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Bend It Like Beckham, Bollywood, Dhan Dhana Dhan Goal, Fußball, Gurinder Chadha, John Abraham, Jonathan Rhys Meyers, Keira Knightley, Kick It Like Beckham, Parminder Nagra, Vivek Agnihotri
Auch im aktuellen Dialog widmen wir uns Filmen, die Fußball zum Thema haben. Diesmal allerdings nehmen wir zwei Spielfilme unter die Lupe. „Dhan Dhana Dhan Goal“ (2007) ist auch des Genres wegen als Bollywood-Film Geschmacksache und „Bend It Like Beckham“ (2002) dürfte bei Nicht-Fans kaum unbekannt sein.
YP: Man könnte sagen, sowohl „Dhan Dhana Dhan Goal“ als auch „Bend It Like Beckham“ behandelen das Thema der indischen Identitäte im Ausland. In diesem Falle beide Male England.
PD: Erst als ich beide Filme hintereinander gesehen habe, fiel mir auf, dass es sich um dasselbe Thema, noch dazu im selben Umfeld handelt. Die Frage nach der Identität im fremden Land, mit Fußball als Ausdruck kultureller Freiheit. Gut, bei „Dhan Dhana Dhan Goal“ wurde daraus ein überraschend boshafter Kommentar zu Verrat und Gruppenbildung.
YP: Es kommt bei „Bend It Like Beckham“ auch noch die Suche nach einer Geschlechtsidentiät hinzu. Im Film der britischen Regisseurin Gurinder Chadha werden familiäre Werte genauso hinterfragt wie im Bollywood-Film. Natürlich ist auch der eine Film viel westlicher ausgerichtet als der andere.
PD: Bei „Bend It Like Beckham“ gibt es nicht nur eine westlichere Ausrichtung, sondern auch eine besser ausgearbeitete Figurenriege. Jesminders (Parminder Nagra) Familie ist, genau so wie jene von Jules (Knightley), eine Parade an Klischees, aber immer mit einem Augenzwinkern. Es wird mit viel Humor transportiert, dass sich eine traditionell-indische Familie nicht ganz mit den Ansichten ihrer unkonventionell denkenden Tochter anfreunden kann.
Genauso wie bei der typisch-englischen Familie. Jules‘ Mutter ist auch ein reines Klischee an Vorurteilen und Ängsten, aber es wird derart überzeichnet, dass sofort klar ist, dass man es hier mit einer gutherzigen Komödie zu tun hat.
Bei „Dhan Dhana Dhan Goal“ wird als Losung, die Abkapselung in die eigene Kultur angeboten. Starspieler Sunny (John Abraham) ist entweder ein Verräter seiner Kultur, oder ein Mitglied der Community. Da gibt es kein Dazwischen. Noch dazu gibt es bei „Dhan…“ keinen einzigen „weißen“ Charakter, der nicht bösartig und rassistisch wäre. Ganz im Gegensatz zu „Beckham“.
YP: Damit triffst du ins Schwarze. Als Sunny von Aston, seiner ersten Fußballmannschaft, ausgeschlossen wird und er danach seinem Trainer vorwirft, das sei wegen seiner Hautfarbe passiert, war sofort klar, welche Richtung der Film einschlägt. Jetzt ist Rassismus im Fußball ein weit verbreitetes Phänomen, aber hier ging es eben um seine „wichtigere“ indische Identität und die Tatsache, dass diese nicht mit der britischen vereinbar sei. Auch der Vater-Sohn-Konflikt beruht darauf.
PD: Je länger der Film von Vivek Agnihotri dauerte, desto wütender wurde ich.
Es gibt natürlich Probleme. Weit verbreiteter Rassismus unter Fans oder auch bei Clubs, doch der Film nimmt jeden einzelnen Aspekt zum Vorwand, um, wie du richtig sagst, eine Hymne auf die Unvereinbarkeit von britischer und indischer Identität anzustimmen.
YP: Für mich ist der Film eigens für das Bollywood-Publikum gemacht. Diese Sentimentaliäts-Ausbrüche sind nichts für mich.
PD: Dass laut Wikipedia noch dazu gute Kritiken aus Indien zu dem Film geschrieben wurden, zeigt für mich nur, dass da auch tief sitzende Ressentiments bedient wurden. Eigenartigerweise hat ja die im Bollywood-Kino unumgängliche Tanz- und Gesangsnummer noch am besten funktioniert.
Für einen Film über Fußball, war das auch unglaublich schlecht recherchiert.
YP: Fußball ist hier hintergründig. Klar geht es um eine Fußballmannschaft, aber primär sollen hier Familien zusammengeführt werden, Freundschaften entstehen, den Bösen eines ausgewischt werden, der fesche Stürmer mit der Ärztin zusammenkommen.
PD: Gut, Fußball ist hier natürlich nur die „Folie“ über die diese ganzen Themen bearbeitet werden sollen. Genauso wie bei „Bend It Like Beckham“ oder anderen Fußballfilmen. Bei „Dhan Dhana Dhan Goal“ sitzt man aber beinahe drei Stunden davor, und muss sich mit geradezu lachhaft inszenierten Fußballszenen abmühen. Nicht nur ergibt der Meisterschaftsmodus innerhalb der fiktiven Liga kaum einen Sinn, es ist auch der Ablauf der Spiele schlicht unsinnig (die wie beim Football, Basketball oder Eishockey einen Countdown herunter zählende Uhr etwa ist furchtbar).
Gestört hat mich auch, wie einfach behauptet wird, dass es Sunny als Engländer mit indischen Wurzeln niemals schaffen wird, von den Engländern akzeptiert oder in eine Topmannschaft integriert zu werden. Dabei gibt es Spieler mit indischem Hintergrund, die in England auf Profiniveau spielen, zum Beispiel Michael Chopra. Anstatt einen real existierenden Spieler als Vorbild für die Underdogs herzuziehen, wird eine rassistische Erzählung aufgebaut, die schlicht ungut anzusehen ist.
YP: Die Frage habe ich mir dann gestellt, wie viele Spieler indischer Abstammung in der englischen Premier League spielen. Anstatt dieses Ressentiment abzubauen, wird es vollends bedient.
PD: Dass im britischen Profifußball British-Asians unterrepräsentiert sind, ist ein Problem, wird mir aber zu unreflektiert dargestellt, um eine ernsthafte Diskussion zu befördern. Die schlichte Moral ist: Bleib bei deinen Leuten, anderswo mag man dich eh nicht.
YP: Dafür ist „Bend It Like Beckham“ eine Parade mit sexistischen Werten. Mir gefällt der Film zu Beginn ganz gut, aber keine Sekunde lang wollte ich es den beiden weiblichen Figuren abkaufen, dass sie sich um diesen Trainer „streiten“.
PD: Bei „Bend It Like Beckham“ gefiel mir die Naivität, mit der Jess und Jules ihre Träume verfolgen. Auch der von Jonathan Rhys-Meyers gespielte Trainer hat mir zu Beginn gut gefallen. Der sehr vorhersehbare Streit um die Gunst des Trainers dann weniger, da hätte ein nicht so konservativer Film aus Jules und Jess vielleicht wirklich mehr als nur Freundinnen und Teamkolleginnen gemacht.
YP: Es hätte gar keine Anspielung gebraucht, um aus ihnen mehr als platonische Freundinnen zu machen. Das, was sie daraus gemacht haben, habe ich denen keine Sekunde abgekauft. Nach der ersten Stunde gab es den Einbruch. Aus dem spritzigen Sportfilm, der eben auch kulturelle Hintergründe ironisch auf den Arm nimmt, wurde eine abgedroschene und sexistische Romcom. Das war unerträglich. Wer macht noch solche Filme?
PD: Lustig, dass du das fragst. In vielen Artikeln die ich zu „Bend It Like Beckham“ gelesen habe, wurde genau dieses „They don’t make them like that anymore“ angeführt, und zwar als Kompliment.
Vor allem die erste Stunde, der Aufbau der Figuren und der Konflikte waren sehr sehenswert. Der qualitative Einbruch, rund um die Streitigkeiten um den Trainer, wird für mich erst durch das Finale wieder wettgemacht. Am Ende gewinnt das Ganze wieder ein wenig von seiner Naivität zurück und entfernt sich etwas von der Romcom-Logik. Da geht es dann wieder mehr um die kulturelle Identität und auch um die Freundschaft zwischen Jess und Jules und ihre Zukunft im Profifußball.
YP: Fußballspielfilme? Da bleibe ich lieber bei den Dokus von letzter Woche. Obwohl, natürlich gibt es gute Beispiele: „Fever Pitch“.
PD: Es wäre interessant, was ein Hollywood-Studiofilm aus dem Fußball-Thema machen würde.
Football („Any Given Sunday“), Baseball („Bull Durham“) und Eishockey wurden zum Teil zu bereits ganz ansehnlichen Filmen herangezogen. Selbst Golf („Tin Cup“) kann für einen humorvollen Film herhalten. Einen wirklich guten Spielfilm mit Fußball als Hintergrundthema habe ich noch nicht gesehen. … auch wenn „Fever Pitch“ ganz tolle Momente hat.