Hasta la vista zum Abschied

Liebe Gleichgesinnte, Leserinnen und Leser dieses Formats.

An dieser Stelle verabschieden wir uns. #FilmImDialog wird es nicht mehr geben.

Vor ungefähr 3 Jahren haben wir mit „Don Jon“ unseren ersten Beitrag veröffentlicht. Im letzten gemeinsamen Dialog haben wir pünktlich zum 1. Juli die 6. Staffel von „Game of Thrones“ besprochen. Dazwischen liegen also fast 150 Beiträge aus den Bereichen Film, Serien und Bücher. Diverse Nachrufe und Jahresrückblicke. Großartige filmische Hochs und natürlich auch die obligatorischen Tiefs. Selten waren wir uns einer Meinung, was dem Spaß an der Sache eine neue Dimension gegeben hat. Nun ist das nicht mehr so, das Leben jenseits des Webs holt einen ein. Organisatorisch wird es für uns beide immer schwieriger, manchmal fehlt es leider auch an Motivation.

An dieser Stelle bedanken wir uns bei allen, die uns nun schon 3 Jahre lang gelesen haben. Besten Dank auch an die, die erst kürzlich zu uns gestoßen sind. DANKE!

Lesen könnt ihr uns selbstverständlich nach wie vor, aber einen aktuellen Content wird es leider nicht mehr geben. Es war schön, es hat uns Spaß gemacht.

Hasta la Vista …

 

 

Game of Thrones – Staffel 6

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Ohne um den heißen Brei herumzureden: wir haben die neueste Staffel „Game of Thrones“ gesehen und wollen euch unsere Eindrücke nicht vorenthalten. Achtung, Spoiler.

YP: Über „Game of Thrones“ kann man ja sagen, was man will, die Serie vermag nun auch nach sechs Staffeln zu überraschen. Auch wenn die Leidenschaft mit vielen der geliebten Figuren gestorben ist, die Serie wird nicht wirklich fad.

PD: Dabei war gerade bei Staffel 6 das Problem, dass sich alles in sehr vorhersehbaren Bahnen entwickelt hat. Trotz dieser Vorhersehbarkeit, konnte das Geschehen unterhalten und stellenweise auch packend sein, wie bei Aryas Flucht vor den Faceless Men. Das war mein Lieblingsteil der gesamten Staffel. Nicht nur hat sich Arya mit der Zeit zu meinem Lieblingscharakter entwickelt, sondern Dank der Begegnung mit Tom Wlaschiha (Jaqen H’ghar) auf der Comic Con in Linz, ist auch mein Interesse an den Faceless Men immens gestiegen.

YP: Für wen vorhersehbar? Wir haben beide die Bücher gelesen, recht viel Überraschungspotential bietet die Serie bis dato nicht. Mir ging es hauptsächlich darum, wie sie die Stränge verknüpfen und weiter auflösen. Nehmen wir ein Beispiel: Bran wird zum 3-Eyed-Raven und erfährt um den Ursprung der White Walkers. Dann haben wir diesen fantastischen obwohl emotional aufbrausenden plot twist um Hodor. Und dann ist da noch die Frage um Jon Snows Eltern. Das ist auch DER schlechthin. Daenerys bekommt außerdem ihre Flotte und Yara ihre Souveränität. Das sind meine persönlichen Highlights der Staffel. Und es sind immerhin mehrere in einer als in den letzten beiden Staffeln gemeinsam.

PD: Ich habe nach Buch Nummer 4 aufgehört. Eventuell finde ich irgendwann die Motivation doch wieder weiter zu lesen, doch die Frage der Vorhersehbarkeit stellt sich ja dennoch. Nicht jeder „Game of Thrones“-Seher wird die Bücher gelesen haben, so wie man auch nicht davon ausgehen kann, dass jeder „Lord of the Rings“-Kinogänger die Bücher kennt. Die Frage der Vorhersehbarkeit, bezieht sich auf die Art der Inszenierung und da ich eben „Lord of the Rings“ erwähnte, möchte ich hier das Ende von Episode 8 und die gesamte Episode 9 erwähnen.

Am Ende von Episode 8 scheint Meereen endgültig von den alten Meistern wieder übernommen zu werden. Tyrion und Missandei sitzen im Saal fest und natürlich tritt dann in den letzten Sekunden der Folge, Danaerys in den Raum ein und löst die Spannung auf. So wie am Beginn von Episode 9 die Schlacht um Meereen durch die plötzlich auftauchenden Drachen beendet wird. Auch am Ende der „Battle of the Bastards“ ist es eine aus dem Nichts auftauchende Macht, die der Schlacht ihr Ende bereitet. In dem Fall Sansa Stark und Littlefinger. Das erinnerte sehr stark an das Finale von „The Two Towers“. Das war sehr unterhaltsam und spektakulär gemacht, aber es gab nicht die großen Überraschungen.

YP: Die großen Überraschungen gab es dann in Winterfell. Jon Snow wurde von Melisandre wiederbelebt. Ich glaube auch nicht, dass irgendwer, der die Bücher nicht gelesen hat, irgendwas mit Jon Snows Eltern anfangen kann, viel zu wenig wurde von diesen Figuren gesprochen oder irgendwas in die Richtung angedeutet – was in den Büchern (sogar im ersten Buch) ständig präsent war. Daenerys ist also Jons Tante. Ich wage zu behaupten, dass dies unmöglich vorherzusehen war ohne Vorwissen. Und das ist doch der Schlüsselmoment schlechthin.

PD: Der Schlüsselmoment für mich war Daenerys‘ und Yaras‘ Einigung, die auch recht humorvoll mit mehrdeutigen Augenzwinkern angereichert war. Da wird schon sehr viel für die kommenden beiden (finalen?) Staffeln in die Wege geleitet. Zudem stand das sinnbildlich für mich, dass es in Staffel 6 vor allem darum ging, welche Macht die Frauen in dieser Serie haben.

Die Frage wer die Eltern von Jon Snow sind, hat mich recht wenig berührt. Die Wiederbelebung von Jon hat mich aber kurze Zeit in eine ähnliche Lage gebracht, wie bei den neuesten „The Walking Dead“-Episoden. War es in früheren Episoden unsicher, ob dein geliebter Charakter die Staffel überlebt, werden jetzt sogar einst getötete Charaktere wiederbelebt. Wobei ich damit bei „Game of Thrones“ weniger Probleme habe. Immerhin wird hier mit Fantasy-Mechanismen nur so um sich geworfen, da kann auch ein wenig schwarze Magie zugunsten eines Fan-Favoriten genutzt werden.

YP: So sehr geht es eigentlich gar nicht darum, welche Macht die Frauen haben werden, sondern welche neuen Wege sie beschreiten, um an die Macht zu kommen. Bzw. auf welche Art und Weise. Hier gibt es keine Ordnung nach Geburtsrecht, wie wir das so kennen. Und es haben sich zwei Fronten herausgebildet. Ich interpretiere das schon fast als eine Patriachat versus Matriarchat-Sache.

Während sich die smarten Daenerys und Yara in Meereen (ich habe keinen Unterton vernommen, da erkennen sich zwei starke Figuren ineinander, aber vielleicht braucht es für diesen Blickwinkel den „male gaze“) und Olenna Tyrell und Ellaria Sand und die Sand Snakes in Dorne gemeinsam gegen Cersei plotten und – noch friedlich – Allianzen knüpfen, werfen sich die dummen hinterwäldlerischen Männer in Schlachten. Cersei treibt das patriarchale Herrscherspiel an die Spitze und an den Rand der Vernunft (man denke hier an „the mad king“ und Jaimes Blick) und Sansa fühlt sich ihrem Halbbruder überlegen. Wer weiß, welche Flausen ihr Littlefinger ins Ohr setzt. Das steht so sinnbildlich  für den Untergang von Westeros mit seinen veralteten Strukturen und Hierarchien. Egal, was mit der Ära der Drachen noch eingeläutet wird, es wird Westeros zum Guten verändern. Aber andererseits: jetzt, wo der Winter schließlich gekommen ist, da wären ja noch die White Walkers.

PD: Interessanter Gesichtspunkt, so hatte ich das gar nicht interpretiert. Ich zweifle aber stark daran, dass durch die wieder belebte Ära der Drachen, sich alles zum Guten wenden wird. Daenerys hat sich im Laufe der Serie in ihren Fähigkeiten über eine Stadt zu herrschen gebessert, aber sie scheint mir nicht die Heilsbringerin zu sein. Viel wichtiger denn die Schlacht um den eisernen Thron, wird jene gegen die White Walker.

Spannend wird es auch, welche Charaktere (und dazu prominente Mimen) im Laufe der nächsten Episoden auftauchen werden. In Staffel 6 wurde ein Ian McShane als Bruder Ray geradezu verheizt, nur um die Rückkehr von Sandor Clegane zeigen zu können. Ebenso war der Coup in Dorne sträflich kurz, was dazu führte, dass man den tollen Alexander Siddig als Prinz Doran viel zu kurz zu sehen bekam.

YP: Daenerys ist sicher nicht die Heilsbringerin, aber sie ist revolutionär und bringt das zustande, was keinem vor ihr gelang: sie befreit die Sklavenstädte Yunkai, Astapor und Meereen; sie ist die erste Khaleesi ohne Khal und sie segelt nach Westeros, um ihr Erbe anzutreten. Dass davon nicht viel übrig sein wird, spielt eigentlich keine Rolle. Und dann noch die Drachen, die auch bestimmt sehr nützlich werden im Kampf gegen die White Walker (neben dem Wildfire). In meinen Augen wird es kein Westeros – wie es vorher war – geben. Aber Daenerys ist die Schlüsselfigur dabei und für sie wird es ein Happy End geben.

PD: Ein mögliches Ende, vor allem da die Serie ja auch immer mehr und mit schnellem Schritt in Richtung Finale schreitet. Einen wirklichen Abschluss sehe ich aber nicht am Horizont. Selbst wenn alle Schlachten geschlagen, und alle Kontrahenten besiegt sind, bleibt doch immer noch diese Ungewissheit, wie es danach (nach dem Serienende) weitergehen soll. So wie man auch die Erzählungen der Historie rund um Westeros schön im Kopf weiterspinnen kann, wird es wohl auch nach dem Ende sein, dass die Geschichte zumindest im Kopf fortgeführt wird. Ganz egal wer dann am eisernen Thron sitzt.

Anton Yelchin

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Die Nachricht um den Tod des 27-jährigen Schauspielers Anton Yelchin hat uns beide berührt. Immerhin ist man als Kinofan an seinen diversen Rollen sowohl in Mainstream-Filmen oder Genre-Werken nicht drumherum gekommen.

YP: Erstmals ist mir Anton Yelchin neben Justin Timberlake in „Alpha Dog“ sehr postitiv aufgefallen, das war auch der Film, wo ich mir seinen Namen gemerkt habe. Das ist mittlerweile 10 Jahre her. Und der letzte Film mit ihm war die Horror-Komödie „Burying the Ex“. Ich finde es ausgesprochen schade, dass ich keine Chance mehr habe diesen talentieren Schauspieler im Kino zu sehen.

PD: Das erste Mal fiel mir sein Name im Zusammenhang mit der Stephen-King-Verfilmung „Hearts in Atlantis“ auf, allerdings nahm ich das mehr als Star-Vehikel für Anthony Hopkins war. Seine Rolle in „Alpha Dog“ war auch für mich, wie wohl für viele Filmfreunde, der Punkt, an dem man Yelchin plötzlich auf dem Radar hatte. So wie auch Emile Hirsch, Amanda Seyfried und Ben Foster. Dieser Film war in der Karriere vieler Darsteller ein wichtiger Wendepunkt. Danach schien Anton Yelchin plötzlich überall aufzutauchen. Nicht zuletzt als Chekov in den neuen „Star Trek“-Filmen.

YP: Natürlich, in den beiden bisher erschienenen „Star Trek“-Filmen hat er seine Breitenwirksamkeit unter Beweis gestellt. Seinen Chekov hat er mit der nötigen Flapsigkeit und mit dem Humor angelegt, welche wir erwartet haben. In den letzten – vor allem – 10 Jahren hat er sowohl seinen Fleiß als auch sein Talent in seiner Rollenwahl bedient.

PD: Das hat mich sowohl sehr betrübt als auch überrascht. Die Fülle an Projekten, die Yelchin in seiner Vita stehen hat und wie wenige man davon gesehen hat. Dabei war er in etlichen Filmen herausragend, nur waren diese zum Großteil eher im Independent-Bereich angesiedelt. Als Titelcharakter in „Charlie Bartlett“ bewies er sein Potential im Spiel mit Hochkarätern wie Hope Davis und Robert Downey Jr.

Im erst kürzlich gesichteten „Like Crazy“ sieht man, wie in „Alpha Dog“, die ganze Bandbreite an Emotionen, die er mit wenigen Gesten vermitteln konnte. Doch am auffälligsten war für mich seine Wandlungsfähigkeit. Nebenrollen wie in „Only Lovers Left Alive“ oder „Experimenter“ waren die perfekte Bühne, und dennoch stellte er sich nie in den Vordergrund. In seiner Generation fällt mir da nur noch Paul Dano ein, den ich ebenso hoch schätze.

YP: In „Only Lovers Left Alive“ stellt er neben Mia Wasikowska das witzige Figuren-Pendant zu den von Tom Hiddleston und Tilda Swinton gespielten Protagonisten Adam und Eve. In Jarmuschs Film setzte das natürlich auch die Rolle mit dem gewissen Comic relief voraus. Yelchin hat auch die meisten seiner Figuren so angelegt, dass er zwar immer in Erinnerung bleibt mit seiner Performance, allerdings sich nie allzu vordergründig platziert oder gar aufdrängt. Vergleiche ich ihn mit dem gleichaltrigen Schauspielkollegen Shia LaBeouf, wo man zum Beispiel beide in zwei Episoden in „New York, I love You“ bewundern kann, dann sind das zwei so unterschiedliche Darsteller wie Tag und Nacht. Wobei sich Shia LaBeouf immer so gebärdet, als spiele er um sein Leben (was seine Rollenwahl vielleicht auch etwas einschränkt), ist Yelchin dann eher derjenige, der mit seinem bescheidenen Spiel auffällt und punktet.

PD: In dieser Hinsicht erinnerte er mich immer ein wenig an eine jüngere Version von Liev Schreiber. Womöglich auch, weil beide familiäre osteuropäische Wurzeln haben. Allerdings auch, da Schreiber ebenso in seinen Rollen versinkt und sich nie oder nur selten in den Vordergrund spielt, wie man in jüngerer Vergangenheit in „Ray Donovan“, „Spotlight“ oder „Pawn Sacrifice“ sehen kann.

Yelchin hatte auch diese Sensiblität und Zurückhaltung, um zugleich auch eindrücklich zu zeigen, dass er tatsächlich einen Charakter spielt. LaBeouf wirkte immer schon mehr wie ein Star und weniger wie ein Schauspieler. Wohl auch deshalb konnte Yelchin in missratenen Blockbustern wie „Terminator Salvation“ oder sehr gelungenen wie den neuen „Star Trek“-Filmen auftreten, und sich dennoch diesen Respekt erhalten, der seiner Arbeit entgegen gebracht wurde. Im Nachruf im Variety, wurde ihm Elijah Wood als Pendant gegenübergestellt, der seine Kindlichkeit bislang nie ganz ablegen konnte. Yelchin wirkte auch in diesen Jungenhaften Rollen bereits sehr reif.

YP: Im letzten Film mit ihm im Kino, den ich im Rahmen der Viennale gesehen habe, spielt Yelchin sogar die männliche Hauptrolle – mehr oder weniger. „Burying the Ex“ haben wir sogar letzten Oktober während des #Horrorctobers besprochen. Das Problem war allerdings, dass der Film einfach nicht gut war, da konnte auch Yelchin nicht viel dazu anrichten. Als Horror-Satire war der Film einfach nicht nach meinem Geschmack. Abgesehen von der überzogenen – fast karikaturhaften – Figurenzeichnungen, ist es ein grässliches und sexistisches Drehbuch. Für Yelchin war das eine atypische Rolle, wenn du mich fragst. So aus sich herausgehen zu müssen.

PD: Ungewöhnlich fand ich auch seine Besetzung in Michael Almereydas Version von Williams Shakespeares „Cymbeline“. Als junger Schauspieler war das aber eine kluge Rollenwahl, um sein Repertoire zu erweitern. So erscheint mir auch die Besetzung in „Burying the Ex“. Er hätte natürlich auch den Rollentyp aus „Alpha Dog“ einige Jahre weiter spielen können, aber dann wäre seine Karriere wohl auch schnell im Nirgendwo versandet. Sein steter Wechsel zwischen Genre-Arbeiten, Independent-Filmen und Blockbustern, wirkt wie das Auftreten eines alten Hollywood-Hasen. Niemals hätte ich ihn auf erst 27 Jahre geschätzt.

YP: Ich finde, deine letzten zwei Sätze bringen seine bis dato bewundernswerte Karriere auf den Punkt. Er steht ja auch seit 2000 vor der Kamera und trotz seines jungen Alters, bewies er Gespür für eine seine Rollenauswahl, da muss ich mich wiederholen. Wirklich schade, dass wir ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen.

Thelma & Louise

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Vor mittlerweile 25 Jahren eroberte das Road-Movie „Thelma & Louise“ die Kinoleinwände. Dass die Befreiung aus den Fesseln männlicher Unterdrückung ausgerechnet von Macho-Regisseur Ridley Scott in Szene gesetzt wurde, ist nur eine von vielen subtilen Pointen, die dieser Film für sich beanspruchen kann. Doch wie wirkt die Reise der beiden Frauen heute? Was hat sich seitdem in der Kinolandschaft verändert?

PD: Als Filmliebhaber war es natürlich eine gewisse Pflicht, sich einmal „Thelma & Louise“ anzusehen. Doch abgesehen von ein paar prominenten Momenten, die auch ausgiebig parodiert wurden (mir gefällt heute noch die „Simpsons“-Parodie ausgesprochen gut), blieb nicht allzu viel hängen. Heute, sicher ein gutes Jahrzehnt nach meiner letzten Begegnung mit diesem Film, überrascht mich vor allem der bissige Humor, den man zu sehen bekommt.

YP: Das ist ein absoluter Kultfilm. Verglichen mit irgendeinem Testosteron-gespickten Blödsinn aus dieser Zeit, ist das eine Perle. In den 90ern war der ausgesprochen wichtig für mich. Und ich betrachte diesen Film nach mehr als einem Jahrzehnt wieder, fällt auf, wie stimmig und gut gemacht der einfach ist. „Blade Runner“ hin oder her, aber neben „Alien“ ist das für mich DER frühe Ridley Scott-Film. Hier stellt er sein unumstrittenes Talent wieder zur Schau. Wir haben Ridley Scott an dieser Stelle öfter besprochen, u.a. bei „The Counselor“ und „Exodus: Gods and Kings“. Die Bezeichnung Macho-Regisseur gefällt mir trotzdem, auch wenn es eine Handvoll Scott-Filme mit sehr guten weiblichen Protagonistinnen gibt.

PD: Nun ja, so weit möchte ich da nicht gehen. Abgesehen von Ripley in „Alien“ und „Thelma & Louise“, fallen mir keine wirklich starken Frauen in seinen Filmen ein. Die sind doch zumeist von starken oder charismatischen Männern geprägt. Selbst in „Prometheus“, wo Noomi Rapace und Charlize Theron sehr viel Arbeit auf sich geladen bekommen, ruht der Blick meist auf Michael Fassbender.

„Thelma & Louise“ sehe ich auch gar nicht als ultimativen Scott-Film, sondern vielmehr als ultimativen Susan Sarandon- und Geena Davis-Film. Die Darbietung der beiden hat mein Bild von ihnen als Schauspielerinnen sehr geprägt. Es erschien mir dann nur logisch, dass sich vor allem Susan Sarandon auch privat politisch engagiert. Ihre Rolle als selbstbewusste Kellnerin Louise schien mir, wie ein Weckruf. Dass sich die Rollen der beiden Frauen im Laufe der Handlung geradezu umkehrt, wurde mir erst bei der erneuten Ansicht des Filmes bewusst.

YP: Da ruht vielleicht dein Blick auf Fassbender (der für mich in einer Nebenrolle auftaucht), aber die Story wird von den beiden Protagonistinnen Noomi Rapace und Charlize Theron getrieben und beherrscht. Ohne groß über „Prometheus“ reden zu wollen – mir gefällt der Film ganz und gar nicht, ist doch irgendwie herrlich, wie hier die männlichen Blinkwinkel auf den Kopf gestellt werden: Theron spielt die Tochter, die nie genug Aufmerksamkeit von ihrem Vater bekommen hat – und der wiederum David (Fassbender) – eine recht billige Kopie von ihr – als Künstliche Intelligenz schafft. Interessant fand ich vor allem, dass Fassbender einen Roboter gespielt hat, aber recht erinnerungswürdig war die Performance nicht.

Aber genau das will ich damit sagen. Für mich ist Scott DER Macho-Filmemacher, der sich dem chauvinistischen Hollywood-System nicht nur fügt und beugt – er profitiert sogar davon. Er macht keinen Hehl draus. Und die wenigen Filme von ihm, die ich herausstreichen will, haben nichts mit diesem Bild zu tun, z.B.“Alien“ oder „Thelma & Louise“. „The Counselor“ war eine seiner filmisch aufregendsten Arbeiten der letzten 10, sogar 20 Jahre – darin stiehlt Cameron Diaz allen die Show.

PD: Dennoch stehen bei „Thelma & Louise“ mehr die beiden Protagonistinnen im Zentrum und weniger Scotts Beitrag. Wenn man heute Interviews und Beiträge über das „Erbe“ dieses Films liest, erscheint es geradezu unmöglich, nicht auch den feministischen Standpunkt wahrzunehmen. Dabei ist es vor allem amüsant zu sehen, wie die Männer nacheinander demontiert werden. Sei es der gewalttätige Ehemann von Thelma, der ständig Anzüglichkeiten hinaus posaunende Trucker oder der Justizapparat. Alle werden sie regelrecht vorgeführt oder ihre Machtposition durch ihr lächerliches Gehabe unterminiert. Da sich dies auch noch in einem zutiefst männlich geprägten Genre abspielt, liegt gerade darin immer noch der subversive Charme des Films.

Denn im Road-Movie- oder Buddy-Movie-Genre haben wir es meist mit Männern zu tun, die mit ihrem bestimmten Auftreten die zögerlichen Obrigkeiten dumm dastehen lassen. Frauen sind in diesem Konzept meist nur hinderlich oder schmückendes Beiwerk.

YP: Das kann ich alles fast punktgenau unterschreiben. Mir gefiel vor allem auch Harvey Keitels Polizist, der nicht müde wird zu betonen, dass die Frauen in seinen Augen nie eine Chance hatten. Da ich in einer Zeit der spärlichen Protagonistinnen aufgewachsen bin, ist das natürlich ein wichtiger Film für mich gewesen (u.a. auch der zeitlich nahe „Speed“). Betrachte ich den Film heute, bin ich voller Bewunderung. Und das ist ein Sarandon und Davis-Film. Demontiert werden die männlichen Figuren aber nicht gänzlich. Die beiden Frauen leben in einer männlich dominierten Welt, in der sie zurechtkommen müssen. Darin ist das Männerbild ist aber sehr divers und keineswegs schwarzweiß. Für mich ist die Verfolgungsszene bis zum berühmten Schluss symbolisch sehr anschaulich dargestellt: es gibt kein zurück mehr.

PD: Keitel spielte den einzigen männlichen Charakter, der auch so etwas wie Verständnis für die beiden Frauen hatte. Sein Zugang zu seinem Beruf und zu den Ermittlungen und auch das Finale, erinnerten mich auch ein wenig an Clint Eastwood in „A Perfect World“. Die Umstände, unter denen die Charaktere zu ihren Verbrechen getrieben wurden, sind ein ganz wichtiger Bestandteil. Da unterscheiden sich Filme wie „Thelma & Louise“ oder eben auch Eastwoods „A Perfect World“ (mit Kevin Costner als Verbrecher) auch wohltuend von heutiger Action- und Thrillerware, da sie zumindest auch versuchen, die Lebenswelten der Anti-HeldInnen zu beleuchten.

Weniger gefiel mir, dass keine der Frauen auch nur ein klein wenig Hoffnung gegönnt war. Als Thelma mit J.D. (Brad Pitt) eine heiße Nacht verbringt, endet dies natürlich damit, dass er mit ihrem Geld verschwindet. Natürlich passt das grundsätzlich in das Konzept und Thelma beginnt ab diesem Zeitpunkt auch langsam mehr die Initiative zu ergreifen, dennoch hat es mich gestört.

YP: Am Anfang hat mich Thelmas Naivität sehr gestört. Sie schlittert mit ihrer kreativen Problemlösungsorientiertheit in die Kriminalität. Da fällt sie damit das Urteil zur Flucht für beide, bei dem Mord hätte man wenigstens auf Notwehr gehen können, aber der Raubüberfall war natürlich endgültig. Es ist aber dann beeindruckend, wie sie ihr Leben in die Hand nimmt und dabei auch Louise mit offenem Mund schauend zurücklässt.

PD: Darin liegt auch eher die Stärke von „Thelma & Louise“. Im Schauspiel. Die Handlung von Callie Khouri stellt die Geschlechterkonventionen auf den Kopf, die Inszenierung ist flott und bietet zudem schöne Landschaftsdetails, aber der Film ist eindeutig geprägt von Susan Sarandon und Geena Davis.

The Witch

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Wir behaupten mal, dass jede und jeder Filmbegeisterte und Horrorfilm-Fan vom Buzz um „The Witch“ bis dato keinen Bogen machen konnte, so sehr war der Film präsent und wurde er in den sozialen Medien gehyped. Den Hype darum lassen wir an dieser Stelle natürlich nicht ungeachtet – zählen wir doch zu beiden Spezies. Also besprechen wir „The Witch“:

PD: Das Regiedebüt von Robert Eggers wurde in den sozialen Medien mit Nachdruck beworben. Dabei hat aber kaum jemand erwähnt, dass der wirklich wichtige Teil des Filmtitels sich im Zusatz „A New-England Folktale“ verbirgt. Darin verbirgt sich die wahre Natur von „The Witch“.

YP: Mir hat der Film sehr gut gefallen, weil er immer vorgibt, nach den Genre-Regeln zu spielen, um dann alles auf den Kopf zu stellen. Es gibt keine konservativen Spannungskurven und die Atmosphäre ist stets beängstigend. Das waren auch die kurzweiligsten 90 Minuten meines Tages und bis dato war mein Tag sehr lang (ich war schon 13 Stunden auf den Beinen bis ich ins Kino kam). Atemberaubend wie „It Follows“ oder „The Babadook“ – die für mich zu den Genre-Perlen gehören – ist er nicht, aber wirkt unglaublich lange nach.

PD: Dem kann ich nicht ganz beipflichten. Weder was das überschwängliche Lob für „It Follows“ angeht, noch die Kurzweil bei „The Witch“. Mir gefiel „The Witch“ eine Spur besser denn „The Babadook“, und beide Filme sind auch sehr stimmige Genre-Werke, doch bei „The Witch“ spürte ich zuweilen die langsam vergehende Filmdauer schon. Denn Eggers ist mehr am Aufbau einer Atmosphäre und der Ausstattung und weniger an einer konservativ vorangetriebenen Handlung interessiert. Deshalb ist für mich der Zusatztitel „A New England Folktale“ so wichtig. Als Sage und somit auch als Stimmungsbild und Metapher, ist das ein sehr schön gemachtes Werk und funktioniert auch als Paranoia-Studie. Packender Genre-Grusel enthüllte sich allerdings nicht.

YP: Genre-Grusel findet sich in der Tat nicht im Film, aber wenn du dich mit den zwei bestimmten Ebenen des Erzählten befasst, kommt dir schon ein Schauer über den Rücken.  Einerseits haben wir hier die religiöse Komponente, vor allem die der Gottesfürchtigkeit und der Erbsünde. Die streng gläubige und von der Dorfgemeinschaft ausgeschlossene Familie, die – abgeschottet und unter sich – am Waldrand ein neues Zuhause findet. Andererseits und dem gegenüber steht dann die paranormale Ebene (im Film eine teuflische), die dann das Alltags- und Familienleben durcheinander bringt. Es gibt keine Schockmomente und es gibt keine jump cuts, nichtsdestotrotz löst sich am Ende die Story so auf, dass es mit dem Verständnis und den Erwartungen des Publikums spielt. Eigentlich brauche ich den Zusatz „Folktale“ nicht, um den Film auf mich wirken zu lassen, das sind genug Märchen- und Sagen-Verweise und Zitate drinnen.

PD: Für mich war dieser Zusatz schon sehr wichtig, da die „Hänsel und Gretel“-Ebene – die eher durch den Titel „The Witch“ transportiert wird – von Eggers ausgiebig bearbeitet wird. In dem Moment in dem Thomasin (Anya Taylor-Joy) ihren kleinen Bruder „verliert“, ist dem Publikum bereits klar, dass man es hier mit einer übernatürlichen Ebene zu tun hat. Insofern sind die ganzen Anspielungen, wer denn die Ursache dieser teuflischen Entwicklungen trägt, ein klein wenig zu lustvoll ausgespielt. Ist es nun der von den Kindern besungene schwarze Ziegenbock oder doch Thomasin, die ein befruchtetes Ei am Boden zerschellen lässt? Dabei zeigt Eggers bereits die Opferung des Säuglings durch eine Hexe und nimmt damit die Spannung ein wenig aus der Erzählung heraus.

Gleichzeitig jedoch belässt er die Hintergründe für die Verbannung der Gottesfürchtigen Familie im Dunkeln. Patriarch William (Ralph Ineson) reißt scheinbar in seinem Fanatismus seine Familie mit sich, und ist somit selbst auch ein Urheber der Tragödie im Wald. Auch wenn die Familie schließlich Thomasin beschuldigt.

YP: In der Szene nimmt er ganz und gar nicht die Spannung raus, er zeigt eben schon zu Beginn, was für ein Film das wird und wir – das Publikum – müssen das rationale Denken vor der Saaltür lassen, damit wir uns gänzlich auf die Geschichte einlassen. Dann spielt Eggers – der auch das Drehbuch geschrieben hat – mit unserer Auffassung. Wir fragen uns doch ständig, was und warum das jetzt passiert, ohne eine plausible Erklärung dafür zu erhalten. So wie als Kinder mit Märchen – nur im Umkehrschluss. Märchen habe ich als Kind geliebt – in diesen Geschichten war alles möglich. Das ist ein Zugang, den der Film in Erwägung zieht und auf sein Publikum projizieren möchte.

PD: Die Spannung, welchen Ursprungs die Unglücksfälle und tragischen Vorkommnisse, die der Familie zugestoßen sind, mag aber dennoch nicht aufkommen. Es stimmt schon, dass „The Witch“ eine Projektionsfläche für die Fantasie des Publikums bietet, und Interpretationsspielraum liefert. Darin funktioniert die Geschichte auch sehr gut. Es bleibt genügend Spielraum für die Fantasie des Zusehers.

Dennoch hatte ich auch stets das Gefühl, dass ich eine lohnendere Filmerfahrung gehabt hätte, wenn ich ein wenig mehr Hintergrundwissen besessen hätte. Am Ende des Films wird schließlich vermerkt, dass sich Eggers auf Gerichtsprotokolle und Akten während der Hexen-Hysterie zur Zeit der Hexenprozesse von Salem bezog. Diese Information nach Ende des Films, brachte wieder die Ebene des religiösen Fanatismus mit ins Spiel. Vor allem Thomasins Schicksal auf der Lichtung im Wald, bekommt dadurch mehrdeutige Interpretationsspielräume. Eggers öffnet sowohl die Möglichkeit der realen Existenz von Hexen, andererseits könnte sich auch alles rein im Kopf der traumatisierten Thomasin abspielen, die von ihrer fanatischen Familie in eine Täterrolle gedrängt wurde, gegen die sie sich aufgrund vorherrschender Vorurteile kaum wehren konnte. Erst mit dem Abspann begann sich eine Faszination für das Geschehen zu entfalten.

YP: Meine Kinobegleitung hatte sich gewünscht, dass der Film dann endet, wo sie ihren Kopf an den Tisch lehnt. Für mich war aber genau der Schluss interessant, im wahrsten Sinne des Wortes dieser Pakt mit der Teufel. Da nimmt sich der Film auch eine Freiheit heraus, die wir so selten zu sehen bekommen. Eigentlich verlangt uns dieser subtiler Horror weitaus mehr ab, als wir es gewohnt sind. Das zeichnet ihn auch aus. Eigentlich ein beeindruckendes Debüt.

Lawrence of Arabia

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Der Kultfilm und Monumentalschinken von David Lean begeisterte ein großes Publikum und inspiriert viele Generationen von Filmemachern bis heute. Die Neufassung ist mit 227 Minuten ganze 9 Minuten länger als die Erstfassung und verlangt dem Publikum eine Menge Sitzfleisch ab. Doch man wird belohnt mit imposanten Bildern und einem unvergleichlichen Score.

YP: Ich bereue es, den Film nicht auf großer Leinwand gesehen zu haben – vor allem, da er erst kürzlich im Gartenbau in der Neufassung lief -, aber ich sehe mich leider nicht vier Stunden in einem Kinosessel sitzen. Zu Hause kann ich das viel dynamischer in Angriff nehmen. Aber es ist schon ein Verbrechen am Film, den nicht im Kino zu sehen. Der hat kaum etwas von seiner Kinomagie eingebüßt obwohl er mittlerweile 54 Jahre alt ist.

PD: Die so genannten „Schinken“-Filmreihe des Gartenbaukinos ist ideal, um sich derartige Monumentalwerke im ansprechenden Rahmen anzusehen. Leider fehlt mir dann auch oft die Motivation, noch dazu an einem Sonntag. Da siegt die Lethargie und man ärgert sich dann, wenn man zu Hause den Film auf dem TV-Schirm sieht. Denselben Groll gegen meinen inneren Schweinehund hege ich auch in Sachen „2001: A Space Odyssey“. Ein ebenso imposanter Film, der das 70mm-Format ausnutzte.

YP: „2001“ habe ich im Kino gesehen, da kann ich mich nicht beschweren. Und bei „Lawrence of Arabia“ fehlte mir die Überwindung. Ich mag Filme, in denen man bereits in den ersten fünf Minuten und anhand der Einstellungen sieht, dass das ein Film für die große Leinwand ist. Eine der bekanntesten und auch beeindruckendsten Szenen ist die, wo Omar Sharifs Figur Sherif Ali in das Filmgeschehen eingeführt wird. Minutenlang reitet er aus der Ferne gezeigt in der Totalen quasi Richtung Publikum, das hinterlässt natürlich Eindruck.

PD: Vor allem die erste Hälfte ist voll mit eindrucksvollen Szenen, geprägt von den grandiosen Kameraaufnahmen von Freddie Young und dem Schnitt von Anne V. Coates. Der Schnitt von Lawrence, wie er ein Streichholz ausbläst hin zum Sonnenaufgang, gehört zu den schönst geschnittenen Sequenzen, die man auf der großen Leinwand sehen kann. Zudem atmet „Lawrence of Arabia“ schon von der Ouvertüre weg den Geist der alten Hollywood-Epen. Filme wie „Gone with the Wind“ oder die Cecil B. DeMille-Filme erscheinen da gleichweitig vor meinem geistigen Auge.

Doch obwohl Lean gerade für diese schwelgerischen Monumentalfilme („Bridge on the River Kwai“, „Lawrence of Arabia“, „Doctor Shivago“) berühmt ist, war bislang das geradezu zurückhaltende „Brief Encounters“ mein sentimentaler Favorit. Erst diese Neu-Sichtung nach vielen Jahren, hat mich wieder von Peter O’Toole und seinem Feldzug überzeugt.

YP: Lean bringe ich aber hauptsächlich mit „Lawrence“ in Verbindung, wobei „Shivago“ und „River Kwai“ aus seinem Werk natürlich auch sehr herausstechen. Abgesehen vom filmischen Ergebnis – dieser Film hat nun mehrere Jahrzehnte überdauert, gehört zu den Filmklassikern schlechthin und kann als Vorbote und Vertreter des frühen opulenten Blockbusterfilms bezeichnet werden – beeindruckt mich die Logistik sehr. Vor allem die Wüstenaufnahmen sind unvergleichlich. Es wurde an Originalschauplätzen u.a. in Jordanien gedreht, die unaufdringliche Echtheit der Aufnahmen gepaart mit der bitteren Kargheit der Wüste ist in jeder Szene zu spüren.

PD: Man vergleiche nur die von dir angesprochene Echtheit, mit Aufnahmen aus „Exodus: Gods and Kings“ oder dem Trailer zum „Ben-Hur“-Remake. Man spürt regelrecht die Computereffekte auf den Zuseher niederprasseln. Bei Lean hingegen, fühlt man sich in die Szenerie hinein versetzt und nimmt an ihr teil.

Interessant fand ich dabei vor allem den Umgang mit den Gewaltszenen. Es gibt so gut wie keine Tötungen in Nahaufnahme. Der Angriff auf den Zug erfolgt aus der Ferne und je näher sie kommen, desto mehr achtet Lean darauf, Exekutionen und Gewalt aus dem Kamerablickfeld zu halten. Erst wenn Lawrence geradezu im Blutrausch versinkt, und seine moralischen Grundsätze aufgibt, erlaubt Lean uns mit ihm in diese gewalttätige Welt einzutauchen. Dann sieht man auch Lawrence wehrlose türkische Soldaten mit Kopfschuss hinrichten. Er dämonisiert seinen Protagonisten nicht, aber er beschönigt auch nicht, wie der Krieg ihn veränderte.

YP: Ich finde es gut, dass du das ansprichst, leider ist Gewaltverherrlichung nicht nur zur Ausdrucksform des gegenwärtigen Kinos geworden, die Toleranzgrenze wird dabei immer mehr überschritten, sogar nach oben gedehnt. Auch ein Quentin Tarantino, der Gewaltszenen reflexiver einsetzt, bedient sich dieser Dramaturgie und des Blutrausches allzu gerne, um das Publikum anzusprechen, nicht nur Szenenimmanent.

Wie du treffend beobachtet hast, wird das von Lean nicht ausgeschlachtet, er bringt eine gewisse Distanz zwischen dem Gezeigten und dem Publikum. Das Drehbuch betreffend gefällt mir die pure Geradlinigkeit – die ich auch synonym zur Wüstenlandschaft sehe. Weil das ein bildgewaltiges Epos ist, spielt die gesamte Seherfahrung eine große Rolle. Der Film kommt auch mit einigen Text- und Wortlosen Passagen aus, ohne an Substanz einzubüßen. Das ist auch einer der Gründe, warum der Film nach so vielen Jahrzehnten noch immer tadellos funktioniert.

PD: Das sind Momente wie aus einem großen Roman, wobei natürlich auch die dazu passende Musik von Maurice Jarre ihren Teil dazu beiträgt. Rückblickend ist es aber auch einfach beeindruckend sich die Performance von Peter O’Toole anzusehen. Man kann heute wohl nur schwer erahnen, wie dieser junge und damals so gut wie unbekannte Brite mit dieser Rolle die Filmwelt eroberte.

Lean ließ es sich natürlich nicht nehmen, O’Tooles blonde Haare und blitzblauen Augen in ebenso blitzblanke Bilder zu tauchen.

YP: Peter O’Toole ist manchmal so weiß, dass er direkt blendet. Und dann bekommt er von Sherif Ali dann auch noch dieses weiße Gewand, welches er statt seiner Soldatenuniform trägt. Die Herkunft seiner Figur spielt im Film eine große Rolle, er wird immer als „Engländer“ bezeichnet. Beruht das Drehbuch auf dem autobiografischen Kriegsbericht „Seven Pillars of Wisdom“ von T. E. Lawerence. Darüber hinaus fiel mir das Casting aber positiv auf. Viele der Darsteller, vor allem die, die türkische oder arabische Figuren spielen, haben einige u.a. eine dunklere Hautfarbe. Heute wird das dermaßen unverschämt ignoriert. Vergleichen wir das mit dem oben von dir erwähnten „Exodus“ von Ridley Scott, fällt nachträglich auf, wie viel Whitewashing uns das gegenwärtige Kino vorsetzt.

PD: Das stimmt natürlich, aber gerade „Larence of Arabia“ beweist, dass ein qualitativ guter Film gar nicht erst in die Whitewashing-Diskussion gerät. Ich konnte nirgendwo ein böses Wort darüber finden, dass der Brite Alec Guinness den syrischen Prinzen Faisal spielt, oder Anthony Quinn (ein US-Amerikaner mit mexikanischen Wurzeln) den arabischen Stammesführer Auda ibu Tayi. Das zeigt mir einerseits, wie sehr die gesellschaftliche Sensibilisierung dieser Tage dafür größer geworden ist, aber auch, dass ein schwächerer Film sich sehr wohl dieser Debatte zu stellen hat.

Gerade David Lean wurde für seinen finalen Film, die E.M. Forster-Adaption „A Passage to India“, dafür kritisiert, dass der indische Gelehrte vom Briten Guinness dargeboten wurde.

Lieblingskinos

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Wer über Filme bloggt bzw. schreibt, verbringt daher oft viel Zeit im Kino. Da uns das einen eigenen Dialog wert ist, sprechen wir an dieser Stelle über unsere Lieblingskinos in Wien und auch anderswo. Die Reise führt dabei vom Charme der kleinen Stadtkinos bis hin zu den Vor- und Nachteilen der überdimensionalen Multiplexe.

YP: Ich bevorzuge Kinohäuser, die Originalversionen zeigen und nicht allzu weit weg liegen. Im Blockbuster-Bereich sind das einerseits das Haydn Kino und das Artis.

PD: Mich prägt bis heute das alte aber mittlerweile nicht mehr bestehende Stadtkino aus meiner Heimatstadt Judenburg. Das war ein luxuriös ausgestatteter Saal mit, damals in meinen Augen, riesigen Leinwand. Auf dem Balkon sitzend „Jurassic Park“ zu sehen, hat nicht nur meine Film- sondern auch meine Kinogewohnheiten gehörig beeinflusst. Die Originalversion ist mir deshalb weniger wichtig, denn ein glamourös wirkendes Ambiente. Das Gartenbaukino erfüllt in dieser Hinsicht in Wien meine persönlichen Voraussetzungen.

YP: Wenn wir so weit in die Vergangenheit zurückgehen, dann möchte ich das Mozart Kino im niederösterreichischen Amstetten erwähnen. So weit ich weiß, ist das heute nur eine Bühne, aber als ich damals – um die Jahrtausendwende – noch in der Gegend wohnte, war es das einzige Kino in der Umgebung, welches ich problemlos erreichen konnte und welches nicht zu weit weg war. Beeindruckend war das nicht, es war viel zu klein und viel zu eng. Aber es war da und ich ging gerne ins Kino.

Das Ambiente spielt natürlich eine große Rolle, wobei mir schlichte Säle mit bequemen Sitzen wichtiger sind, aber Grundvoraussetzung dafür ist eben die Originalversion. Das Gartenbaukino ist ein Traumkino: wunderschön, keine 10 Minuten mit der U-Bahn entfernt und meistens ein spannendes Programm.

PD: Die Erreichbarkeit eines Kinos gehört auch zu den wichtigen Punkten, die ich berücksichtige. Wenn ein Kino in wenigen Minuten zu Fuß oder mit der U-Bahn zu erreichen ist, dann braucht dort nur noch ein halbwegs interessantes Programm zu laufen, und ich bin mit Sicherheit dann und wann dort anzutreffen.

Der Charme alter Stadtkinos ist auch nicht zu unterschätzen. Das Metro Kino ist nach langer Umbauphase zu einem Schmuckstück geworden. Das ist ein Kino, welches auch noch diesen Charme vergangener Kinozeiten atmet. Ebenso das Breitenseer Lichtspiele.

YP: Zu den Breitenseer Lichtspielen habe ich natürlich eine besondere Beziehung, da ich – wenn der Vorführer einmal nicht kann – gelegentlich vorführe und dort auch den Umgang mit dem 35-mm Projektor gelernt habe. Für mich ist das überhaupt so etwas wie ein Wohnzimmer geworden, ein starker Kontrast zu meinem Büroalltag. Das Breitenseer hat einen urigen Charakter, da es fast noch immer so aussieht wie noch vor 40 Jahren. Man fühlt sich dann wie auf Zeitreise und in eine andere Zeit zurückversetzt. Auch so ein Kino mit unglaublichen Charme ist das Bellaria hinter dem Volkstheater. Das hat auch kein bisschen an Charme eingebüßt, höchstens noch hinzugewonnen.

PD: Ich habe im Judenburger Stadtkino eine Zeitlang als Vorführer gearbeitet, wodurch wohl auch eine Vorliebe zum Zelluloid herrührt, was mich in weiterer Folge zu den Arbeiten von Peter Tscherkassky brachte. Im Votivkino war es eine große Freude, hinter die Kulissen blicken zu können, und zu sehen, wie dort mit den Filmrollen gearbeitet wurde.

Im Bellaria war ich bislang leider noch nicht, jedoch mag ich das Stadtkino Wien und sehr sympathisch fand ich auch das Filmhauskino am Spittelberg. Das sind alles Filmhäuser, die noch dazu davon leben, dass man sich nach der Vorstellung plötzlich wieder im Alltagstrubel der Stadt wieder findet. Etwas, dass in den großen Multiplex-Kinos leider fehlt.

YP: Die letzten beiden von dir erwähnten Kinos sind Kinos, die ich auch sehr gerne  besucht habe und nach wie vor auch noch besuche, leider nicht mehr allzu oft, da ich nicht mehr in der Nähe wohne. Bei mir in der Nähe ist jetzt das Filmcasino, was ich auch sehr gerne besuche, wo mich das Programm auch meistens anspricht. Das hat ein wunderbares Ambiente und eine große Leinwand. Nicht zu vergessen auch das Burg Kino, einerseits Programmkino, andererseits werden immer wieder Mainstream-Filme gezeigt.

PD: Um Mainstream-Filme zu sehen, gehe ich dann aber eben auch gerne in Multiplex-Kinos. Die Möglichkeit an einem Ort auf großer Leinwand Filme wie „Star Wars“ zu sehen, gibt es dann meist doch nur in solchen Lichtspielstätten. Wobei mir auch hier jene am besten gefallen, die noch ein wenig Stadtkino-Charme verbreiten, wie das Apollo Kino oder das Village Cinema. Das von mir einst oft frequentierte Auge Gottes Kino existiert leider nicht mehr. Eines von vielen, welches dem Boom der Spielstätten von großen Ketten zum Opfer fiel.

YP: Und das passiert den Kinos jetzt kontinuierlich. Jedes Jahr sperrt wieder ein Kino in Wien zu. Das Stadtkino am Schwarzenbergplatz (welches fusioniert hat mit dem Künstlerhaus) gibt es nicht mehr, das Kepler Kino (2012) hat zugesperrt und dann das Gloriette (2012). Die kleinen Kinos kämpfen jährlich ums Überleben. Einerseits liegt es an der zu teueren Digitalisierung, andererseits haben vor allem diese kleinen Kinos ein Nischenpublikum bedient und diese leiden an den rückläufigen Publikumszahlen besonders. Bestes Beispiel ist dafür auch das Breitenseer. Die Besitzerin ist zuversichtlich, dass sie bis Dezember spielt. Alles darüber hinaus ist sehr ungewiss. Bei uns fragen die Leute auch immer, ob wir 35-mm spielen, aber wenn wir es nicht machen, ist es ihnen auch egal. Sie kommen oder sie kommen nicht.

PD: Das Kinosterben ist natürlich ein wunder Punkt, und so sehr ich den Komfort großer Kinos auch immer wieder in Anspruch nehme, so sehr schmerzt es dann, wenn in kleineren Kinos die Besucher fehlen. Das beschränkt sich ja nicht nur auf die Großstädte, sondern auch auf den ländlichen Raum, wo das einzige Kino in mehreren Kilometern Umkreis, ein Multiplex ist, welches zwar jeden gewünschten Blockbuster, aber so gut wie keine Arthouse-Filme mehr liefert.

Die einzige Lösung, die mir hierfür einfällt, ist im Freundes- und Bekanntenkreis auch immer wieder auf alternative Möglichkeiten des Kinobesuchs hinzuweisen. Seine Lieblingskinos auch offensiv zu bewerben.

Captain America: Civil War

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Marvel beherrscht weiterhin das Film-Universum. Der dritte Teil der Abenteuer von Captain America wartet diesmal mit einer ganzen Reihe an populären Marvel-Helden auf. Wir stellen uns deshalb die Frage: Ist das noch „Captain America“ oder doch schon „Avengers: Civil War“?

PD: Bei Captain America (Chris Evans) bin ich gespalten. Mir gefiel im ersten Film der B-Movie- und Retro-Charme, aber der Charakter selbst konnte ohne nötige Reibungsflächen nur selten glänzen. Wohl deshalb war er in den beiden „Avengers“-Filmen ein so positiver Eindruck. Etwas, was auch bei „Civil War“ zum Tragen kommt. Die Konfrontation der er ausgesetzt ist.

YP: Ganz anders bei mir. Da bin ich schon seit dem ersten Teil sofort auf den Zug aufgesprungen und tatsächlich gehört der von Chris Evans gespielte Captain America zu meinen Lieblings-Marvel-Figuren (neben dem von Tom Hiddleston gemimten Loki). Der Captain glänzt nicht nur als Supersoldat, auch als Stratege der Avengers und wie man auch hier in „Civil War“ sehen konnte hat er seinen eigenen Kopf. Auch bei den ausgiebigen Wortgefechten (oder Schwanzlängenvergleichen) mit Tony Stark (Robert Downey Jr.) braucht er sich nicht verstecken. Für jemanden, der ein halbes Jahrhundert verschlafen hat, wirkt er kein bisschen antiquiert. Zwar fehlte mir in diesem Teil der Wortwitz der Dialoge von Joss Whedon, allerdings konnte ich den Countdown durchaus genießen.

PD: Evans holte bereits in den ersten beiden Teilen, und auch in den Avengers-Filmen, sehr viel aus dem beinahe zu noblen und guten Charakter heraus. Doch auf sich allein gestellt, funktioniert für mich der Charakter nur bedingt. Es braucht eben einen Gegenentwurf, wie den egomanisch anmutenden Tony Stark, der dem Captain am liebsten die perfekten Zähne einschlagen würde. Deshalb steht „Civil War“ über den ersten beiden Teilen und ich sehe ihn auch eher als Weiterführung der beiden „Avengers“-Filme von Whedon. Der Humor kommt zwar nicht zu kurz, aber es stimmt, der Wortwitz fehlt. Das kann ein Downey Jr. ausgleichen, aber Paul Rudd hat in seinem Kurzauftritt etwa nur wenig Zeit, um das Geschehen aufzulockern.

YP: Wobei der Film immer wieder Gefahr läuft, ein „Iron Man“ zu werden, dann verlagert sich das Hauptaugenmerk auf den Captain und wir wissen, dass wir wieder beim First Avenger sind. So gesehen hast du vielleicht ein wenig recht, aber mir gefällt der Captain gerade deswegen so gut. Er liefert die nötige Motivation für die Story, allerdings tritt er nie allzu prominent auf. Als Fortführung der Avengers ist dieser Spin-Off schon zu sehen. Ich habe mir oft gedacht: wo bleibt Bruce Banner. Rate mal, wer mir nicht gefehlt hat: Thor! Vielleicht muss ich mir noch mehr den Kopf zerbrechen, aber das Ergebnis wirkte doch stimmig auf mich.

PD: „Civil War“ hat dieselben positiven wie negativen Aspekte, wie die „Avengers“-Filme. Es mag sich im Grunde um einen Film rund um Captain America handeln, aber das glaubt man keine Sekunde lang. Das ist eine inoffizielle Fortsetzung zu „Age of Ultron“. Darin liegt aber auch ein Problem, wie schon im ganzen Marvel Universe. Ohne das Vorwissen aller Filme, werden einige Teile des Filmes an einem nicht umfassend informierten Publikum vorüber ziehen. Wer „Ant-Man“ nicht gesehen hat, wird mit dem Auftritt von Paul Rudd und dessen kurzem Dialog mit Falcon (Anthony Mackie) gar nichts anfangen können.

Ebenso die Anspielungen auf das Schicksal von Hulk (den ich wegen seiner Beziehung zu Natasha vermisste) und Thor lassen einen Nicht-Kenner, der eventuell nur die beiden „Captain America“-Filme gesehen hat, ratlos zurück.

YP: Da Natasha Romanoff im „Winter Soldier“ auch prominent besetzt war, ließ man uns wegen ihrer zarten Anbandelung mit Banner aus „Avengers 2“ hier in der Luft hängen. Überhaupt ist man mit den weiblichen Rollen Romanoff (Scarlett Johansson) und Wanda (Elizabeth Olsen) sehr sparsam umgegangen. Und gerade bei Wanda gab es ja genug Potential (der Verlust ihres Bruders nach Sokovia , die Vorfälle in Lagos und ihre love story mit Vision). Dafür konnten wir uns wieder einmal Tony Starks „daddy issues“ geben, das erinnerte mich an „Batman v Superman“ und Bruce Waynes Traumata des „armen reichen Jungen“. Diese Superhelden und ihre Probleme. Wobei aber auch die Motivation des Captains nicht anders begründet ist, dass er um jeden Preis zu seinem Jugendfreund Bucky (Sebastian Stan) halten will. Und dadurch wird die Freundschaft + Feindschaft von Tony Stark und Steve Rogers durch den Fleischwolf gedreht.

PD: Das ist ein grundlegendes Problem sehr vieler Comic-Helden von DC und Marvel. Auch die Einführung des neuen Helden Black Panther (Chadwick Boseman) wird mit dem Verlust des Vaters und der Rache für seinen Tod begründet. Diese Austauschbarkeit ermöglicht es zwar, dass so eine neue Figur in ein bereits bestehendes Ensemble eintreten kann. Jedoch bin ich alles andere denn begeistert, wenn ich daran denke, dass sowohl „Black Panther“ als auch „Spider-Man“ eigene Solo-Filme bekommen. Denn ehrlich gesagt, hat man dies schon so oft gesehen, dass diese Filme mittlerweile wirken, als würden sie im Autopilot gedreht.

Spannend fand ich hingegen den grundlegenden Konflikt, ob sich die Avengers unter eine „staatliche Aufsicht“ stellen lassen sollen oder nicht. Dass mir dies schon in Mark Millars Comic „Civil War“ sehr gut gefiel, hat mir geholfen, gerade in diesen Aspekt des Films einzutauchen. Das war im Endeffekt auch interessanter, denn der Plan des Bösewichts Zemo (Daniel Brühl).

YP: Dieses Transportieren der Comic-Handlung in die Neuzeit mit dem Hauptaugenmerk auf dieses UN-Aufsichtsorgan und den von Zemo eingeleiteten Terroranschlag – was auch schon beim Überwachungsstaat bei „Winter Soldier“ sehr gut funktioniert hat – gibt diesem Film eine nachvollziehbare Lesart. Zu viel des Guten wurde es für mich dann nur, wenn die Figuren beginnen, jedes persönliche Problem auf dieses Gesamtproblem umzumünzen. Auch hier konnte ich Steve Rogers Ideologie nachvollziehen – und dass er eben diesen von Stark und Romanoff forcierte diplomatische Gegebenheit nicht einfach hinnehmen konnte. Rogers ist Soldat, seine Diplomatie geschieht auf dem Schlachtfeld und nicht in polierten verglasten Hallen. Für mich konnte Rogers nur noch mehr an Profil gewinnen.

Wirklich aufgewühlt hat mich der Film nicht, wobei es einige Szenen gab, die Eindruck hinterlassen haben. Wie der Kampf zwischen Iron Man, dem Captain und Winter Soldier. Hier merkst du sofort: da geht was endgültig zu Bruch. Ich bin schon sehr auf die Fortsetzung gespannt.

PD: Aufgewühlt hat mich bislang noch kein einziger Marvel-Film. Weder positiv noch negativ. Im Vergleich zu langatmigen Arbeiten wie „Ant-Man“ oder „Thor: The Dark World“, sticht „Civil War“ jedoch sehr positiv heraus. Es ist auf Überwältigung angelegtes Action-Kino. Das führt einerseits zu dem von mir eher mit Murren akzeptiertem Aufbau des Marvel-Universums, der beinahe voraussetzt, dass man jeden einzelnen Film (und eventuell sogar die Netflix-Serien) sehen soll, und dass die Vielzahl an Charakteren alle ihre „Money Shots“ benötigen. So kommt es zu einer viel zu lang ausgewalzten Actionsequenz am Flughafen, nur damit auch ja jeder Held seinen Auftritt bekommt. Dem stehen dann wieder ein hoher Unterhaltungswert und tolle Schauspieler gegenüber, die ihr ganzes Charisma selbst in die kleinste Rolle (ich denke da vor allem an Martin Freemans Auftritt als Bürokrat) werfen.

Der Bruch innerhalb der „Avengers“ macht aber bereits Lust auf die Fortsetzungen, und hier meine ich nicht Teil 4 von „Captain America“.

YP: Als Teil-Franchise fallen die „Captain America“, bzw. hierzulande als „First Avenger“ betitelt, sehr positiv ins Auge, da können mich weder „Iron Man“ noch „Thor“ ähnlich begeistern. Nach „Age of Ultron“ habe ich eine Marvel-Pause gemacht, auch wenn ich anfangs mehr vom zweiten Teil begeistert war. (Im Dialog dazu habe ich geschrieben: „Eine gewisse Übersättigung ist eingetroffen. Zumindest bei mir. Und für eine Zeit.“)

Wobei ich jetzt wieder richtig Lust habe, mir die Marvel-Sachen reinzuziehen. Dazu hat mich dieser Teil von „Captain America“ animiert.

How to Get Away with Murder – Staffel 1

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Die Serie „How to Get Away with Murder“ entwickelte sich für den Sender ABC zu einem Sensationserfolg. Angeführt von Viola Davis als kompromisslose Anwältin und Universitätsprofessorin Annalise Keating, wird man in ein verworrenes Mord- und Rechtskomplott hineingezogen. Wir werfen einen Blick auf die 1. Staffel des TV-Hits.

PD: Eine Sache gefiel mir bei „How to Get Away with Murder“ auf Anhieb, und zwar dass die meist nur in Nebenrollen zu sehende Viola Davis eine derart starke Hauptrolle zu spielen bekam.

YP: Tatsächlich wurde die Figur der Annalise Keating (Viola Davis) erst langsam eingeführt. Zu Beginn konzentrierte sich die Story auf diese Handvoll Studenten, die unterschiedlicher nicht sein könnten und die es in ihren Kurs schafften. Und überhaupt wie man eigentlich sofort ab der ersten Folge mitten im Geschehen ist und die Story quasi in Rückblenden erzählt wird, tut ihr bestmöglichstes zur Spannung. Das ist aber eine Anwaltsserie nach dem Motto „Traue keiner Person“.

PD: Ihr Auftritt ist ja wohl kalkuliert. Der Mythos der um sie aufgebaut wird, während die Kamera selbst beim Eintreten in den Hörsaal sie zunächst nicht zeigt. Wenn sie dann den Titel der Serie auf die Tafel geschrieben und sich selbstbewusst in die Kamera gedreht hat, weiß man ohnehin, wer der wahre Star hier ist. Da können die ein wenig hektisch eingeführten Studenten nicht mithalten. Als Anwaltsserie funktioniert „How to Get Away with Murder“ aber kaum. Das Jus-Studium und die einzeln eingstreuten Fälle dienen nur zur Ablenkung von der Haupthandlung, die ja immer wieder mit Vor- und Rückblenden aufgebaut wird.

YP: Als konservative Anwaltsserie funktioniert die Serie nicht, hier werden auch Genregrenzen verwischt, vor allem da die Erwartungen des Publikums stets übertroffen werden. Und mit jeder Folge kommt das Bröckeln der Fassade Keatings. Sie hat einen Liebhaber, während sich ihr weißer Ehemann mit einer Studentin vergnügt, die dann spurlos verschwindet. Eine der besten Szenen im Film ist, wenn sie ihre Perücke und die Maske abnimmt und in ihrer Verwundbarkeit vor dem Spiegel steht. Diese stille Szene war für mich auch ein Gänsehautmoment in der gesamten Serie.

PD: Schön, dass du diesen Moment ansprichst, denn die große Stärke liegt ja vor allem im Charakter von Annalise. Wenn sie sich mit ihrem Mann streitet, oder mit ihrer Mutter über ihre verleugnete Herkunft (inklusive geändertem Vornamen) und aktuellem ansehnlichen Lebensstil diskutiert, gelangt man ein wenig an den Kern dieses Charakters. Was Annalise antreibt, treibt auch die Serie an. Hingegen konnte ich nur selten wirklich Interesse für die dargebrachten Fälle aufbringen.

Gerichtssaaldrama und Thriller werden zwar schön miteinander verwoben, aber das Einarbeiten eines anderen Genres in den Gerichtssaal haben wir doch schon häufiger gesehen. Etwa bei Produktionen von David E. Kelley („Boston Legal“). Wenn es rein um die Darstellung der Arbeit am Gericht und rund um einen Fall geht, dann sind „American Crime Story: The People v O.J. Simpson“ oder „Murder One“ bessere Serien, die man sich ansehen kann.

YP: Die Werbung für „How to Get Away with Murder“ geht aber klar in die Richtung, dass alles um die Protagonistin herum aufgebaut wird. Die Mordfälle erscheinen dann tatsächlich nur am Rande, vielmehr stehen hier die persönlichen Beziehungen der Figuren untereinander im Mittelpunkt. Was mich auch gar nicht stört, das begrüße ich sogar. Denn hier haben wir es mit starken Figuren zu tun, die alle irgendwo Leichen im Keller vergraben haben.

Die Serie hat auch ein unglaublich schnelles Tempo. In einer Folge passiert sehr viel. Verpasst du eine Folge – was dank Streaming-Dienst natürlich nicht so schnell passiert, bist du schon zu weit im Geschehen fortgeschritten.

PD: Die starken Charaktere sehe ich nicht. Eher eine Ansammlung verlässlicher Nebenfiguren, die dem Hauptcharakter auch nicht zu viel Rampenlicht wegnehmen. Die einzelnen kleinen Dramen verblassen aber allesamt im Angesicht des großen Mord-Mysteriums. Das hohe Erzähltempo macht es notwendig, konzentriert zuzusehen, um die Wendungen auch nicht zu verpassen. Andererseits tauchen diese Wendungen derart häufig auf, dass es teilweise schon ein wenig in die Parodie abdriftet. Das Geheimnis rund um Frank (Charlie Weber), der sich am Ende nicht als Anwalt sondern eher als kaltblütiger Killer entpuppt (auch wenn das auch noch nicht die ganze Wahrheit ist), ging mir dann ein wenig zu weit. (willst du wirklich spoilern?)

Unterhaltsam ist das jedoch ohne jeden Zweifel. Da ich aber weder irgendeine Art der Werbung dafür sah (außer man zählt den Emmy für Viola Davis dazu), wusste ich auch nicht wirklich, was ich zu erwarten hatte. Als schwungvolle Thrillerserie ist das schon gelungen, allerdings wäre die Serie ohne die charismatische Darbietung von Davis ein wenig verloren. Das erinnert an andere „Star-Serien“ wie „Shark“ (James Woods) oder „The Blacklist“ (James Spader), die im Guten wie im Schlechten, sehr vom Hauptdarsteller abhängig sind.

YP: Wirklich reizvoll macht die Serie die großartige Darbietung Viola Davis, aber mir sind auch die anderen Charaktere mit ihren Storylines gut in Erinnerung geblieben. Es gab kaum Momente, wo ich mich gelangweilt habe. Für Davis ist das eine fantastische Gelegenheit, eine starke und ungewöhnliche Figur zu spielen, die viele Facetten zeigen kann. Durch das Tempo bleibt die Serie auch schnelllebig und einfach zu konsumieren. Trotz der Länge von ca 45 Minuten eignet sie sich ideal zum Binge-Schauen.

PD: Absolut. Es ist auch sehr schön eine so tolle aber viel zu selten in prominenten Rollen zu sehende Davis hier groß aufspielen zu sehen. Die Serie selbst steht jedoch nicht wirklich außerhalb der aktuellen Markt-Gewohnheiten. Es wird nichts neu erfunden, sondern bereits bekannte Formeln in einer attraktiven und angenehm konsumierbaren Form geboten. Langeweile kommt aber wirklich nie auf, auch wenn mir von den Charakteren bis zum Ende der 1. Staffel keiner sympathisch wurde.

YP: Das ist eben auch das Interessante. Wirklich sympathisch sind mir die Figuren auch nicht. Das sollen sie auch nicht sein, das ist gar nicht beabsichtigt von den MacherInnen. Ich glaube, nur deshalb ist es auch möglich, diese Distanz zu wahren. Da passieren ein paar nicht alltägliche Dinge und darauf muss man sich erst einmal einlassen können. Der zweiten Staffel gebe ich – sofern sie auf Netflix kommt – trotzdem eine Chance.

PD: Dafür sorgt ja auch schon der Cliffhanger am Ende der 1. Staffel. Auch wenn hier kein wirklich sympathischer Charakter vorhanden ist, möchte man doch die weiteren Wendungen und Drehungen der Handlung sehen. Vor allem aber, wie sich Annalise aus diesem Gewebe an Lügen und Täuschungen hinaus manövriert.