Schlagwörter
charlotte gainsbourg, Christian Slater, Connie Nielsen, jamie bell, lars von trier, nymphomaniac, shia labeouf, stacy martin, Stellan Skarsgard, Udo Kier, Willem Dafoe
Die Fortsetzung zu unserem Dialog über Lars von Triers neuesten Streich, „Nymph()maniac“. Dieses Mal mit unvermeidbaren „Antichrist“-Verweisen und der Erläuterung der Frage, warum Christian Slater überhaupt mitspielte.
Der folgende Dialog enthält den einen oder anderen leichten Spoiler.
PD: Gainsbourg scheint ohnehin die perfekte Darstellerin für von Trier-Filme zu sein. Schon in „Antichrist“ fand ich sie großartig.
Gerade wie sich die Erzählung, aus den Hinweisen die sich Joe in Seligmans Zimmer zieht, entfaltet, hatte einen spannenden doppelten Boden. Es war wie Keyser Söze in „The Usual Suspects“. Während bei dem Film von Bryan Singer, erst am Ende gezeigt wurde, woher die Erzählung stammt, wurde hier ganz offen mit diesen Hinweisen gespielt und so wähnt man sich als Zuseher immer in Sicherheit. Dabei ist ganz und gar nicht klar, was Joe nun wirklich erlebt hat und was sie erfindet.
Ich fand das Kapitel Delirium mit dem sterbenden Vater (Christian Slater) etwa merkwürdig a-tonal, als würde es nicht zum Rest der Geschichte gehören. Zudem war es auch nicht sonderlich gut gespielt.
Obwohl Stacy Martin eine sehr gute Leistung abliefert als junge Joe.
YP: Die Besetzung von Christian Slater als Joes Vater kann ich mir nicht erklären, für mich passte er einfach nicht in den Film. Aber dann wieder: Bei Uma Thurman war ich auch skeptisch und sie macht das spitze. Was mir an Stacy Martin besonders in ihrer Rolle als Joe gefallen hat: ihr starrer Blick, sie hat nicht viel Ausdruck. Aber würde den Wechsel würde ich als geglückt bezeichnen, das hat schon so gepasst.
PD: Teilweise scheint es, als habe von Trier einfach bekannte Gesichter um sich geschart. Es ist ja etwa schön Willem Dafoe oder Udo Kier in kleinen Rollen zu sehen, aber war die Besetzung dieser beiden Routiniers wirklich notwendig? Sie lenkten ein wenig ab, alleine durch ihre Popularität. Womöglich sind aber eben ihre Rollen (oder etwa Connie Nielsen als Mutter) in von Triers Director’s Cut besser ausgearbeitet.
Bei der von Stacy Martin gespielten Joe war ich mir gar nicht sicher, ob sie nun ein etwas einfacher Geist ist, oder die Welt nur sehr simpel sieht. Herunter gebrochen auf den einen Punkt, der ihr wichtig erscheint: Sexualität.
YP: Allerdings muss ich schon sagen, dass die „Charakterentwicklung“ bei Gainsbourgs Joe einfach besser funktioniert als die bei Martins Joe. Wobei dann ihre aufkeimende Zuneigung zu Jerome schön herausgearbeitet ist. Kannst du mir erklären, warum in Volume 2 Gainsbourg die ältere Joe spielt und Shia LaBoeuf noch immer Jerome?
PD: Shia LaBeouf ist bis zur endgültigen Trennung des Paares dabei. Am Ende des Films spielt ein anderer Darsteller Jerome (Michael Pas). Weshalb sich von Trier dazu entschlossen hat…womöglich wieder, um ein bekanntes Gesicht in der Szene zu haben. Am Ende war es aber schlicht nicht mehr argumentierbar den alten Jerome noch vom Darsteller des jungen Jerome spielen zu lassen.
Die Trennung von Jerome und Joe bringt mich auch gleich zu einem der Kritikpunkte die ich an „Nymph()maniac“ habe. Denn hier reproduziert von Trier den Tod des Kleinkindes aus „Antichrist“, nur mit einem anderen Ausgang. Das ist schon ziemlich frech und auch völlig unnötig. Die Botschaft: Die Sexualität von Joe (jene von Jerome wird ja gar nicht gezeigt) zerstört Leben.
YP: Ach, genau, der Verweis auf „Antichrist“. Spätestens da, wenn nicht schon bei Minute 7 merkst du, dass du in einem Lars von Trier Film sitzt.
Aber bis zu dem Zeitpunkt (Episode mit K) merkt das Publikum doch längst, dass Joes ausschweifender Lebensstil ihr Leben dermaßen im Griff hat.
PD: Weshalb war dann die Episode mit dem Kind nötig?
Das ist einfach unnötig und erscheint wie ein viel zu gewollter Rückggriff auf einen Film und eine Szene, die in der Vergangenheit sehr kritisch gesehen wurden.
YP: Sie ist keine liebende Mutter, sondern eine selbstsüchtige Frau. Wäre sie ein Mann, wäre das nicht weiter erwähnenswert. Damit zeigt er wieder weitere Charakterzüge von Joe. Auch die Szene, wo sie sich gegen Kind und Mann entscheidet. Erst später hören wir, dass Jerome auch nichts mit seinem Sohn anfangen konnte und ihn weggebracht hat.
PD: Dass sie eine selbstsüchtige Person ist, wussten wir aber zu diesem Zeitpunkt schon längst. Es wurde auch davor, in den Diskussionen mit der Babysitterin, ganz offensichtlich und auch in den Gesprächen mit Jerome. Es hätte diese Szene einfach nicht gebraucht.
Andererseits zahlt sie aber auch monatlich für ihren Sohn auf ein Sparkonto ein. Anonym. So uninteressiert kann sie dann auch wieder nicht sein.
Das Kapitel, in dem sich dies alles zuträgt (The Eastern and the Western Church), ist ja auch das unerträglichste. Die Szenen mit K (Jamie Bell), sind schwer anzusehen und unglaublich intensiv.
YP: Auch als Zuschauerin ging ich da an körperliche Grenzen. Allerdings ist das auch das auflösende Kapitel mit der Katharsis. Ich hatte das Gefühl, dass sie endlich auf eine gewisse Art und Weise (unter Ks Fittichen) zu sich selbst findet. Auch in der Runde der Anyonymen Sexsüchtigen, da kommt sie zur eigenen Person.
PD: Stimmt, vor allem in der Selbsthilfegruppe, entwickelt sie ein Selbstbewusstsein und ein Verständnis für sich selbst, welches ihre „Kolleginnen“ in der Runde richtig schockiert. Das hat mir gut gefallen. Sie versank nicht im Elend, sondern steht zu sich selbst.
Auch wenn sie mir deshalb nicht sympathischer wurde.
YP: Gab es eine einzige Figur, die dir sympathisch war? Eine Zeitlang war das Seligman (Stellan Skarsgard) für mich, aber er wurde dann immer suspekter, bis er richtig widerlich wurde …
PD: Seligman war ein wenig der Anker für den Zuseher, der eben auch die Fragen stellte, die man sonst stellen würde. Etwa was die Plausibilität mancher Teile der Geschichte angeht.
Gerade seine Wandlung war mir aber unverständlich. Seine völlige Umkehrung und die darauf folgenden Ereignisse, fügen sich gar nicht in den Rest der Handlung und haben mich richtig verärgert.