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Wir behaupten mal, dass jede und jeder Filmbegeisterte und Horrorfilm-Fan vom Buzz um „The Witch“ bis dato keinen Bogen machen konnte, so sehr war der Film präsent und wurde er in den sozialen Medien gehyped. Den Hype darum lassen wir an dieser Stelle natürlich nicht ungeachtet – zählen wir doch zu beiden Spezies. Also besprechen wir „The Witch“:

PD: Das Regiedebüt von Robert Eggers wurde in den sozialen Medien mit Nachdruck beworben. Dabei hat aber kaum jemand erwähnt, dass der wirklich wichtige Teil des Filmtitels sich im Zusatz „A New-England Folktale“ verbirgt. Darin verbirgt sich die wahre Natur von „The Witch“.

YP: Mir hat der Film sehr gut gefallen, weil er immer vorgibt, nach den Genre-Regeln zu spielen, um dann alles auf den Kopf zu stellen. Es gibt keine konservativen Spannungskurven und die Atmosphäre ist stets beängstigend. Das waren auch die kurzweiligsten 90 Minuten meines Tages und bis dato war mein Tag sehr lang (ich war schon 13 Stunden auf den Beinen bis ich ins Kino kam). Atemberaubend wie „It Follows“ oder „The Babadook“ – die für mich zu den Genre-Perlen gehören – ist er nicht, aber wirkt unglaublich lange nach.

PD: Dem kann ich nicht ganz beipflichten. Weder was das überschwängliche Lob für „It Follows“ angeht, noch die Kurzweil bei „The Witch“. Mir gefiel „The Witch“ eine Spur besser denn „The Babadook“, und beide Filme sind auch sehr stimmige Genre-Werke, doch bei „The Witch“ spürte ich zuweilen die langsam vergehende Filmdauer schon. Denn Eggers ist mehr am Aufbau einer Atmosphäre und der Ausstattung und weniger an einer konservativ vorangetriebenen Handlung interessiert. Deshalb ist für mich der Zusatztitel „A New England Folktale“ so wichtig. Als Sage und somit auch als Stimmungsbild und Metapher, ist das ein sehr schön gemachtes Werk und funktioniert auch als Paranoia-Studie. Packender Genre-Grusel enthüllte sich allerdings nicht.

YP: Genre-Grusel findet sich in der Tat nicht im Film, aber wenn du dich mit den zwei bestimmten Ebenen des Erzählten befasst, kommt dir schon ein Schauer über den Rücken.  Einerseits haben wir hier die religiöse Komponente, vor allem die der Gottesfürchtigkeit und der Erbsünde. Die streng gläubige und von der Dorfgemeinschaft ausgeschlossene Familie, die – abgeschottet und unter sich – am Waldrand ein neues Zuhause findet. Andererseits und dem gegenüber steht dann die paranormale Ebene (im Film eine teuflische), die dann das Alltags- und Familienleben durcheinander bringt. Es gibt keine Schockmomente und es gibt keine jump cuts, nichtsdestotrotz löst sich am Ende die Story so auf, dass es mit dem Verständnis und den Erwartungen des Publikums spielt. Eigentlich brauche ich den Zusatz „Folktale“ nicht, um den Film auf mich wirken zu lassen, das sind genug Märchen- und Sagen-Verweise und Zitate drinnen.

PD: Für mich war dieser Zusatz schon sehr wichtig, da die „Hänsel und Gretel“-Ebene – die eher durch den Titel „The Witch“ transportiert wird – von Eggers ausgiebig bearbeitet wird. In dem Moment in dem Thomasin (Anya Taylor-Joy) ihren kleinen Bruder „verliert“, ist dem Publikum bereits klar, dass man es hier mit einer übernatürlichen Ebene zu tun hat. Insofern sind die ganzen Anspielungen, wer denn die Ursache dieser teuflischen Entwicklungen trägt, ein klein wenig zu lustvoll ausgespielt. Ist es nun der von den Kindern besungene schwarze Ziegenbock oder doch Thomasin, die ein befruchtetes Ei am Boden zerschellen lässt? Dabei zeigt Eggers bereits die Opferung des Säuglings durch eine Hexe und nimmt damit die Spannung ein wenig aus der Erzählung heraus.

Gleichzeitig jedoch belässt er die Hintergründe für die Verbannung der Gottesfürchtigen Familie im Dunkeln. Patriarch William (Ralph Ineson) reißt scheinbar in seinem Fanatismus seine Familie mit sich, und ist somit selbst auch ein Urheber der Tragödie im Wald. Auch wenn die Familie schließlich Thomasin beschuldigt.

YP: In der Szene nimmt er ganz und gar nicht die Spannung raus, er zeigt eben schon zu Beginn, was für ein Film das wird und wir – das Publikum – müssen das rationale Denken vor der Saaltür lassen, damit wir uns gänzlich auf die Geschichte einlassen. Dann spielt Eggers – der auch das Drehbuch geschrieben hat – mit unserer Auffassung. Wir fragen uns doch ständig, was und warum das jetzt passiert, ohne eine plausible Erklärung dafür zu erhalten. So wie als Kinder mit Märchen – nur im Umkehrschluss. Märchen habe ich als Kind geliebt – in diesen Geschichten war alles möglich. Das ist ein Zugang, den der Film in Erwägung zieht und auf sein Publikum projizieren möchte.

PD: Die Spannung, welchen Ursprungs die Unglücksfälle und tragischen Vorkommnisse, die der Familie zugestoßen sind, mag aber dennoch nicht aufkommen. Es stimmt schon, dass „The Witch“ eine Projektionsfläche für die Fantasie des Publikums bietet, und Interpretationsspielraum liefert. Darin funktioniert die Geschichte auch sehr gut. Es bleibt genügend Spielraum für die Fantasie des Zusehers.

Dennoch hatte ich auch stets das Gefühl, dass ich eine lohnendere Filmerfahrung gehabt hätte, wenn ich ein wenig mehr Hintergrundwissen besessen hätte. Am Ende des Films wird schließlich vermerkt, dass sich Eggers auf Gerichtsprotokolle und Akten während der Hexen-Hysterie zur Zeit der Hexenprozesse von Salem bezog. Diese Information nach Ende des Films, brachte wieder die Ebene des religiösen Fanatismus mit ins Spiel. Vor allem Thomasins Schicksal auf der Lichtung im Wald, bekommt dadurch mehrdeutige Interpretationsspielräume. Eggers öffnet sowohl die Möglichkeit der realen Existenz von Hexen, andererseits könnte sich auch alles rein im Kopf der traumatisierten Thomasin abspielen, die von ihrer fanatischen Familie in eine Täterrolle gedrängt wurde, gegen die sie sich aufgrund vorherrschender Vorurteile kaum wehren konnte. Erst mit dem Abspann begann sich eine Faszination für das Geschehen zu entfalten.

YP: Meine Kinobegleitung hatte sich gewünscht, dass der Film dann endet, wo sie ihren Kopf an den Tisch lehnt. Für mich war aber genau der Schluss interessant, im wahrsten Sinne des Wortes dieser Pakt mit der Teufel. Da nimmt sich der Film auch eine Freiheit heraus, die wir so selten zu sehen bekommen. Eigentlich verlangt uns dieser subtiler Horror weitaus mehr ab, als wir es gewohnt sind. Das zeichnet ihn auch aus. Eigentlich ein beeindruckendes Debüt.