• About Film im Dialog

Film Im Dialog

~ Dialoge über aktuelle und weniger aktuelle Kinofilme

Film Im Dialog

Monatsarchiv: April 2016

How to Get Away with Murder – Staffel 1

29 Freitag Apr 2016

Posted by filmimdialog in TV

≈ Hinterlasse einen Kommentar

Schlagwörter

American Crime Story, Boston Legal, David E. Kelley, How to Get Away with Murder, Murder One, Netflix, Shark, The Blacklist, Viola Davis

Die Serie „How to Get Away with Murder“ entwickelte sich für den Sender ABC zu einem Sensationserfolg. Angeführt von Viola Davis als kompromisslose Anwältin und Universitätsprofessorin Annalise Keating, wird man in ein verworrenes Mord- und Rechtskomplott hineingezogen. Wir werfen einen Blick auf die 1. Staffel des TV-Hits.

PD: Eine Sache gefiel mir bei „How to Get Away with Murder“ auf Anhieb, und zwar dass die meist nur in Nebenrollen zu sehende Viola Davis eine derart starke Hauptrolle zu spielen bekam.

YP: Tatsächlich wurde die Figur der Annalise Keating (Viola Davis) erst langsam eingeführt. Zu Beginn konzentrierte sich die Story auf diese Handvoll Studenten, die unterschiedlicher nicht sein könnten und die es in ihren Kurs schafften. Und überhaupt wie man eigentlich sofort ab der ersten Folge mitten im Geschehen ist und die Story quasi in Rückblenden erzählt wird, tut ihr bestmöglichstes zur Spannung. Das ist aber eine Anwaltsserie nach dem Motto „Traue keiner Person“.

PD: Ihr Auftritt ist ja wohl kalkuliert. Der Mythos der um sie aufgebaut wird, während die Kamera selbst beim Eintreten in den Hörsaal sie zunächst nicht zeigt. Wenn sie dann den Titel der Serie auf die Tafel geschrieben und sich selbstbewusst in die Kamera gedreht hat, weiß man ohnehin, wer der wahre Star hier ist. Da können die ein wenig hektisch eingeführten Studenten nicht mithalten. Als Anwaltsserie funktioniert „How to Get Away with Murder“ aber kaum. Das Jus-Studium und die einzeln eingstreuten Fälle dienen nur zur Ablenkung von der Haupthandlung, die ja immer wieder mit Vor- und Rückblenden aufgebaut wird.

YP: Als konservative Anwaltsserie funktioniert die Serie nicht, hier werden auch Genregrenzen verwischt, vor allem da die Erwartungen des Publikums stets übertroffen werden. Und mit jeder Folge kommt das Bröckeln der Fassade Keatings. Sie hat einen Liebhaber, während sich ihr weißer Ehemann mit einer Studentin vergnügt, die dann spurlos verschwindet. Eine der besten Szenen im Film ist, wenn sie ihre Perücke und die Maske abnimmt und in ihrer Verwundbarkeit vor dem Spiegel steht. Diese stille Szene war für mich auch ein Gänsehautmoment in der gesamten Serie.

PD: Schön, dass du diesen Moment ansprichst, denn die große Stärke liegt ja vor allem im Charakter von Annalise. Wenn sie sich mit ihrem Mann streitet, oder mit ihrer Mutter über ihre verleugnete Herkunft (inklusive geändertem Vornamen) und aktuellem ansehnlichen Lebensstil diskutiert, gelangt man ein wenig an den Kern dieses Charakters. Was Annalise antreibt, treibt auch die Serie an. Hingegen konnte ich nur selten wirklich Interesse für die dargebrachten Fälle aufbringen.

Gerichtssaaldrama und Thriller werden zwar schön miteinander verwoben, aber das Einarbeiten eines anderen Genres in den Gerichtssaal haben wir doch schon häufiger gesehen. Etwa bei Produktionen von David E. Kelley („Boston Legal“). Wenn es rein um die Darstellung der Arbeit am Gericht und rund um einen Fall geht, dann sind „American Crime Story: The People v O.J. Simpson“ oder „Murder One“ bessere Serien, die man sich ansehen kann.

YP: Die Werbung für „How to Get Away with Murder“ geht aber klar in die Richtung, dass alles um die Protagonistin herum aufgebaut wird. Die Mordfälle erscheinen dann tatsächlich nur am Rande, vielmehr stehen hier die persönlichen Beziehungen der Figuren untereinander im Mittelpunkt. Was mich auch gar nicht stört, das begrüße ich sogar. Denn hier haben wir es mit starken Figuren zu tun, die alle irgendwo Leichen im Keller vergraben haben.

Die Serie hat auch ein unglaublich schnelles Tempo. In einer Folge passiert sehr viel. Verpasst du eine Folge – was dank Streaming-Dienst natürlich nicht so schnell passiert, bist du schon zu weit im Geschehen fortgeschritten.

PD: Die starken Charaktere sehe ich nicht. Eher eine Ansammlung verlässlicher Nebenfiguren, die dem Hauptcharakter auch nicht zu viel Rampenlicht wegnehmen. Die einzelnen kleinen Dramen verblassen aber allesamt im Angesicht des großen Mord-Mysteriums. Das hohe Erzähltempo macht es notwendig, konzentriert zuzusehen, um die Wendungen auch nicht zu verpassen. Andererseits tauchen diese Wendungen derart häufig auf, dass es teilweise schon ein wenig in die Parodie abdriftet. Das Geheimnis rund um Frank (Charlie Weber), der sich am Ende nicht als Anwalt sondern eher als kaltblütiger Killer entpuppt (auch wenn das auch noch nicht die ganze Wahrheit ist), ging mir dann ein wenig zu weit. (willst du wirklich spoilern?)

Unterhaltsam ist das jedoch ohne jeden Zweifel. Da ich aber weder irgendeine Art der Werbung dafür sah (außer man zählt den Emmy für Viola Davis dazu), wusste ich auch nicht wirklich, was ich zu erwarten hatte. Als schwungvolle Thrillerserie ist das schon gelungen, allerdings wäre die Serie ohne die charismatische Darbietung von Davis ein wenig verloren. Das erinnert an andere „Star-Serien“ wie „Shark“ (James Woods) oder „The Blacklist“ (James Spader), die im Guten wie im Schlechten, sehr vom Hauptdarsteller abhängig sind.

YP: Wirklich reizvoll macht die Serie die großartige Darbietung Viola Davis, aber mir sind auch die anderen Charaktere mit ihren Storylines gut in Erinnerung geblieben. Es gab kaum Momente, wo ich mich gelangweilt habe. Für Davis ist das eine fantastische Gelegenheit, eine starke und ungewöhnliche Figur zu spielen, die viele Facetten zeigen kann. Durch das Tempo bleibt die Serie auch schnelllebig und einfach zu konsumieren. Trotz der Länge von ca 45 Minuten eignet sie sich ideal zum Binge-Schauen.

PD: Absolut. Es ist auch sehr schön eine so tolle aber viel zu selten in prominenten Rollen zu sehende Davis hier groß aufspielen zu sehen. Die Serie selbst steht jedoch nicht wirklich außerhalb der aktuellen Markt-Gewohnheiten. Es wird nichts neu erfunden, sondern bereits bekannte Formeln in einer attraktiven und angenehm konsumierbaren Form geboten. Langeweile kommt aber wirklich nie auf, auch wenn mir von den Charakteren bis zum Ende der 1. Staffel keiner sympathisch wurde.

YP: Das ist eben auch das Interessante. Wirklich sympathisch sind mir die Figuren auch nicht. Das sollen sie auch nicht sein, das ist gar nicht beabsichtigt von den MacherInnen. Ich glaube, nur deshalb ist es auch möglich, diese Distanz zu wahren. Da passieren ein paar nicht alltägliche Dinge und darauf muss man sich erst einmal einlassen können. Der zweiten Staffel gebe ich – sofern sie auf Netflix kommt – trotzdem eine Chance.

PD: Dafür sorgt ja auch schon der Cliffhanger am Ende der 1. Staffel. Auch wenn hier kein wirklich sympathischer Charakter vorhanden ist, möchte man doch die weiteren Wendungen und Drehungen der Handlung sehen. Vor allem aber, wie sich Annalise aus diesem Gewebe an Lügen und Täuschungen hinaus manövriert.

The Jungle Book (1967)

22 Freitag Apr 2016

Posted by filmimdialog in Filmdialoge

≈ Hinterlasse einen Kommentar

Schlagwörter

Das Dschungelbuch, Rudyard Kipling, The Jungle Book, Walt Disney

Rechtzeitig zum Start der Realfilm-Version (auch wenn man bei dem heftigen Einsatz von CGI über den Begriff „Realfilm“ diskutieren kann) werfen wir wieder einen Blick auf den Walt Disney-Klassiker. Haben die kindgerecht aufbereiteten Abenteuer von Mowgli, Balu und Co. noch immer den Charme wie einst in Kindertagen?

PD: „Das Dschungelbuch“ ist neben „Dumbo“ einer jener Disney-Klassiker, die sich am tiefsten in mein Gedächtnis eingebrannt haben. Wohl deshalb, da ich ihn in seiner synchronisierten Version so oft gesehen habe.

YP: Damit kann ich leider nicht dienen, da ich „The Jungle Book“ – bis vor kurzem – noch nie gesehen habe.

PD: Wie war dein Ersteindruck? Heute können mich Disney- und für Kinder gedachte Animations-Filme nicht mehr so begeistern, wie noch in meiner eigenen Kindheit und Jugend.

YP: Immer wieder musste ich mir vor Augen führen, dass dies ein Zeichentrickfilm aus 1967 ist. Mir kommt er irgendwie zeitlos vor. Zudem ist das ein Film für ein sehr junges Publikum. Wohingegen die jüngeren Disney-Filme wie „Inside Out“, „Up“ oder „Brave“ keineswegs als Kinderfilme betitelt werden können und für ein breiteres Publikum gemacht wurden. Ich muss aber dazusagen, dass man nicht im deutschsprachigen Raum aufwachsen kann, ohne die deutschen Synchronisationen der Songs zu kennen. Es führt kein Weg daran vorbei.

PD: Darin liegt für mich auch die Zeitlosigkeit dieses Filmes: in den Songs. Selbst heute noch hört man immer wieder „Probiers mal mit Gemütlichkeit“ oder „Ich wäre gern wie du“ im Radio. Auch das Design der Figuren hat die Zeit überlebt, vor allem auch deshalb, da es zumindest ein weiteres Mal – in „Robin Hood“ (1973), ebenso wie „The Jungle Book“ von Wolfgang Reitherman inszeniert – eingesetzt wurde.

Die klassischen Disney-Filme zeichnen sich auch durch diese Unschuld aus und das direkte Ansprechen des kindlichen Publikums, wobei ich hier Erwachsene gar nicht ausnehmen möchte. Als Erwachsener kann man auch Unterhaltungswert in Filmen wie „The Jungle Book“, „Snow White and the Seven Dwarfs“ oder „Pinocchio“ finden. Die haben aber mit den heutigen Pixar-Disney-Werken nur noch wenig gemein.

YP: Nehmen wir die ersten zwanzig Minuten des Films her: wie Mowgli auf Abenteuer geht. Hier (und später natürlich auch) nimmt sich der Film die Zeit, die er braucht, um uns in die Geschichte einzuführen. Wie dieser Elefanten-Trupp bei Mowgli und Baghira einmarschiert, hat Slapstick-komödiantische Elemente. Den Film als „süß“ zu bezeichnen, täte ihm unrecht. Allerdings sind die Figuren herzerwärmend und erinnerungswürdig, ohne jegliche Plattitüden oder Schwarzweißmalerei. Mowgli wird auf ein fantastisches Abenteuer durch diesen Dschungel geschickt. Den Erfolg des Films – auch noch Jahrzehnte (bald 50 Jahre) später – kann ich nachvollziehen.

PD: Mir fehlt der Vergleich mit den Geschichten von Rudyard Kipling, aber die Realversionen hatten immer einen sehr düsteren Einschlag. Immerhin handelt es sich hier um einen 10 Jahre alten Buben, der inmitten der Gefahren des Dschungels überleben muss. Da ist die Zeichentrick-Version von Disney deutlich entschärft. Die Gefahren sind um ein Vielfaches gemindert. Egal ob der Hypnose-Blick der Schlange Kaa oder die Entführung durch die Affen, um ihn zu König Louie zu schaffen. Nichts davon erzeugt ein Gefühl dafür, als ob sich Mowgli tatsächlich in großer Gefahr befinden würde. Dafür sorgen auch die eher Slapstick-artigen Rettungstaten durch Baghira und Balu.

Drastischer wird der Film erst zum Finale hin, wenn der wie ein bedrohlicher Schatten über der Geschichte liegende Tiger Shir Khan, das Leben Mowglis bedroht. Bis dahin folgt aber eine Sketch- und Song-Einlage auf die andere. Da würde ich den Grundton des Films sehr wohl als „süß“ bezeichnen.

YP: Da wären wir aber wieder beim Beginn des Dialogs. Das ist für mich ein Kinderfilm, dem erwachsene Personen eben auch aus der eigenen Kindheit nostalgisch gegenüberstehen und deshalb vielleicht auch ein bisschen romantisieren. Ich möchte eben aber kurz auf den pädagogischen Wert des Films zu sprechen zu kommen: einfach nur fantastisch. Der Dschungel als Kontext einer fremden Umgebung für den sich von allen anderen dort lebenden Geschöpfen unterscheidenden Mowgli. Der in einer Tour ermutigt wird, seinen Jungen zu stehen und sich gegen den bedrohlich anmutenden Shir Khan und seine menschenfeindliche Ideologie zu behaupten. Shir Khan mag Mowglis Andersartigkeit nicht. Ich kann mir schon vorstellen, dass es junge Moralvorstellungen herausbildet. Außerdem ist Mogwli kein weißer Junge. Das klingt alles sehr simpel gestrickt, mir gefällt es aber, wie schön und schnörkellos das in die Story eingearbeitet wurde.

„The Jungle Book“ war übrigens der letzte abendfüllende Film, an dem Walt Disney höchstpersönlich mitgearbeitet hat.

PD: Am Ende jedoch, wandert Mowgli schlussendlich doch in das Dorf der Menschen. Denn aus dem Jungen wird langsam der Mann und dieser hat keinen Platz im Dschungel bei seinen tierischen Freunden. Das Ende symbolisiert auch ein wenig das Ende der kindlichen Unschuld, die ihn bis zum finalen Kampf mit Shir Khan prägte. Der Menschenfressende Tiger hat aber nicht nur Mowgli im Visier gehabt. Seine Schreckensherrschaft erfasste auch den Rest des Dschungels und nur mit vereinten Kräften war es möglich, ihn zu besiegen.

Da du Walt Disney ansprichst. „The Jungle Book“ markiert ja nicht nur den letzten Film, der unter seiner Führung entstand, sondern auch das Ende der klassischen Disney-Ära. Erst 1989 sollte die „Disney Renaissance“ einsetzen, und diese hat mich als Kind wohl noch mehr geprägt, da die moderner wirkenden Animationen in „Beauty and the Beast“, „Aladdin“ oder „The Lion King“ noch viel direkter ansprachen.

YP: „Robin Hood“ steht da auf meiner Liste ganz weit oben und die beiden ersten von dir erwähnten Filme mochte ich als Kind auch gerne. Wobei ich „The Lion King“ auch erst vor ein paar Jahren erstmals gesehen habe. Mich hat Disney irgendwie verpasst. In dem Alter, wo es interessant gewesen wäre, hatte ich keinen Zugang dazu. Seit Disney aber Pixar gekauft hat, ist es wieder interessanter geworden.

PD: Als Konzern hat Disney hervorragende wirtschaftlich begründete Entscheidungen getätigt. Der Aufkauf von Pixar, Marvel, der Rechte für Star Wars und Indiana Jones. Das ist aus Marktsicht beeindruckend. Die Animationsschiene hat aber für mich ihren Reiz verloren. „Robin Hood“ sehe ich eher als „Klassiker der zweiten Reihe“, hintangestellt an Filme wie „Snow White and the Seven Dwarfs“.

Die neuen Animationsarbeiten sind auch eher durch Pixar geprägt, wobei mir die Pixar-Filme vor der Disney-Übernahme besser gefielen. „Wall-E“ oder „The Incredibles“ kann ich mir immer wieder anschauen. „Inside Out“ war dagegen eine kleine Enttäuschung. Wohl deshalb hat man sich wohl dazu entschlossen, die ganzen klassischen Zeichentrickfilme nun in Realfilm-Versionen umzuarbeiten. Auch wenn mein Interesse daran nur sehr gering ist.

Christian Petzold

15 Freitag Apr 2016

Posted by filmimdialog in Personalia

≈ Ein Kommentar

Schlagwörter

Barbara, Benjamin Heisenberg, Carnival of Souls, Christian Petzold, Christoph Hochhäusler, Die innere Sicherheit, Dominik Graf, Dreileben, Jerichow, Phoenix, Valeska Grisebach, Vertigo, Yella

Seit seinem Kinodebüt „Die innere Sicherheit“ (2000) ist der deutsche Regisseur Christian Petzold nicht mehr aus der ersten Reihe des deutschen Gegenwartskinos wegzudenken. So widmet ihm das Österreichische Filmmuseum noch bis 4. Mai eine Retrospektive. Das reicht uns als Anlass, seine Filme in einem Dialog zu besprechen.

YP: „Yella“ war der erste Film von Christian Petzold, den ich im Kino gesehen habe. Das war 2007. Seitdem habe ich keinen Film versäumt und alle anderen nachgeholt. Am meisten habe ich mich mit „Barbara“ beschäftigt, dieser gehört auch zweifellos zu meinen Lieblingsfilmen (nicht nur von Petzold).

PD: Erstmals aufgefallen ist mir Christian Petzold mit „Gespenster“. Die Geschichte der Teenagerin Nina (Julia Hummer) und einer Französin, die Nina für ihre einst verschwundene Tochter hält, hat mich gleich gefesselt. Allerdings war es ein eher ungünstiger Einstieg, denn abgesehen von einigen interessanten Einstellungen, konnte mich „Gespenster“ nicht fesseln. Erst als ich „Die innere Sicherheit“ im Fernsehen sah, wurde mir bewusst, dass es sich hier um einen sehr interessanten Filmemacher handelt.

Gerade „Yella“ zeigt als inoffizielles Remake von „Carnival of Souls“, dass die Einflüsse für Petzolds Werk sich auch aus dem amerikanischen Genre-Kino speisen.

YP: Auch wenn er sich natürlich eindeutig am westlichen Kino orientiert hat, spielen seine Geschichten in östlichen Gefilden und arbeiten sich an der deutschen Geschichte ab. „Jerichow“ und „Yella“ sind in der Provinz im Osten Deutschlands angesiedelt. Aus „Barbara“ hat er ein DDR-Liebesdrama gemacht. „Phoenix“ spielt im Nachkriegsdeutschland und befasst sich mit dem Schicksal einer Holocaust-Überlebenden, die ihren Mann sucht. Die Szenarios haben  – in manchen Einstellungen so menschenleer und verlassen wie sie wirken – stets etwas Gespenstisches und Ungreifbares an sich. Das zeichnet Petzolds Kino auch irgendwie auch und gibt ihm einen hohen Wiedererkennungswert.

PD: Gespenstisch trifft es ganz gut. Natürlich vor allem in „Gespenster“, aber auch in „Die innere Sicherheit“, in der die RAF-Vergangenheit ganz ohne die Nachbildung der Attentate aufgearbeitet wird. Die Personen wirken allesamt wie Schatten, während Petzolds Hauptaugenmerk auf der Entwicklung der Tochter des auf der Flucht lebenden Paares ruht. Generell dominieren bei Petzold starke Frauencharaktere. Ob Julia Hummer in „Die innere Sicherheit“ und „Gespenster“, oder Nina Hoss, die von „Yella“ weg zu seiner bevorzugten Hauptdarstellerin wurde.

Es scheint auch, dass Petzold von Film zu Film, sich immer intensiver mit den Möglichkeiten des Genres auseinandersetzt. Filme wie „Barbara“ oder „Phoenix“ hätten sehr leicht im trivialen B-Movie-Kitsch enden können.

YP: Aber wenn ich an seine Werke denke, dann kommen die Begriffe Genrekino oder Genrefilme kaum in den Sinn. Diese Filme machen Gebrauch von den Möglichkeiten dieser Machart, aber keineswegs definieren sie sich dadurch. Wenn ich an das stilistisch perfekt inszenierte „Barbara“ denke und wie viel Liebe da im Detail liegt, aber das die verschiedenen Erzählstränge trotzdem sehr einnehmend bleiben, sodass die Optik auch in den Hintergrund tritt.

PD: Genrekino und detaillierte Erzählformen schließen sich aber doch keineswegs aus. Sein jüngster Film „Phoenix“ erscheint mir da wie ein Paradebeispiel. Es ist ein geradezu klassisch aufgebauter Krimi, vor dem Hintergrund des Holocaust, während gleichzeitig feine Beobachtungen zum Schuldbewusstsein und der Verantwortung verschiedener Personen angestellt werden. Auch sein Beitrag zum Fernseh-Dreiteiler „Dreileben“ zeigt Petzolds Interesse an diesen Genre-Formen.

Und da hat sich Petzold in den letzten Jahren enorm weiter entwickelt. „Yella“ oder „Jerichow“ konnten mich nur bedingt überzeugen, und lebten mehr von einer tollen darstellerischen Leistung oder einer guten Grundidee.

YP: „Phoenix“ lässt diese Genrestimmung durchaus zu. Teile davon erinnern mich an Thriller, Teile wieder an Krimis. Was mir an den Settings vor allem in „Barbara“ und „Phoenix“ gefiel: auf den ersten Blick sind sie unscheinbar und unterstreichen die Story, die sie zu transportieren versuchen. Auf den zweiten Blick merkt man aber, wie perfekt konzipiert sie sind, damit sie eben im Hintergrund bleiben.

Eine gewisse filmische Weiterentwicklung ist bei ihm durchaus zu beobachten. Die aktuellen Werke liegen mir – u.a. auch thematisch – einfach mehr. Vor allem „Barbara“, der fast hoffnungsfroh endet. „Gespenster“, „Yella“ und „Jerichow“ wirken auch etwas distanziert.

PD: Die Distanz, die man zu den Charakteren in „Gespenter“ oder „Yella“ spürte, war wohl auch kalkuliert. Denn sie sind ja zum Teil auch Geister, die durch zwar von Menschen bevölkerte, aber doch seltsam leere und tote Orte wandeln. Dagegen ist die Stimmung in „Barbara“ belebt. In „Yella“ war die wunderbare Nina Hoss inmitten toter Bürotürme zu sehen, in „Barbara“ fuhr sie mit dem Fahrrad durch die DDR. Alleine durch dieses Umfeld, auch wenn die Stimmung wie in einem Thriller aufgeladen war, standen einem die Figuren näher.

Wichtig ist ja auch der Einfluss, den Harun Farocki auf die Arbeiten von Petzold hatte. Mir scheint vor allem die Gestaltung der Szenerie, sehr auf Farockis Einfluss zurückzugehen. Etliche Szenen in „Gespenster“ oder „Yella“ erinnern an alte Filme oder museale Installationen Farockis.

YP: Zu Beginn seiner Filme herrscht immer eine absolute Hoffnungslosigkeit, die Figuren scheinen in ihren Umgebungen nicht nur gefangen, sondern regelrecht verloren. Das wirkt sich natürlich in der von Farocki beeinflussten und mit gestalteten Szenerie aus. Was in „Yella“ und „Gespenster“ nicht der Fall ist, passiert in „Barbara“ und „Phoenix“ auf erwartete bzw. unerwartete Weise: es gibt ein – wenn auch nicht einfaches – Entkommen aus alten, gewohnten, zerstörerischen Mustern. Wenn auch nur als Wachrütteln. Wobei im letztjährigen „Phoenix“ das Publikum auch diese Verzweiflung der Figur regelrecht spüren konnte. Vor allem, weil es über diese wichtige Vergangenheitsbewältigung der Protagonistin Nelly / Ester (Nina Hoss in einer Doppelrolle) und des Nationalsozialismus in Deutschland ging. Sein letzter Film ist eine eindeutige Anlehnung an Alfred Hitchcocks „Vertigo“. „Phoenix“ ist ein sehr wichtiger Film des jüngeren deutschen Kinos.

PD: Genau dieser Einfluss auf die aktuelle deutsche Kinolandschaft gehört abschließend noch einmal betont. Seine immer intensivere Wechsel zwischen Kino- und Fernseharbeiten, erinnern mich an Dominik Graf, mit dem er „Dreileben“ gearbeitet hat. Zudem ist sein Einfluss im Rahmen der so genannten „Berliner Schule“, auf die nachfolgende Generation rund um Valeska Grisebach, Benjamin Heisenberg oder Christoph Hochhäusler beachtenswert. Umso interessanter, dass er mit Hochhäusler, wie mit Graf, an „Dreileben“ gearbeitet hat. Seine zukünftigen Projekte und die von ihm inspirierten Werke, kann ich deshalb kaum erwarten.

Batman v Superman: Dawn of Justice

08 Freitag Apr 2016

Posted by filmimdialog in Filmdialoge

≈ Ein Kommentar

Schlagwörter

Batman, Batman v Superman: Dawn of Justice, Ben Affleck, Gal Gadot, Henry Cavill, Jesse Eisenberg, Man of Steel, Sucker Punch, Superman, Watchmen, Wonder Woman, Zack Snyder

Was Marvel kann, können wir schon lange, dachte man sich wohl bei DC Comics. Deshalb ist „Batman v Superman: Dawn of Justice“, nicht nur die Fortsetzung zu „Man of Steel“, sondern zugleich der Auftakt zur DC-Franchise. Ob Zack Snyder die Fans begeistern konnte, oder frustriert zurückließ, besprechen wir diesmal.

PD: Dem Sturm an vor allem negativen Kritiken zum neuen Batman/Superman-Abenteuer konnte man ja kaum entkommen. Entsprechend hatte ich das Allerschlimmste erwartet. Jedoch verließ ich das Kino dennoch mit mehr positiven denn negativen Eindrücken.

YP: Bis auf eine Kritik (die ich noch raussuchen muss), wo die enttäuschend unausgegorene Leinwandpräsenz von Wonder Woman bemängelt wurde, habe ich wieder einmal keine Kritiken gelesen. Und die Tweets in meiner Timeline waren entweder entsetzt negativ oder überrascht positiv. Ich muss aber sagen, dass Zack Snyder langsam zu einer Form findet. Die Batman-Storyline fand ich insgesamt wirklich gut. Die Katastrophe zum Schluss dann gar nicht. So ging es mir in „Man of Steel“ auch. Das erste Drittel fand ich dort auch gut, dann gab es einen eklatanten Einbruch. In „Dawn of Justice“ fand ich so einen trotz großer Schwächen gar nicht.

PD: Ich sah es wieder eher als einen Kampf gegen einen furchtbaren Beginn. Als Snyder zum wiederholten Male den Tod von Bruce Waynes Eltern durchkaut, war ich unglaublich genervt. Nicht nur ist diese Hintergrundgeschichte gut bekannt, sie ist auch für den Film selbst nicht sonderlich relevant. Zudem verbinden sich da der überdramatisierte Zeitlupenfetisch von Snyder mit der ebenso entsetzlichen Filmmusik Hans Zimmers zu einer Albtraumkombination. Dass der Beginn eine Traumsequenz war, half mir gar nicht den bitteren Beigeschmack zu vergessen. Generell waren die Traumsequenzen geradezu ein Ärgernis.

YP: Hier hatte Zack Snyder die Chance, seine Version des Batman-Origins in den Film zu packen und die hat er genutzt. Das kann ich ihm nicht verübeln, mich hat es nicht so gestört wie dich. Natürlich habe ich sofort Parallelen zu Nolans „Batman Begins“ gezogen, aber das lässt sich auch nicht verhindern, da es die letzte Batman-Verfilmung ist, die ich gesehen habe (vielleicht auch eine der interessantesten Batman-Adaptionen überhaupt).

Gestört haben mich immer Einstellungen und Szenen, wo Snyder seine alten Sachen rausgepackt hat: der Kampf zum Schluss erinnerte sehr an „300“ und der erste Auftritt von Wonder Woman im nicht-existenten Röckchen erinnerte leider zu sehr an „Sucker Punch“ und ich hasse diesen Film von Snyder. Ich wollte so gerne mehr von ihr sehen, aber daraus ist nichts geworden. Obwohl das ja ganz gut begonnen hat, auf einmal taucht sie auf. Die Batman-Storyline hätte man da durchaus kurzen können, um mehr von Wonder Woman mit reinzunehmen.

PD: Da bin ich bei dir. Wonder Woman hätte sich etwas mehr Platz verdient, aber deshalb bin ich auch schon optimistisch gestimmt, was den Solo-Film unter der Regie von Patty Jenkins angeht. Kaum trat Wonder Woman (Gal Gadot) mit in den Kampf gegen Doomsday ein, schon begannen die Actionszenen Spaß zu machen. Eine sehr willkommene Auflockerung, nach dem bitteren und auch tristen Schlagabtausch zwischen Batman und Superman. Mich störte eher, dass so viel an Handlung hinein gepackt wurde. Die Origin-Story von Batman, die ich einfach unnötig fand, da wir Bruce Wayne an einem Punkt in seinem Leben treffen, wo er bereits desillusioniert von seinem Batman-Dasein ist, oder auch die etwas krampfhaft eingebauten Querverweise auf The Flash, Aquaman und Cyborg. Das hätte auch in einer End-Credit-Sequenz Platz gehabt.

Positiv überrascht war ich aber von der Konzeption Batmans. Angelehnt an Frank Millers „The Dark Knight Returns“ ist Affleck ein sehr guter, gebrochener Mann. Sein Rachefeldzug hat schon faschistoide Züge und da erinnert Snyders Inszenierung auch mehr an einen Horrorfilm. Der ewig traurige Superman hingegen enttäuschte mich wieder.

YP: Die Motivation hinter Bruce Waynes Rache an Superman ist aber auch etwas dünn (ich kenne die Comics nicht), darum scheint auch der Moment, in dem aus den beiden Kontrahenten und Widersachern Freunde werden (Codewort: Martha), fast ein wenig lächerlich. Ben Affleck machte sich auch sehr gut in der Doppelrolle Wayne/Batman, er hat hier sein eigenes Ding durchgezogen, mir gefällt die Reife, die er an den Tag legt. Henry Cavill musste in diesem Teil seine Präsenz ja teilen, was dann etwas dürftig ausgefallen ist. Trotzdem bin ich der Meinung, dass eine faire Aufteilung der Leinwandpräsenz (durch vier) mit knackigerer Verknüpfung dieser einen noch besseren Film daraus gemacht hätte. Und ich muss Snyder fast loben, dass er sich hier noch einmal steigern konnte. Nach dem ganzen Schrott, den er vor „Man of Steel“ vorgelegt hat.

PD: Diese Verbindung durch „Martha“ wurde auch im pathetischst-möglichen Stil vollzogen, inklusive immer wieder gespielter Rückblicke auf den sterbenden Thomas Wayne. Das war schon ein wenig „Batman v Superman für Dummies“. Waynes Motivation, Superman ausschalten zu wollen, fand ich ausreichend. Immerhin wurde der Zerstörungswut aus „Man of Steel“ Rechnung getragen und dies sogar gut in den neuen Film eingewoben. Dafür war mir nicht wirklich klar, weshalb Lex Luthor (wie ein Tech-Hipster: Jesse Eisenberg) einen derartigen Hass auf Superman in sich trug.

Snyders hatte doch mit „Dawn of the Dead“ seinen bisher besten Film, und auch seine „Watchmen“-Version hat mir mehr imponiert, denn alle anderen Werke. Gerade aber das ständige „eine Szene Superman, eine Szene Batman“-Hin-und-Her-Gespringe war aber alles andere als elegant.

YP: Wayne scheint nicht nur der Zerstörung von Metropolis beigewohnt zu haben – mir fehlt hier auch hier ein bisschen die Erwähnung, wie kaltblütig Superman General Zod umgebracht hat – auch befindet sich der alternde Batman sichtlich in der Midlife-Krise. Das angeknackste Ego reicht scheinbar, um Rachefantasien zu schmieden.

Und den Einspielergebnissen nach zu urteilen, steht der Verfilmung von „Justice League“ nun eindeutig nichts mehr im Wege. Da wird sich Snyder aber freuen.

PD: Einerseits freut es mich, dass die von Warner Bros. produzierten DC-Filme eine etwas dunklere Richtung einschlagen, ganz im Geiste ihrer Gangster- und B-Movie-Wurzeln. Andererseits fehlt mir bei Snyders Werken eine erzählerische Konsequenz. Man hüpft von Szene zu Szene. Mal unterhaltsam und packend, dann wieder enervierend und nervtötend. Die Hoffnung bleibt, dass er sich doch noch zu einem guten Geschichtenerzähler entwickelt und nicht bei seinem derzeitigen Status als Hersteller pompöser Schlachtenbilder verweilt.

Lourdes

01 Freitag Apr 2016

Posted by filmimdialog in Filmdialoge

≈ Hinterlasse einen Kommentar

Schlagwörter

Amour Fou, Bruno Todeschini, Hotel, Jessica Hausner, Léa Seydoux, Lourdes, Sylvie Testud

Ein religiöser Erweckungsfilm oder doch eine subtile Satire zur Kommerzialisierung des Glaubens? Wir versuchen Jessica Hausners „Lourdes“ auf zwei Nenner zu bringen.

PD: Als vom Glauben abgefallener Katholik, war ich nicht unbedingt gespannt auf die Betrachtung des Heilfahrtsortes Lourdes. Zudem war ich noch immer geschädigt von Jessica Hausners Vorgängerfilm „Hotel“, dem ich kaum etwas Positives abgewinnen konnte.

YP: Das klingt aber sehr dramatisch. Ich gehöre zwar selber nicht zu den religiösen oder gläubigen Menschen, konnte aber „Lourdes“ mit einer gewissen Nähe betrachten. Einer gewissen Nähe zum Katholizismus, der sich bereits früh mit diversen katholischen Ritualen und Sakramenten manifestiert hat. Ich sehe das aber mit der nötigen Distanz wie Thomas Bernhard, der diese katholischen Bräuche und Prozessionen als Theater bezeichnet hatte. Vielleicht ist sogar von einer vertrauten Schaulust die Rede – ohne jemals in Lourdes gewesen zu sein. Dafür kenne ich Walfahrtsorte wie Santiago de Compostela und den Vatikan als skeptische Touristin.

PD: Persönlich gesprochen, gibt es natürlich diverse katholische Rituale die in mein Leben hinein spielen, einfach weil ich damit aufgewachsen bin. Es ist auch am ehesten als Theater zu bezeichnen, und genau deshalb war ich so gar nicht gespannt darauf. Denn es ist schlechtes und abgestandenes Theater.

Glücklicherweise hat Jessica Hausner sich aber diese Distanz bewahrt und zeigt einen sensiblen und überraschend kritischen Blick auf den Wallfahrtsort. Dass sie diese Balance zwischen der Kritik am Kommerzialisierung und der tief gläubigen Suche nach Heilung oder Erlösung bewahrt, ist die ganz große Stärke ihres Films. Sie lehnt sich nicht in eine Richtung, sondern überlässt es dem Publikum, die vielen Charaktere und ihre Motive für den Lourdes-Besuch kennenzulernen.

YP: Aber diese Distanz bewahrt sie den ganzen Film hindurch und begegnet dem, was gezeigt wirkt stets respektvoll. Natürlich ist das ein durch und durch konzipierter Film, doch wirkt er sehr mühelos erzählt. Wobei sich für mich die Kritik schon an der Wahl der Thematik ergibt, nicht so sehr am kommerzialisierten Standort. Da gibt es diese beiden Damen mit österreichischem Dialekt, die alles hindurch kommentieren. Die beiden sagen dann oft Sätze, die messerscharf diesen ganzen Zirkus entlarven, wobei sie natürlich mittendrinnen stecken. Besonders witzig fand ich diese Auflagen, was alles ein Wunder in Lourdes ausmachen darf. Und das man dieses schnell melden muss, damit es offiziell ist, sonst zählt es nicht. Eine Wunder-Maschinerie, die den gläubigen Menschen Hoffnung gibt. Der Glaube ist da eine Sache, aber die Religionsausübung eine andere. Wobei die Menschen da ganz bestimmt oft nicht unterschieden haben. Das hat der Film sehr gut rübergebracht.

PD: Hausner zeigt ja ein ganzes Figuren-Ensemble, welches verschiedenste Zugänge zu diesem Ort hat. Die beiden älteren Damen etwa drehen sich die Heilung und die Rolle Gottes gerade so, wie sie gerade passt. Es beginnt ja nicht nur Christine (Sylvie Testud) plötzlich sich aus ihrem Rollstuhl zu erheben, sondern auch ein Kind aus seinem Dämmerzustand zu erwachen. Sobald aber die „Geheilten“ wieder zu ihrem Ursprungszustand zurückkehren, war es eben kein Wunder. So lassen sich weder die Gläubigen, noch die Priester diesen Ort durch jegliche Rationalisierung kaputt machen.

Ganz besonders einschneidend fand ich die Beziehung zwischen Sylvie und den Schwestern des Malteser-Ordens (darunter Léa Seydoux). Christine wird abwechselnd wie ein mühsames Ärgernis, oder wie ein kleines Kind behandelt. Sylvie Testud agiert dabei immer sehr kontrolliert, auch wenn man ihren Ärger geradezu spürt.

YP: Bei Christine sieht man auch immer, wie sie stille Beobachterin der Geschehnisse um sich herum bleibt, allerdings hält sie ihre Behinderung scheinbar davon ab, am Leben der anderen teilzunehmen. Wobei ich mir bei ihr nicht sicher war, ob es die Krankheit ist, die ihren Charakter geformt hat oder die Krankheit auch als Ausrede gesehen wird. Wahrscheinlich beides. Sie hätte so gerne ein normales Leben nach ihren Vorstellungen, dass ihr das Leben, welches sie führt, als wenig unvollkommen erscheint. Die Beichte öffnet ihr dann auch die Augen. Was dann auch ihr Ausbruch daraus in der letzten halben Stunde zeigt. Der Film ist eigentlich sehr hoffnungsfroh.

PD: Das sehe ich wieder anders. Gerade der Schluss, in dem Christine mit dem attraktiven Kuno (Bruno Todeschini) tanzt und dabei umkippt, nur um sich schließlich, nach einigen Augenblicken wieder in den Rollstuhl zu setzen, ist auch sehr bitter. Denn schon das andere gezeigte „Wunder“, endete in einem bitteren Rückfall. „Lourdes“ ist hier weniger ein Ort der Hoffnung, denn der enttäuschten Erwartungen. Selbst für die Malteser selbst, die den Aufenthalt scheinbar hauptsächlich dazu nutzen, um ein wenig Urlaub zu machen, Witze zu reißen und Kontakte zu knüpfen. Das erschien mir weniger hoffnungsfroh, denn bedrückend.

YP: Hier gehen unsere Meinungen sehr weit auseinander: In dieser letzten Szene hatte ich eher das Gefühl, dass sie endlich ihre Behinderung als Teil ihres Lebens akzeptiert. Für Christine bestand das langersehnte Wunder darin, sich einer Illusion hinzugeben und nicht gefangen im dem Zustand zu sein, indem sie sich befindet. Darin dann zurückzukehren war nicht bitter, es war ein Moment der Selbstakzeptanz. Sie wollte nie bemitleidet werden, noch hat sie die, denen es schlechter ging als ihr, bemitleidet.

PD: Interessant. Mir erschien dieser Moment bitter, da ja auch die sich durch Christine definierende Frau Hartl (Gilette Barbier), eine eigenständige und selbstständige Christine wie einen Verlust ihrer eigenen Aufgabe erlebte. Immer wieder, wenn die Malteser-Schwestern Christine vernachlässigten, war Frau Hartl da. Kaum konnte Christine ihre eigenen Taten setzen, war sie aber obsolet. So interpretierte ich zumindest dieses Schlussbild, in dem Christine von der Frau etwas ins Ohr geflüstert bekommt. Das Lächeln Christines kann in alle erdenklichen Richtungen gedeutet werden.

YP: Christine war eben auf die Malteser-Helferinnen nicht angewiesen, sie wusste sich auch woanders zu helfen und durchzusetzen. Sie ist auch genaue Beobachterin der Welt um sie herum. Auch in der Szene, wo sie von Frau Hartl in die erste Reihe geschoben wird – obwohl die Malteser-Helferin sie ausdrücklich darauf aufmerksam macht, dass sie deswegen nicht von Gott bevorzugt wird. An dieser Szene kann man gut erkennen, wie verzweifelt sie eigentlich war. Und erst nach ihrer Beichte gibt es einen Sinneswandel. Wie gesagt, auf mich wirkte das Ganze sehr hoffnungsvoll, aber vielleicht deswegen, weil das für mich den besseren Schluss darstellt.

PD: Vor allem hat mir „Lourdes“ gezeigt, dass Jessica Hausner eine hervorragende Filmemacherin ist. Auch ihr Nachfolgewerk „Amour Fou“ hat mir außnehmend gut gefallen und ich bin schon gespannt, was ihr nächstes Projekt sein wird.

Abonnieren

  • Einträge (RSS)
  • Kommentare (RSS)

Archiv

  • September 2016
  • Juli 2016
  • Juni 2016
  • Mai 2016
  • April 2016
  • März 2016
  • Februar 2016
  • Januar 2016
  • Dezember 2015
  • November 2015
  • Oktober 2015
  • September 2015
  • August 2015
  • Juli 2015
  • Juni 2015
  • Mai 2015
  • April 2015
  • März 2015
  • Februar 2015
  • Januar 2015
  • Dezember 2014
  • November 2014
  • Oktober 2014
  • September 2014
  • August 2014
  • Juli 2014
  • Juni 2014
  • Mai 2014
  • April 2014
  • März 2014
  • Februar 2014
  • Januar 2014
  • Dezember 2013
  • November 2013

Kategorien

  • Filmdialoge
  • Personalia
  • Special
  • TV
  • Uncategorized

Meta

  • Registrieren
  • Anmelden

Bloggen auf WordPress.com.

Datenschutz & Cookies: Diese Website verwendet Cookies. Wenn du die Website weiterhin nutzt, stimmst du der Verwendung von Cookies zu.
Weitere Informationen, beispielsweise zur Kontrolle von Cookies, findest du hier: Cookie-Richtlinie
  • Abonnieren Abonniert
    • Film Im Dialog
    • Schließe dich 53 Followern an
    • Du hast bereits ein WordPress.com-Konto? Melde dich jetzt an.
    • Film Im Dialog
    • Anpassen
    • Abonnieren Abonniert
    • Registrieren
    • Anmelden
    • Melde diesen Inhalt
    • Website im Reader anzeigen
    • Abonnements verwalten
    • Diese Leiste einklappen