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„Film im Dialog“ bietet nicht nur einen Rahmen, aktuelle Kinofilme zu besprechen. Wir wollen an dieser Stelle auch Meilensteine und Klassiker der Filmgeschichte durchleuchten. „Cleopatra“ von Joseph L. Mankiewicz ist sowohl als auch, wobei der Film mit einigen Schwächen ausgestattet ist. „Cleopatra“ ist auch ein typischer „Feiertagsfilm“. Also ein Film, der während alljähriger Feiertage rauf und runter gespielt wird.

YP:„Cleopatra“ von Joseph L. Mankiewicz feierte heuer sein 50-jährigstes Jubiläum. Wann hast du den Film das erste Mal gesehen?

PD: Ich muss zugeben, dass ich diesen Mammutschinken bis vor ein paar Tagen niemals zur Gänze gesehen hab. Das ist ein typischer Feiertagsfilm, den man beim TV-Zappen erwischt, wo ein wenig hängen bleibt und den man sich doch nie zu Ende ansieht.

YP: Bei mir war das Mitte der 90er Jahre, irgendwann zu Ostern. Kann mich auch an die erste Hälfte sehr gut erinnern, dann wurde es für mich zu uninteressant und zu konfus. Und nach erneutem Sichten (ein weiteres Mal habe ich den Film vor ungefähr 10 Jahren gesehen) hat mich der erste Eindruck nicht getäuscht. Der Film wird nicht besser. Und bleibt gleich beeindruckend. Heute weiß ich ihn vielleicht mehr zu schätzen als damals als Kind bzw. Teenager.

PD: Womöglich weiß man solche Art von Filmen mit dem Alter eher zu schätzen, da man auch ein breiteres Filmwissen besitzt, aber das macht den Film deshalb nicht besser. Man erkennt eher, was bezweckt wurde. Dennoch muss ich Regisseur Joseph L. Mankiewicz recht geben, der meinte, das war „“the toughest three pictures I ever made“. Mir erschien es, als müsste man sich als Zuseher ebenso viel arbeiten. Auch interessant, dass du meinst, die 1. Hälfte war interessanter, da Mankiewicz das Epos als einen Zwei-Teiler angelegt hatte. Zunächst „Caesar and Cleopatra“ und dann „Antony and Cleopatra“. Ich muss dir zustimmen, die 1. Hälfte ist interessanter.

YP: Den Film assoziiere ich mit einer glorreicheren Hollywood-Ära. Die Opulenz, die Dekadenz, die Maßlosigkeit. Die Bilder brennen sich ins Gedächtnis ein und haben bei mir alles überschrieben. Das ist das Beeindruckende am Film. Wenn man die Hintergründe kennt, sieht man das ein wenig nüchterner. Ich meine, die Produktionskostenexplosionen. Der Film gilt noch heute als einer der teuersten Filme der Filmgeschichte, natürlich an die Inflation angepasst. Und der Film zeigt auch, dass es heute kein „Stardom“ wie damals gibt. Wir haben keine Elizabeth Taylor unserer Zeit.

PD: Zunächst, ja, „Cleopatra“ ist ein Mahnmal der Opulenz und der überbordenden Sets. Damit steht er ja nicht nur in einer Linie mit D.W. Griffiths „Intolerance“ – man denke da nur an das Set, welches für die Szenen in Babylon aufgebaut wurde – aber auch mit den Bibel- und Sandalenepen der späten Fünfziger- und frühen Sechzigerjahre. Man sieht aber auch, wie konservativ dieser Film inszeniert wurde. Womöglich war Mankiewicz als Regisseur die falsche Wahl. Er hat zwar sehr kompetent und mit dem Auge für Massenszenen alles ins richtige Licht gesetzt, aber außer den Massenszenen ist mir nichts im Gedächtnis geblieben. Weder die Liebesgeschichte von Cäsar und Cleopatra noch jene von Mark Anton und Cleopatra und auch nicht die Intrigen im römischen Senat. Das alles habe ich im Kopf, weil ich es aus diversen Geschichtsdokumentationen noch weiß. Nicht, weil mir dieser Film dies in irgendeiner Weise vermittelt hätte. Inhaltlich also ganz schwach.

YP: Am meisten schwächelt der Film im Erzählen der Geschichte. Wie du schon sagst, die Inszenierung der Massenszenen ist grandios, wortwörtlich gesehen. Aber die erzählten Stränge schwächeln immens. Der Film erhebt auch nicht den Anspruch, geschichtlich wertvoll zu sein. Bzw. ist kein Film, der Geschichte näherbringen will und tut sich auch sehr schwer dabei, eine Geschichte zu erzählen.

PD: Das nicht, aber er verwendet doch sehr viel Zeit darauf, die Liebesgeschichte(n) zu erzählen und zugleich auch den historischen Hintergrund mitzuliefern. Natürlich ist das keine Geschichtsvorlesung, aber es gibt schon den deutlichen Versuch, die Historie und das Melodram miteinander in Beziehung zu setzen. Weshalb es etwa so dramatisch für Cäsars Frau ist, dass er Cleopatra ehelicht und zwar nicht nur, um sich eine Machtposition in Ägypten aufzubauen, sondern da er sie wirklich liebt. Das wird aber kaum vermittelt. Es bleibt die Opulenz und das Verlangen, Elizabeth Taylor als Cleopatra verführerisch zu zeigen. Das war reinster Starkult. Taylor IST Cleopatra. Heute könnte ich mir so einen Film eigentlich nur mit Angelina Jolie vorstellen.

YP: Gut, dass du Angelina Jolie ins Gespräch bringst. Ich habe lange überlegt, welche Schauspielerin der Neuzeit für die Filmindustrie diese Bedeutung besitzt. Jolie ist ein Zugpferd. Was mir bei der Sichtung von „Cleopatra“ aufgefallen ist, Taylors Name wird in den Credits vor dem des Regisseurs gelistet. Und wie Elizabeth Taylor im Film gezeigt wird, das ist alles schon recht abgehoben und kitschig. Und auf eine Art und Weise auch lustig. Ich habe irgendwo gelesen, sie habe angeblich 65 Kostüme an den Leib geschneidert bekommen. Was mir aber aufgefallen ist: Die Kostüme entwickeln sich weiter. Es wird zumindest anhand der Kostüme die Geschichte einer Frau erzählt.

PD: Die Geschichte anhand der Kostüme. Das wäre mir gar nicht so aufgefallen, außer dass sie, da sie ja mehr und mehr Macht erlangt, natürlich immer glamouröser wirkt. Bis es schließlich zum tragischen Ende kommt. Ihr Name ist der erste, der genannt wird und dennoch dauert es etwa 30 Minuten, bis man sie erstmals zu Gesicht bekommt und da wird sie, wortwörtlich, vor Cäsar ausgerollt. Der Auftritt hatte etwas „Kokettes“. Der Augenaufschlag, der Blick. Taylor spielt das gut, aber das sind kleine Gesten in einem knapp vier Stunden langen Film. Bei der Art und Weise, wie dieser Film aufgebaut ist, hätten auch knapp 90 Minuten genügt.

YP: Einerseits denke ich mir, dass ein Film wie „Cleopatra“ heutzutage kaum vorstellbar ist. Andererseits und wenn ich mir einige Blockbuster der letzten Jahre anschaue, sind viele Filme wie „Cleopatra“. Es ist dann eine andere Sache, ob der Film an den Kinokassen floppt, aber „Troy“, „Alexander“, „Kingdom of Heaven“, das sind alles Filme, historische Epen, die nicht gut geworden sind. Unabhängig davon, wie viel sie eingespielt haben. Sie sind mit einem Riesen-Budget gedreht worden.

PD: Es gibt immer wieder die Versuche, das große historische Epos mit neuem Leben zu erfüllen. Nächstes Jahr haben wir dann plötzlich wieder das Bibel-Epos in voller Pracht vor uns, wenn Darren Aronofsky „Noah“ heraus bringt und Ridley Scott „Exodus“. Die große Ära dieser Filme ist aber vorbei. Selbst wenn es dann modernere und erfolgreiche Spielarten wie „Gladiator“ gibt.

YP: Dafür haben wir heutzutage filmtechnisch fortschrittliche Filme wie „Avatar“, die Tolkien-Verfilmungen von Peter Jackson, Nolan-Filme, unzählige Comic-Verfilmungen. Wir befinden uns in sehr glorreichen Hollywood-Zeiten, könnte man fast sagen.

PD: Hoch budgetierte Blockbuster, ja, das wird es geben, solange sie auch Geld einbringen. Natürlich, aber dass man sich auf die Geschichten aus dem alten Rom oder griechische Mythen oder dergleichen stürzt, scheint mir doch, für den Augenblick, passé. „Cleopatra“ gilt ja insgeheim als der Grund, weshalb diese Art der Filme dann ihr plötzliches Ende fand. Wenn man bedenkt, dass nur drei Jahre vor „Cleopatra“ Stanley Kubrick seinen hervorragenden „Spartacus“ in die Kinos brachte … da ist wirklich eine Ära zu Ende gegangen.
…und teilweise Schuld trägt eben der zäh inszenierte Film. Womöglich würden wir heute tatsächlich von einem Klassiker sprechen, hätte Mankiewicz seinen Willen erhalten und zwei Filme heraus bringen dürfen, anstelle von einem überlangen. Denn gerade die ersten zwei Stunden, mit Cäsar und Cleopatra, bergen doch sehr viele lohnende Momente.

YP: Aber die Länge ist nicht das Problem des Films, es ist die zähe Erzählweise. Die Geschichte schleppt sich irgendwie durch die Filmstunden. Das ist das Zähe dran. Darum sage ich auch, dass ich die erste Hälfte schon damals für gut befunden habe und dann wird es langweilig.

PD: Die Länge ist ja ein Teil des Problems, da viel zu viel Aufmerksamkeit in die Zurschaustellung der verschiedenen Sets gesteckt wird. Das Auge soll sich satt sehen. Das ist zwar mehr als verständlich, wenn ich schon solche Sets bauen lasse, aber wenn ich dann keine gute Geschichte zu erzählen weiß bzw. den Charakteren nicht gerade die besten Dialoge zur Verfügung stelle, dann wird es zäh und dann wird auch die Länge zu einem Problem. Die zweite Hälfte, die Liebesgeschichte zwischen Mark Anton und Cleopatra hätte man ja auch spannend erzählen können. Die Intrigen im Senat, die Machtkämpfe, all das wird in unglaublich langweiliger Weise dargestellt. Es gibt kein Gefühl für den Raum, für die Weite des ägyptischen Reiches oder wie sich die Machtblöcke im Senat aufteilen. Alles ist nur da. Völlig platt.

YP: Gefühl für Raum bekommt der Film dann in der Szene beim Eintreffen Cleopatras in Rom. Oder wenn Cäsar nach Alexandria kommt. Was mich zum Beispiel wunderte: jetzt nehmen sie schon das Abfackeln der Bibliothek von Alexandria in den Film hinein und dann zeigen sie das gar nicht, anstatt dessen einen Schlagabtausch zwischen Cäsar und Cleopatra. Hier wurde auch viel mehr wert auf die Beziehungsebene der Figuren gelegt als auf das Drumherum. Ein schwaches Drehbuch war das. An den opulenten Sets konnte man sich nicht sattsehen, wäre das Drehbuch stärker bzw. flüssiger gewesen, wären die 4 Stunden wie im Flug vergangen.

PD: Nein, dem muss ich widersprechen. Gut, wenn Cleopatra in Rom ankommt, dann gibt es für einen Moment dieses Gefühl. Das ist auch eine wirklich gut inszenierte Massenszene, aber wenn Cäsar in Alexandria am Hafen ankommt und sich durch den Markt „kämpfen“ muss, dann vergehen diese Augenblicke wie im Flug. Es wird eine Barriere aufgebaut (Cäsar muss am Markttag irgendwie durch die Menge, zum Pharao hinauf, das wird sicher schwer) und dann ist dies mit einem einzigen Satz erledigt und Cäsar steht plötzlich beim Pharao und seinem Hofstaat. Da ist überhaupt kein Gefühl für den Raum da. Weshalb die Zerstörung der Bibliothek nicht mit in den Film genommen wurde, im Sinne von „Zeigen“ ist mir auch ein Rätsel. Der Wutausbruch von Cleopatra hatte dann schon Ähnlichkeiten mit dem Wutausbruch von Cleopatra bei Asterix.

Wie gefielen dir die Darsteller? Ich hatte etwa Probleme mit Rex Harrison als Cäsar. Es dauert einige Zeit bis ich ihm die Rolle abnehme, während Taylor alleine durch ihren „Star-Glanz“ bereits die Rolle übernimmt. Richard Burton wieder habe ich kaum wahr genommen, ehe er plötzlich mit Cleopatra anbandelte.

YP: Rex Harrison gefiel mir sehr gut. Er war ein sympathischer Diktator, das habe ich mir die ganze Zeit gedacht. Oder besser: sehr charismatisch für einen Diktator. Und wie er von ihr eingenommen wurde, trotz des offensichtlichen Altersunterschieds. Und Elizabeth Taylor ist atemberaubend. Punkt. Bei Burton sehe ich das so wie du. Etwas glanzlos. Mir hat Martin Landau gut gefallen.

PD: Es waren eher die Szenen zu Beginn, wenn Cäsar im Lager steht und über die weitere Vorgehensweise sinniert. Harrison „over-acted“ da zu sehr und von da weg, hat es ein wenig gedauert, bis ich ihm den Diktator abkaufte. Bei Taylor würde ich nicht atemberaubend sagen, aber sie hat die Rolle in all ihrem Glanz ein- und angenommen. Dafür fehlte mir jegliche Tragik. Es perlte alles an ihr ab und das war nicht unbedingt ein positiver Aspekt des Films. Landau erkannte ich zunächst gar nicht, dafür hat mir Roddy McDowall als Octavian ganz gut gefallen. Zu Beginn dem Geschehen völlig entrückt und im Fortdauer des Films, der einzige interessante Aktivposten.

YP: Dass alles abprallte hat ja wohl was damit zu tun, dass beide für mich starke Frauencharaktere darstellen. Sowohl Cleopatra als auch Liz Taylor. Die eine Herrscherin über Ägypten, die andere Herrscherin über Hollywood. Mein Vergleich hinkt schon ein wenig, aber beide Frauen haben in meinen Augen unglaubliches Selbstbewusstsein.

PD: Selbstbewusstsein ist ja schön und gut und Cleopatra soll ja auch als selbstbewusst dargestellt werden, aber ich hatte eher das Gefühl, dass man nur ihren Glanz und ihren Mythos darstellen wollte. Eine unheimliche Schöne, eine mysteriöse Mächtige, die die Männer um ihren kleinen Finger wickelt. Deshalb waren auch die Kostüme interessanter als die eigentliche Darstellung. Gerade deshalb muss(te) diesen Charakter, wenn er so angelegt wird, eine Darstellerin spielen, die auch selbst über dieses Image verfügt. Nur deshalb kommt einem ja auch Angelina Jolie in den Sinn, wenn man an eine neue Fassung von „Cleopatra“ denkt. Ein guter Film bzw. eine gute Darstellung, machen aber mehr daraus als puren Glanz und Oberfläche.

YP: Ist nicht aktuell Ang Lee daran interessiert, Cleopatra mit Angelina Jolie zu verfilmen? Ich bin zuversichtlich, es kann nur besser werden!

PD: Interesse an neuen Cleopatra-Fassungen gab es und gibt es immer wieder. Steven Soderbergh wollte ein Musical (Cleo 3D) mit Catherine Zeta-Jones verfilmen. Das wäre auch interessant geworden. Zeta-Jones passt auch in diese Kategorie, auch wenn sie nicht so ein großer Star wie Elizabeth Taylor oder Angelina Jolie ist.