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Dies ist der Startschuss zu unserem Blogformat „Film im Dialog“. Meistens folgt an dieser Stelle ein Gespräch über aktuelle und nicht so aktuelle Kinofilme. Unterschiedliche Meinungen, Überschneidungen, Abschweifungen und der Versuch eines Dialogs über einen Film.

Unser erstes Studienobjekt ist Joseph Gordon-Levitts Regiedebut „Don Jon“, zu welchem er das Drehbuch verfasste und auch die Titelrolle des nach Internet-Pornografie süchtigen Frauenhelden Don Martello spielt. Als Frau seiner Träume agiert Scarlett Johansson. In weiteren Rollen zu sehen sind die immer wunderbare Julianne Moore sowie Brie Larson als Dons beinahe stumme, Handysüchtige Schwester und Tony Danza als sein Vater.

YP: Wie hat dir Don Jon auf einer Skala von 1 bis 5 gefallen?

PD: Da würde ich wohl eine gut gemeinte 3 geben. „Gut gemeint“ ist glaube ich auch ein passender Begriff für den ganzen Film.

YP: 3 von 5 Punkten halte ich für durchaus gerecht. Vielleicht sogar 3,5 von 5, in Anbetracht der Tatsache, dass es sich um ein Regie-Debüt handelt.

PD: Aber macht man Regie-Debütanten einen Gefallen damit, ihre Erstwerke „sanfter“ zu benoten, „nur“ weil es Erstlingswerke sind? Schließlich sieht man ja, dass Levitt zu inszenieren versteht. Die Rituale im Leben von Don, der Gang ins Fitnessstudio, die Familienessen, der Gang in die Kirche zur Predigt, der Sex und natürlich der Konsum von Internet-Pornos, spiegeln sich schön in der Inszenierung wieder, die mit den immer selben Signalbildern aufwartet. Da spiegelt sich schon Talent wieder.

YP: Nehmen wir doch „Garden State“ von Zach Braff her, der bei mir auch nicht mehr als 3,5 von 5 Punkten bekommt. Das ist ja ein ganz nett gemachter, süßer Film. Im Vergleich dazu fand ich „Don Jon“ nicht schlechter.

PD: „Garden State“ – interessant, schließlich spielen beide in New Jersey – hat bei mir auch eine 3,5 und zwar, weil ich sowohl das Drehbuch als auch die Inszenierung für eine Spur gewitzter und „gereifter“ halte. Levitt verlässt sich zu sehr auf seinen Eröffnungsschmäh, mit der Pornoclip-Sucht. „Garden State“ vertraut auch sehr auf Klischees, hat dabei aber viele eigenständige Charaktere zu bieten, die abseits von einfachen Schmähs funktionieren. Die Charaktere bei „Don Jon“ sind mir hingegen viel zu sehr reine, wandelnde Klischees. Das Drehbuch ist voller Klischees, im Grunde eine äußerst simple „Vom Saulus zum Paulus“-Geschichte.

YP: Dem muss ich widersprechen. Ich habe zwar „Garden State“ länger nicht gesehen, aber der steckt doch auch voller Plattitüden die Charaktere betreffend. Alleine der Charakter von Natalie Portman, da kriege ich eine Gänsehaut. Das ist doch kein guter Frauencharakter, der da porträtiert wurde. Ich halte die „Don Jon“-Charaktere ebenso für stereotypisch, aber ich störe mich weniger daran, weil dadurch die Komik-Ebene mehr bedient wird.

PD: Plattitüden. Ja, sicher aber in „Don Jon“ werden ganze Charaktere verschenkt. Jons Schwester ist ein einziger billger Witz. Sie hängt am Handy und hat dann am Ende die einzig wahre Aussage. „Garden State“ ist sentimentaler während bei „Don Jon“ die Wuchtel ein wenig wichtiger ist.

YP: Die Schwester fand ich großartig! Das sind Teenager heutzutage, so siehts bei uns am Sonnstagstisch auch aus, mein Bruder lässt das Handy nicht aus der Hand. Vielleicht hat er Angst ihm würde es jemand stehlen …

PD: Ich verleugne ja gar nicht, dass es am Sonntagstisch zum Teil so aussieht aber der Charakter hat außer dieser Handysucht keinerlei Persönlichkeit.

YP: Und nehmen mir mal Barbara her, gespielt von der atemberaubenden Scarlett. Die ersten 5 Minuten wirkt sie wie eine Filmdiva, wie wir es vom Hitchcock inszeniert kennen. Und dann das Schmatzen mit dem Kaugummi, die vulgäre Art, sie entpuppt sich als absolute Tussi. Das hat mir so gut gefallen. Weil du richtig verarscht wirst vom Regisseur.

PD: Guter Punkt. Levitt hat generell gut gecastet aber zugleich sich schlicht auf das Image der Darstellerinnen verlassen. Johansson und Moore spielen kaum, sondern tragen das bekannte Image (Sexbombe dort, ein bisserl exzentrische Alternativ-Tante da) vor sich her. In diesem Punkt war ich von Levitts darstellerischer Leistung überzeugter. Er hat sich selbst mehr Möglichkeiten gegeben um zu schauspielern.

YP: Eben nicht, Sexbombe nur am Anfang und dann wird sie richtig unsympathisch, worunter auch das Image der Sexbombe leidet.

PD: Ich fand gar nicht dass sie wie eine Filmdiva wirkt, sondern wie eine Disco-Prinzessin. Durch die Augen von Jon war eindeutig zu sehen, dass er sie vergöttert aber bereits in den ersten Minuten war dieser omnipräsente Kaugummi. Das Image der Sexbombe leidet da Levitt auch Johanssons verzerrte Weltsicht darstellt. Eine Sicht in der ein Mann nicht zu putzen hat und Rom-Coms die wahre Welt spiegeln. Das wird geschickt gegeneinander ausgespielt. Seine verzerrte Sicht auf Sex durch die Porno-Clips vs. ihre verzerrte Weltsicht durch die Rom-Coms (schöne Cameos von Tatum und Hathaway übrigens).

YP: Genau, durch die Augen von Jon ist sie unglaublich schön und da schwingt viel Anbetung mit. Dann erlaubt die Kamera es uns ein eigenes Bild zu machen und es lichtet sich in die White Trash Bitch.

PD: Da sind wir dann beim Wechsel des erzählerischen Tonfalls, von der reinen Komödie hin zur Dramedy. Den kriegt Levitt inszenatorisch ganz gut hin aber das Drehbuch ist zum Teil schwach.

YP: Ich gebe dir schon Recht, dass man mehr aus den Charakteren hätte rausholen können. Ich bin auch überzeugt, hätte er weniger bekannte Darstellerinnen genommen, insbesondere Moore und Johansson, hätte das noch besser funktioniert, weil dann die Schauspieler nicht so in den Vordergrund treten. Wie gesagt, ich konnte mit den Stereotypen gut leben, da es durchwegs eine Comedy mit kleinen Drama-Elementen ist.

PD: Da sind wir dann beim ökonomischen Faktor. Du produzierst dein Regie-Debüt und kennst schon halb Hollywood. Natürlich möchtest du dein Geld wieder herein spielen und eventuell sogar einen feinen Gewinn machen.

YP: Absolut verständlich. Ich hätte es nicht anders gemacht.

PD: Die Drama-Elemente, die dann am Ende überwiegen, waren mir aber ein wenig zu plump aufgetragen. Das „ineinander aufgehen“ beim Liebesakt mit Esther hat sich bereits so weit im Voraus angekündigt. Zudem, da sind wir wieder bei der Ausarbeitung der Charaktere, war Esther auch ein reiner Stichwortgeber, wenn es um die eigene Hintergrundgeschichte ging. Sie war nur ein Katalysator für Jons Wandlung und Erkenntnis. Der Film hätte einfach unglaublich davon profitiert, wenn Levitt sich irgendeinen Rat beim Drehbuch geholt hätte. So wirkt es, als habe er das Drehbuch in den PC geklopft und einfach mal verfilmt. Eine Überarbeitung durch einen Profi hätte dem ganzen Projekt gut getan. „Don Jon“ ist ja kein schlechter Film, bei Gott nicht aber einfach einer der so viel mehr in sich trägt. Mir gefiel etwa auch die Darstellung der italo-amerikanischen Community. Dabei musste ich ein wenig an „Jersey Shore“ denken.

PD: Wie gefiel dir Tony Danza?

YP: Gut. Ich war erfreut, ihn mal wieder zu sehen in einem Film. Ehrlich gesagt, kann ich mich nicht erinnern, wann ich ihn das letzte Mal gesehen habe in einem Film. Als Kind habe ich so gerne die Serie „Wer ist hier der Boss?“ geschaut.

PD: Genau wie bei mir. Ich bin mir sicher, er hat schon x-Projekte seitdem gehabt und womöglich ist er mir irgendwo mal über den Weg gelaufen aber so prominent wurde er auch schon lange nicht mehr eingesetzt. Das war schön zu sehen.

YP: Eigentlich hat Levitt seine Sache gut gemacht. Ich würde nicht sagen, dass wir bei Debüt-Filmen zu milde mit den Neomachern ins Gericht gehen. Bei mir ist es eher so, dass ich es mit Filmen alteingesessener Regisseure vergleiche und mir denke, geh bitte!!! Denken wir nur an Komödien-Regisseure wie Judd Apatow.

PD: Ein großer Produzent aber ein schwacher Regisseur. Es ist ja schon länger her, dass ich einen „Directed by Judd Apatow“-Film gesehen habe aber er hat eine Tendenz seine Ideen einfach zu sehr auszureizen. Davor ist er als Produzent/Autor auch nicht gefeit aber Filme wie „Pineapple Express“ oder „Anchorman“ wissen sich ein wenig einzubremsen.

YP: Für mich zeigt Levitt extrem viel Potential und ich denke, dass das eine der besseren Komödien ist, die ich dieses Jahr gesehen habe.

PD: In diesem Jahr habe ich nur wenige gute Komödien gesehen. „The World’s End“ hat mir gut gefallen. „Last Vegas“ sehe ich mir eventuell an aber auch nur weil ich Kevin Kline schon lange nicht mehr auf der großen Leinwand sah. „Don Jon“ ist ja ein erfrischender Film, der so schön unverkrampft mit einem krampfigen Thema umgeht aber mir widerstrebt, eine so verbesserungswürdige Arbeit höher zu loben als sie es eben verdient hat. Levitt beweist mit „Don Jon“ auch, dass er absolut ein Leading Man ist.

YP: Ja, ich werde ihn mir auch bestimmt ansehen. Aber du sagst es, wo sind all die Komödien heuer hingekommen? Gab es welche? Ich müsste mich jetzt prompt für „This Is The End“ und „Don Jon“ als beste heuer aussprechen. Da siehst du wie wenige gute Komödien herausgekommen sind.

PD: Beziehungsweise wie viele Komödien im Grunde Dramen/Melodramen sind. Ich trau mich zum Beispiel gar nicht sagen ob „Filth“ (auf den ich schon gespannt bin) eine Komödie ist. Sieht mir eher nach einer bitterbösen Krimi-Satire aus.

YP: Ist „Spring Breakers“ eigentlich eine Komödie?

PD: Gute Frage. Wo ziehen wir die Grenze? „Spring Breakers“, „The Bling Ring“ sind für mich Satiren und würde ich nicht auf eine Stufe mit Filmen wie „Don Jon“ stellen. Da sind wir wieder bei der leidigen Frage, wo Genre-Grenzen verlaufen.

YP: Ich muss auch dazusagen, dass ich mit Komik in Filmen nicht so schnell was anfangen kann. Serienkomik und Comedy funktioniert allemal, aber in Filmen tue ich mir schwer damit. Steve Carrell ist einfach nur großartig in „The Office“. Denke ich an seine Filme (heuer „The Incredible Burt Wonderstone“) frage ich mich, warum er solche Filme macht. Ich habe auch bei „The Avengers“ mehr gelacht als bei irgendeiner Komödie … Von mir aus auch „Star Trek Into Darkness“. Ich war köstlich amüsiert.

PD: Deshalb wirkt ja „Don Jon“ so wunderbar erfrischend. Man lacht über gelungene Gags, dass dahinter etliche „Fehler“ lauern, bemerkt man zunächst gar nicht und freut sich zunächst mal über den Unterhaltungswert. „Star Trek Into Darkness“ (laut ein paar verwirrten Trekkies der schlechteste Star Trek aller Zeiten…noch nie Teil 5 gesehen?) hat trotz seiner düsteren Atmosphäre wieder die typischen Star Trek-Schmähs und baut auch auf dem Vorwissen seines Publikums auf. Post-Moderner-Humor in Post-Modernen-Blockbustern.

YP: Damit kann ich gut leben, das ist Erlebniskino! Jetzt fällt mir ein toller Film ein, den ich heuer gesehen habe und den ich so toll finde: „Moonrise Kingdom“. Den könnte ich mir in regelmäßigen Abständen anschauen, ich kriege mich oft nicht ein vor Lachen und gut ist er auch noch!

PD: Wes Anderson vs. Joseph Gordon-Levitt. Anderson baut sehr auf dem Setdesign, den Kostümen und den Kamerafahrten auf. Zudem baut er unglaublich stimmungsvolle Musik in seine Filme ein. Levitt hatte auch eine glückliche Hand bei der Musikwahl aber sein Humor zielt dann doch mehr auf die Oberfläche ab. Dagegen ist ja gar nix zu sagen aber der „Apple-Ton“-Schmäh ist eben einfach auf etwas anderes abzielend, denn Andersons.

YP: Allerdings plädiere ich dafür, dass die Grenze gezogen werden muss: Wenn Komödie draufsteht, dann will ich unterhalten werden! Und welche Art von Humor das ist, das ist mir egal! Meistens werde ich von Wes Anderson Filmen unterhalten, immer auch von Edgar Wright! Positivbeispiele für humorvolle Filme, müssen nicht einmal als Komödien ausgewiesen sein. Manchmal denke ich in Schubladen, zumindest was mache Filme betrifft.

PD: „Don Jon“ funktioniert ja eben beim Humor, doch der Wechsel ins dramatische Fach, wenn Jon seine Wandlung durchlebt, ist nicht ganz stimmig inszeniert.

YP: Wie du dich erinnern kannst, hat „The Cabin in the Woods“ überhaupt nicht bei mir funktioniert. Als Horrorfilm nicht, jetzt im Genredenken. Aber sehr gelungener humorvoller Film, den ich mir unbedingt nochmal anschauen werde.

PD:„The Cabin in the Woods“ etwa, hat für mich als Horror-Komödie gut funktioniert. So wie „Shaun of the Dead“. Beide Filme funktionieren als Parodien und zugleich als Genre-Beiträge.

YP: „Shaun of the Dead“ fand ich großartig!

PD: „Hot Fuzz“ ist sogar eine Spur besser. „Shaun of the Dead“ ist bei mir auf einer Stufe mit „The World’s End“.

YP: Ich würde sagen 1. „Scott Pilgrim vs. The World“, 2. „Hot Fuzz“ und 3. „Shaun of the Dead“

PD: Keine schlechte Werkliste für so einen jungen Filmemacher.

YP: Einer meiner liebsten Regisseure.

PD: Deshalb freue ich mich schon ohne Ende auf „Ant-Man“. Das ist wie gemacht für Wright.

YP: Seien wir gespannt!

PD: Auch auf nächste Woche.