt, die Idee an sich ist so verführerisch. Und herausfordernd, die eigene Rezeption betreffend. Das hat ein bisschen etwas von „The Science of Sleep“ von Michel Gondry.

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