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Alan Turing, awards season, Benedict Cumberbatch, Charles Dance, Keira Knightley, Mark Strong, Matthew Goode, The Imitation Game
Das Leben von Alan Turing und der Kampf um die Entschlüsselung der deutschen Verschlüsselungsmaschine Enigma sind die Hauptthemen des für acht Oscars nominierten „The Imitation Game“. Ist Morten Tyldum ein sehenswerter historischer Thriller gelungen oder langweilt er mit banalen Simplifizierungen? Dies besprechen wir in unserem neuen Dialog.
PD: Jetzt hat Benedict Cumberbatch seine unausweichliche Oscar-Nominierung also auch in der Tasche. Ich kann nicht sagen, dass mich das stört. Seine Darstellung von Alan Turing hat mir sehr gut gefallen, vor allem weil der Film selbst eher auf der leichtgewichtigen Seite zu finden ist.
YP: Seine Darstellung war für mich auch das Highlight des Films obwohl Cumberbatch hier nichts Außergewöhnliches macht. Für mich ist das eine Routineübung, verglichen mit Filmen wie „The Fifth Estate“, „Star Trek Into Darkness“ und sogar „Sherlock“. Jetzt fällt mir auf, dass Cumberbatch besser ist als die Filme, in denen er mitspielt. Das überrascht mich aber wenig.
Er abonniert sich auf die Darstellung des exzentrischen Außenseiters, wie wir ihn in den TV-Produktionen „Van Gogh“ und „Hawking“, bzw. im National Theatre „Frankenstein“ gesehen haben. Mir hat er aber in Filmen und den kleineren Nebenrollen wie „12 Years A Slave“, „Atonement“ und „Tinker Tailor Soldier Spy“ aber noch besser gefallen.
PD: Das zeigt aber auch nur, dass es äußerst schwer ist, mit einer guten Leistung in einem schwachen Film zu reüssieren. Die Darstellung in „The Fifth Estate“ hat Ähnlichkeiten mit seiner Darbietung in „The Imitation Game“, aber das kann man ihm schwer negativ auslegen. Weder in „Van Gogh“ noch in der Theaterproduktion zu „Frankenstein“ konnte ich ihn bislang sehen, aber ich widerspreche doch, dass er etwa in „Star Trek Into Darkness“ oder in „Atonement“ oder gar in „12 Years a Slave“ besser gewesen wäre. Bei Letzerem allerdings auch nur, weil die Rolle des Sklavenhalters leider zu wenig Raum bekam.
Es spricht für ein gut gemachtes Casting, dass das ganze Ensemble sich innerhalb seiner Komfortzone bewegt und das sieht man ihren Darbietungen auch an. Matthew Goode ist ebenso unterhaltsam als Hugh Alexander, wie auch Charles Dance als Turings autoritärer Vorgesetzter oder Mark Strongs Geheimdienstler. Auch Keira Knightley überzeugte mich. Das war einfach eine schöne Bühne, für gute Darsteller, die zeigen, was sie können. Dass Cumberbatch als Turing dabei den Rest überragt, ist allein aufgrund der Geschichte schon klar.
Ein Sinn der also genau weiß was er will und dies auch bietet. Im besten Sinne unterhaltsam, aber auch nicht wirklich wagemutig.
YP: Die Rollen von Keira Knightley, Mark Strong und Matthew Goode sind Trostpflaster, aber dermaßen eindimensional und langweilig. Strong liefert sich ohnehin Einzeiler, Goode schaut die meiste Zeit skeptisch drein und Knightleys Rolle der Quotenfrau (sowohl im Film als auch im Plot), lässt stark zu wünschen übrig. Ehrlich gesagt war ich gelangweilt, der Film ist so zurückhaltend, dass ich dem einfach nichts abgewinnen kann.
Kommt hinzu, dass ich den Film am gleichen Wochenende gesehen habe wie „Birdman“ und letzterer ist in meinen Augen unterhaltsam. Beides für die Kategorie „Bester Film“ nominierte Oscar-Filme, die im Grunde Welten trennen. „The Imitation Game“ repräsentiert alles, was ich an diesem ganzen Award-Zirkus eigentlich verabscheue. Mittelmäßigkeit in Reinkultur. Für mich pure Zeitverschwendung.
PD: Quotenfrau. Der zu Grunde liegenden Geschichte war sie aber eben auch die einzige Frau innerhalb dieser Codeknacker-Truppe. Als Zeitverschwendung würde ich den Film auch keineswegs bezeichnen, denn dafür hat das Drehbuch viel zu viele amüsante Szenen geschrieben, die auch von den Darstellern entsprechend transportiert wurden. Weshalb Morten Tyldum für den Regie-Oscar nominiert wurde, vestehe ich nicht. Denn die Inszenierung ist bieder. Aber nicht langweilig.
YP: Vielleicht ist der Begriff „langweilig“ auch zu eine Spur zu heftig, aber leider bringe ich für diese mittelmäßigen Filme einfach keine Begeisterung auf. Es ist in gewisser Weise Stangenware und das wird mir dann als Award-Material verkauft.
Andererseits: es ist jedes Jahr dasselbe Theater und trotzdem ärgere ich mich darüber. Nicht alle Filme entsprechen meinem Geschmack.
PD: Da sehe ich das Problem in der „Awards Season“. An und für sich ist „The Imitation Game“ ein unterhaltsamer Film im besten Infotainment-Stil. Es wird ein wenig historischer Hintergrund aufbereitet, ein wenig die Person Alan Turing beleuchtet und auch über die juristische und gesellschaftliche Lage von Homosexuellen im England dieser Zeit erzählt. Alles mit nicht zu hohen aber auch nicht zu niedrigen Ansprüchen. Innerhalb seinen Grenzen funktioniert der Film ganz gut, was aber auch an den guten Rahmenbedingungen liegt.
Es ist aber auch eine jener Produktionen, die ohne den Oscar-Rucksack vielleicht ein wenig milder beurteilt würde.
YP: Erstaunlicherweise muss ich dir jetzt zustimmen. Hätte ich den Film in einem anderen Zusammenhang gesehen, dann würde ich ihn wahrscheinlich genauso sehen wie du: unterhaltsames biederes Biopic. Aber im Zusammenhang mit der Award-Season bietet er mir für meinen Geschmack einfach zu wenig. Da schwingt dann auch immer ein bisschen der Frust um die mittelmäßigen Award-Filme mit.
Mein größtes Problem mit diesem ergibt sich in der Rezeption und dem Rummel darum. Da bin ich dem Film gegenüber eventuell auch nicht sonderlich fair. Nichtsdestotrotz ist der Plot rund um den schwulen Turning ziemlich latent.
PD: Die Diskussion ob der Film nun „gay enough“ wäre, hat dieser Beitrag auf Gawker ganz gut zusammengefasst. Es fehlt zwar eine Romanze oder auch eine prominentere Darstellung von Turings Homosexualität (etwa in Form von Arnold Murray), aber sie wurde auch keineswegs unterschlagen. Die Beziehung zu seinem Schulfreund Christopher, das Geständnis gegenüber seinen Kollegen oder eben die ganze Rahmenhandlung rund um seine Verhaftung wegen „grober Unzucht und sexueller Perversion“ (sic!).
YP: Das wirkte leider auch so, als wäre ihnen (den Filmemachern) dieses Thema sehr unangenehm und sie streuen zwar das eine oder andere diesbezüglich ein, aber so wirklich wird das nicht thematisiert. Eher abgehandelt. Vergleichen wir das mit Filmen wie „Pride“, hatte „The Imitation Game“ starke Schwierigkeiten nach Außen zu gehen mit der Homosexualität. Natürlich sind das zwei ganz unterschiedliche Filme, aber auch beides period pieces, nur halt unterschiedlicher Epochen. Da hatte ich auch stark das Gefühl, das falle unter den Tisch, weil eben ein „zurückhaltender“ Film mit einem solchen Thema einfach – und das ist die Tragik dahinter – bekömmlicher ist beim breiten Publikum. Was ich für einen Irrglauben halte, aber ich mache auch keine Filme.