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~ Dialoge über aktuelle und weniger aktuelle Kinofilme

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Kategorien-Archiv: Filmdialoge

Thelma & Louise

17 Freitag Jun 2016

Posted by filmimdialog in Filmdialoge

≈ Ein Kommentar

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Callie Khouri, Geena Davis, Ridley Scott, Susan Sarandon, Thelma & Louise

Vor mittlerweile 25 Jahren eroberte das Road-Movie „Thelma & Louise“ die Kinoleinwände. Dass die Befreiung aus den Fesseln männlicher Unterdrückung ausgerechnet von Macho-Regisseur Ridley Scott in Szene gesetzt wurde, ist nur eine von vielen subtilen Pointen, die dieser Film für sich beanspruchen kann. Doch wie wirkt die Reise der beiden Frauen heute? Was hat sich seitdem in der Kinolandschaft verändert?

PD: Als Filmliebhaber war es natürlich eine gewisse Pflicht, sich einmal „Thelma & Louise“ anzusehen. Doch abgesehen von ein paar prominenten Momenten, die auch ausgiebig parodiert wurden (mir gefällt heute noch die „Simpsons“-Parodie ausgesprochen gut), blieb nicht allzu viel hängen. Heute, sicher ein gutes Jahrzehnt nach meiner letzten Begegnung mit diesem Film, überrascht mich vor allem der bissige Humor, den man zu sehen bekommt.

YP: Das ist ein absoluter Kultfilm. Verglichen mit irgendeinem Testosteron-gespickten Blödsinn aus dieser Zeit, ist das eine Perle. In den 90ern war der ausgesprochen wichtig für mich. Und ich betrachte diesen Film nach mehr als einem Jahrzehnt wieder, fällt auf, wie stimmig und gut gemacht der einfach ist. „Blade Runner“ hin oder her, aber neben „Alien“ ist das für mich DER frühe Ridley Scott-Film. Hier stellt er sein unumstrittenes Talent wieder zur Schau. Wir haben Ridley Scott an dieser Stelle öfter besprochen, u.a. bei „The Counselor“ und „Exodus: Gods and Kings“. Die Bezeichnung Macho-Regisseur gefällt mir trotzdem, auch wenn es eine Handvoll Scott-Filme mit sehr guten weiblichen Protagonistinnen gibt.

PD: Nun ja, so weit möchte ich da nicht gehen. Abgesehen von Ripley in „Alien“ und „Thelma & Louise“, fallen mir keine wirklich starken Frauen in seinen Filmen ein. Die sind doch zumeist von starken oder charismatischen Männern geprägt. Selbst in „Prometheus“, wo Noomi Rapace und Charlize Theron sehr viel Arbeit auf sich geladen bekommen, ruht der Blick meist auf Michael Fassbender.

„Thelma & Louise“ sehe ich auch gar nicht als ultimativen Scott-Film, sondern vielmehr als ultimativen Susan Sarandon- und Geena Davis-Film. Die Darbietung der beiden hat mein Bild von ihnen als Schauspielerinnen sehr geprägt. Es erschien mir dann nur logisch, dass sich vor allem Susan Sarandon auch privat politisch engagiert. Ihre Rolle als selbstbewusste Kellnerin Louise schien mir, wie ein Weckruf. Dass sich die Rollen der beiden Frauen im Laufe der Handlung geradezu umkehrt, wurde mir erst bei der erneuten Ansicht des Filmes bewusst.

YP: Da ruht vielleicht dein Blick auf Fassbender (der für mich in einer Nebenrolle auftaucht), aber die Story wird von den beiden Protagonistinnen Noomi Rapace und Charlize Theron getrieben und beherrscht. Ohne groß über „Prometheus“ reden zu wollen – mir gefällt der Film ganz und gar nicht, ist doch irgendwie herrlich, wie hier die männlichen Blinkwinkel auf den Kopf gestellt werden: Theron spielt die Tochter, die nie genug Aufmerksamkeit von ihrem Vater bekommen hat – und der wiederum David (Fassbender) – eine recht billige Kopie von ihr – als Künstliche Intelligenz schafft. Interessant fand ich vor allem, dass Fassbender einen Roboter gespielt hat, aber recht erinnerungswürdig war die Performance nicht.

Aber genau das will ich damit sagen. Für mich ist Scott DER Macho-Filmemacher, der sich dem chauvinistischen Hollywood-System nicht nur fügt und beugt – er profitiert sogar davon. Er macht keinen Hehl draus. Und die wenigen Filme von ihm, die ich herausstreichen will, haben nichts mit diesem Bild zu tun, z.B.“Alien“ oder „Thelma & Louise“. „The Counselor“ war eine seiner filmisch aufregendsten Arbeiten der letzten 10, sogar 20 Jahre – darin stiehlt Cameron Diaz allen die Show.

PD: Dennoch stehen bei „Thelma & Louise“ mehr die beiden Protagonistinnen im Zentrum und weniger Scotts Beitrag. Wenn man heute Interviews und Beiträge über das „Erbe“ dieses Films liest, erscheint es geradezu unmöglich, nicht auch den feministischen Standpunkt wahrzunehmen. Dabei ist es vor allem amüsant zu sehen, wie die Männer nacheinander demontiert werden. Sei es der gewalttätige Ehemann von Thelma, der ständig Anzüglichkeiten hinaus posaunende Trucker oder der Justizapparat. Alle werden sie regelrecht vorgeführt oder ihre Machtposition durch ihr lächerliches Gehabe unterminiert. Da sich dies auch noch in einem zutiefst männlich geprägten Genre abspielt, liegt gerade darin immer noch der subversive Charme des Films.

Denn im Road-Movie- oder Buddy-Movie-Genre haben wir es meist mit Männern zu tun, die mit ihrem bestimmten Auftreten die zögerlichen Obrigkeiten dumm dastehen lassen. Frauen sind in diesem Konzept meist nur hinderlich oder schmückendes Beiwerk.

YP: Das kann ich alles fast punktgenau unterschreiben. Mir gefiel vor allem auch Harvey Keitels Polizist, der nicht müde wird zu betonen, dass die Frauen in seinen Augen nie eine Chance hatten. Da ich in einer Zeit der spärlichen Protagonistinnen aufgewachsen bin, ist das natürlich ein wichtiger Film für mich gewesen (u.a. auch der zeitlich nahe „Speed“). Betrachte ich den Film heute, bin ich voller Bewunderung. Und das ist ein Sarandon und Davis-Film. Demontiert werden die männlichen Figuren aber nicht gänzlich. Die beiden Frauen leben in einer männlich dominierten Welt, in der sie zurechtkommen müssen. Darin ist das Männerbild ist aber sehr divers und keineswegs schwarzweiß. Für mich ist die Verfolgungsszene bis zum berühmten Schluss symbolisch sehr anschaulich dargestellt: es gibt kein zurück mehr.

PD: Keitel spielte den einzigen männlichen Charakter, der auch so etwas wie Verständnis für die beiden Frauen hatte. Sein Zugang zu seinem Beruf und zu den Ermittlungen und auch das Finale, erinnerten mich auch ein wenig an Clint Eastwood in „A Perfect World“. Die Umstände, unter denen die Charaktere zu ihren Verbrechen getrieben wurden, sind ein ganz wichtiger Bestandteil. Da unterscheiden sich Filme wie „Thelma & Louise“ oder eben auch Eastwoods „A Perfect World“ (mit Kevin Costner als Verbrecher) auch wohltuend von heutiger Action- und Thrillerware, da sie zumindest auch versuchen, die Lebenswelten der Anti-HeldInnen zu beleuchten.

Weniger gefiel mir, dass keine der Frauen auch nur ein klein wenig Hoffnung gegönnt war. Als Thelma mit J.D. (Brad Pitt) eine heiße Nacht verbringt, endet dies natürlich damit, dass er mit ihrem Geld verschwindet. Natürlich passt das grundsätzlich in das Konzept und Thelma beginnt ab diesem Zeitpunkt auch langsam mehr die Initiative zu ergreifen, dennoch hat es mich gestört.

YP: Am Anfang hat mich Thelmas Naivität sehr gestört. Sie schlittert mit ihrer kreativen Problemlösungsorientiertheit in die Kriminalität. Da fällt sie damit das Urteil zur Flucht für beide, bei dem Mord hätte man wenigstens auf Notwehr gehen können, aber der Raubüberfall war natürlich endgültig. Es ist aber dann beeindruckend, wie sie ihr Leben in die Hand nimmt und dabei auch Louise mit offenem Mund schauend zurücklässt.

PD: Darin liegt auch eher die Stärke von „Thelma & Louise“. Im Schauspiel. Die Handlung von Callie Khouri stellt die Geschlechterkonventionen auf den Kopf, die Inszenierung ist flott und bietet zudem schöne Landschaftsdetails, aber der Film ist eindeutig geprägt von Susan Sarandon und Geena Davis.

The Witch

27 Freitag Mai 2016

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it follows, Robert Eggers, the babadook, The Witch

Wir behaupten mal, dass jede und jeder Filmbegeisterte und Horrorfilm-Fan vom Buzz um „The Witch“ bis dato keinen Bogen machen konnte, so sehr war der Film präsent und wurde er in den sozialen Medien gehyped. Den Hype darum lassen wir an dieser Stelle natürlich nicht ungeachtet – zählen wir doch zu beiden Spezies. Also besprechen wir „The Witch“:

PD: Das Regiedebüt von Robert Eggers wurde in den sozialen Medien mit Nachdruck beworben. Dabei hat aber kaum jemand erwähnt, dass der wirklich wichtige Teil des Filmtitels sich im Zusatz „A New-England Folktale“ verbirgt. Darin verbirgt sich die wahre Natur von „The Witch“.

YP: Mir hat der Film sehr gut gefallen, weil er immer vorgibt, nach den Genre-Regeln zu spielen, um dann alles auf den Kopf zu stellen. Es gibt keine konservativen Spannungskurven und die Atmosphäre ist stets beängstigend. Das waren auch die kurzweiligsten 90 Minuten meines Tages und bis dato war mein Tag sehr lang (ich war schon 13 Stunden auf den Beinen bis ich ins Kino kam). Atemberaubend wie „It Follows“ oder „The Babadook“ – die für mich zu den Genre-Perlen gehören – ist er nicht, aber wirkt unglaublich lange nach.

PD: Dem kann ich nicht ganz beipflichten. Weder was das überschwängliche Lob für „It Follows“ angeht, noch die Kurzweil bei „The Witch“. Mir gefiel „The Witch“ eine Spur besser denn „The Babadook“, und beide Filme sind auch sehr stimmige Genre-Werke, doch bei „The Witch“ spürte ich zuweilen die langsam vergehende Filmdauer schon. Denn Eggers ist mehr am Aufbau einer Atmosphäre und der Ausstattung und weniger an einer konservativ vorangetriebenen Handlung interessiert. Deshalb ist für mich der Zusatztitel „A New England Folktale“ so wichtig. Als Sage und somit auch als Stimmungsbild und Metapher, ist das ein sehr schön gemachtes Werk und funktioniert auch als Paranoia-Studie. Packender Genre-Grusel enthüllte sich allerdings nicht.

YP: Genre-Grusel findet sich in der Tat nicht im Film, aber wenn du dich mit den zwei bestimmten Ebenen des Erzählten befasst, kommt dir schon ein Schauer über den Rücken.  Einerseits haben wir hier die religiöse Komponente, vor allem die der Gottesfürchtigkeit und der Erbsünde. Die streng gläubige und von der Dorfgemeinschaft ausgeschlossene Familie, die – abgeschottet und unter sich – am Waldrand ein neues Zuhause findet. Andererseits und dem gegenüber steht dann die paranormale Ebene (im Film eine teuflische), die dann das Alltags- und Familienleben durcheinander bringt. Es gibt keine Schockmomente und es gibt keine jump cuts, nichtsdestotrotz löst sich am Ende die Story so auf, dass es mit dem Verständnis und den Erwartungen des Publikums spielt. Eigentlich brauche ich den Zusatz „Folktale“ nicht, um den Film auf mich wirken zu lassen, das sind genug Märchen- und Sagen-Verweise und Zitate drinnen.

PD: Für mich war dieser Zusatz schon sehr wichtig, da die „Hänsel und Gretel“-Ebene – die eher durch den Titel „The Witch“ transportiert wird – von Eggers ausgiebig bearbeitet wird. In dem Moment in dem Thomasin (Anya Taylor-Joy) ihren kleinen Bruder „verliert“, ist dem Publikum bereits klar, dass man es hier mit einer übernatürlichen Ebene zu tun hat. Insofern sind die ganzen Anspielungen, wer denn die Ursache dieser teuflischen Entwicklungen trägt, ein klein wenig zu lustvoll ausgespielt. Ist es nun der von den Kindern besungene schwarze Ziegenbock oder doch Thomasin, die ein befruchtetes Ei am Boden zerschellen lässt? Dabei zeigt Eggers bereits die Opferung des Säuglings durch eine Hexe und nimmt damit die Spannung ein wenig aus der Erzählung heraus.

Gleichzeitig jedoch belässt er die Hintergründe für die Verbannung der Gottesfürchtigen Familie im Dunkeln. Patriarch William (Ralph Ineson) reißt scheinbar in seinem Fanatismus seine Familie mit sich, und ist somit selbst auch ein Urheber der Tragödie im Wald. Auch wenn die Familie schließlich Thomasin beschuldigt.

YP: In der Szene nimmt er ganz und gar nicht die Spannung raus, er zeigt eben schon zu Beginn, was für ein Film das wird und wir – das Publikum – müssen das rationale Denken vor der Saaltür lassen, damit wir uns gänzlich auf die Geschichte einlassen. Dann spielt Eggers – der auch das Drehbuch geschrieben hat – mit unserer Auffassung. Wir fragen uns doch ständig, was und warum das jetzt passiert, ohne eine plausible Erklärung dafür zu erhalten. So wie als Kinder mit Märchen – nur im Umkehrschluss. Märchen habe ich als Kind geliebt – in diesen Geschichten war alles möglich. Das ist ein Zugang, den der Film in Erwägung zieht und auf sein Publikum projizieren möchte.

PD: Die Spannung, welchen Ursprungs die Unglücksfälle und tragischen Vorkommnisse, die der Familie zugestoßen sind, mag aber dennoch nicht aufkommen. Es stimmt schon, dass „The Witch“ eine Projektionsfläche für die Fantasie des Publikums bietet, und Interpretationsspielraum liefert. Darin funktioniert die Geschichte auch sehr gut. Es bleibt genügend Spielraum für die Fantasie des Zusehers.

Dennoch hatte ich auch stets das Gefühl, dass ich eine lohnendere Filmerfahrung gehabt hätte, wenn ich ein wenig mehr Hintergrundwissen besessen hätte. Am Ende des Films wird schließlich vermerkt, dass sich Eggers auf Gerichtsprotokolle und Akten während der Hexen-Hysterie zur Zeit der Hexenprozesse von Salem bezog. Diese Information nach Ende des Films, brachte wieder die Ebene des religiösen Fanatismus mit ins Spiel. Vor allem Thomasins Schicksal auf der Lichtung im Wald, bekommt dadurch mehrdeutige Interpretationsspielräume. Eggers öffnet sowohl die Möglichkeit der realen Existenz von Hexen, andererseits könnte sich auch alles rein im Kopf der traumatisierten Thomasin abspielen, die von ihrer fanatischen Familie in eine Täterrolle gedrängt wurde, gegen die sie sich aufgrund vorherrschender Vorurteile kaum wehren konnte. Erst mit dem Abspann begann sich eine Faszination für das Geschehen zu entfalten.

YP: Meine Kinobegleitung hatte sich gewünscht, dass der Film dann endet, wo sie ihren Kopf an den Tisch lehnt. Für mich war aber genau der Schluss interessant, im wahrsten Sinne des Wortes dieser Pakt mit der Teufel. Da nimmt sich der Film auch eine Freiheit heraus, die wir so selten zu sehen bekommen. Eigentlich verlangt uns dieser subtiler Horror weitaus mehr ab, als wir es gewohnt sind. Das zeichnet ihn auch aus. Eigentlich ein beeindruckendes Debüt.

Lawrence of Arabia

20 Freitag Mai 2016

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Anthony Quinn, Bridge on the River Kwai, Brief Encounters, David Lean, Doctor Shivago, Exodus: Gods and Kings, Lawrence of Arabia, Omar Sharif, Peter O'Toole

Der Kultfilm und Monumentalschinken von David Lean begeisterte ein großes Publikum und inspiriert viele Generationen von Filmemachern bis heute. Die Neufassung ist mit 227 Minuten ganze 9 Minuten länger als die Erstfassung und verlangt dem Publikum eine Menge Sitzfleisch ab. Doch man wird belohnt mit imposanten Bildern und einem unvergleichlichen Score.

YP: Ich bereue es, den Film nicht auf großer Leinwand gesehen zu haben – vor allem, da er erst kürzlich im Gartenbau in der Neufassung lief -, aber ich sehe mich leider nicht vier Stunden in einem Kinosessel sitzen. Zu Hause kann ich das viel dynamischer in Angriff nehmen. Aber es ist schon ein Verbrechen am Film, den nicht im Kino zu sehen. Der hat kaum etwas von seiner Kinomagie eingebüßt obwohl er mittlerweile 54 Jahre alt ist.

PD: Die so genannten „Schinken“-Filmreihe des Gartenbaukinos ist ideal, um sich derartige Monumentalwerke im ansprechenden Rahmen anzusehen. Leider fehlt mir dann auch oft die Motivation, noch dazu an einem Sonntag. Da siegt die Lethargie und man ärgert sich dann, wenn man zu Hause den Film auf dem TV-Schirm sieht. Denselben Groll gegen meinen inneren Schweinehund hege ich auch in Sachen „2001: A Space Odyssey“. Ein ebenso imposanter Film, der das 70mm-Format ausnutzte.

YP: „2001“ habe ich im Kino gesehen, da kann ich mich nicht beschweren. Und bei „Lawrence of Arabia“ fehlte mir die Überwindung. Ich mag Filme, in denen man bereits in den ersten fünf Minuten und anhand der Einstellungen sieht, dass das ein Film für die große Leinwand ist. Eine der bekanntesten und auch beeindruckendsten Szenen ist die, wo Omar Sharifs Figur Sherif Ali in das Filmgeschehen eingeführt wird. Minutenlang reitet er aus der Ferne gezeigt in der Totalen quasi Richtung Publikum, das hinterlässt natürlich Eindruck.

PD: Vor allem die erste Hälfte ist voll mit eindrucksvollen Szenen, geprägt von den grandiosen Kameraaufnahmen von Freddie Young und dem Schnitt von Anne V. Coates. Der Schnitt von Lawrence, wie er ein Streichholz ausbläst hin zum Sonnenaufgang, gehört zu den schönst geschnittenen Sequenzen, die man auf der großen Leinwand sehen kann. Zudem atmet „Lawrence of Arabia“ schon von der Ouvertüre weg den Geist der alten Hollywood-Epen. Filme wie „Gone with the Wind“ oder die Cecil B. DeMille-Filme erscheinen da gleichweitig vor meinem geistigen Auge.

Doch obwohl Lean gerade für diese schwelgerischen Monumentalfilme („Bridge on the River Kwai“, „Lawrence of Arabia“, „Doctor Shivago“) berühmt ist, war bislang das geradezu zurückhaltende „Brief Encounters“ mein sentimentaler Favorit. Erst diese Neu-Sichtung nach vielen Jahren, hat mich wieder von Peter O’Toole und seinem Feldzug überzeugt.

YP: Lean bringe ich aber hauptsächlich mit „Lawrence“ in Verbindung, wobei „Shivago“ und „River Kwai“ aus seinem Werk natürlich auch sehr herausstechen. Abgesehen vom filmischen Ergebnis – dieser Film hat nun mehrere Jahrzehnte überdauert, gehört zu den Filmklassikern schlechthin und kann als Vorbote und Vertreter des frühen opulenten Blockbusterfilms bezeichnet werden – beeindruckt mich die Logistik sehr. Vor allem die Wüstenaufnahmen sind unvergleichlich. Es wurde an Originalschauplätzen u.a. in Jordanien gedreht, die unaufdringliche Echtheit der Aufnahmen gepaart mit der bitteren Kargheit der Wüste ist in jeder Szene zu spüren.

PD: Man vergleiche nur die von dir angesprochene Echtheit, mit Aufnahmen aus „Exodus: Gods and Kings“ oder dem Trailer zum „Ben-Hur“-Remake. Man spürt regelrecht die Computereffekte auf den Zuseher niederprasseln. Bei Lean hingegen, fühlt man sich in die Szenerie hinein versetzt und nimmt an ihr teil.

Interessant fand ich dabei vor allem den Umgang mit den Gewaltszenen. Es gibt so gut wie keine Tötungen in Nahaufnahme. Der Angriff auf den Zug erfolgt aus der Ferne und je näher sie kommen, desto mehr achtet Lean darauf, Exekutionen und Gewalt aus dem Kamerablickfeld zu halten. Erst wenn Lawrence geradezu im Blutrausch versinkt, und seine moralischen Grundsätze aufgibt, erlaubt Lean uns mit ihm in diese gewalttätige Welt einzutauchen. Dann sieht man auch Lawrence wehrlose türkische Soldaten mit Kopfschuss hinrichten. Er dämonisiert seinen Protagonisten nicht, aber er beschönigt auch nicht, wie der Krieg ihn veränderte.

YP: Ich finde es gut, dass du das ansprichst, leider ist Gewaltverherrlichung nicht nur zur Ausdrucksform des gegenwärtigen Kinos geworden, die Toleranzgrenze wird dabei immer mehr überschritten, sogar nach oben gedehnt. Auch ein Quentin Tarantino, der Gewaltszenen reflexiver einsetzt, bedient sich dieser Dramaturgie und des Blutrausches allzu gerne, um das Publikum anzusprechen, nicht nur Szenenimmanent.

Wie du treffend beobachtet hast, wird das von Lean nicht ausgeschlachtet, er bringt eine gewisse Distanz zwischen dem Gezeigten und dem Publikum. Das Drehbuch betreffend gefällt mir die pure Geradlinigkeit – die ich auch synonym zur Wüstenlandschaft sehe. Weil das ein bildgewaltiges Epos ist, spielt die gesamte Seherfahrung eine große Rolle. Der Film kommt auch mit einigen Text- und Wortlosen Passagen aus, ohne an Substanz einzubüßen. Das ist auch einer der Gründe, warum der Film nach so vielen Jahrzehnten noch immer tadellos funktioniert.

PD: Das sind Momente wie aus einem großen Roman, wobei natürlich auch die dazu passende Musik von Maurice Jarre ihren Teil dazu beiträgt. Rückblickend ist es aber auch einfach beeindruckend sich die Performance von Peter O’Toole anzusehen. Man kann heute wohl nur schwer erahnen, wie dieser junge und damals so gut wie unbekannte Brite mit dieser Rolle die Filmwelt eroberte.

Lean ließ es sich natürlich nicht nehmen, O’Tooles blonde Haare und blitzblauen Augen in ebenso blitzblanke Bilder zu tauchen.

YP: Peter O’Toole ist manchmal so weiß, dass er direkt blendet. Und dann bekommt er von Sherif Ali dann auch noch dieses weiße Gewand, welches er statt seiner Soldatenuniform trägt. Die Herkunft seiner Figur spielt im Film eine große Rolle, er wird immer als „Engländer“ bezeichnet. Beruht das Drehbuch auf dem autobiografischen Kriegsbericht „Seven Pillars of Wisdom“ von T. E. Lawerence. Darüber hinaus fiel mir das Casting aber positiv auf. Viele der Darsteller, vor allem die, die türkische oder arabische Figuren spielen, haben einige u.a. eine dunklere Hautfarbe. Heute wird das dermaßen unverschämt ignoriert. Vergleichen wir das mit dem oben von dir erwähnten „Exodus“ von Ridley Scott, fällt nachträglich auf, wie viel Whitewashing uns das gegenwärtige Kino vorsetzt.

PD: Das stimmt natürlich, aber gerade „Larence of Arabia“ beweist, dass ein qualitativ guter Film gar nicht erst in die Whitewashing-Diskussion gerät. Ich konnte nirgendwo ein böses Wort darüber finden, dass der Brite Alec Guinness den syrischen Prinzen Faisal spielt, oder Anthony Quinn (ein US-Amerikaner mit mexikanischen Wurzeln) den arabischen Stammesführer Auda ibu Tayi. Das zeigt mir einerseits, wie sehr die gesellschaftliche Sensibilisierung dieser Tage dafür größer geworden ist, aber auch, dass ein schwächerer Film sich sehr wohl dieser Debatte zu stellen hat.

Gerade David Lean wurde für seinen finalen Film, die E.M. Forster-Adaption „A Passage to India“, dafür kritisiert, dass der indische Gelehrte vom Briten Guinness dargeboten wurde.

Captain America: Civil War

06 Freitag Mai 2016

Posted by filmimdialog in Filmdialoge

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Age of Ultron, Batman v Superman: Dawn of Justice, Black Panther, Black Widow, Captain America, Hulk, Iron Man, Spider-Man, The Avengers, Thor

Marvel beherrscht weiterhin das Film-Universum. Der dritte Teil der Abenteuer von Captain America wartet diesmal mit einer ganzen Reihe an populären Marvel-Helden auf. Wir stellen uns deshalb die Frage: Ist das noch „Captain America“ oder doch schon „Avengers: Civil War“?

PD: Bei Captain America (Chris Evans) bin ich gespalten. Mir gefiel im ersten Film der B-Movie- und Retro-Charme, aber der Charakter selbst konnte ohne nötige Reibungsflächen nur selten glänzen. Wohl deshalb war er in den beiden „Avengers“-Filmen ein so positiver Eindruck. Etwas, was auch bei „Civil War“ zum Tragen kommt. Die Konfrontation der er ausgesetzt ist.

YP: Ganz anders bei mir. Da bin ich schon seit dem ersten Teil sofort auf den Zug aufgesprungen und tatsächlich gehört der von Chris Evans gespielte Captain America zu meinen Lieblings-Marvel-Figuren (neben dem von Tom Hiddleston gemimten Loki). Der Captain glänzt nicht nur als Supersoldat, auch als Stratege der Avengers und wie man auch hier in „Civil War“ sehen konnte hat er seinen eigenen Kopf. Auch bei den ausgiebigen Wortgefechten (oder Schwanzlängenvergleichen) mit Tony Stark (Robert Downey Jr.) braucht er sich nicht verstecken. Für jemanden, der ein halbes Jahrhundert verschlafen hat, wirkt er kein bisschen antiquiert. Zwar fehlte mir in diesem Teil der Wortwitz der Dialoge von Joss Whedon, allerdings konnte ich den Countdown durchaus genießen.

PD: Evans holte bereits in den ersten beiden Teilen, und auch in den Avengers-Filmen, sehr viel aus dem beinahe zu noblen und guten Charakter heraus. Doch auf sich allein gestellt, funktioniert für mich der Charakter nur bedingt. Es braucht eben einen Gegenentwurf, wie den egomanisch anmutenden Tony Stark, der dem Captain am liebsten die perfekten Zähne einschlagen würde. Deshalb steht „Civil War“ über den ersten beiden Teilen und ich sehe ihn auch eher als Weiterführung der beiden „Avengers“-Filme von Whedon. Der Humor kommt zwar nicht zu kurz, aber es stimmt, der Wortwitz fehlt. Das kann ein Downey Jr. ausgleichen, aber Paul Rudd hat in seinem Kurzauftritt etwa nur wenig Zeit, um das Geschehen aufzulockern.

YP: Wobei der Film immer wieder Gefahr läuft, ein „Iron Man“ zu werden, dann verlagert sich das Hauptaugenmerk auf den Captain und wir wissen, dass wir wieder beim First Avenger sind. So gesehen hast du vielleicht ein wenig recht, aber mir gefällt der Captain gerade deswegen so gut. Er liefert die nötige Motivation für die Story, allerdings tritt er nie allzu prominent auf. Als Fortführung der Avengers ist dieser Spin-Off schon zu sehen. Ich habe mir oft gedacht: wo bleibt Bruce Banner. Rate mal, wer mir nicht gefehlt hat: Thor! Vielleicht muss ich mir noch mehr den Kopf zerbrechen, aber das Ergebnis wirkte doch stimmig auf mich.

PD: „Civil War“ hat dieselben positiven wie negativen Aspekte, wie die „Avengers“-Filme. Es mag sich im Grunde um einen Film rund um Captain America handeln, aber das glaubt man keine Sekunde lang. Das ist eine inoffizielle Fortsetzung zu „Age of Ultron“. Darin liegt aber auch ein Problem, wie schon im ganzen Marvel Universe. Ohne das Vorwissen aller Filme, werden einige Teile des Filmes an einem nicht umfassend informierten Publikum vorüber ziehen. Wer „Ant-Man“ nicht gesehen hat, wird mit dem Auftritt von Paul Rudd und dessen kurzem Dialog mit Falcon (Anthony Mackie) gar nichts anfangen können.

Ebenso die Anspielungen auf das Schicksal von Hulk (den ich wegen seiner Beziehung zu Natasha vermisste) und Thor lassen einen Nicht-Kenner, der eventuell nur die beiden „Captain America“-Filme gesehen hat, ratlos zurück.

YP: Da Natasha Romanoff im „Winter Soldier“ auch prominent besetzt war, ließ man uns wegen ihrer zarten Anbandelung mit Banner aus „Avengers 2“ hier in der Luft hängen. Überhaupt ist man mit den weiblichen Rollen Romanoff (Scarlett Johansson) und Wanda (Elizabeth Olsen) sehr sparsam umgegangen. Und gerade bei Wanda gab es ja genug Potential (der Verlust ihres Bruders nach Sokovia , die Vorfälle in Lagos und ihre love story mit Vision). Dafür konnten wir uns wieder einmal Tony Starks „daddy issues“ geben, das erinnerte mich an „Batman v Superman“ und Bruce Waynes Traumata des „armen reichen Jungen“. Diese Superhelden und ihre Probleme. Wobei aber auch die Motivation des Captains nicht anders begründet ist, dass er um jeden Preis zu seinem Jugendfreund Bucky (Sebastian Stan) halten will. Und dadurch wird die Freundschaft + Feindschaft von Tony Stark und Steve Rogers durch den Fleischwolf gedreht.

PD: Das ist ein grundlegendes Problem sehr vieler Comic-Helden von DC und Marvel. Auch die Einführung des neuen Helden Black Panther (Chadwick Boseman) wird mit dem Verlust des Vaters und der Rache für seinen Tod begründet. Diese Austauschbarkeit ermöglicht es zwar, dass so eine neue Figur in ein bereits bestehendes Ensemble eintreten kann. Jedoch bin ich alles andere denn begeistert, wenn ich daran denke, dass sowohl „Black Panther“ als auch „Spider-Man“ eigene Solo-Filme bekommen. Denn ehrlich gesagt, hat man dies schon so oft gesehen, dass diese Filme mittlerweile wirken, als würden sie im Autopilot gedreht.

Spannend fand ich hingegen den grundlegenden Konflikt, ob sich die Avengers unter eine „staatliche Aufsicht“ stellen lassen sollen oder nicht. Dass mir dies schon in Mark Millars Comic „Civil War“ sehr gut gefiel, hat mir geholfen, gerade in diesen Aspekt des Films einzutauchen. Das war im Endeffekt auch interessanter, denn der Plan des Bösewichts Zemo (Daniel Brühl).

YP: Dieses Transportieren der Comic-Handlung in die Neuzeit mit dem Hauptaugenmerk auf dieses UN-Aufsichtsorgan und den von Zemo eingeleiteten Terroranschlag – was auch schon beim Überwachungsstaat bei „Winter Soldier“ sehr gut funktioniert hat – gibt diesem Film eine nachvollziehbare Lesart. Zu viel des Guten wurde es für mich dann nur, wenn die Figuren beginnen, jedes persönliche Problem auf dieses Gesamtproblem umzumünzen. Auch hier konnte ich Steve Rogers Ideologie nachvollziehen – und dass er eben diesen von Stark und Romanoff forcierte diplomatische Gegebenheit nicht einfach hinnehmen konnte. Rogers ist Soldat, seine Diplomatie geschieht auf dem Schlachtfeld und nicht in polierten verglasten Hallen. Für mich konnte Rogers nur noch mehr an Profil gewinnen.

Wirklich aufgewühlt hat mich der Film nicht, wobei es einige Szenen gab, die Eindruck hinterlassen haben. Wie der Kampf zwischen Iron Man, dem Captain und Winter Soldier. Hier merkst du sofort: da geht was endgültig zu Bruch. Ich bin schon sehr auf die Fortsetzung gespannt.

PD: Aufgewühlt hat mich bislang noch kein einziger Marvel-Film. Weder positiv noch negativ. Im Vergleich zu langatmigen Arbeiten wie „Ant-Man“ oder „Thor: The Dark World“, sticht „Civil War“ jedoch sehr positiv heraus. Es ist auf Überwältigung angelegtes Action-Kino. Das führt einerseits zu dem von mir eher mit Murren akzeptiertem Aufbau des Marvel-Universums, der beinahe voraussetzt, dass man jeden einzelnen Film (und eventuell sogar die Netflix-Serien) sehen soll, und dass die Vielzahl an Charakteren alle ihre „Money Shots“ benötigen. So kommt es zu einer viel zu lang ausgewalzten Actionsequenz am Flughafen, nur damit auch ja jeder Held seinen Auftritt bekommt. Dem stehen dann wieder ein hoher Unterhaltungswert und tolle Schauspieler gegenüber, die ihr ganzes Charisma selbst in die kleinste Rolle (ich denke da vor allem an Martin Freemans Auftritt als Bürokrat) werfen.

Der Bruch innerhalb der „Avengers“ macht aber bereits Lust auf die Fortsetzungen, und hier meine ich nicht Teil 4 von „Captain America“.

YP: Als Teil-Franchise fallen die „Captain America“, bzw. hierzulande als „First Avenger“ betitelt, sehr positiv ins Auge, da können mich weder „Iron Man“ noch „Thor“ ähnlich begeistern. Nach „Age of Ultron“ habe ich eine Marvel-Pause gemacht, auch wenn ich anfangs mehr vom zweiten Teil begeistert war. (Im Dialog dazu habe ich geschrieben: „Eine gewisse Übersättigung ist eingetroffen. Zumindest bei mir. Und für eine Zeit.“)

Wobei ich jetzt wieder richtig Lust habe, mir die Marvel-Sachen reinzuziehen. Dazu hat mich dieser Teil von „Captain America“ animiert.

The Jungle Book (1967)

22 Freitag Apr 2016

Posted by filmimdialog in Filmdialoge

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Das Dschungelbuch, Rudyard Kipling, The Jungle Book, Walt Disney

Rechtzeitig zum Start der Realfilm-Version (auch wenn man bei dem heftigen Einsatz von CGI über den Begriff „Realfilm“ diskutieren kann) werfen wir wieder einen Blick auf den Walt Disney-Klassiker. Haben die kindgerecht aufbereiteten Abenteuer von Mowgli, Balu und Co. noch immer den Charme wie einst in Kindertagen?

PD: „Das Dschungelbuch“ ist neben „Dumbo“ einer jener Disney-Klassiker, die sich am tiefsten in mein Gedächtnis eingebrannt haben. Wohl deshalb, da ich ihn in seiner synchronisierten Version so oft gesehen habe.

YP: Damit kann ich leider nicht dienen, da ich „The Jungle Book“ – bis vor kurzem – noch nie gesehen habe.

PD: Wie war dein Ersteindruck? Heute können mich Disney- und für Kinder gedachte Animations-Filme nicht mehr so begeistern, wie noch in meiner eigenen Kindheit und Jugend.

YP: Immer wieder musste ich mir vor Augen führen, dass dies ein Zeichentrickfilm aus 1967 ist. Mir kommt er irgendwie zeitlos vor. Zudem ist das ein Film für ein sehr junges Publikum. Wohingegen die jüngeren Disney-Filme wie „Inside Out“, „Up“ oder „Brave“ keineswegs als Kinderfilme betitelt werden können und für ein breiteres Publikum gemacht wurden. Ich muss aber dazusagen, dass man nicht im deutschsprachigen Raum aufwachsen kann, ohne die deutschen Synchronisationen der Songs zu kennen. Es führt kein Weg daran vorbei.

PD: Darin liegt für mich auch die Zeitlosigkeit dieses Filmes: in den Songs. Selbst heute noch hört man immer wieder „Probiers mal mit Gemütlichkeit“ oder „Ich wäre gern wie du“ im Radio. Auch das Design der Figuren hat die Zeit überlebt, vor allem auch deshalb, da es zumindest ein weiteres Mal – in „Robin Hood“ (1973), ebenso wie „The Jungle Book“ von Wolfgang Reitherman inszeniert – eingesetzt wurde.

Die klassischen Disney-Filme zeichnen sich auch durch diese Unschuld aus und das direkte Ansprechen des kindlichen Publikums, wobei ich hier Erwachsene gar nicht ausnehmen möchte. Als Erwachsener kann man auch Unterhaltungswert in Filmen wie „The Jungle Book“, „Snow White and the Seven Dwarfs“ oder „Pinocchio“ finden. Die haben aber mit den heutigen Pixar-Disney-Werken nur noch wenig gemein.

YP: Nehmen wir die ersten zwanzig Minuten des Films her: wie Mowgli auf Abenteuer geht. Hier (und später natürlich auch) nimmt sich der Film die Zeit, die er braucht, um uns in die Geschichte einzuführen. Wie dieser Elefanten-Trupp bei Mowgli und Baghira einmarschiert, hat Slapstick-komödiantische Elemente. Den Film als „süß“ zu bezeichnen, täte ihm unrecht. Allerdings sind die Figuren herzerwärmend und erinnerungswürdig, ohne jegliche Plattitüden oder Schwarzweißmalerei. Mowgli wird auf ein fantastisches Abenteuer durch diesen Dschungel geschickt. Den Erfolg des Films – auch noch Jahrzehnte (bald 50 Jahre) später – kann ich nachvollziehen.

PD: Mir fehlt der Vergleich mit den Geschichten von Rudyard Kipling, aber die Realversionen hatten immer einen sehr düsteren Einschlag. Immerhin handelt es sich hier um einen 10 Jahre alten Buben, der inmitten der Gefahren des Dschungels überleben muss. Da ist die Zeichentrick-Version von Disney deutlich entschärft. Die Gefahren sind um ein Vielfaches gemindert. Egal ob der Hypnose-Blick der Schlange Kaa oder die Entführung durch die Affen, um ihn zu König Louie zu schaffen. Nichts davon erzeugt ein Gefühl dafür, als ob sich Mowgli tatsächlich in großer Gefahr befinden würde. Dafür sorgen auch die eher Slapstick-artigen Rettungstaten durch Baghira und Balu.

Drastischer wird der Film erst zum Finale hin, wenn der wie ein bedrohlicher Schatten über der Geschichte liegende Tiger Shir Khan, das Leben Mowglis bedroht. Bis dahin folgt aber eine Sketch- und Song-Einlage auf die andere. Da würde ich den Grundton des Films sehr wohl als „süß“ bezeichnen.

YP: Da wären wir aber wieder beim Beginn des Dialogs. Das ist für mich ein Kinderfilm, dem erwachsene Personen eben auch aus der eigenen Kindheit nostalgisch gegenüberstehen und deshalb vielleicht auch ein bisschen romantisieren. Ich möchte eben aber kurz auf den pädagogischen Wert des Films zu sprechen zu kommen: einfach nur fantastisch. Der Dschungel als Kontext einer fremden Umgebung für den sich von allen anderen dort lebenden Geschöpfen unterscheidenden Mowgli. Der in einer Tour ermutigt wird, seinen Jungen zu stehen und sich gegen den bedrohlich anmutenden Shir Khan und seine menschenfeindliche Ideologie zu behaupten. Shir Khan mag Mowglis Andersartigkeit nicht. Ich kann mir schon vorstellen, dass es junge Moralvorstellungen herausbildet. Außerdem ist Mogwli kein weißer Junge. Das klingt alles sehr simpel gestrickt, mir gefällt es aber, wie schön und schnörkellos das in die Story eingearbeitet wurde.

„The Jungle Book“ war übrigens der letzte abendfüllende Film, an dem Walt Disney höchstpersönlich mitgearbeitet hat.

PD: Am Ende jedoch, wandert Mowgli schlussendlich doch in das Dorf der Menschen. Denn aus dem Jungen wird langsam der Mann und dieser hat keinen Platz im Dschungel bei seinen tierischen Freunden. Das Ende symbolisiert auch ein wenig das Ende der kindlichen Unschuld, die ihn bis zum finalen Kampf mit Shir Khan prägte. Der Menschenfressende Tiger hat aber nicht nur Mowgli im Visier gehabt. Seine Schreckensherrschaft erfasste auch den Rest des Dschungels und nur mit vereinten Kräften war es möglich, ihn zu besiegen.

Da du Walt Disney ansprichst. „The Jungle Book“ markiert ja nicht nur den letzten Film, der unter seiner Führung entstand, sondern auch das Ende der klassischen Disney-Ära. Erst 1989 sollte die „Disney Renaissance“ einsetzen, und diese hat mich als Kind wohl noch mehr geprägt, da die moderner wirkenden Animationen in „Beauty and the Beast“, „Aladdin“ oder „The Lion King“ noch viel direkter ansprachen.

YP: „Robin Hood“ steht da auf meiner Liste ganz weit oben und die beiden ersten von dir erwähnten Filme mochte ich als Kind auch gerne. Wobei ich „The Lion King“ auch erst vor ein paar Jahren erstmals gesehen habe. Mich hat Disney irgendwie verpasst. In dem Alter, wo es interessant gewesen wäre, hatte ich keinen Zugang dazu. Seit Disney aber Pixar gekauft hat, ist es wieder interessanter geworden.

PD: Als Konzern hat Disney hervorragende wirtschaftlich begründete Entscheidungen getätigt. Der Aufkauf von Pixar, Marvel, der Rechte für Star Wars und Indiana Jones. Das ist aus Marktsicht beeindruckend. Die Animationsschiene hat aber für mich ihren Reiz verloren. „Robin Hood“ sehe ich eher als „Klassiker der zweiten Reihe“, hintangestellt an Filme wie „Snow White and the Seven Dwarfs“.

Die neuen Animationsarbeiten sind auch eher durch Pixar geprägt, wobei mir die Pixar-Filme vor der Disney-Übernahme besser gefielen. „Wall-E“ oder „The Incredibles“ kann ich mir immer wieder anschauen. „Inside Out“ war dagegen eine kleine Enttäuschung. Wohl deshalb hat man sich wohl dazu entschlossen, die ganzen klassischen Zeichentrickfilme nun in Realfilm-Versionen umzuarbeiten. Auch wenn mein Interesse daran nur sehr gering ist.

Batman v Superman: Dawn of Justice

08 Freitag Apr 2016

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Batman, Batman v Superman: Dawn of Justice, Ben Affleck, Gal Gadot, Henry Cavill, Jesse Eisenberg, Man of Steel, Sucker Punch, Superman, Watchmen, Wonder Woman, Zack Snyder

Was Marvel kann, können wir schon lange, dachte man sich wohl bei DC Comics. Deshalb ist „Batman v Superman: Dawn of Justice“, nicht nur die Fortsetzung zu „Man of Steel“, sondern zugleich der Auftakt zur DC-Franchise. Ob Zack Snyder die Fans begeistern konnte, oder frustriert zurückließ, besprechen wir diesmal.

PD: Dem Sturm an vor allem negativen Kritiken zum neuen Batman/Superman-Abenteuer konnte man ja kaum entkommen. Entsprechend hatte ich das Allerschlimmste erwartet. Jedoch verließ ich das Kino dennoch mit mehr positiven denn negativen Eindrücken.

YP: Bis auf eine Kritik (die ich noch raussuchen muss), wo die enttäuschend unausgegorene Leinwandpräsenz von Wonder Woman bemängelt wurde, habe ich wieder einmal keine Kritiken gelesen. Und die Tweets in meiner Timeline waren entweder entsetzt negativ oder überrascht positiv. Ich muss aber sagen, dass Zack Snyder langsam zu einer Form findet. Die Batman-Storyline fand ich insgesamt wirklich gut. Die Katastrophe zum Schluss dann gar nicht. So ging es mir in „Man of Steel“ auch. Das erste Drittel fand ich dort auch gut, dann gab es einen eklatanten Einbruch. In „Dawn of Justice“ fand ich so einen trotz großer Schwächen gar nicht.

PD: Ich sah es wieder eher als einen Kampf gegen einen furchtbaren Beginn. Als Snyder zum wiederholten Male den Tod von Bruce Waynes Eltern durchkaut, war ich unglaublich genervt. Nicht nur ist diese Hintergrundgeschichte gut bekannt, sie ist auch für den Film selbst nicht sonderlich relevant. Zudem verbinden sich da der überdramatisierte Zeitlupenfetisch von Snyder mit der ebenso entsetzlichen Filmmusik Hans Zimmers zu einer Albtraumkombination. Dass der Beginn eine Traumsequenz war, half mir gar nicht den bitteren Beigeschmack zu vergessen. Generell waren die Traumsequenzen geradezu ein Ärgernis.

YP: Hier hatte Zack Snyder die Chance, seine Version des Batman-Origins in den Film zu packen und die hat er genutzt. Das kann ich ihm nicht verübeln, mich hat es nicht so gestört wie dich. Natürlich habe ich sofort Parallelen zu Nolans „Batman Begins“ gezogen, aber das lässt sich auch nicht verhindern, da es die letzte Batman-Verfilmung ist, die ich gesehen habe (vielleicht auch eine der interessantesten Batman-Adaptionen überhaupt).

Gestört haben mich immer Einstellungen und Szenen, wo Snyder seine alten Sachen rausgepackt hat: der Kampf zum Schluss erinnerte sehr an „300“ und der erste Auftritt von Wonder Woman im nicht-existenten Röckchen erinnerte leider zu sehr an „Sucker Punch“ und ich hasse diesen Film von Snyder. Ich wollte so gerne mehr von ihr sehen, aber daraus ist nichts geworden. Obwohl das ja ganz gut begonnen hat, auf einmal taucht sie auf. Die Batman-Storyline hätte man da durchaus kurzen können, um mehr von Wonder Woman mit reinzunehmen.

PD: Da bin ich bei dir. Wonder Woman hätte sich etwas mehr Platz verdient, aber deshalb bin ich auch schon optimistisch gestimmt, was den Solo-Film unter der Regie von Patty Jenkins angeht. Kaum trat Wonder Woman (Gal Gadot) mit in den Kampf gegen Doomsday ein, schon begannen die Actionszenen Spaß zu machen. Eine sehr willkommene Auflockerung, nach dem bitteren und auch tristen Schlagabtausch zwischen Batman und Superman. Mich störte eher, dass so viel an Handlung hinein gepackt wurde. Die Origin-Story von Batman, die ich einfach unnötig fand, da wir Bruce Wayne an einem Punkt in seinem Leben treffen, wo er bereits desillusioniert von seinem Batman-Dasein ist, oder auch die etwas krampfhaft eingebauten Querverweise auf The Flash, Aquaman und Cyborg. Das hätte auch in einer End-Credit-Sequenz Platz gehabt.

Positiv überrascht war ich aber von der Konzeption Batmans. Angelehnt an Frank Millers „The Dark Knight Returns“ ist Affleck ein sehr guter, gebrochener Mann. Sein Rachefeldzug hat schon faschistoide Züge und da erinnert Snyders Inszenierung auch mehr an einen Horrorfilm. Der ewig traurige Superman hingegen enttäuschte mich wieder.

YP: Die Motivation hinter Bruce Waynes Rache an Superman ist aber auch etwas dünn (ich kenne die Comics nicht), darum scheint auch der Moment, in dem aus den beiden Kontrahenten und Widersachern Freunde werden (Codewort: Martha), fast ein wenig lächerlich. Ben Affleck machte sich auch sehr gut in der Doppelrolle Wayne/Batman, er hat hier sein eigenes Ding durchgezogen, mir gefällt die Reife, die er an den Tag legt. Henry Cavill musste in diesem Teil seine Präsenz ja teilen, was dann etwas dürftig ausgefallen ist. Trotzdem bin ich der Meinung, dass eine faire Aufteilung der Leinwandpräsenz (durch vier) mit knackigerer Verknüpfung dieser einen noch besseren Film daraus gemacht hätte. Und ich muss Snyder fast loben, dass er sich hier noch einmal steigern konnte. Nach dem ganzen Schrott, den er vor „Man of Steel“ vorgelegt hat.

PD: Diese Verbindung durch „Martha“ wurde auch im pathetischst-möglichen Stil vollzogen, inklusive immer wieder gespielter Rückblicke auf den sterbenden Thomas Wayne. Das war schon ein wenig „Batman v Superman für Dummies“. Waynes Motivation, Superman ausschalten zu wollen, fand ich ausreichend. Immerhin wurde der Zerstörungswut aus „Man of Steel“ Rechnung getragen und dies sogar gut in den neuen Film eingewoben. Dafür war mir nicht wirklich klar, weshalb Lex Luthor (wie ein Tech-Hipster: Jesse Eisenberg) einen derartigen Hass auf Superman in sich trug.

Snyders hatte doch mit „Dawn of the Dead“ seinen bisher besten Film, und auch seine „Watchmen“-Version hat mir mehr imponiert, denn alle anderen Werke. Gerade aber das ständige „eine Szene Superman, eine Szene Batman“-Hin-und-Her-Gespringe war aber alles andere als elegant.

YP: Wayne scheint nicht nur der Zerstörung von Metropolis beigewohnt zu haben – mir fehlt hier auch hier ein bisschen die Erwähnung, wie kaltblütig Superman General Zod umgebracht hat – auch befindet sich der alternde Batman sichtlich in der Midlife-Krise. Das angeknackste Ego reicht scheinbar, um Rachefantasien zu schmieden.

Und den Einspielergebnissen nach zu urteilen, steht der Verfilmung von „Justice League“ nun eindeutig nichts mehr im Wege. Da wird sich Snyder aber freuen.

PD: Einerseits freut es mich, dass die von Warner Bros. produzierten DC-Filme eine etwas dunklere Richtung einschlagen, ganz im Geiste ihrer Gangster- und B-Movie-Wurzeln. Andererseits fehlt mir bei Snyders Werken eine erzählerische Konsequenz. Man hüpft von Szene zu Szene. Mal unterhaltsam und packend, dann wieder enervierend und nervtötend. Die Hoffnung bleibt, dass er sich doch noch zu einem guten Geschichtenerzähler entwickelt und nicht bei seinem derzeitigen Status als Hersteller pompöser Schlachtenbilder verweilt.

Lourdes

01 Freitag Apr 2016

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Amour Fou, Bruno Todeschini, Hotel, Jessica Hausner, Léa Seydoux, Lourdes, Sylvie Testud

Ein religiöser Erweckungsfilm oder doch eine subtile Satire zur Kommerzialisierung des Glaubens? Wir versuchen Jessica Hausners „Lourdes“ auf zwei Nenner zu bringen.

PD: Als vom Glauben abgefallener Katholik, war ich nicht unbedingt gespannt auf die Betrachtung des Heilfahrtsortes Lourdes. Zudem war ich noch immer geschädigt von Jessica Hausners Vorgängerfilm „Hotel“, dem ich kaum etwas Positives abgewinnen konnte.

YP: Das klingt aber sehr dramatisch. Ich gehöre zwar selber nicht zu den religiösen oder gläubigen Menschen, konnte aber „Lourdes“ mit einer gewissen Nähe betrachten. Einer gewissen Nähe zum Katholizismus, der sich bereits früh mit diversen katholischen Ritualen und Sakramenten manifestiert hat. Ich sehe das aber mit der nötigen Distanz wie Thomas Bernhard, der diese katholischen Bräuche und Prozessionen als Theater bezeichnet hatte. Vielleicht ist sogar von einer vertrauten Schaulust die Rede – ohne jemals in Lourdes gewesen zu sein. Dafür kenne ich Walfahrtsorte wie Santiago de Compostela und den Vatikan als skeptische Touristin.

PD: Persönlich gesprochen, gibt es natürlich diverse katholische Rituale die in mein Leben hinein spielen, einfach weil ich damit aufgewachsen bin. Es ist auch am ehesten als Theater zu bezeichnen, und genau deshalb war ich so gar nicht gespannt darauf. Denn es ist schlechtes und abgestandenes Theater.

Glücklicherweise hat Jessica Hausner sich aber diese Distanz bewahrt und zeigt einen sensiblen und überraschend kritischen Blick auf den Wallfahrtsort. Dass sie diese Balance zwischen der Kritik am Kommerzialisierung und der tief gläubigen Suche nach Heilung oder Erlösung bewahrt, ist die ganz große Stärke ihres Films. Sie lehnt sich nicht in eine Richtung, sondern überlässt es dem Publikum, die vielen Charaktere und ihre Motive für den Lourdes-Besuch kennenzulernen.

YP: Aber diese Distanz bewahrt sie den ganzen Film hindurch und begegnet dem, was gezeigt wirkt stets respektvoll. Natürlich ist das ein durch und durch konzipierter Film, doch wirkt er sehr mühelos erzählt. Wobei sich für mich die Kritik schon an der Wahl der Thematik ergibt, nicht so sehr am kommerzialisierten Standort. Da gibt es diese beiden Damen mit österreichischem Dialekt, die alles hindurch kommentieren. Die beiden sagen dann oft Sätze, die messerscharf diesen ganzen Zirkus entlarven, wobei sie natürlich mittendrinnen stecken. Besonders witzig fand ich diese Auflagen, was alles ein Wunder in Lourdes ausmachen darf. Und das man dieses schnell melden muss, damit es offiziell ist, sonst zählt es nicht. Eine Wunder-Maschinerie, die den gläubigen Menschen Hoffnung gibt. Der Glaube ist da eine Sache, aber die Religionsausübung eine andere. Wobei die Menschen da ganz bestimmt oft nicht unterschieden haben. Das hat der Film sehr gut rübergebracht.

PD: Hausner zeigt ja ein ganzes Figuren-Ensemble, welches verschiedenste Zugänge zu diesem Ort hat. Die beiden älteren Damen etwa drehen sich die Heilung und die Rolle Gottes gerade so, wie sie gerade passt. Es beginnt ja nicht nur Christine (Sylvie Testud) plötzlich sich aus ihrem Rollstuhl zu erheben, sondern auch ein Kind aus seinem Dämmerzustand zu erwachen. Sobald aber die „Geheilten“ wieder zu ihrem Ursprungszustand zurückkehren, war es eben kein Wunder. So lassen sich weder die Gläubigen, noch die Priester diesen Ort durch jegliche Rationalisierung kaputt machen.

Ganz besonders einschneidend fand ich die Beziehung zwischen Sylvie und den Schwestern des Malteser-Ordens (darunter Léa Seydoux). Christine wird abwechselnd wie ein mühsames Ärgernis, oder wie ein kleines Kind behandelt. Sylvie Testud agiert dabei immer sehr kontrolliert, auch wenn man ihren Ärger geradezu spürt.

YP: Bei Christine sieht man auch immer, wie sie stille Beobachterin der Geschehnisse um sich herum bleibt, allerdings hält sie ihre Behinderung scheinbar davon ab, am Leben der anderen teilzunehmen. Wobei ich mir bei ihr nicht sicher war, ob es die Krankheit ist, die ihren Charakter geformt hat oder die Krankheit auch als Ausrede gesehen wird. Wahrscheinlich beides. Sie hätte so gerne ein normales Leben nach ihren Vorstellungen, dass ihr das Leben, welches sie führt, als wenig unvollkommen erscheint. Die Beichte öffnet ihr dann auch die Augen. Was dann auch ihr Ausbruch daraus in der letzten halben Stunde zeigt. Der Film ist eigentlich sehr hoffnungsfroh.

PD: Das sehe ich wieder anders. Gerade der Schluss, in dem Christine mit dem attraktiven Kuno (Bruno Todeschini) tanzt und dabei umkippt, nur um sich schließlich, nach einigen Augenblicken wieder in den Rollstuhl zu setzen, ist auch sehr bitter. Denn schon das andere gezeigte „Wunder“, endete in einem bitteren Rückfall. „Lourdes“ ist hier weniger ein Ort der Hoffnung, denn der enttäuschten Erwartungen. Selbst für die Malteser selbst, die den Aufenthalt scheinbar hauptsächlich dazu nutzen, um ein wenig Urlaub zu machen, Witze zu reißen und Kontakte zu knüpfen. Das erschien mir weniger hoffnungsfroh, denn bedrückend.

YP: Hier gehen unsere Meinungen sehr weit auseinander: In dieser letzten Szene hatte ich eher das Gefühl, dass sie endlich ihre Behinderung als Teil ihres Lebens akzeptiert. Für Christine bestand das langersehnte Wunder darin, sich einer Illusion hinzugeben und nicht gefangen im dem Zustand zu sein, indem sie sich befindet. Darin dann zurückzukehren war nicht bitter, es war ein Moment der Selbstakzeptanz. Sie wollte nie bemitleidet werden, noch hat sie die, denen es schlechter ging als ihr, bemitleidet.

PD: Interessant. Mir erschien dieser Moment bitter, da ja auch die sich durch Christine definierende Frau Hartl (Gilette Barbier), eine eigenständige und selbstständige Christine wie einen Verlust ihrer eigenen Aufgabe erlebte. Immer wieder, wenn die Malteser-Schwestern Christine vernachlässigten, war Frau Hartl da. Kaum konnte Christine ihre eigenen Taten setzen, war sie aber obsolet. So interpretierte ich zumindest dieses Schlussbild, in dem Christine von der Frau etwas ins Ohr geflüstert bekommt. Das Lächeln Christines kann in alle erdenklichen Richtungen gedeutet werden.

YP: Christine war eben auf die Malteser-Helferinnen nicht angewiesen, sie wusste sich auch woanders zu helfen und durchzusetzen. Sie ist auch genaue Beobachterin der Welt um sie herum. Auch in der Szene, wo sie von Frau Hartl in die erste Reihe geschoben wird – obwohl die Malteser-Helferin sie ausdrücklich darauf aufmerksam macht, dass sie deswegen nicht von Gott bevorzugt wird. An dieser Szene kann man gut erkennen, wie verzweifelt sie eigentlich war. Und erst nach ihrer Beichte gibt es einen Sinneswandel. Wie gesagt, auf mich wirkte das Ganze sehr hoffnungsvoll, aber vielleicht deswegen, weil das für mich den besseren Schluss darstellt.

PD: Vor allem hat mir „Lourdes“ gezeigt, dass Jessica Hausner eine hervorragende Filmemacherin ist. Auch ihr Nachfolgewerk „Amour Fou“ hat mir außnehmend gut gefallen und ich bin schon gespannt, was ihr nächstes Projekt sein wird.

Top Gun

25 Freitag Mär 2016

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Black Hawk Down, Honest Trailers, Ridley Scott, Tom Cruise, Tony Scott, Top Gun, Val Kilmer

Sein 30-Jahr-Jubiläum feiert heuer der Action-Klassiker „Top Gun“. Tony Scotts Hymne auf die Air Force ist auch heute noch ein Genre-Meilenstein, doch kann man sich Tom Cruise, Val Kilmer, Meg Ryan und Co. heute noch ansehen, oder hat der Film zu viel Staub angesetzt?

PD: Ein Geständnis vorab: Ich habe „Top Gun“ immer schon gehasst.

YP: Den Grundton des Films mochte ich auch noch nie. Ich muss aber auch gestehen, ich habe den Film bis gestern erst einmal in meinem Leben und das in den 90ern gesehen und seitdem nie wieder. Bei meiner gestrigen Sichtung wirkte das alles etwas grotesk, fast bizarr. Die Persiflage dieses Films, nämlich „Hot Shots“ habe ich öfter gesehen.  Abgesehen davon, dass er auch nicht zu meinen Lieblingsfilmen zählt, halte ich ihn für weniger aufgesetzt als „Top Gun“.

PD: Ich verbinde diesen Film sehr stark mit meiner Kindheit, da meine Militär-begeisterten Cousins bei jedem Besuch die „Top Gun“-Kassette in den Rekorder schoben. Daraus entstand eine tiefe Abneigung. Heute betrachtet, ist von der ersten Sekunde an eine gewisse Naivität in der Inszenierung zu finden. So unreflektiert wie schon in den ersten Sekunden zu den Tönen von „Danger Zone“ die Abflüge vom Flugzeugträger inszeniert werden, könnte das heute gar nicht mehr gemacht werden. Gerade weil es so unfreiwillig komisch wirkt.

YP: Dein Zugang ist natürlich nostalgisch umso negativer konnotiert. Für mich ist das mehr oder weniger ein weißer Fleck auf der Filmkarte. Die Inszenierung als naiv zu bezeichnen trifft es auch irgendwie. Das hat vielleicht auch etwas mit der Besetzung der Hauptrolle zu tun, aber Tom Cruise steht hier am Beginn dieser beeindruckenden Hollywood-Karriere. Retrospektiv steht er in „Top Gun“ für all das.

PD: Cruise spielt die Rolle auch, als wäre er in einer Action-Komödie gelandet. Dazu passen die Bar-Szenen in denen er mit seinem Partner Goose (Anthony Edwards) singt oder die an High-School-Komödie erinnernden Diskussionen mit den Vorgesetzten (ob James Tolkan oder Tom Skerrit). Das hat alles mehr von einem harmlosen Buddy-Movie, denn einem Actionfilm im Militärmilieu.

YP: Actionfilm. Richtig, irgendwie vergisst man auch immer, dass es sich um einen Actionfilm handelt. Trotz der Anfangssequenz und den immer wieder eingestreuten obligatorischen Flugspektakel, wo scheinbar die Figuren mehr Spaß an der Sache haben als das Publikum. Diesen Szenen und Sequenzen gegenüber möchte ich aber nicht ungerecht sein, die sind ganz sehenswert. Immerhin ist der Film jetzt schon dreißig Jahre alt, aber die Story ist so steif und lieblos durchkomponiert, dass jeglicher Spaß – mit Ausnahme des unbeabsichtigten und vorhin erwähnten – meilenweit auf der Strecke bleibt.

PD: Die Kameraarbeit und die Flugszenen sind schon sehr imposant. Das ist gut gemachtes Actionkino und Tony Scott hat dies auch in einen unterhaltsamen Rahmen gepackt, obwohl „Top Gun“ im Grunde ein Militär-Rekrutierungsvideo ist. Man vergleiche nur die Militärhuldigungen eines Michael Bay mit jenen von „Top Gun“. Dagegen wirkt Tony Scotts Arbeit geradezu einfühlsam.

Was am Actionplot mich immer wieder irritiert, ist dass es zunächst der Logik eines Sportfilms – die Jagd nach der Trophäe – und dann eines Rambo-Vehikels folgt. Die politischen Dimensionen der im Film getätigten Handlungen werden nicht mal angeschnitten.

YP: Wobei es so rüberkommt, als wären diese Millionen von Dollar teuren Flugkörper das Spielzeug und der grenzenlose Himmel der Spielplatz dieser jungen Lieutenants. Der von Tom Cruise gespielte Maverick ist verantwortungslos, er verstößt gegen jede erdenkliche Regel und bekommt trotzdem eine Chance nach der anderen. Dann kommt da diese aufgetakelte Lehrerin hinzu, die wir tatsächlich nie in der Luft sehen. Die kann einfach nicht anders als die Finger vom Protagonisten zu lassen. Das ist nur einer dieser „style over substance“-Filme, wo die Hauptfigur den Plot herantreibt bzw. der Plot um die Figur herum geschrieben wurde. Das hat mich sehr gestört. Wenn das ein Militär-Werbefilm sein soll, dann lässt er bei jedem Einzelnen sehr viel Individualismus zu. Das kann ich irgendwie nicht glauben.

PD: Das passt aber auch sehr gut in das Bild, das man jungen Männern vermitteln will. Kommt zum Militär, tobt euch aus und rettet die Welt. Nebenbei liegen euch die Frauen zu Füßen. Wenn dann am Ende mit dem Abschuss der feindlichen MiGs wohl ein Krieg vom Zaun gebrochen wurde, so entzieht sich das sowohl dem Erzählhorizont von „Top Gun“ als auch der Werbebotschaft. Hier ist Tony Scott dem blutigeren aber nicht minder vorgeblich unpolitischen „Black Hawk Down“ seines Bruders Ridley Scott schon sehr nahe.

YP: Laut Wikipedia hat der Filmtitel einen Zusatz, nämlich „Sie fürchten weder Tod noch Teufel“. Darauf, was wir bis jetzt besprochen haben, trifft das ganz gut zu. Ich bin ja ein großer Fan der Screen Junkies You Tube-Reihe „Honest Trailers“, wo einige Filme mit einer großen Portion Ironie auf die Schaukel genommen werden – und das in Trailer-Länge. Der „Honest Trailer“ von „Top Gun“ gehört da bestimmt zu meinen Lieblingszusammenfassungen. Da heißt es, darin werden nicht nur heroische Fantasien ausgelebt. Da gibt es einen stark homoerotisierten Unterton. Heutzutage kommt das Publikum ohnehin nicht umhin, diesen Kontext zu ignorieren.

PD: Auch wenn ich bezweifle, dass den Filmemachern bewusst war, was sie da tun, kann man aber auf die lange Beachvolleyball-Sequenz nicht hinblicken und umhin kommen, von überdeutlichen homoerotischen Anspielungen erschlagen zu werden. Das war für mich die allerdeutlichste Anspielung, um die man kaum herum kommt. Bei der Recherche zu der Thematik, bin ich auf einen bis dato mir völlig unbekannten Clip mit Quentin Tarantino gestoßen, der seine „Top Gun“-Theorie sehr amüsant vorlegt.

YP: Ich schließe da aber aus, dass eine Absicht dahinter war. Wobei es den Machern bestimmt um eine breitenwirksame Erotik ging. Mit den Beachvolleyball-Szenen (es gibt auch etliche Umkleidekabine-Szenen) sollte höchstens ein weibliches Publikum angesprochen werden. Und ein großes Publikum hat der Film angesprochen. Der Film hat an den Kinokassen unglaublich gut abgeschnitten.

PD: Auf rein persönlicher Ebene muss ich auch noch hinzufügen, dass die Propagandawirkung ihr Ziel nicht verfehlt hat. Einer der Cousins, der diesen Film in Dauerschleife sichtede, ist mittlerweile beim Bundesheer. Als Flugzeugtechniker.

Spotlight

11 Freitag Mär 2016

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All the President's Men, John Slattery, Liev Schreiber, Mark Ruffalo, Michael Keaton, Rachel McAdams, Spotlight, Stanley Tucci, Tom McCarthy

Das bereits im Vorfeld viel beachtete „Spotlight“ von Tom McCarthy hätten wir wahrscheinlich so oder so an dieser Stelle besprochen, aber dann hat der Film – mehr oder weniger überraschend – den diesjährigen Academy Award in der Kategorie „Best Picture“ gewonnen. Jetzt haben wir fast keine Wahl mehr. Und freuen uns auf den Dialog.

YP: Gehofft habe ich auf „Mad Max: Fury Road“ und davon ausgegangen bin ich, dass „The Revenant“ den diesjährigen Best-Picture-Oscar gewinnt. Dann aber doch „Spotlight“ und ohne „Room“ als einzigen nominierten Film noch nicht gesehen zu haben, kann ich ziemlich gut mit der diesjährigen Entscheidung von der Jury leben. Das ist doch ein solider Kompromiss. Und ich glaube aber auch, ein wenig politisches Kalkül ist auch dahinter.

PD: Wie in jedem Jahr könnte ich auch diesmal wieder einem Lieblingsfilm hinterher weinen, der noch nicht einmal im Feld der „Best Picture“-Kandidaten war. Im Vorjahr war dies „Inherent Vice“ und heuer „Carol“, doch mit „Spotlight“ kann man leben. Das ist das exakte Gegenteil des die Zuseher mit seiner Inszenierung auch immer wieder auf seine eigene Inszenierung hinweisenden „The Revenant“. Tom McCarthys „Spotlight“ hat mir mit dieser Verweigerung einer stilistisch auffälligen Inszenierung sehr imponiert. Hier dominiert die Geschichte, und zwar derart, dass der Regisseur beinahe dahinter verschwindet.

YP: „Carol“ natürlich, nicht zu vergessen. Nun zu „Spotlight“: dieser Film fungiert hauptsächlich aus Geschichtenerzähler, wobei die Eigenschaften des audio-visuellen Mediums fast in den Hintergrund geraten. Hauptsächlich finde ich es gut, wie hier dieser Kirchenskandal aufgearbeitet wird, wir dürfen auch nicht vergessen, mit diesen vielen Namen und Schauplätzen hätte das leicht ausufern können. McCarthy hat auch die Handlung in seinem Drehbuch, welches er mit Josh Singer geschrieben hat, filmisch auch ziemlich geradlinig dargestellt. Er läuft auch in keiner Sekunde Gefahr, sich in einen dieser auf wahren Begebenheiten beruhenden Film zu verwandeln, dem dieses Prädikat reicht, um die Handlung voranzutreiben. Hier haben wir ein solides Konzept, welches den Film stützt.

PD: Da sowohl in Rezensionen als auch in Interviews von Tom McCarthy selbst immer wieder „All the President’s Men“ von Alan J. Pakula als größtes Vorbild genannt wurde, habe ich mir diesen zum Vergleich auch noch einmal angesehen, und gerade bei der Handhabung der vielen Namen und Zusammenhänge, sieht man dann doch Qualitätsunterschiede. „Spotlight“ funktioniert auch deshalb so gut, da es gar nicht wichtig ist, zu wissen, wer denn nun all die Würdenträger und in den Skandal verwickelten Personen sind. Die wichtigste Quelle ist überdies ein nur per Telefon zu hörender Ex-Priester/Psychiater (toller Cameo von Richard Jenkins).

Es ist wohl auch als große Stärke des Drehbuchs anzurechnen, dass man sehr schnell die einzelnen Team-Mitglieder von Spotlight, sowie den neuen Herausgeber Marty Baron und die Anwälte klar zuordnen und auseinander halten und den Missbrauchsskandal als solchen klar erkennen kann. Wenn ich mir heute „All the President’s Men“ ansehe, dann ist das weiterhin ein sehr kraftvoller Film über Journalismus, aber der Watergate-Skandal verwirrt ohne eine gewisse Vorkenntnis. So nebenbei ist es eine hübsche Anekdote, dass Ben Bradlee Jr. (John Slattery) der Sohn des Washington Post Chefredakteur Ben Bradlee (in „All the President’s Men“: Jason Robards) ist.

YP: Dieser Skandal kommt mit dem neuen Herausgeber Baron (Liev Schreiber) ins Rollen, bzw. mit seinem Blickwinkel auf diesen einen Zeitungsartikel über den versetzten Priester kommt eine eigene Dynamik innerhalb der Redaktion und innerhalb des Investigativ-Teams Spotlight. Ich fand es gut, wie man sich hier gänzlich der Aufdeckung dieser Vertuschung um die 87 Priester, die innerhalb der Boston-Region Kinder missbrauchten, annahm. Auch wie die Figuren fast nur im Arbeitsleben agieren – es konzentriert sich alles auf diese Story innerhalb der Filmdiegese. Es gibt keine befremdlichen Lovestorys, wir erfahren um die Familienkonstellationen der Figuren, allerdings dient das meistens der Story. Trotzdem bekommt man einen guten Einblick in die Motivationen der der Menschen im Film. Vor allem bei Robby Robinson (Michael Keaton), dem Leiter von Spotlight, da er als renommierter Journalist und Einheimischer am Bostoner Gesellschaftsleben teilnimmt. Er hat einflussreiche Freunde, die nicht gänzlich unbeteiligt waren, diese Geschichte zu vertuschen.

PD: Das gesamte Spotlight-Team wird im Privatleben nur angedeutet, wobei Mark Ruffalo als Mike Rezendes beinahe den größten Raum bekommt. Auch Rachel McAdams‘ Hinweis auf ihre sonntäglichen Kirchgänge passen da gut ins Bild.

Es ist auch lohnenswert, genauer auf die Rolle von Marty Baron zu achten, und wie sie Liev Schreiber geradezu unterspielt. Es gibt keine großen Ausbrüche oder Anfeuerungen. Er fügt sich in seine neue Rolle hinein, und zeigt als Außenstehender gezielt auf eine Geschichte, die für eine „local paper“ von höchster Dringlichkeit sein soll. Das ist ein Aspekt, der mir sehr gut gefiel, nicht nur in der Darstellung des stets sträflich unterschätzten Liev Schreiber, sondern auch, wie die Bostoner Gesellschaft darauf reagiert. Man tausche die Kirche gegen die Mafia oder eine korrupte politische Elite aus, und es würde sich an der Dynamik der Ereignisse nichts ändern. Boston wirkt in diesem Zusammenhang wie ein eingeschworenes Dorf, welches sich von außen – und von einem Juden wie Marty Baron – schon gar nichts sagen lassen will.

YP: Ja, Liev Schreiber als Marty Baron hat mir auch sehr gut gefallen in dieser Rolle. Ihm kommt nicht allzu viel Präsenz zu,  aber was er aus der wenigen macht, ist bemerkenswert. So handhabt es der Film aber mit jeder Figur – mit Ausnahme von Mark Ruffalos Rezendes vielleicht. Wie Baron sprichwörtlich mit ein paar Bemerkungen zuerst die gesamte Redaktion, dann den Erzbischof und dann die Bostoner Gesellschaft aufrüttelt und die Geschehnisse ihre Handlung nehmen, ist bezeichnend für den Stil des Films. Erwähnenswert ist auch Rezendes Annäherung an den von Stanley Tucci gespielten Anwalt Garabedian, der zu Beginn des Films als eigenwilliger Charakter bezeichnet wurde und schließlich dem Spotlight-Team unter die Arme greift.

PD: Das zeichnet diesen Film auch aus, die langsame Annäherung an seine Charaktere und zugleich die Darstellung der geradezu zermürbend langen und langsamen Arbeit an dieser großen Geschichte. Der Symbolismus mit den immer im Hintergrund ins Bild ragenden Kirchen mag nicht sonderlich subtil sein, aber es ist für mich der einzige wirklich gravierende Kritikpunkt.

Viel mehr glaube ich, dass man noch Jahre später auf diesen gelungenen Journalisten-Thriller zurückblicken wird.

YP: Es gibt Filme, die sind so unaufdringlich und sichern sich somit auch einen Platz im Kanon.

 

 

 

Hail, Caesar!

04 Freitag Mär 2016

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Alden Ehrenreich, Channing Tatum, Ethan Coen, George Clooney, Hail Caesar!, Joel Coen, jonah hill, Josh Brolin, Scarlett Johansson, Tilda Swinton

Ein neuer Film von den Brüdern Joel und Ethan Coen ist für viele eines der großen Jahreshighlights. Zuletzt begeisterten sie mit „Inside Llewyn Davis“. Diesmal begeben sie sich mithilfe eines Star-Ensembles, angeführt von Josh Brolin als Fixer Eddie Mannix, in die Zeit der 1950er-Studioproduktionen. Eine Entführung, viel Eitelkeit und Kommunismus stehen im Zentrum von „Hail, Caesar!“.

PD: Wenn ich an die Filme der Coen-Brüder denke, dann fällt mir vor allem ihr tiefschwarzer Humor ein, den ich aus „Fargo“ oder „Barton Fink“ kenne. Dagegen wirkt „Hail, Caesar!“ regelrecht milde.

YP: Und wenn ich an die Coen-Brüder denke, dann fallen mir aber auch Filme wie „O Brother, Where Art Thou? „, „Burn After Reading“, „The Big Lebowski“, „A Serious Man“ und „Intolerable Cruelty“ und genau in diese Richtung begeben sie sich mit „Hail, Caesar“. „Fargo“ und „No Country For Old Men“ sind auch von den Ethan und Joel Coen, aber mit dem aktuellen Film haben diese aber – bis auf die beiden Regisseure – kaum etwas zu tun. Nachträglich betrachtet steht „Fargo“ auch irgendwie fast allein da.

PD: Das ist das Schöne an ihrem Werk, sie haben eine derartige Vielfalt und doch ihren stets wieder erkennbaren Stil. Abgesehen von „The Hudsucker Proxy“ und dem missratenen „The Ladykillers“-Remake, fällt mir auch kein Film von ihnen ein, den ich nicht immer wieder gerne mal ansehen würde.

Was bei „Hail, Caesar!“ aber schon sehr ins Auge sticht, ist der geradezu leichtgewichtige Humor, den sie hier zelebrieren. Die alten Studiofilme werden mit viel Liebe zum Detail parodiert, aber schon auch zur selben Zeit gefeiert. Für all ihren Pomp und Pathos. Am Schönsten fiel dabei die Titelgebende Sandalen-Film-Version aus, in der George Clooney, den die Coens ja einfach zu gern als Dämlack hinstellen, schamloses Over-Acting betreiben durfte.

YP: Leichtgewichtiger als andere Coen-Filme finde ich diesen hier nicht. Mir war er etwas zu übereifrig und wohlmeinend. Die Hommage wurde zu oft betont und unterstrichen.  Zwar fand ich auch die einzelnen Episoden gelungen (Ralph Fiennes und Alden Ehrenreich waren miteinander großartig) , wie die diversen Plots dann miteinander verknüpft wurden, war nicht allzu stimmig. Die Besetzung war großartig, auch ein Clooney macht sich ganz gut in so einen Ensemble. Clooney und Brolin hatten wenigstens gebührend Screen time, wobei ich mir das bei anderen aus dem Cast auch gewünscht hätte. Scarlett Johansson war mir viel zu kurz drinnen. Gerne hätte ich auch mehr von Tilda Swinton gesehen. Frances McDormand und Jonah Hill waren gerade ein paar Minuten im Bild.

PD: Ich bin mir auch nicht sicher, ob das nun gewollt war oder nicht. Denn die Handlung dreht sich ja um den Fixer Eddie Mannix (Josh Brolin) und seine wechselnden Begegnungen mit verschiedenen Stars an verschiedenen Sets. Klar wird dadurch der Raum für die einzelnen Protagonisten zwangsweise kleiner, aber diese Star-Ensemble-Inszenierung führte auch dazu, dass man von den einzelnen Charakteren nur wenig vermittelt bekam, abgesehen von einzelnen Gags. Etwa Scarlett Johanssons Promiskuität oder ihr Divenhaftes Gehabe, ebenso die homoerotischen Untertöne bei der Matrosen-Tanz-Nummer mit Channing Tatum. Es ging in diesen Stellen nicht über die Parodie hinaus.

In diesem Sinne war es für mich leichtgewichtiger als etwa andere Komödien der Coens wie „A Serious Man“ oder auch „O Brother, Where Art Thou?“, in welchen Sinnkrisen respektive Rassenkonflikte behandelt wurden. Die Schwarze Liste und der Einfluss der alten Studios auf das Leben seiner Stars wird in „Hail, Caesar!“ eher milde behandelt.

YP: In thematischen Sinne ist dieser Coen-Film bestimmt leichtgewichtiger, aber bewegt sich keineswegs leichtfüßiger als andere. Mir wurde hier auch zu viel parodiert oder zu viel reminisziert. In dieser Szene, in der Eddie einen Jobwechsel in Erwägung zieht und dann aus moralisch fragwürdigen Gründen bei seinem alten Job bleibt, das hat mich irritiert. Bei einigen Szenen fragte ich mich wirklich, was die jetzt zum Plot beigetragen hatten. Einiges wirkte auf mich als wäre es  wild und unbedacht zusammengefügt worden. Ich konnte nie ganz bei der Sache sein. Man könnte sagen, der Film hat mich auch nur halbherzig unterhalten. Wohlmeinend gemeint, aber halbherzig.

PD: Die Szenen, in welchen Mannix von einem Lockheed-Vertreter ein lukratives Job-Angebot vor die Nase gehalten bekommt, fand ich nicht ganz unwichtig, da sie die Verbundenheit von Mannix mit diesem „Zirkus“ zeigten. Obwohl scheinbar alle Gründe für einen Wechsel zu Lockheed sprechen (Bezahlung, Arbeitszeiten), kann er sich einfach nicht von dem kreativen Chaos des Studios lösen.

Es ist auch einer jener Filme, bei denen ich mir sicher bin, dass bei erneuten Sichtungen, weitere, beim ersten Mal nicht bemerkte, Gags zu Tage treten werden. Dass die Filme etwa bei Capitol Pictures (das Studio welches schon in „Barton Fink“ eine Rolle spielte) produziert werden, ist noch die auffälligste Anspielung. Enttäuscht war ich eher von dem zerfaserten Kommunisten-Plot. Die Schwarze Liste und der Wechsel von Hollywood-Star Burt Gurney auf die andere Seite wirkten mir ein wenig unkonzentriert inszeniert. Stattdessen gab man dem herrlichen Alden Ehrenreich (der mir schon in „Tetro“ sehr gut gefiel) viel Raum, um die verschiedenen Handlungsstränge miteinander zu verbinden.

YP: Diesem Studio-Chaos bzw. diesen Zirkus treten die Coens in „Hail, Caesar!“ mit viel Respekt entgegen. Wie bereits erwähnt haben sie genau so den Film angelegt. Für das moderne Publikum soll hier nochmal die alte Welt wiederbelebt werden. Und alteingesessene Filmfans können hier in den guten alten Studio-Zeiten schwelgen. Das ist eigentlich genau das, was sie auch bei „Inside Llewyn Davis“ gemacht haben, nur dort auf die Musikindustrie der 1960er Jahre bezogen. Bloß fand ich es dort auch stimmig und gelungen, wohingegen der neueste Streifen hinter den Erwartungen zurückliegt.

PD: „Inside Llewyn Davis“ hat sich allerdings auch viel mehr mit seinem Titelcharakter und dessen Lebensumständen beschäftigt. Es war mehr eine Sinnsuche in einem Musik-Drama (man denke nur an den Road-Movie-Teil mit John Goodman), deren Charaktere dann auch entsprechend ausgebaut waren. Kein einziger Charakter in „Hail, Caesar!“ ist derart mit Leben erfüllt. Da unterscheiden sich die beiden Filme dann doch grundlegend. Meine Erwartungen hat „Hail, Caesar!“ jedoch schon erfüllt und mich gut unterhalten, auch wenn ich mir stellenweise bösere Witze und vor allem einen zwielichtigeren Eddie Mannix (der echte Mannix hatte ja eine viel dunklere Lebensgeschichte) erwartet hatte.

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