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~ Dialoge über aktuelle und weniger aktuelle Kinofilme

Film Im Dialog

Monatsarchiv: November 2014

The Hunger Games: Mockingjay Part 1

28 Freitag Nov 2014

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Avengers, catching fire, divergent, Iron Man, jennifer lawrence, Julianne Moore, Marvel, Mockingjay Part 1, philip seymour hoffman, the hunger games, The Maze Runne, Woody Harrelson, X-Men, Zack Snyder

Vor beinahe genau einem Jahr unterhielten wir uns an dieser Stelle „The Hunger Games: Catching Fire“. Im ersten Teil des großen Finales – „Mockingjay Part 1“ – besprechen wir, wie wichtig es für das Blockbuster-Kino ist, Heldinnen in den Mittelpunkt zu stellen und ob das alleine schon genügt, um einen guten Film zu garantieren.

PD: Meine ersten Eindrücke im Kinosaal waren dass a) ich einer von ganz wenigen Männern im Film und b) ungefähr 15 Jahre älter denn der Durchschnittsbesucher war.

YP: Ich war in der Freitagabendvorstellung im Artis und es war überwiegend weibliches – sehr junges – Publikum mit männlichem – genauso jungem – Anhang. Für mich ist das bezeichnend ist für die Richtung, die in Hollywood schön langsam eingeschlagen wird. Und was mir große – überdimensionale – Freude bereitet. Die alte Feministin in mir macht Purzelbäume.

PD: Die Durchmischung des Publikums mag Freude bereiten, aber wenn ich daran denke, was ich auf der Leinwand sah, dann bekam ich Depressionen, was den aktuellen Zustand des Blockbuster-Kinos angeht.

YP: Warum? Diese Meinung kann ich nicht nachvollziehen?

„Mockingjay“ ist allemal unterhaltsamer als Vieles, was das moderne Blockbuster-Kino zu bieten hat. Dabei habe ich nur den Unterhaltungswert im Sinne, lassen wir mal die narrative Dimension oder die Figurenausarbeitung außer Acht.

Was wir nicht vergessen dürfen: Das ist ein Film mit einer weiblichen Hauptfigur, die eine Revolutionsführerin spielt, von einer Präsidentin an ihrer Seite gestützt, wo die Vorlage auch aus den Feder einer Autorin stammt. Für Hollywood-Verhältnisse ist das nach wie vor eine Novität.

PD: Okay, wo soll ich da jetzt anfangen?

YP: Du magst die Reihe nicht, sags wie es ist!

PD: Die Tatsache dass die Geschichte sich um eine Heldin dreht und aus der Feder einer Autorin stammt, mag schön und gut sein, aber das entschädigt mich doch in keiner Weise dafür, dass es sich dabei um langweiliges und anonymes Blockbuster-Kino handelt. Schon „Catching Fire“ hat mich eher dezent gelangweilt zurückgelassen und bei „Mockingjay Part 1“ habe ich noch weniger Grund dafür gesehen, weshalb man zwei Stunden im Saal behalten wurde.

Die Bücher sind relativ gut gelungen, aber der einzige Grund das dritte Buch in zwei Filme zu zerteilen, ist ein finanzieller. Da schon „Twilight“ und „Harry Potter“ erfolgreich mit dieser Strategie waren, ist es aus finanziellen Gründen natürlich logisch, dies auch bei „The Hunger Games“ so zu handhaben, aber aus rein dramaturgischer Sicht, war das ein etwa 45-minütiger Film der auf zwei Stunden aufgeblasen wurde. Man fasse „Catching Fire“ und „Mockingjay Part 1“ zu einem Film von 150 Minuten zusammen, und das wäre wirklich gut geworden.

YP: Wenn du schon so weit ausholst und das Blockbuster-Kino unter die Lupe nimmst, dann kriegst du eine Liste von mir mit allen Marvel-Fortsetzungen, die mich kalt zurückgelassen haben. Abgesehen von fast allen DC-Comic-Verfilmungen. Und hier haben wir mal von der Thematik (die Figuren mal beiseite lassend) etwas vollkommen PROGRESSIVES und du bist gelangweilt?

Nein, ich habe was auszusetzen an diesem Teil, weil mir die ersten beiden auch besser gefallen haben, aber auch nur aufgrund der darin thematisierten Hunger Games, aber gelangweilt war ich von Filmen wie „Iron Man 2 & 3“ von „X-MEN-Sequels“ und allen Filmen von Zack Snyder, aber nicht von dem hier. Das ist eine willkommene Abwechslung, bei aller Liebe.

PD: Mich lassen auch die Fortsetzungen zu „Thor“ oder „Captain America“ kalt, auch wenn ich die technische Seite der Filme hin und wieder recht ansprechend finde. Das bedeutet aber nicht, nur weil „The Hunger Games“ jetzt mal eine Heldin hat, ist alles gut und schön. Das ist auch nicht progressiv. Auch „Wonder Woman“ ist eine Heldin. Das ist (in den bisherigen Ausführungen) auch reines Bausatzkastenentertainment.

YP: Du kannst von „Divergent“ und „The Maze Runner“ gelangweilt sein, aber das hier zu bemängeln – aufgrund von Langeweile – ist für mich leider nicht nachvollziehbar.

PD: Ich war von den Wiederholungen bei „The Hunger Games“ gelangweilt. Was an Teil 1 noch sehr spannend und unterhaltsam war, hat mich bei den Fortsetzungen kalt gelassen. Da liegen meine Hoffnungen im finalen Teil, der dann hoffentlich endlich die ganzen politischen Implikationen schön ausarbeitet.

District 13 wurde etwa einfach nur als „Das sind die Guten“ stehen gelassen, obwohl ich schon bei der Lektüre des Buches, das Gefühl nicht loswurde, dass auch die „Guten“ ihre finsteren Seiten haben. Das geschieht (zumindest bislang) ganz und gar nicht. So sehen wir Katniss viele viele Dinge einfach nur wiederholen, die wir schon kennen und schon öfter gesehen haben.

YP: Da ist doch Haymitch (Harrelson) und Effie (Banks) in Graustufen und alles andere mag nun mal etwas Schwarz-Weiß sein, aber es ist nach wie vor ein Blockbuster.

PD: Was hat denn Haymitch großartig zu tun gehabt? Eine kurze Analyse, weshalb wir Katniss lieben. Wirklich Spaß machten mir die Propaganda-Spots. Vor allem das verschmitzte Getue von Philip Seymour Hoffman. Elizabeth Banks hat mir als Effie hervorragend gefallen.

YP: Ich warte 20 Jahre auf solche Filme wie „The Hunger Games“ und „Lucy“ und natürlich weiß ich um die nicht so gelungenen Aspekte der Filme bescheid, aber es stört mich nicht, weil es Unterhaltungskino ist. Und ich kann hier endlich mitfiebern. Die Heldin bietet endlich Identifikationspotential.

Es ist 10 Mal besser, als Vieles, was mir die letzten Jahre nicht nur geboten – eher zugemutet wurde – nehmen wir sexploitativen Blödsinn wie „X-Men: First Class“ oder gar irgendetwas von Zack Snyder.

PD: Das stört mich eben an den bisherigen Fortsetzungen von „The Hunger Games“. Die weibliche Actionheldin fand ich sowohl im ersten Teil als auch in „Lucy“ oder „Haywire“ einfach besser umgesetzt. Es sind ja auch keine schlechten Filme, aber ich kann schlicht und ergreifend nicht sagen, dass es besser wäre, denn was wir bislang in der „Marvel Phase 2“-Reihe zu sehen bekommen hätten.

YP: Ich möchte anmerken, dass ich den Film in Ordnung fand. Aufgrund der progressiven Besetzung (ja, verdammt, eine weibliche Hauptrolle) und auch die gelungene Ausarbeitung der Revolution, ist der Film viel mehr als nur ganz ok.

PD: Ja, genau da triffst du den schmerzhaften Punkt, der mich so wurmt. Es ist eben nicht gut ausgearbeitet. Es sind Wiederholungen um Wiederholungen um Wiederholungen die da ausgewalzt werden. Da hätte eine straffere Inszenierung einfach viel wegstreichen können, anstatt Katniss etwa zwei Mal nach District 12 zu schicken oder die endlosen und ins Nichts führenden Gespräche mit Finnick in District 13. Das soll nicht heißen, die Filme wären schlecht, nein, sie sind streckenweise unterhaltsam, aber Unterhaltungskino soll mich eben „unterhalten“.

YP: Aber die Wiederholungen waren doch die Hungerspiele selbst (die mir extrem gut gefallen haben). Leider hänge ich jetzt in der Luft bei diesem Teil, weil das eben eine ganz andere Fortsetzung ist. Mir hat es gut gefallen, wie sie Katniss als Puppe verwenden wollten – lauter Regisseure um sie herum (der von Hoffman gespielte Plutarch natürlich der beste von ihnen) und statt einer Marionette wird sie zur Ikone. Leider gefällt mir ihre Motivation nicht, Peeta ist so langweilig und dieser love story kann ich nichts abgewinnen.

PD: Deshalb hat mir ja auch schon „Catching Fire“ nicht so gut gefallen, da wir einfach erneut in die Spiele hinein geworfen wurden, und am Ende folgte der Twist mit dem Motto „Ätsch, jetzt wartet mal auf die Fortsetzung“. Da hätte mir ein Film, der die Ereignisse aus „Catching Fire“ verdichtet und die erste Hälfte des dritten Buches benutzt, schlicht besser gefallen.

Genau diese Szenen, in denen Katniss zur Gallionsfigur gemacht werden soll, während rund um sie herum gedeutelt wird, haben mir auch sehr gut gefallen. Mir gefiel auch Julianne Moore, die der „Präsidentin“ eine gewisse bedrohliche Aura verleiht.

Die Liebesgeschichte war in Teil 1 noch interessant, da sie innerhalb der Spiele standen. Jetzt, wartet man halt darauf, was mit Peeta passiert, aber ob und wie sich Katniss für Gale oder doch für Peeta entscheidet, ist mir relativ gleich. Wie Peeta vom Kapitol benutzt wurde, war wieder recht spannend umgesetzt.

YP: Von der Teilung der Vorlage will ich gar nicht anfangen, da gebe ich dir vollkommen recht, das ist natürlich sinnlos.

PD: …und genau darauf beruht mein ganzer Ärger.

YP: Aber, wenn dass der Sache nützlich ist – mehr Frauen in Blockbuster-Hauptrollen und gute Frauenrollen – dann bin ich da voll dabei.

PD: Das war schon bei „Harry Potter“ so ohne jeden dramaturgischen Sinn. Ein Film zum laaaangen Aufbau und dann ein Film als großer Showdown. Das ist einfach zynisch.

YP: Wozu gibt es drei „Iron Man“ -Filme? Weil sie Geld machen. Na bitte. Dann doch lieber 20 Mal „Hunger Games“.

PD: Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen: Das ist einfach zynisch. Ich bin ja kein Hollywood-Produzent der damit Geld verdienen will/möchte/muss. Ich darf mir noch ein wenig Romantik erhalten.

PD: Mehr Frauen in Hauptrollen? Da bin ich auch auf jeden Fall dabei. Nur dann bitte unterhaltsam oder interessant umgesetzt. Wie in „Lucy“ (unterhaltsam) oder eben im ersten „Hunger Games“ (interessant unterhaltsam).

YP: Du hast schon recht, du kritisierst das auch zurecht.

PD: Wie es ganz schlecht gemacht wird, hat ja das unfreiwillig komische „Divergent“ gezeigt.

YP: Ich bin nur deshalb so aufgegangen wie ein Germteig, weil ich so viele Filme akzeptiere und für mich „The Hunger Games“ einfach eine so wertvolle und willkommene Abwechslung darstellt.

Sagen wir mal so: Wäre Katniss ein junger Mann – sagen wir gleich Liam Hemsworth – dann wäre das eine solider Actionfilm. So ist es natürlich ein wichtiger Schritt in die Zukunft. Politisch und gesellschaftlich gesehen noch viel mehr.

The Grapes of Wrath

21 Freitag Nov 2014

Posted by filmimdialog in Filmdialoge

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Academy Award, Früchte des Zorns, Great Depression, Gregg Toland, Henry Fonda, Jane Darwell, John Carradine, John Ford, John Steinbeck, Literaturnobelpreis, Nunally Johnson, Oscar, The Grapes of Wrath, Weltwirtschaftskrise

John Ford hat mit seiner filmisch äußerst gelungenen Adaption von John Steinbecks mehrfach ausgezeichnetem Roman „The Grapes of Wrath“ ein wahres Zeitdokument vorgelegt, welches aufgrund seiner Nähe zu der Thematik und der Darstellungsform noch heute eine wichtige Auseinandersetzung darstellt.

YP: Eines vorneweg: „The Grapes of Wrath“ hätte genauso gut auch „The Great Depression“ heißen können. Der Titel wäre vielleicht zu offensichtlich gewesen. Andererseits, es handelt sich um die Adaption des gleichnamigen Romans.

PD: Kein Wunder, der Film und das Buch behandeln ja auch genau diese Zeit in den USA und ich finde den Film umso bemerkenswerter, da er in so großer zeitlicher Nähe zu den Ereignissen entstand. Man merkt das auch sehr stark.

YP: John Steinbeck hat seinen Roman 1939 herausgebracht und Ford den Film 1940, also nur ein Jahr drauf. Bedenkt man die schnelllebigen Prozesse des Filmemachens damals, war das auch für damalige Verhältnisse im Schnellverfahren.

PD: Daran ist auch klar zu erkennen, wie stark die Arbeit von Steinbeck war. Mir ist der Roman, als ich ihn vor Jahren endlich mal las, über Tage und Wochen nicht aus dem Kopf gegangen. Dabei ist er noch viel dunkler und düsterer denn die Filmversion, die sich für eine etwas optimistischere Variante entschieden hat.

Überraschend an „The Grapes of Wrath“ ist ja vor allem, dass ausgerechnet John Ford, die Filmadaption gedreht hat. Ein Mann den man Zeit seiner Karriere nicht unbedingt mit links-gerichteten Ideen verband.

YP: Viele der Einstellungen im Film erinnerten mich auch ständig an die Fotografien von Dorothea Lange. Ich kenne jetzt nicht so viel von Ford, aber als den sozialkritischen Regisseur schlechthin würde ich ihn nicht bezeichnen.

PD: Die Kameraarbeit von Gregg Toland gab dem Film etwas ikonographisches. Mir kam da, vielleicht nicht ganz passend, die kontrastreiche Landschaftsfotographie von Ansel Adams in den Sinn.

Von Ford kenne ich gerade mal ein Dutzend seiner vielen Arbeiten und er hat sich schon immer wieder mal mit sozialkritischen Themen auseinander gesetzt (in „The Informers“ oder „How Green Was My Valley“), aber niemals so kraftvoll und auch wütend wie in „The Grapes of Wrath“. Mehr sind ja seine Western im Gedächtnis geblieben.

YP: Muss dazusagen, das ich kaum was von Steinbeck gelesen habe und es mich auch nicht reizt. Du hast doch die Vorlage gelesen? Kann ich davon ausgehen, dass Ford hier ziemlich werkgetreu gearbeitet hat?

PD: Zugegeben, das ist jetzt schon einige Jahre her und ich habe zur Vorbereitung nur ein wenig darin geblättert, aber er und Autor Nunally Johnson, haben einige Details abgeändert. So zum Beispiel die ganze Handlung rund um Rose-of-Sharon. Sowohl wie ihr Verlobter sie verlassen hat, wie auch das Schicksal ihres Kindes. Das wird im Film entweder nur kurz ausgeführt, oder einfach weggelassen. Vor allem das Ende, mit der Totgeburt, die sie dennoch versucht zu stillen, ist wie ein Schlag in die Magengrube. Das wird im Film ja nicht gezeigt.

Steinbeck gehört zu den Autoren, von denen ich das eine große und bekannte Werk gelesen habe, und mir immer vornehme, mehr zu lesen, aber irgendwie doch nie dazu komme.

YP: Im Film sehen wir ja einen noch sehr jungen Henry Fonda, der für die Rolle als Tom Joad für einen Oscar nominiert wurde. Mein persönliches Highlight war aber die Mutter spielende Jane Darwell.

PD: Mir gefiel Fonda als Tom Joad sehr gut. Auch wenn man aus heutiger Sicht natürlich auch die ganze Geschichte und Filmographie des späteren Stars ein wenig im Kopf mitschleppt. Mir hat er sofort gefallen. Jane Darwell als fürsorgliche und pragmatische Mutter, war auch vom ersten Moment an überzeugend. Die Darsteller haben sich ansonsten gut ins Ensemble eingefügt.

Das war auch in Szenen zu sehen, wie jener, als Pa Joad versucht ein wenig Brot zu kaufen. Dieses Gefeilsche und wie er schließlich auch noch Süßigkeiten für seine Kinder kauft, war nicht unbedingt großes Schauspielerkino, aber Ford inszenierte es mit so viel Nachdruck, dass ich die ganze Zeit einen Kloß im Hals hatte.

YP: Was im Film so gut rüberkommt, sind diese einfachen Dialogszenen. Auch das Tempo ändert sich nie, auch wenn es sogar einige flottere Szenen gibt. Der Anfangsdialog mit dem ehemaligen von John Carradine gespielten Pfarrer und Toms Abschiedsdialog mit seiner Mutter bleiben einfach hängen. Beides sehr simple, dennoch effektive Darstellungen. Das werden keine großartigen Aussagen getätigt, aber allesamt einprägsame.

Bedenkt man, dass der Film eigentlich ein Epos bzw. eine Odyssee – im Genre als Roadtrip verpackt – ist. Es bedarf nicht einmal großer Anstrengung, die Narration wird so leichtfüßig vermittelt.

PD: John Carradine als vom Glauben abgefallener Pfarrer Casy gefiel mir auch sehr gut. Vor allem als er dann im Arbeitslager versucht den Widerstand zu organisieren.

Die Dialoge, wie du schön erwähnst, folgen simplen Mustern und klingen dadurch authentisch, aber schaffen es dennoch die Handlung voranzutreiben und auch die Ideologie dahinter zu vermitteln ohne sofort in einen predigenden Ton zu verfallen.

Die Epik vermittelt Ford auch durch die weiten und so bedrohlich dunklen Aufnahmen von Oklahoma. Dabei sieht man nicht einmal so viel von den Feldern oder den Farmen, die nieder gewalzt oder von Sandstürmen verwüstet wurden. Durch diese Bildästhetik wird schnell klar, welch weite Wege die Familie auch hinter sich bringen muss. Bildlich und wortwörtlich.

YP: Aber auch, wenn Sie dann tatsächlich in Kalifornien ankommen. Es wird zwar heller, aber so wirklich lichtet sich die Grundstimmung erst zum Schluss hin.

PD: Das liegt auch daran, dass die Lebens- und Arbeitsumstände sich als großer Betrug herausstellen. Es erinnerte mich an die Erzählungen und Fotos vom Land, in dem Milch und Honig fließen, riesige Kartoffeln und Tomaten wachsen, mit denen Einwanderer in die USA gelockt wurden (sehr schön dargestellt in Emanuele Crialeses „Nuovomondo“). Nur um dann mit der harten Realität konfrontiert zu werden.

YP: Und hier werden Hillbillies zu Fremden im eigenen Land.

PD: Der Dialog zwischen den beiden Tankstellenmitarbeitern war da auch verräterisch und schmerzhaft. Dass diese Oakies nicht wie echte Menschen seien, denn echte Menschen könnten ja gar nicht in solch einem Elend leben.

YP: Diese Thematik hat Allgemeingültigkeit. Im Elend picken die Schwächeren an den noch Schwächeren. Das ist wohl eine universell menschliche Eigenschaft.

PD: Dieses Empfinden vermitteln vor allem die Darsteller (im Besonderen Fonda, Darwell und Carradine). Dass diese Menschen trotz aller Widrigkeiten, niemals ihren Stolz verlieren.

YP: Es geht schließlich immer um den Menschen.

Interstellar

14 Freitag Nov 2014

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2001, Anne Hathaway, Casey Affleck, Christopher Nolan, Contact, Deep Space Nine, Douglas Adams, Grapes of Wrath, hans zimmer, Inception, Interstellar, Jessica Chastain, John Lithgow, Matt Damon, matthew mcconaughey, Michael Caine, Neil deGrasse Tyson, Stanley Kubrick, The Black Hole, The Dark Knight, The Prestige, The Right Stuff, Topher Grace, Wes Bentley

Einmal die Luft anhalten. Christopher „Arthouse-Blockbuster-Cinema“ Nolan hat einen neuen Film ins Kino gebracht.

Dicke Spoilerwarnung!

PD: Wie gefielen dir die vielen Einflüsse die zu erkennen waren? Mir schien, Nolan durchpflügte geradezu die Sci-Fi-Geschichte. Von „2001“ über „The Right Stuff“ bis hin zu Douglas Adams. Im Endeffekt hatte ich aber das Gefühl, dass Nolan das geschafft hat, was „Contact“ von Robert Zemeckis versuchte. Einen Unterhaltungsfilm auf Basis der wissenschaftlichen Theorien eines großen Forschers (Carl Sagan vs. Kip Thorne) zu erschaffen.

YP: Überrascht dich das? Nolan ist dafür bekannt, dass er immer noch eines draufsetzen kann. Für mich ist er ein größenwahnsinniger Filmemacher, der Blockbuster mit eskapistischem Anspruch ins Kino bringt.

PD: Ich wusste nicht wirklich was ich mir von „Interstellar“ erwarten soll, aber einen Sci-Fi-Film, der zu großen Teilen eine überraschend sentimentale Familiengeschichte erzählt vor dem Hintergrund einer Öko-Katastrophe, hatte ich nun wirklich nicht erwartet.

YP: Meine Erwartungshaltung war bescheiden. Viel erwartet habe ich mir nicht. Ehrlich gesagt, weiß ich jetzt auch nicht, was ich davon halten soll. Der Film lässt mich irgendwie kalt. Nicht so wie die Filme bisher. Und doch will ich ihn unbedingt wiedersehen. Zum Beispiel hat mir Matthew McConaughey sehr gut darin gefallen und doch ärgert es mich, dass Murphs Storyline viel zu kurz kommt. Die zum Teil komplett stummen Weltraumaufnahmen waren wirklich wunderschön. Im Gegenteil nervte mich wieder die Nolansche Herangehensweise der Musikverwendung zum Schluss des Films.

PD: Womöglich hat es auch geholfen, dass ich dem Hype – der auch zu einer eigenwilligen Anti-Nolan-Tendenz in vielen Rezensionen geführt hat – entgangen bin. Kalt ließ mich „Interstellar“ nicht, das passierte mir bislang nur bei „The Prestige“. Keineswegs. Mir gefiel viel mehr, dass es sich hier gar nicht um einen Blockbuster handelte, sondern um einen ruhigen Sci-Fi-Film, der sich in großen Teilen für die theoretische Seite der Geschichte interessierte. Ich kann mich nicht erinnern, wann ein Weltraum-Film, tatsächlich wissenschaftliche Theorien abhandelte und nicht bloßes Technobabble ablieferte. In dem Zusammenhang gefielen mir auch die Twitter-Kommentare von Neil deGrasse Tyson.

„Inception“ oder auch die „Dark Knight“-Trilogie, sind sexier, haben viel mehr Action, viel mehr eye candy zu bieten. Zudem eine Superstarbesetzung. Ich glaube kaum dass ein Großteil des Publikums in Verzückung geriet Matthew McConaughey zu sehen, oder in kleinen und feinen Auftritten John Lithgow oder Michael Caine.

Die Musik von Zimmer war diesmal wieder ein Graus, die hat mich den ganzen Film über genervt. Was das angeht, gibt es bei Nolan eindeutig Verbesserungsbedarf. So wie mir auch die Sentimentalität im Finale zu platt ausgebreitet wurde. Murphs Handlungsstrang war mir deshalb sogar zu lang.

YP: Kalt ließ mich „Interstellar“ nicht. Muss auch dazusagen, dass ein actionreicherer Film einfach leichter runtergeronnen wäre als das, was er uns hier präsentierte. Ich bin hin- und hergerissen. Einerseits gefällt mir diese ruhigere Herangehensweise, andererseits wirkt mir das einfach nur unausgegoren.

PD: Unausgegoren? Mir gefiel der Rhythmus-Wechsel. Zunächst geht es ja hauptsächlich um die Beziehung von Cooper zu seinen Kindern und auch um die Probleme, denen die Menschheit auf der Erde gegenübersteht. Erst danach gibt es diesen etwas abrupten Wechsel in den Weltraum.

YP: Matthew McConaughey war hier streckenweise sogar richtig gut, besser als als in „Dallas Buyers Club“. Da gab es Passagen des Films, wo er einfach nur Cooper ist. Bei McConaughey passiert mir das oft, dass seine Person meistens nie die Figur wird bzw. ich seine Person mit der Figur, die er spielt gleichsetze. Natürlich ist das ihm gegenüber ziemlich unfair, macht er nun schon seit einigen Jahren einen großartigen Job als Schauspieler.

PD: Das Schauspiel ist eher ein starker Kritikpunkt. McConaughey hat den erdigen Piloten ganz gut verkörpert, und war auch der richtige Typ um dieses „The Right Stuff“-Gefühl, diese positive Sicht auf Technik und Fortschritt, entsprechend zu vermitteln. Doch zu seinen besten Leistungen würde ich dies hier nicht zählen. Er ist gut und trägt den Film, aber da fand ich ihn in „Dallas Buyers Club“ stärker. Neben ihm gefiel mir vor allem Matt Damon sehr gut.

Es war teilweise auch undankbar für die vielen bekannten Gesichter. Anne Hathaway musste den schmalzigsten und unnötigsten Punkt des Films (die Kraft der Liebe) in einem viel zu langen Monolog erörtern. Casey Affleck und Topher Grace waren so kurz zu sehen, dass man sie kaum bemerkte.

YP: Die Musik hat mich diesmal nicht so gestört. Vor allem, weil die schönen Einstellungen hauptsächlich stumm waren.

PD: Im Vergleich zu anderen Filmen etwas weniger, aber eben auch deshalb, da Nolan sehr viele stumme Passagen einbaute und so den Musikteppich von Zimmer immer wieder unterbrach.

YP: Übrigens teile ich die Meinung vieler Film-Twitterer nicht. Für mich muss ein Science-Fiction-Film keinen realistischen Hintergrund haben, damit ich ihn verstehe und schon gar nicht bin ich der Meinung, dass ich erst einen Film mögen kann, wenn ich ihn verstanden habe. Mich regt diese Diskussion auf. Seit wann hat meine (vielleicht sogar eingeschränkte) Weltsicht Allgemeingültigkeit. Nämlich so sehr, dass ich keinen Zugang zu anderen Werken der Kunst habe.

PD: Gerade deshalb gefielen mir die Tweets von deGrasse Tyson so gut. Ein Science-Fiction-Film, der sich nicht rein auf das optische Spektakel verlässt, sondern tatsächlich in die Theorien die er verwendet eintaucht, wird natürlich auch hinterfragt. Wäre das Schwarze Loch nur als Gimmick benutzt worden, wie etwa in dem Disney-Film „The Black Hole“ (1979), dann würde man sich darüber beschweren, dass Nolan einen so oberflächlichen Zugang gewählt hätte. Es ist aber schon sehr befremdend, dass es teilweise weniger um die Erzählung und mehr um die Wissenschaft dahinter geht. Dabei wird völlig übersehen, dass ein Film, der ein theoretisches Denkkonstrukt durcharbeitet, natürlich spekulieren muss, wie die Handlung fortgeführt werden kann.

YP: Ein Hindernis in der Auseinandersetzung stellen diese Theorien – nicht Logikfehler – allerdings schon dar. Je mehr man sich mit dem Film auseinander setzt, desto mehr Fragen wirft er auf. Das ist keine schlechte Sache, das ist im besten Falle sogar erwünscht. Hier allerdings fehlt irgendwas. Man hängt in der Luft. Ich kann das nicht erklären. Und weil ich oben geschrieben habe, dass mich der Film kalt gelassen hat: diesen Film habe ich mir nicht erwartet und das finde ich gut.

Und diese überraschende Rührseligkeit war zum Haareraufen.

PD: Mich ließ Nolan ein wenig in der Luft hängen, da er zu sehr versuchte alles zu erklären. Da vieles Theorie ist, bleibt einem nur die Spekulation und da hätte ich mir gewünscht, dass man einfach auch mal mit seinen Gedanken alleine gelassen wird.

Die Rührseligkeit hat mich am Anfang weniger gestört, aber zum Ende hin, wurde es mir zuviel. Cooper wieder seine nun gealterte Tochter am Totenbett besuchen zu lassen, war einfach unnötig. Von mir aus hätte Cooper auch, á la Benjamin Sisko in „Deep Space Nine“, verschollen bleiben können.

YP: Du sagst es hier richtig, so viele Erklärungsversuche für spekulative Theorien. Muss aber dazusagen, dass mir das in „Inception“ bereits viel zu viel war. Warum alles auf dem Tablett offenbaren wollen, was ohnehin verständlich ist, verstehe ich nicht.

PD: Da scheint mir immer, dass Nolan zu sehr auf die Massentauglichkeit schielt. Gut, er muss auch ein 150-200 Millionen Dollar hohes Budget wieder herein bekommen, aber das war mir zu viel.

Im Gegensatz zu „Inception“ bezeichne ich „Interstellar“ schon als komplex. „Inception“ war unterhaltsam, packend, mitreißend aber nicht komplex. Er hat die Traum- und Erzählebenen übereinander gestapelt, aber bei „Interstellar“, fühlte ich mich eher herausgefordert, mich mit dem Gesehenen weiter auseinander zu setzen.

YP: Das schon, das liegt aber der Thematik zugrunde. Da dies nicht einfach irgendeine Traumebene ist, sondern im Weltall spielt, kommen darin physische Prozesse vor, die mir als Normalsterbliche nicht so geläufig sind. Aber komplex macht es den Film deswegen nicht. Aber „Interstellar“ wirft natürlich ganz andere Fragen auf. Universelles. Stellt interessante Thesen auf, Individuum versus Menschheit.

Das, was Nolan hier tut, ist eine Ebene auf die andere zu setzen. Wie schon in „Inception“ würde ich das nicht als komplex bezeichnen. Und bei all der Komplexität löst er es ziemlich salopp auf. Du folgt der Storyline 150 Minuten lang und dann wird dir eine unzufriedenstellende Möglichkeit der Auflösung geboten, die du einfach hinnehmen musst.

PD: Nolan verlässt sich stellenweise zu sehr auf die Action ab dem Moment, ab dem sie durch das Wurmloch sind und dabei geht es öfters vorhersehbar zu. Das Schicksal Doyles (Wes Bentley) war klar, als er sich im Wasser mehrfach umdrehte, genauso wie die wahren Beweggründe von Dr. Mann viel zu schnell ersichtlich waren. Für all die Komplexität, die in die ersten zwei Drittel von „Interstellar“ flossen, geriet mir das Finale zu Actionreich. Zudem hatte ich mir gewünscht, dass sich Nolan am Ende etwas mehr an Kubrick orientiert, aber stattdessen lässt er Cooper im Gespräch mit TARS die gesamte Struktur der 5. Dimension erklären. Da wäre auch weniger mehr gewesen. Hingegen funktionierte die Darstellung der Zeitdilation fantastisch. Es war klar und leicht verständlich, was es für die Astronauten bedeutete, ein oder zwei Stunden auf dem Planeten in der Nähe von Gargantua (das Schwarze Loch) zu verbringen.

YP: Ich schlage mich da übrigens auf die Seite von Dr. Mann. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich unsentimental bin.

PD: Dr. Mann hat grundsätzlich natürlich recht, wenn er das Überleben der Spezies über jenes einzelner Personen stellt. Er ist nur scheinheilig, da er im Endeffekt sein eigenes Überleben über alle anderen stellt. Deshalb wird er ja zu so etwas wie einem Bösewicht.

YP: Das ist auch eine sehr amerikanische Weltsicht, die Nolan da verbreitet, findest du nicht auch? Diesmal ist zwar eine Frau die Weltenretterin und TROTZDEM muss ich die Geschichte des weißen Mannes verfolgen. Nach wie vor abgedroschen.

PD: Interessanter Punkt. Daran hatte ich gar nicht gedacht. Die Besetzung von McConaughey als Cooper folgte aber natürlich auch Marktstrategien. Ein vor allem von Kritikern gerade hoch gelobter Oscar-gekrönter Darsteller, als Hauptdarsteller deines ambitionierten Blockbusters? Da spielt natürlich auch viel Kalkül mit.

Die Sicht der „Final Frontier“ ist natürlich eine ur-amerikanische. Vor allem wenn man bedenkt, dass man eigentlich nur die langsam verödende Farm von Cooper und dann das Weltraum sieht. Da schwingt auch ein wenig „Grapes of Wrath“ mit. Man lässt die Ödnis hinter sich und macht sich auf ins gelobte Land, welches in diesem Fall hinter einem Wurmloch liegt.

YP: Nein, verstehe mich nicht falsch, finde Matthew in dieser Rolle toll. Aber da ist die Figur vor die Story gestellt worden. Ein großer Schwachpunkt des Films. Weil eben die Murph-Storyline umso interessanter ist.

Cooper hätte man schon im Weltraum lassen können und die unspektakuläre Weltrettungsaktion von Murph weiterverfolgen. So wird das in nur einem Satz abgetan.

PD: Ja, da stimme zu. An dem Punkt hätte ich auch Cooper verlassen und mich gerne mehr mit Murph beschäftigt. Stattdessen labert Cooper TARS voll, was das nicht alles bedeutet was gerade passiert.

YP: Wäre stimmiger. Vor allem, ich dachte, wir sehen dann mehr von Murph, weil wir ja dann Cooper verlassen. Bei der Videobotschaft, ihrer ersten, hätte sich Nolan mehr auf sie konzentrieren müssen. Darunter leidet der Film.

Wie fandest du die love story zwischen Cooper und Dr. Brand (Hathaway)?

PD: Findest du, dass es wirklich eine Liebesgeschichte war? Sie sind die beiden letzten Menschen im All, klar, aber sie waren eben durch die Ereignisse zusammengeschweißt. Brands Liebe galt ja noch immer Dr. Edmund auf dem letzten Planeten.

YP: Umso mehr hat mich gestört, wie Nolan den Film zum Abschluss bringt. Das ist auch so eine Boxoffice-Vorgabe, schätze ich.

PD: Du meinst Brand alleine auf dem Planeten?

YP: Und Cooper auf dem Weg zu ihr?

PD: Ja, stimmt, das hatte etwas Kalkuliertes. Daran hatte ich ehrlich gesagt gar nicht gedacht, aber jetzt wo du es erwähnst. Als ich es im Kino sah, dachte ich mir nur, wie schlecht diese Raumstation gesichert ist, dass Cooper einfach so davon fliegen kann.

Was „Interstellar“ bei mir auf jeden Fall geschafft hat, war, mich wieder einmal mit der entsprechenden Literatur auseinander zu setzen. Dass mehr oder weniger zur selben Zeit auch noch die Rosetta-Mission zu bestaunen war, hat natürlich dem Reiz sich der Material zu nähern, nicht gemindert.

YP: Hat dich ein Nolan jemals kalt gelassen?

PD: Doch. Sein Magier-Thriller „The Prestige“ hat mich überraschend unberührt gelassen. Wie sieht deine persönliche „Christopher Nolan“-Reihung aus?

YP: 1. Inception, 2. Batman Begins, 3. Memento, 4. The Dark Knight, 5. The Prestige, 6. The Dark Knight Rises, 7. Interstellar, 8. Following, 9. Insomnia

PD: 1. The Dark Knight, 2. Memento, 3. Interstellar, 4. Inception, 5. Insomnia, 6. The Dark Knight Rises, 7. Batman Begins, 8. The Prestige, 9. Following & Doddlebug

Zum Abschluss noch eine Liste mit Dialogen, in denen uns Christopher Nolan über den Weg lief.
31 Tage, 31 Filme (2/3)
31 Tage, 31 Filme (1/3)
Scarlett Johansson
Jaws
Godzilla
Transcendence
Snowpiercer
The Hunger Games: Catching Fire

Film im Monolog

07 Freitag Nov 2014

Posted by filmimdialog in Special

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YP: Am 16. November haben wir unseren ersten Dialog – zu „Don Jon“ – veröffentlicht. Seit dem jede Woche – bis auf eine kurze Sommerpause – mindestens einen längeren Beitrag, oder zwei bis drei kürzere Beiträge. Zu Beginn hatten die Dialoge einen umfangreicheren Rahmen – wir schreiben fürs Web und müssen uns keine Gedanken über Platz und Zeichen machen. Jetzt legen wir Wert darauf, zumindest unter 1500 Zeichen zu bleiben, weil es einfach sonst inhaltlich ausartet. Ein Jahr lang betreiben wir nun Film im Dialog. Das ist eine interessante Bloggererfahrung, die nicht einreißt, weil ständig neue Impulse kommen, schreiben wir ja zu zweit daran. Ein eigener Filmblog ist in erster Linie etwas Persönliches, zumindest nehme ich mir bei The Female Gaze jede Freiheit heraus – was ich blogge, wie viel ich blogge, wann ich blogge, ob ich blogge. Ein Blog in Dialogform bedarf primär Planung, Struktur, Ordnung, Zeitmanagement. Eigentlich bin ich überrascht, wie leicht Planung und Durchführung vonstattengehen. Die Filmauswahl gelingt schnell und leicht, eigentlich bringen wir nicht einmal alles Geplante unter. Was beim „gewöhnlichen“ Bloggen – also dem Bloggen allein – nicht so schnell passiert, ist der Meinungsrichtungswechsel, eine gewisse Flexibilität der eigenen Subjektivität. Eventuell durch Kommentare anderer, aber da ist das Geschriebene schon in Stein gemeißelt. Im Dialog werden meine eigenen Thesen schneller hinterfragt, was dazu führt, dass ich sie reflektieren muss. In diesem Prozess passiert es nicht selten, dass ich zu neuen Erkenntnissen komme. Das Zweitwichtigste an der Beschäftigung mit Film ist der Austausch mit Gleichgesinnten und Interessierten (Für mich das Wichtigste ist die eigentliche Beschäftigung, Filmschauen als Hobby und Horizonterweiterung). Am einfachsten gelingt der Dialog, wenn unsere Meinungen auseinandergehen oder wenn wir verschiedene Aspekte des Films, die uns am meisten aufgefallen sind bzw. gestört haben, herausheben. Schwer wird es, wenn wir einer Meinung sind, dann hat das Ergebnis schnell etwas von einer Filmbesprechung (Was-Wer-Wo-Wann-Wie-Warum). Und Bloggen hat schnell was Befreiendes. Die Ideen kommen natürlich, wichtig ist einfach nur die Abwechslung bei den Themen. Und dabei wird natürlich auch Tagesaktuelles wie Filmstarts, Award Seasons, Nachwörter usw berücksichtigt. Warum der Austausch auch so gut funktioniert, liegt bestimmt auch daran, dass ich PD und ich mittlerweile schon einige Jahre kennen.  Vielleicht interessiert euch auch, wie die Dialoge zustande kommen: Meistens via Skype. Manchmal per Mail, was natürlich mit längeren Wartezeiten verbunden ist. Oder gleich in WordPress.

PD: Bloggen ist für eine zweischneidige Sache. Meine Versuche selbst einen ansehnlichen Blog mit viel Material zu erstellen, endete bereites einige Male mit der Einstellung des bereits erstellten. Schließlich rief ich Man with Lists ins Leben. Ein Archiv mit monatlichen Updates, welches mich selbst auf dem Laufenden hielt. Das war noch bevor ich Letterboxd entdeckte und heute dient es noch mehr als Sammelpunkt für die Filme und Serien die ich gesehen habe. Diese Struktur (Monat für Monat) gefiel mir auch, als YP die Idee von Film im Dialog an mich heran trug. Woche für Woche ein Gespräch zu aktuellen Filmen, Klassikern oder auch Serien und hin und wieder über ausgewählte Personen. Ein solches System kam gerade mir sehr zu Gute, da ich weder die Zeit noch die Energie habe, um täglich oder stets aktuell mit Beiträgen auf diverse Ereignisse in der Filmbranche zu reagieren. Zu Bedenken gibt jede Woche die Frage nach der Aktualität. Da wir beide keine akkreditierten Journalisten sind und unsere Brotjobs haben, kann ein Film, der am Freitag startet, bei uns erst eine Woche später besprochen werden. Die Möglichkeit einer Pressevorführung fällt weg. Das ist manchmal schade, andererseits begegnet man einigen gehypten Werken bereits mit ein wenig Abstand etwas nüchterner. Der Reiz dieses Formats, und was mich auch sofort davon begeistert hat, war, seine Ansichten zu teilen und sich dabei auch oft gegenseitig in Frage zu stellen, oder neue Facetten zu entdecken, die einem Selbst nicht in den Sinn kamen. Wie bei der Lektüre eines guten Artikels oder Buches, erfährt man Neues. Wenn sich die Ansichten zu sehr überschneiden, kann es etwas Rituelles haben. Was den Austausch von Beginn an jedoch schon sehr einfach gestaltete, war die Tatsache, dass YP und ich uns seit einigen Jahren über Filme unterhalten, diskutieren und gegenseitig Empfehlungen aussprechen. Ich glaube nur unter solchen Voraussetzungen, ein Gegenüber zu haben, dessen Meinung man auch respektiert, ist ein Dialog möglich und auch zielführend.

 

Profondo rosso

01 Samstag Nov 2014

Posted by filmimdialog in Filmdialoge

≈ Ein Kommentar

Schlagwörter

Amer, Asia Argento, Dario Argento, David Hemmings, Dracula, Edward Hopper, Frankenstein, Inferno, Jennifer, Le Tre Madri, Masters of Horror, Peeping Tom, Profondo rosso, Psycho, Suspiria, Tenebre, The Wolf Man

Dario Argento gehört zu den nettesten Regisseuren, die es da draußen gibt. Obwohl schon über 45 Jahre im Filmbusiness, hat er sich seine Freundlichkeit, Aufmerksamkeit und Zuvorkommeheit bewahrt. Eigentlich Bewundernswert.

PD: Betrachtet man „Profondo rosso“ und dann im Vergleich seine jüngsten Arbeiten wie „Giallo“ oder „Dracula 3D“, käme man nie auf die Idee, dass dies die Arbeiten desselben Regisseurs sind.

YP: Das ist unglaublich, wie sehr sich Argentos damaliges Werk (insbesondere die 70er Jahre) von dem heutigen Schrott unterscheiden. Andererseits: B-Movies müssen auch gemacht werden.

Nein, ich verstehe auch nicht, wie aus dem Visionär von damals der Regisseur von heute wurde. Visionär deshalb, weil „Rosso“, „Suspiria“, „Inferno“ allesamt kleine Gerneperlen, wenn auch nicht Meisterwerke, zumindest Bildgewaltiges Kino, waren. Das, was er heute produziert, ist grausam. Und konventioneller.

Was würdest du sagen, ist dein Lieblingsfilm von Argento? Bei mir ist es „Suspiria“.

PD: Es mag einfallslos klingen, aber ebenfalls „Suspiria“ ist mir von Argentos Filmen immer noch der Liebste. Dazu muss ich aber auch sagen, dass ich noch nicht so viele Werke von ihm gesehen habe. Zumindest seine „Le Tre Madri“-Trilogie kenne ich, zudem „Profondo rosso“ und die späteren Werke. Mir fehlen aber viele Filme, die er mit seiner Tochter Asia gedreht hat.

Bei den Spätwerken sticht seine „Masters of Horror“-Episode „Jennifer“ positiv heraus. Daran ist auch zu sehen, dass unter den richtigen Umständen und mit den richtigen Drehbüchern, auch Argento immer noch sehenswerte Horrorfilme produzieren kann. Filme wie seine „Dracula“-Adaption zeigen aber das grundsätzliche Problem, welches das so genannten B-Movie-Kino heimgesucht hat. In schneller Abfolge werden formelhafte Werke mit billigsten Effekten erschaffen, die nur noch auf den Heimkinomarkt zielen, während die Leinwände mal von der „Torture Porn“- oder von der Heimkino-Ästhetik-Welle dominiert werden. Etwas alternative Werke wie „Amer“ müssen den Umweg über Filmfestivals gehen, und hoffen, dort genügend Aufmerksamkeit zu erlangen.

Zurück zu „Profondo rosso“. Was mir hier wieder sehr stark auffiel war, dass Argento noch nie die innovativsten Geschichten erzählte.

YP: Das hast du gut beobachtet. Die Storys sind auch das Schwächste an seinen Filmen. Es scheint immer als hätte er sich gänzlich den Bildern verschrieben. Was grundsätzlich in Ordnung geht, bloß reissen die Geschichten immer ein. Hier fällt auch auf, dass das in den Siebzigern besser funktionierte als beispielsweise in den letzten Jahren.

Ist es fies zu fragen, warum er überhaupt noch Filme macht? Des Geldes wegen? An kreativen Ideen und visueller Umsetzung wird es nicht liegen. Nenn mich fies. Ich sehe mir seine alten Sachen sehr gerne an und bei mir sind „Rosso“ und „Suspiria“ ganz weit vorne. Vor allem letzterer Film, der würde sich in jeder meiner Top-10-Horrorliste wiederfinden. Die neuen Filme interessieren mich nicht, sie sind unkreativ und belanglos.

PD: Mir gefiel „Tenebre“ besser denn „Profondo rosso“. Auch wenn ich bei „Profondo rosso“ vor allem Hauptdarsteller David Hemmings sehr unterhaltsam fand. Seine Präsenz hat viele Schwachpunkte überdeckt, denn visuell ist Argento hier noch nicht ganz auf seinem Höhepunkt angelangt. In den 1970ern haben seine Filme wohl auch besser funktioniert, da er bessere Ideen zur Bildgestaltung hatte. Seine neueren Filme wirken ungemein billig und auch sehr anonym. So etwas wie „Giallo“ hätte wirklich jeder andere Regisseur auch hinbekommen.

Bei „Profondo rosso“ gibt es zum Beispiel den Moment, in dem Marcus Daly (Hemmings) bemerkt, weshalb er ein bestimmtes Gemälde am Tatort nicht wieder entdeckt. Es ist ein ganz einfacher Twist, aber die Ausstattung der Wohnung, die Platzierung der Gemälde und die Lichtgebung, geben der Szene etwas Unheimliches und Spannendes. Obwohl inhaltlich wenig Aufregendes passiert.

YP: Es ist aber erstaunlich, dass er sich für einen nicht-kommerziellen Regisseur so lange gehalten hat. Und ohne Argentos Filme wären Werke wie „Amer“ kaum vorstellbar.

PD: Als nicht-kommerziellen Regisseur würde ich Argento aber keineswegs bezeichnen. Seine Filme, wie eben „Profondo rosso“, waren visuell sehr ansprechend gestaltet, aber er zielte doch immer auf ein breites Publikum. Die Schockeffekte hat er ja nicht der lieben Kunst Willen eingebaut.

YP: Ok, das war jetzt eher schlecht formuliert. Nicht-Mainstream-Regisseur trifft es wohl besser.

PD: Da bin ich mir aber auch nicht so sicher. Er hat das Slasher-Genre und den Giallo erst so richtig populär gemacht. Seine Einflüsse sind sicher aus der bildenden Kunst ersichtlich, wie etwa von dir schön aufgebracht, die an Edward Hopper angelehnte Szenerie, aber mir scheinen seine Arbeiten dennoch nach dem (Horror)-Mainstream geschielt zu haben.

YP: Er mag einen großen Anteil beim Giallo gehabt haben, aber erst richtig populär und Mainstream wurde der Horror-Mainstream doch erst Ende der Neunziger mit der Wes Craven „Scream“-Reihe. Für mich ist das, was Argento in den 70ern gemacht hat, noch immer sehr Nische und weit vom Mainstream entfernt.

Bedenkt man, dass Hitchcocks „Psycho“ und „Peeping Tom“ von Powell – beide 1960 – namentlich zu den ersten Horrorfilmen der Filmgeschichte gezählt werden, war das noch ein sehr unausgegorenes und unreifes Genre, und Giallo ist doch nur eine Subkategorie dessen. Es gibt Filme, die später als solche bezeichnet werden, aber eine Genrezuordnung gab es vorher nicht wirklich.

Was aufgegangen und sich ausgezahlt hat, dass Argento verhältnismäßig gut umgehen konnte. Bis zum Mainstream aber ist das doch nicht wirklich vorgedrungen.

PD: Die ersten Horrorfilme waren aber dann doch wohl eher in den 1930ern zu verorten. Die mittlerweile klassischen Universal Horrorfilmeschine mit „Dracula“, „Frankenstein“ und „The Wolf Man“ waren ja nicht nur früher Vertreter des Genres, sondern eben auch Mainstream. Das allein an „Psycho“ und „Peeping Tom“ festzumachen, halte ich für eine etwas verkürzte Genre-Betrachtung.

Was Argento angeht. Natürlich hat er ein ganzes Sub-Genre begründet und dem europäischen Horrorgenre neues Leben eingehaucht, aber nichtsdestotrotz waren seine Werke auch auf den Mainstream gerichtet. Die etwas formelhaften Geschichten wie bei „Profondo rosso“ haben den Einstieg in diese Werke einem größeren Publikum erleichtert. Traurig stimmt mich nur, dass die Qualität seiner Werke derart nachgelassen, dass er mittlerweile selbst zum kaum beachteten Nischenprogramm geworden ist.

PS zu unserem heutigen Beitrag:
YP traf auf Argento im Frühjahr in Wien, hier der Beweis.

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