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Collateral, Dan Gilroy, Denis Villeneuve, Enemy, Jake Gyllenhaal, Kevin Rahm, Michael Mann, Network, Nightcrawler, Prince of Persia, Prisoners, Rene Russo, Source Code, Thief
Wer einen Thriller vom Feinsten will, ist bei „Nightcrawler“ genau richtig. Umso erstaunlicher, dass es sich dabei um ein Erstlingswerk handelt. Regisseur Dan Gilroy zeigt neben der Regie auch für das Drehbuch verantwortlich.
PD: Was zuallererst ins Auge springt, ist natürlich Jake Gyllenhaals verführerisch-verrückte Performance als Louis Bloom. So unsympathisch mir dieser Charakter auch war, so schwer fiel es mir, mir nicht zu wünschen, dass er in all seinen Unterfangen Erfolg hat.
YP: Gyllenhaal bekommt schön langsam immer mehr Ecken und Kanten. Was er schon bravourös in „Prisoners“ oder „Enemy“ von Denis Villeneuve zeigen konnte, treibt er hier sogar noch weiter. Davor ist er mir höhstens in „Zodiac“ oder „Donnie Darko“ positiv in Erinnerung geblieben.
Hier spielt er das widerliche und über Leichen gehende Ekelpaket Louis Bloom. Ihn als unsypathisch zu bezeichnen, ist zu einfach. Er ist doch irgendwie auch reizvoll.
Das war auch seit langem wieder mal ein Film, der mich richtig mitgerissen hat. Überraschenderweise.
PD: Mir gefiel auch sein Auftritt in „Source Code“. Ein intelligenter Sci-Fi-Thriller, das komplette Gegenteil seiner davor gezeigten Versuche im Mainstream zu landen mit Filmen wie „Prince of Persia“. Bloom ist mit seiner forciert freundlichen Art mir persönlich unsympathisch, aber ich verstand sofort, weshalb gewisse Menschen ihm regelrecht aus der Hand fraßen. Diese Überzeugung in den weit aufgerissenen Augen, die sich nie zu schließen scheinen, in der ausgezehrten Erscheinung. Er ist im Umgang mit anderen Menschen die albtraumhafte Ausgeburt eines NLP-gedrillten Schleimbeutels, der genau weiß wie er welche Menschen für sich nutzen kann.
Da gefiel mir besonders, dass die von ihm exklusiv mit Material belieferte Nachrichtenchefin Nina (die großartig spielende Rene Russo) wie der rationale Widerpart zu Louis wirkte. Nina mag eine gute Ausbildung genossen und Jobs mit Prestige gehabt haben, aber ihr Zynismus entspricht der Menschenverachtung von Louis.
YP: Die Figur der Nina würde ich unter keinen Umständen als seinen rationalen Widerpart bezeichnen, da sie ebenso eine skrupellose Newslady ohne moralischen Kodex war. Für mich war Nina seine ebenbürtige Partnerin, die sich mit ihm auf Augenhöhe befand.
Die einzige einigermaßen zugängliche Person in diesem düsteren Abbild von L.A. war doch der Nachrichtenredakteur, der sowohl Louis als auch Nina rational gegenüberstand. Seinen Partner fand ich auch beim Finale spitze.
Kam das nur mir so vor, oder war das eine sehr sehr düstere Welt? Oder war das Arge daran, die Tatsache, dass ich mir das genauso oder so ähnlich vorstelle. Wie Louis da zum Set-Designer, Drehbuchautor und Regisseur von realen Begebenheiten wird, war doch richtig unheimlich.
PD: Mir erschien Nina in dem Sinn rational, als dass sie eine „klassische Karriere“ hinter sich hatte. Der Zynismus kommt vom Quotendruck und durch dieses ständige Schielen auf die Quote, werden die Nachrichten erst recht so zynisch. Frank (Kevin Rahm) schien mir der moralische Kompass zu sein, auf den niemand mehr hören wollte. Ein wenig erinnerten mich die Vorgänge beim Nachrichtensender an jene in Sidney Lumets „Network“.
Dass Louis am Ende seinen aufmüpfigen Partner Rick opfern würde, war schon vorhersehbar, aber die Art und Weise, wie er dies auch noch in das für ihn so wichtige Bildmaterial einarbeitete, war überraschend. Der Augenblick, in dem sich der Mörder auf der Flucht und Louis gegenüberstehen, und der Mörder von Louis‘ Erscheinung offenbar überraschter war, denn von allem anderen, hat mir imponiert. Das sind Bilder die sich einprägen.
In seinen besten Momenten, musste ich an die Filme von Michael Mann denken. An „Collateral“ oder auch an „Thief“. Dan Gilroy hat eine wirklich düstere, zynische Welt erschaffen, in der scheinbar nur diejenigen überleben, die bereit sind, moralische Grenzen hinter sich zu lassen. Das sieht man ja auch am Ende, als Frank versucht, Nina davon in Kenntnis zu setzen, dass der Dreifachmord kein Angriff von Latinos an unschuldigen weißen Menschen war. Doch das interessiert sieht nicht. Frank bleibt da auf der Strecke.
YP: Im Kino war es dann so, dass den meisten das Lachen im Halse stecken blieb. Obwohl ich irritiert davon war, wie witzig und abstrakt zugleich der Film eigentlich war. Humor war das nicht, aber manche Szenen bzw. Situationen im Film sind dermaßen obskur, dass ich einfach lachen musste.
PD: Da ging es mir ähnlich. Das Lachen war wie eine Befreiung und Distanzierung, von den geradezu absurden Geschehnissen auf der Leinwand. Das beginnt ja schon mit den reißerischen Schlagzeilen oder dem aufgesetzt mitfühlenden Reporterpaar, das immer vor dem Filmmaterial warnt, nur um es dann emotional auszuschlachten.
Das war dann auch der gut gesetzte Höhepunkt im finalen Akt. Wenn der Mord in der Villa passiert und Lou noch vor der Polizei durch das Haus schleicht, halten sich Spannung und Satire schön die Waage. Etwas was hin und wieder ja nicht ganz so funktioniert. Da die Charaktere allesamt nicht wirklich ausgearbeitet sind, sondern wie Symbole funktionieren (Lou der Soziopath, Nina die Karrierefrau, Rick der Naivling, Joe der Routinier), ermüden die immer gleichen Vorgänge mit der Zeit ein wenig.
YP: Ein Problem war aber dann die Länge. Mir war der Film um 15 bis 20 Minuten zu lang. Abgesehen davon, dass ich Schwierigkeiten hatte, diese Längen zu verarbeiten. Er springt zu weit im Geschehen vor. Leider passt das dann nicht mehr zusammen.
Nehmen wir die Einstellung mit dem neuen Auto und die Zeitraffer mit den „Reportagen“, die er alle benennt. Schön und gut, jetzt wissen wir zwar mehr bzw. Genug über Louis, aber der Regisseur meint, das sei noch zu wenig. Für mich stellt das eine Unstimmigkeit dar.
PD: Das war auch mein Eindruck. Die reißerischen Schlagzeilen in der Nachrichtenmontage waren zwar einprägsam und schön sarkastisch, aber es war auch ermüdend, das zu beobachten. Es schien mir, als wollte Gilroy da ein wenig ein 1980er-Gefühl aufkommen lassen.
Was immer wieder über diese Längen half, war die großartige Kameraarbeit von Robert Elswit. Die gleitenden Autofahrten quer durch das nächtliche Los Angeles, oder die Handwerklich immer besser werdenden Nachrichtenaufnahmen von Lou. Selbst wenn die Handlung ein wenig lahmte, konnte man sich an diesen technischen Finessen ergötzen.
YP: Neben „Under the Skin“ von Jonathan Glazer ist „Nightcrawler“ einer der gelungenen Überraschungsfilme 2014. Aber davon dann doch lieber in unseren Jahreshighlights am Ende des Jahres.