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Film Im Dialog

~ Dialoge über aktuelle und weniger aktuelle Kinofilme

Film Im Dialog

Monatsarchiv: Dezember 2013

Das Jahr 2013 im Rückblick

27 Freitag Dez 2013

Posted by filmimdialog in Special

≈ 8 Kommentare

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Das Jahr geht zu Ende und so heißt es langsam Bilanz ziehen. Wir unterhalten uns diese Woche über unsere Highlights des Kino-Jahres, starke Frauencharaktere und die zur Schau gestellten Körper in unseren Lieblingsfilmen 2013.

PD: Hier sind meine Top Ten: 1. „Before Midnight“, 2. „Lincoln“, 3. “ L’inconnu du lac“, 4. „Spring Breakers“, 5. „Gravity“, 6. „Inside Llewyn Davis“, 7. „Berberian Sound Studio“, 8. „Captain Phillips“, 9. „De rouille et d’os“, 10. „Rush“

YP: Meine Top-Liste: 1. „Gravity“, 2. „Stoker“, 3. „Zero Dark Thirty“, 4. „Before Midnight“, 5. „Spring Breakers“, 6. „The Master“, 7. „L’inconnu du lac“, 8. „De rouille et d’os“, 9. „Rush“, 10. „Captain Phillips“

PD: Guilty Pleasure: „Evil Dead“, „Star Trek Into Darkness“, „Blutgletscher“

YP: Guilty Pleasure: „The Hunger Games: Catching Fire“, „Star Trek Into Darkness“ und eventuell noch „The Hobbit: The Desolation of Smaug“

YP: Interessant ist ja, dass unsere letzten 3 Plätze von denselben Filmen belegt sind, nur in einer anderen Reihenfolge.

PD: „The Master“ ist ein Film, dessen Qualität ich achte und dessen darstellerische Leistungen mich fasziniert haben, aber trotz allem konnte er sich nicht wirklich festsetzen. Das ist womöglich auch ein Film, der erst nach mehreren Sichtungen seine Qualitäten enthüllt.

YP: „The Master“ ließ mich einfach nicht los. Ich habe ihn im November 2012 in London gesehen und habe mich dann die erste Hälfte des Jahres 2013 sehr damit auseinandergesetzt. Die Bilder bin ich nicht mehr los geworden. Der steht für mich in einer Reihe mit „There Will Be Blood“.

PD: Es war eher, dass ich „The Master“ unbedingt gut finden wollte. Im Gegensatz zum grandiosen „There Will Be Blood“ und dem mitreißendem „Magnolia“, hat es „The Master“ nicht wirklich geschafft, mich zu fesseln. Es war eher ein Beweis dafür, was für ein komplexer Filmemacher Paul Thomas Anderson ist.

YP: „Lincoln“ schafft es bei mir auf keine Liste, mit Ausnahme der herausragenden schauspielerischen Leistung von Daniel Day-Lewis und anderen Schauspielern, konnte mich der Film nicht mitreissen. Ich habe kein Bedürfnis, ihn mir schnell wieder anzusehen. Oder überhaupt. Das ist ein ruhig erzählter Film, über einen großen Amerikaner, und ein sehr amerikanischer Film. Vielleicht zu unkritisch.

PD: Mir gefiel die ruhige Art, wie „Lincoln“ von Spielberg erzählt wurde, diese leicht an ein Theaterstück erinnernden Dialoge und Szenerien. Dazu die wunderbare Kameraarbeit von Janusz Kaminski, mit den Schatten, die in jedes Zimmer des Amtssitzes geworfen werden. Zudem hatte ich nicht das Gefühl, dass das ein unkritischer Film war. Viel mehr versuchte Spielberg gemeinsam mit Autor Tony Kushner einen Blick in den politischen Prozess zu werfen und das gelang hervorragend. Vor allem James Spaders Rolle als, nennen wir es mal, Stimmenfänger, war doch ein sehr kritischer (und unterhaltsamer) Blick auf die Realpolitik.

PD: Mich wundert ein wenig, wie hoch du „Stoker“ einschätzt. Der hat wunderbare Bilder zu bieten aber die Handlung war ja äußerst zerfahren und teilweise völlig unlogisch. Wenn überhaupt, dann wäre das eine Guilty Pleasure.

YP: „Stoker“ ist für mich ein wichtiges Coming-of-Age-Drama einer jungen Frau. Nicht nur ein Erwachsenwerden-Drama, auch eine Coming-Out-Story auf … besondere Vorlieben bezogen. Als Feministin bekomme ich ohnehin weniger gute Frauenfiguren geboten. „Stoker“ finde ich diesbezüglich sehr gelungen. Auch, weil das ein etwas anderer Horrorfilm ist. Die Handlung fand ich keineswegs zerfahren und unlogisch. Wie sich die Geschichte auftut, fand ich sehr zugänglich und logisch. Die wunderschönen Bilder haben mich beeindruckt, es war eine gut erzählte Story.

PD: Mia Wasikowska bekommt als India einen wirklich guten Charakter geboten und Chan-wook Park macht auch sehr viel daraus. Alleine die Szene mit der am Bein hoch krabbelnden Spinne gibt sehr viel her, aber mir schien, dass die „Coming-Out-Story“ hinter einem eher unlogischen und zudem etwas vorhersehbaren Thriller verschwand. Die Darsteller waren toll, Matthew Goode gab einen tollen Onkel ab, aber die Geschichte fand ich nicht sonderlich gut. Chan-wook Park lieferte tolle Bilder dazu, ganz ohne Zweifel. Das war es aber auch: Style over Substance.

YP: Wenn ich daran denke, wie viel elegante Spannung versteckt war. Bis zum Schluss. Die Fährte mit dem Onkel, die Beziehung zur Mutter, der Schulkamerad. Nie wusste man, worauf man sich einließ.

PD: Sehr interessant. Mir war wieder, als wüsste man schon sehr früh, worauf man sich einlässt.

YP: Style over Substance ist „Gravity“ auch und für mich das beste Kino-Erlebnis 2013.

PD: „Gravity“ beschränkt sich aber auch auf eine ungemein simple Handlung und liefert dazu den perfekten Rahmen. Cuarón hatte kein neues „2001“ oder „Solaris“ im Sinn, sondern einen Survival-Thriller im Weltall und das wurde – bis auf ein paar Umwege – sehr gut umgesetzt.

YP: Mir blieb bei „Gravity“ zeitweise die Luft weg. Ich habe ihn 3D gesehen, bin aber überzeugt davon, 2D hätte keinen Unterschied gemacht. Ich will mich nicht wiederholen, in „Gravity“ haben wir es wieder mit einer tollen Frauenfigur zu tun. Großartig interpretiert von Sandra Bullock.

PD: Dem kann ich nur zustimmen, da gibt es auch wenig mehr dazu zu sagen.
Die stärkste Frauenfigur in diesem Jahr war aber dennoch Julie Delpy in „Before Midnight“.

YP: Eine der vielschichtigsten und ausgereiftesten. 100%-ige Übereinstimmung hier.

PD: Einer der ganz ganz seltenen Fälle, in denen eine über Jahre gereifte Filmreihe, sich immer wieder neu bestätigt und auch erneuert, anstatt immer wieder dieselbe Geschichte zu erzählen. Wenn man bedenkt, wo das alles begonnen hat, mit einem doch etwas süßlichem und naivem Film namens „Before Sunrise“… das ist schon beeindruckend.

YP: Du triffst den Kern. Die „Before Sunset“ und „Midnight“-Filme fühlen sich auch nicht als Sequels an. Sie stehen alleine sehr stark da. Was mich bei „Before Midnight“ so umgehauen hat: der Film ist so vertraut und so intim. Während der Hotelzimmerszene fühlte ich mich als Eindringling. Mir waren die Figuren so vertraut, ich hatte das Gefühl, dass ich störte. Ich konnte sowohl Jesses als auch Celines Standpunkte nachvollziehen, als wären sie meine Freunde, Eltern, usw.

PD: Das sind auch sehr realistisch geschriebene Charaktere und ich habe etwa gar kein Problem damit, dass sie mir zuweilen nicht wirklich sympathisch sind. Ganz im Gegenteil. Es ist dennoch interessant bei ihren Diskussionen und Auseinandersetzungen dabei zu sein.
Der Wechsel von einer gut gelaunten Rom-Com für ein etwas reiferes Publikum hin, zu einem ausgewachsenen Beziehungsdrama, war beeindruckend. Die Szene im Hotelzimmer ist zugleich spannend und unangenehm vertraut. Dabei möchte ich jetzt natürlich auch Ethan Hawke nicht unter den Tisch fallen lassen. Seine Leistung als Jesse ist genauso hoch anzurechnen wie jene von Delpy.

YP: Die ergänzen sich einfach super, das zeichnet „Before Midnight“ und die gesamte Reihe auch aus. In Kombination mit dem Regisseur Richard Linklater natürlich.
Intime Szene offenbaren sich uns auch in „L’inconnu du lac“ und „De rouille et d’os“.

PD: Da möchte ich zuerst über „De rouille et d’os“ sprechen. Audiard hat mich ja schon zuvor mit „Un prophète“ begeistern können und ich hatte deshalb wieder auf einen ähnlichen starken Film gehofft. Was mich bei Audiard fasziniert, ist dass er sowohl Genre-typische Thriller-Elemente und melodramatische Szenen sehr natürlich miteinander vermischt. Das Zusammenspiel von Matthias Schoenaerts und Marion Cotillard wirkt nie aufgesetzt, obwohl der Film selbst hin und wieder so seine Ausflüge ins Reich der Unwahrscheinlichkeiten macht (die ganze Boxszene die thematisiert wird etwa).

YP: Interessant ist auch die Beziehung, die dabei entsteht. Zwischen zwei komplett Fremden, in fremden Welten und wie die zueinanderfinden. Obwohl die Körperlichkeit anfangs sehr vordergründig ist, kommt der wahre Charakter beider Figuren erst später heraus. Da ziehe ich eine direkte Verbindung zu „L’inconnu du lac“. Die Figuren sind physisch komplett entblättert und psychisch dauert es den ganzen Film lang und darüber hinaus, bis wir – wenn überhaupt – an die Figuren herankommen.

PD: Gute Verbindung, die ich so gar nicht gezogen hätte, obwohl ja sowohl das Paar in „De rouille et d’os“ als auch die Männer in „L’inconnu du lac“ zunächst vor allem oberflächlich den Körper des Anderen wollen. Auch wenn Cotillard in „De rouille et d’os“ ja sich damit vor allem ablenken will.

YP: Und in „Spring Breakers“ ist es eine sehr inszenierte und zur Schau gestellte Körperlichkeit. Ich weiß gar nicht, wie ich das in Worte fassen soll. Die Körper in „Spring Breakers“ sind so überpräsent und nicht in exploitativer Manier.

PD: Korine zeigt ja junge Menschen, die in einem ritualisierten Rahmen alle Hemmungen fallen lassen. Sobald James Franco als Alien, die vier Mädels aus dieser Dauerparty heraus befreit, steht gar nicht mehr der Körper im Raum, sondern der Lifestyle, den Franco vorgibt ihnen bieten zu können. „Spring Breakers“ ist gemeinsam mit „L’inconnu du lac“ auch der Film, der mich völlig unvorbereitet getroffen hat.

YP: „Spring Breakers“ und Harmony Korine bewundere ich für den an den Tag gelegten Mut. Inszenatorischen, erzählerischen und darstellerischen Mut. Ich meine, das ist ein Film, der mit Hollywood-Menschen gemacht wurde.

PD: Da überrascht mich einzig der Besetzungscoup mit Selena Gomez und Vanessa Hudgens. Wenn es einen Schauspieler in Hollywood gibt, der gleichzeitig außerhalb des Systems steht und somit sich in so einer Produktion wieder findet, dann ist es James Franco.

YP: Da hast du natürlich Recht.
Da der Film abseits des Mainstream-Kinos beheimatet ist, spielt die feministische Lesart für mich nicht so eine große Rolle, wie etwa bei Filmen wie „Gravity“ oder „Zero Dark Thirty“.
Dafür habe ich auch zwei Filme in meiner Liste, in einem spielen gar keine Frauen mit, im anderen nur eine und die auch noch kurz. Es ist die Rede von „L’inconnu du lac“ und „Captain Phillips“. Nicht, dass gute Frauenfiguren ausschlaggebend sind für mich, aber wichtig ist dieser Faktor schon.

PD: Wenn es für die Erzählung stimmig ist, dann habe ich kein Problem mit einer einseitigen Besetzung. Sowohl in „Captain Phillips“ als auch in „L’inconnu du lac“ ist es mehr als nachvollziehbar, dass Frauen, wenn überhaupt, nur am Rande vorkommen. Die Gewichtung im Film muss stimmen. „Rush“ hat da etwa Probleme. Einerseits ist das eine Männer-Macho-Welt, die porträtiert wird, aber geradezu selbstverständlich müssen auch die Frauen an der Seite der Rennfahrer gezeigt werden. Sie bleiben aber nicht mehr als Fußnoten, die in der Biografie eben auch eine Rolle spielen.

YP: Die eigentliche Beziehung in „Rush“ führen aber auch Lauda und Hunt.

PD: Irgendwie werden aber auch Frauen eingebaut, da sie ja auch eine Rolle im Leben von Hunt und Lauda spielten und zudem wird anhand der Frauen auch gezeigt, wie unterschiedlich die beiden ihr Leben führten. Das reduziert aber Alexandra Maria Lara und Olivia Wilde eben nur zu Platzhaltern.

YP: Lauda und Hunt sind Frenemies! Das ist ein typischer Bromance-Film. Der mir aber unheimlich Spaß gemacht hat. Ich finde ihn gut erzählt, spannend, hervorragend besetzt, usw. Ein Sympathieträger in meiner Bestenliste!

PD: „Rush“ macht auch wirklich das Beste, was man aus diesem Stoff machen kann. Ich kann mir zwar grundsätzlich einen etwas besseren Film vorstellen, wäre ein anderer Regisseur am Ruder gewesen (etwas, dass wir ja im Dialog zu „Captain Phillips“ besprachen) aber grundsätzlich ist da wohl schon das Maximum herausgeholt worden. Vor allem Daniel Brühl ist herrlich als Niki Lauda.

YP: Ich hatte aber nicht das Gefühl, dass die beiden Damen Platzhalterinnen waren. Gerade die Beziehung zwischen Lauda und seiner Frau war doch nachvollziehbar in meinen Augen. Und es ist ein Film über die beiden Rennfahrer. Ich weiß nicht, was man da groß noch mehr auf die Beziehungen hätte eingehen sollen. Dabei ist die Szene, wo Lauda seine Frau kennenlernt eine der witzigsten und besten im Film.

PD: Natürlich ist der Fokus auf Lauda und Hunt gelegt, da ist es selbstverständlich dass die Nebenfiguren ein wenig hintan stehen. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass man aus beiden ein wenig mehr hätte heraus holen können. Das hätte aber einen wohl 20 Minuten längeren Film nach sich gezogen oder man hätte den Fokus verschoben. Wie gesagt: Es ist wohl das Maximum aus dem Stoff herausgeholt worden und meine Kritikpunkte sind da vernachlässigbar.

YP: Deine Guilty-Pleasure-Filme? Ich bin ja heuer total Cumberbatched, wieder mal.

PD: Bei mir dominiert überraschend Horrorkino.
Ich bin verwirrt, weshalb „Star Trek Into Darkness“ den unrühmlichen Titel „Schlechtester Star Trek“-Film erhalten hat (http://www.theguardian.com/film/2013/aug/14/star-trek-into-darkness-voted-worst).

YP: Ich bin kein Trekkie, kenne mich da bestimmt nicht so aus wie du, ich will da gar nicht so sein ins Detail gehen, aber für mich hat der Film funktioniert. Cumberbatch als Khan war natürlich ein herrlicher Bösewicht. Ich war unterhalten, sogar sehr. Fand ihn lustig. Hatte 2012 den Stellenwert, den wie „The Avengers“ 2012 hatten.

PD: Ich würde mich auch gar nicht als Trekkie sehen und fühlte mich auch gut unterhalten, auch wenn das Finale zu sehr in das typische Action-Krach-Wumm überging. Das hätte nicht sein müssen. Vor allem hatte der neue Star Trek dasselbe Problem wie „Man of Steel“. Eine ganze Stadt wird im Kampf Gut gegen Böse in Mitleidenschaft gezogen aber man sieht nicht mal ein Blinzeln in die Richtung der „Kollateralschäden“.

YP: Ach, gerade bei „Star Trek Into Darkness“ war das dann ein Mann-gegen-Mann-Kampf. Schön und gut, eine ganze Stadt wurde in Mitleidenschaft gezogen. In „Pacific Rim“ war es die ganze Welt. Damit kann ich leben.

PD: Bei „Pacific Rim“ wurde zumindest davon gesprochen, welche zivilen Schäden dies alles mit sich zieht, bei „Star Trek“ und „Man of Steel“ hingegen wurde das völlig ausgeblendet. Cumberbatch gab aber einen herrlichen Bösewicht ab.

YP: Im Gegensatz zum furchtbar verbissenen Michael Shannon in „Man of Steel“.

PD: Shannon tat mir richtig leid. Der ganze Film war so verbissen, dass man seinen General Zod gar nicht mehr anders anlegen konnte. So sehr ich Shannon schätze und auch seine Leistung in „Man of Steel“ anerkenne, so viel mehr gefiel mir Terrence Stamp als Zod in „Superman II“.

YP: Agree.
Also abschließend: Was ist dein Resümee vom Kino-Jahr 2013? Dein Gesamteindruck?

PD: Mir erschien, dass wir ein gutes Jahr hinter uns haben.

YP: Insgesamt gab es keinen Film, der mich umgehauen hat. Summa summarum gab es aber einige Filme, die mich für längere Zeit beschäftigt haben.

Cleopatra

20 Freitag Dez 2013

Posted by filmimdialog in Filmdialoge

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angelina jolie, cleopatra, elizabeth taylor, joseph l. mankiewicz, rex harrison, richard burton

„Film im Dialog“ bietet nicht nur einen Rahmen, aktuelle Kinofilme zu besprechen. Wir wollen an dieser Stelle auch Meilensteine und Klassiker der Filmgeschichte durchleuchten. „Cleopatra“ von Joseph L. Mankiewicz ist sowohl als auch, wobei der Film mit einigen Schwächen ausgestattet ist. „Cleopatra“ ist auch ein typischer „Feiertagsfilm“. Also ein Film, der während alljähriger Feiertage rauf und runter gespielt wird.

YP:„Cleopatra“ von Joseph L. Mankiewicz feierte heuer sein 50-jährigstes Jubiläum. Wann hast du den Film das erste Mal gesehen?

PD: Ich muss zugeben, dass ich diesen Mammutschinken bis vor ein paar Tagen niemals zur Gänze gesehen hab. Das ist ein typischer Feiertagsfilm, den man beim TV-Zappen erwischt, wo ein wenig hängen bleibt und den man sich doch nie zu Ende ansieht.

YP: Bei mir war das Mitte der 90er Jahre, irgendwann zu Ostern. Kann mich auch an die erste Hälfte sehr gut erinnern, dann wurde es für mich zu uninteressant und zu konfus. Und nach erneutem Sichten (ein weiteres Mal habe ich den Film vor ungefähr 10 Jahren gesehen) hat mich der erste Eindruck nicht getäuscht. Der Film wird nicht besser. Und bleibt gleich beeindruckend. Heute weiß ich ihn vielleicht mehr zu schätzen als damals als Kind bzw. Teenager.

PD: Womöglich weiß man solche Art von Filmen mit dem Alter eher zu schätzen, da man auch ein breiteres Filmwissen besitzt, aber das macht den Film deshalb nicht besser. Man erkennt eher, was bezweckt wurde. Dennoch muss ich Regisseur Joseph L. Mankiewicz recht geben, der meinte, das war „“the toughest three pictures I ever made“. Mir erschien es, als müsste man sich als Zuseher ebenso viel arbeiten. Auch interessant, dass du meinst, die 1. Hälfte war interessanter, da Mankiewicz das Epos als einen Zwei-Teiler angelegt hatte. Zunächst „Caesar and Cleopatra“ und dann „Antony and Cleopatra“. Ich muss dir zustimmen, die 1. Hälfte ist interessanter.

YP: Den Film assoziiere ich mit einer glorreicheren Hollywood-Ära. Die Opulenz, die Dekadenz, die Maßlosigkeit. Die Bilder brennen sich ins Gedächtnis ein und haben bei mir alles überschrieben. Das ist das Beeindruckende am Film. Wenn man die Hintergründe kennt, sieht man das ein wenig nüchterner. Ich meine, die Produktionskostenexplosionen. Der Film gilt noch heute als einer der teuersten Filme der Filmgeschichte, natürlich an die Inflation angepasst. Und der Film zeigt auch, dass es heute kein „Stardom“ wie damals gibt. Wir haben keine Elizabeth Taylor unserer Zeit.

PD: Zunächst, ja, „Cleopatra“ ist ein Mahnmal der Opulenz und der überbordenden Sets. Damit steht er ja nicht nur in einer Linie mit D.W. Griffiths „Intolerance“ – man denke da nur an das Set, welches für die Szenen in Babylon aufgebaut wurde – aber auch mit den Bibel- und Sandalenepen der späten Fünfziger- und frühen Sechzigerjahre. Man sieht aber auch, wie konservativ dieser Film inszeniert wurde. Womöglich war Mankiewicz als Regisseur die falsche Wahl. Er hat zwar sehr kompetent und mit dem Auge für Massenszenen alles ins richtige Licht gesetzt, aber außer den Massenszenen ist mir nichts im Gedächtnis geblieben. Weder die Liebesgeschichte von Cäsar und Cleopatra noch jene von Mark Anton und Cleopatra und auch nicht die Intrigen im römischen Senat. Das alles habe ich im Kopf, weil ich es aus diversen Geschichtsdokumentationen noch weiß. Nicht, weil mir dieser Film dies in irgendeiner Weise vermittelt hätte. Inhaltlich also ganz schwach.

YP: Am meisten schwächelt der Film im Erzählen der Geschichte. Wie du schon sagst, die Inszenierung der Massenszenen ist grandios, wortwörtlich gesehen. Aber die erzählten Stränge schwächeln immens. Der Film erhebt auch nicht den Anspruch, geschichtlich wertvoll zu sein. Bzw. ist kein Film, der Geschichte näherbringen will und tut sich auch sehr schwer dabei, eine Geschichte zu erzählen.

PD: Das nicht, aber er verwendet doch sehr viel Zeit darauf, die Liebesgeschichte(n) zu erzählen und zugleich auch den historischen Hintergrund mitzuliefern. Natürlich ist das keine Geschichtsvorlesung, aber es gibt schon den deutlichen Versuch, die Historie und das Melodram miteinander in Beziehung zu setzen. Weshalb es etwa so dramatisch für Cäsars Frau ist, dass er Cleopatra ehelicht und zwar nicht nur, um sich eine Machtposition in Ägypten aufzubauen, sondern da er sie wirklich liebt. Das wird aber kaum vermittelt. Es bleibt die Opulenz und das Verlangen, Elizabeth Taylor als Cleopatra verführerisch zu zeigen. Das war reinster Starkult. Taylor IST Cleopatra. Heute könnte ich mir so einen Film eigentlich nur mit Angelina Jolie vorstellen.

YP: Gut, dass du Angelina Jolie ins Gespräch bringst. Ich habe lange überlegt, welche Schauspielerin der Neuzeit für die Filmindustrie diese Bedeutung besitzt. Jolie ist ein Zugpferd. Was mir bei der Sichtung von „Cleopatra“ aufgefallen ist, Taylors Name wird in den Credits vor dem des Regisseurs gelistet. Und wie Elizabeth Taylor im Film gezeigt wird, das ist alles schon recht abgehoben und kitschig. Und auf eine Art und Weise auch lustig. Ich habe irgendwo gelesen, sie habe angeblich 65 Kostüme an den Leib geschneidert bekommen. Was mir aber aufgefallen ist: Die Kostüme entwickeln sich weiter. Es wird zumindest anhand der Kostüme die Geschichte einer Frau erzählt.

PD: Die Geschichte anhand der Kostüme. Das wäre mir gar nicht so aufgefallen, außer dass sie, da sie ja mehr und mehr Macht erlangt, natürlich immer glamouröser wirkt. Bis es schließlich zum tragischen Ende kommt. Ihr Name ist der erste, der genannt wird und dennoch dauert es etwa 30 Minuten, bis man sie erstmals zu Gesicht bekommt und da wird sie, wortwörtlich, vor Cäsar ausgerollt. Der Auftritt hatte etwas „Kokettes“. Der Augenaufschlag, der Blick. Taylor spielt das gut, aber das sind kleine Gesten in einem knapp vier Stunden langen Film. Bei der Art und Weise, wie dieser Film aufgebaut ist, hätten auch knapp 90 Minuten genügt.

YP: Einerseits denke ich mir, dass ein Film wie „Cleopatra“ heutzutage kaum vorstellbar ist. Andererseits und wenn ich mir einige Blockbuster der letzten Jahre anschaue, sind viele Filme wie „Cleopatra“. Es ist dann eine andere Sache, ob der Film an den Kinokassen floppt, aber „Troy“, „Alexander“, „Kingdom of Heaven“, das sind alles Filme, historische Epen, die nicht gut geworden sind. Unabhängig davon, wie viel sie eingespielt haben. Sie sind mit einem Riesen-Budget gedreht worden.

PD: Es gibt immer wieder die Versuche, das große historische Epos mit neuem Leben zu erfüllen. Nächstes Jahr haben wir dann plötzlich wieder das Bibel-Epos in voller Pracht vor uns, wenn Darren Aronofsky „Noah“ heraus bringt und Ridley Scott „Exodus“. Die große Ära dieser Filme ist aber vorbei. Selbst wenn es dann modernere und erfolgreiche Spielarten wie „Gladiator“ gibt.

YP: Dafür haben wir heutzutage filmtechnisch fortschrittliche Filme wie „Avatar“, die Tolkien-Verfilmungen von Peter Jackson, Nolan-Filme, unzählige Comic-Verfilmungen. Wir befinden uns in sehr glorreichen Hollywood-Zeiten, könnte man fast sagen.

PD: Hoch budgetierte Blockbuster, ja, das wird es geben, solange sie auch Geld einbringen. Natürlich, aber dass man sich auf die Geschichten aus dem alten Rom oder griechische Mythen oder dergleichen stürzt, scheint mir doch, für den Augenblick, passé. „Cleopatra“ gilt ja insgeheim als der Grund, weshalb diese Art der Filme dann ihr plötzliches Ende fand. Wenn man bedenkt, dass nur drei Jahre vor „Cleopatra“ Stanley Kubrick seinen hervorragenden „Spartacus“ in die Kinos brachte … da ist wirklich eine Ära zu Ende gegangen.
…und teilweise Schuld trägt eben der zäh inszenierte Film. Womöglich würden wir heute tatsächlich von einem Klassiker sprechen, hätte Mankiewicz seinen Willen erhalten und zwei Filme heraus bringen dürfen, anstelle von einem überlangen. Denn gerade die ersten zwei Stunden, mit Cäsar und Cleopatra, bergen doch sehr viele lohnende Momente.

YP: Aber die Länge ist nicht das Problem des Films, es ist die zähe Erzählweise. Die Geschichte schleppt sich irgendwie durch die Filmstunden. Das ist das Zähe dran. Darum sage ich auch, dass ich die erste Hälfte schon damals für gut befunden habe und dann wird es langweilig.

PD: Die Länge ist ja ein Teil des Problems, da viel zu viel Aufmerksamkeit in die Zurschaustellung der verschiedenen Sets gesteckt wird. Das Auge soll sich satt sehen. Das ist zwar mehr als verständlich, wenn ich schon solche Sets bauen lasse, aber wenn ich dann keine gute Geschichte zu erzählen weiß bzw. den Charakteren nicht gerade die besten Dialoge zur Verfügung stelle, dann wird es zäh und dann wird auch die Länge zu einem Problem. Die zweite Hälfte, die Liebesgeschichte zwischen Mark Anton und Cleopatra hätte man ja auch spannend erzählen können. Die Intrigen im Senat, die Machtkämpfe, all das wird in unglaublich langweiliger Weise dargestellt. Es gibt kein Gefühl für den Raum, für die Weite des ägyptischen Reiches oder wie sich die Machtblöcke im Senat aufteilen. Alles ist nur da. Völlig platt.

YP: Gefühl für Raum bekommt der Film dann in der Szene beim Eintreffen Cleopatras in Rom. Oder wenn Cäsar nach Alexandria kommt. Was mich zum Beispiel wunderte: jetzt nehmen sie schon das Abfackeln der Bibliothek von Alexandria in den Film hinein und dann zeigen sie das gar nicht, anstatt dessen einen Schlagabtausch zwischen Cäsar und Cleopatra. Hier wurde auch viel mehr wert auf die Beziehungsebene der Figuren gelegt als auf das Drumherum. Ein schwaches Drehbuch war das. An den opulenten Sets konnte man sich nicht sattsehen, wäre das Drehbuch stärker bzw. flüssiger gewesen, wären die 4 Stunden wie im Flug vergangen.

PD: Nein, dem muss ich widersprechen. Gut, wenn Cleopatra in Rom ankommt, dann gibt es für einen Moment dieses Gefühl. Das ist auch eine wirklich gut inszenierte Massenszene, aber wenn Cäsar in Alexandria am Hafen ankommt und sich durch den Markt „kämpfen“ muss, dann vergehen diese Augenblicke wie im Flug. Es wird eine Barriere aufgebaut (Cäsar muss am Markttag irgendwie durch die Menge, zum Pharao hinauf, das wird sicher schwer) und dann ist dies mit einem einzigen Satz erledigt und Cäsar steht plötzlich beim Pharao und seinem Hofstaat. Da ist überhaupt kein Gefühl für den Raum da. Weshalb die Zerstörung der Bibliothek nicht mit in den Film genommen wurde, im Sinne von „Zeigen“ ist mir auch ein Rätsel. Der Wutausbruch von Cleopatra hatte dann schon Ähnlichkeiten mit dem Wutausbruch von Cleopatra bei Asterix.

Wie gefielen dir die Darsteller? Ich hatte etwa Probleme mit Rex Harrison als Cäsar. Es dauert einige Zeit bis ich ihm die Rolle abnehme, während Taylor alleine durch ihren „Star-Glanz“ bereits die Rolle übernimmt. Richard Burton wieder habe ich kaum wahr genommen, ehe er plötzlich mit Cleopatra anbandelte.

YP: Rex Harrison gefiel mir sehr gut. Er war ein sympathischer Diktator, das habe ich mir die ganze Zeit gedacht. Oder besser: sehr charismatisch für einen Diktator. Und wie er von ihr eingenommen wurde, trotz des offensichtlichen Altersunterschieds. Und Elizabeth Taylor ist atemberaubend. Punkt. Bei Burton sehe ich das so wie du. Etwas glanzlos. Mir hat Martin Landau gut gefallen.

PD: Es waren eher die Szenen zu Beginn, wenn Cäsar im Lager steht und über die weitere Vorgehensweise sinniert. Harrison „over-acted“ da zu sehr und von da weg, hat es ein wenig gedauert, bis ich ihm den Diktator abkaufte. Bei Taylor würde ich nicht atemberaubend sagen, aber sie hat die Rolle in all ihrem Glanz ein- und angenommen. Dafür fehlte mir jegliche Tragik. Es perlte alles an ihr ab und das war nicht unbedingt ein positiver Aspekt des Films. Landau erkannte ich zunächst gar nicht, dafür hat mir Roddy McDowall als Octavian ganz gut gefallen. Zu Beginn dem Geschehen völlig entrückt und im Fortdauer des Films, der einzige interessante Aktivposten.

YP: Dass alles abprallte hat ja wohl was damit zu tun, dass beide für mich starke Frauencharaktere darstellen. Sowohl Cleopatra als auch Liz Taylor. Die eine Herrscherin über Ägypten, die andere Herrscherin über Hollywood. Mein Vergleich hinkt schon ein wenig, aber beide Frauen haben in meinen Augen unglaubliches Selbstbewusstsein.

PD: Selbstbewusstsein ist ja schön und gut und Cleopatra soll ja auch als selbstbewusst dargestellt werden, aber ich hatte eher das Gefühl, dass man nur ihren Glanz und ihren Mythos darstellen wollte. Eine unheimliche Schöne, eine mysteriöse Mächtige, die die Männer um ihren kleinen Finger wickelt. Deshalb waren auch die Kostüme interessanter als die eigentliche Darstellung. Gerade deshalb muss(te) diesen Charakter, wenn er so angelegt wird, eine Darstellerin spielen, die auch selbst über dieses Image verfügt. Nur deshalb kommt einem ja auch Angelina Jolie in den Sinn, wenn man an eine neue Fassung von „Cleopatra“ denkt. Ein guter Film bzw. eine gute Darstellung, machen aber mehr daraus als puren Glanz und Oberfläche.

YP: Ist nicht aktuell Ang Lee daran interessiert, Cleopatra mit Angelina Jolie zu verfilmen? Ich bin zuversichtlich, es kann nur besser werden!

PD: Interesse an neuen Cleopatra-Fassungen gab es und gibt es immer wieder. Steven Soderbergh wollte ein Musical (Cleo 3D) mit Catherine Zeta-Jones verfilmen. Das wäre auch interessant geworden. Zeta-Jones passt auch in diese Kategorie, auch wenn sie nicht so ein großer Star wie Elizabeth Taylor oder Angelina Jolie ist.

L’inconnu du lac

13 Freitag Dez 2013

Posted by filmimdialog in Filmdialoge

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alain guiraudie, cahiers du cinema, cruising, irreversible, l'inconnu du lac, sight & sound, william friedkin

Einmal mehr wollen wir uns über einen aktuellen Kinofilm unterhalten. Es wird ein Film einer weiteren großen – diesmal europäischen – Filmnation. Der französische Filmemacher Alain Guiraudie hat mit „L’inconnue du lac“ einen sehr schönen und stimmungsvollen Film gemacht, der viel mehr ist als eine Charakterstudie, ein Kriminalfilm und ein Liebesfilm. Nach dem Cannes-Erfolg für den Regisseur Guiraudie bereiste er mit dem Film im Schlepptau die Festivalwelt (TIFF, New York Film Festival, BFI London Film Festival), und läuft seit einer Woche in den österreichischen Kinos an.

(Spoilerwarnung im folgenden Dialog)

PD: Was sagt dir der Name Alain Guiraudie?

YP: Auf Französisch: Rien! Ich muss zugeben, noch nie einen Film von ihm gesehen zu haben. Bis gestern „L’inconnu du lac“. Das war meine Guiraudie-Premiere. Und dann noch dazu mit diesem Film.

PD: Mir war dieser Filmemacher zuvor völlig unbekannt. Dank „L’inconnu du lac“ ist er jetzt dafür umso eindringlicher in mein filmisches Gedächtnis gebrannt worden. Das wäre eine Gelegenheit, um sich vorhergehende Arbeiten anzusehen. Zeigt aber auch, dass man einen entsprechenden „Hit“ nötig hat, um im internationalen Filmgeschehen wahrgenommen zu werden. Immerhin ist das der Top-Film des Jahres für „Cahiers du cinema“ und auch im „Sight & Sound“-Jahresrückblick landet er in den Top 10. Beeindruckend.

YP: War das für dich ein sinnlicher Film? Ich habe den Film nicht so empfunden.

PD: Ich glaube kaum, dass Guiraudie einen sinnlichen Film drehen wollte. Die ganze Machart hatte etwas sehr Dokumentarisches. Zudem zeigt er ja viele Spielarten der Sexualität. Der eher leichtlebige Cruiser Franck, der sehr vorsichtige Eric und schließlich der Spanner. Für mich war es faszinierend, wie all diese Formen der Sexualität auf sehr nüchterne Weise eingefangen wurden. So bekam der einsam für sich am Strand sitzende Henri zu Beginn eine etwas unheimliche Aura. Kein Wunder bei dem Titel.

YP: Der gutgebaute Verführer, der auf Sex verzichtende Freund, der eifersüchtige Aufsässige, der übervorsichtige Liebhaber usw.

PD: Eine schön durchkomponierte Szenerie. Der übervorsichtige Liebhaber gab dem Film auch eine aktuelle Note. Seine Vorsicht in Bezug auf Geschlechtskrankheiten hat den Film aus seiner zeitlosen Inszenierung geholt.

YP: Henri, der immer ganz Außen saß und von sich behauptete, heterosexuell zu sein und nur wegen der Ruhe und Friedlichkeit den See aufzusuchen. Das war doch der sympathischste und zugänglichste Charakter.

PD: Er war mir auf Anhieb sympathisch, aber er war mir zu Beginn auch ein wenig unheimlich, da er den Strand mit seinen Blicken musterte. Man konnte nicht wirklich erahnen, weshalb er überhaupt am Strand ist.

YP: Und hat auch den Buddy bzw. Kumpeltypen gespielt. Wo absolut eine eindeutige Grenze zwischen Sex und Freundschaft gezogen wurde.

PD: Dazu wurde er aber später. Erst als Michel, der Macho-Verführer, auf den Plan trat, war klar, dass er „nur“ ein Kumpel ist. Mir gefiel auch der Dialog zwischen Henri und Franck, in dem Henri erklärte, was er erwarte, dass Sex auch nur eine Form der Intimität ist. Das war wunderbar geschrieben und ebenso schön gespielt. Vor allem da es für Franck eine völlig neue Sichtweise zu sein schien. So nebenbei: Die Darsteller haben mich allesamt begeistert. Vor allem der etwas deplatziert wirkende Inspecteur.

YP: Fand ich auch großartig! Ich möchte noch zwei Anmerkungen machen. Der Film hat gänzlich auf Musik und gänzlich auf Frauen verzichtet.

PD: Der Verzicht auf Musik fiel mir gar nicht auf, aber die Abwesenheit von Frauen war natürlich sofort auffallend. Das war aber aufgrund des Settings recht logisch.

YP: Die Frauen waren ja nur physisch nicht präsent. Sie sind ja immer wieder erwähnt worden.

PD: Vor allem wenn Henri Teil des Gesprächs war. Eine Polizistin, die den Fall untersucht, hätte eine ganz andere Wahrnehmung in die Sache gebracht.
Was weniger funktionierte, war die Verschmelzung mit den Thriller-Aspekten.

YP: Das war doch weniger eine Verschmelzung als eine Wende. Bis zum Vorfall im See war das ein ganz anderer Film.

PD: Dennoch verläuft der Film in gewohnten Bahnen weiter. Man sieht zwar das Dilemma in dem sich Franck befindet aber die Thriller-Aspekte, der ermittelnde Inspecteur und die unabwendbaren Folgen am Ende sind schon vorhanden.

YP: Nicht, dass sich der Ton des Films groß geändert hätte, aber für mich wurde es dann viel spannender. Und ich fühlte mich weniger als Voyeurin.
Der Ton, aber der Film ging eine andere Richtung.

PD: Das meinte ich, der Ton bleibt gleich, aber der Film geht in eine andere Richtung, nur dass durch den gleich bleibenden Erzählstil, die klassischen Thriller-Aspekte weniger zum tragen kommen. Man weiß zwar genau, was auf einen zukommt, aber es hat nicht diese Dringlichkeit. Nicht, dass ich das schlecht finden würde, mir gefiel der Verzicht auf klassische Thriller-Elemente. Mir schien nur, als ob es am Ende ein Thriller im Stil von Hitchcock hätte sein sollen.

PD: In die Rolle des Voyeurs wird man auch kaum gedrängt, entweder man sieht was Franck sieht oder man bekommt einen generellen Überblick über das Geschehen. Selbst bei den Sexszenen fühlte ich mich nicht als Voyeur.

YP: Der Regisseur ließ uns durch Francks Augen schauen und Franck war zweifelsohne ein Voyeur. Das macht das Publikum notgedrungen auch zum Voyeur. Gewissermaßen zum Schaulustigen.

PD: Es gab aber immer die Distanz, zwischen Franck und dem Publikum. Er ist ja selbst Teil der sexuellen Handlungen und darin kein Voyeur sondern lustvoller Teilnehmer. Mit Voyeurismus impliziere ich eher etwas Negatives. So wie den Spanner, der sich in die Nähe der Paare stellte und masturbierte.

YP: Ich habe mir anschließend auch „Crusing“-Clips auf YouTube angesehen. Mit Al Pacino in der Hauptrolle. Der Film ist von William Friedkin.

Link: http://www.youtube.com/watch?v=gp1FngKHPy8

PD: Den wollte ich eben erwähnen.

YP: Das ist ein ganz anderer Film als „L’inconnu du lac“. Wobei das auch ein Erotikthriller ist, der in einer Subkultur spielt.

PD: Ich habe ein Interview im profil nachgelesen, in dem Stefan Grissemann und Guiraudie darüber sprechen, wie überraschend es doch ist, dass viele Kritiker an „Cruising“ denken, wenn sie „L’inconnu du lac“ sehen. Ich finde den Gedanken mehr als naheliegend. „Crusing“ ist einer meiner liebsten filmischen Fehlschläge. Der hätte richtig gut werden können, ist aber ziemlich chaotischer geworden.

YP: Wobei der Film bedenklich ist. Intercuts zwischen Mordszenen und schwulen Sex – das finde ich in der Darstellung sehr problematisch!

PD: Mir erscheint aber die Verbindung zwischen Friedkins Thriller und Guiraudies Film nicht weit hergeholt. Der Mord im Pornokino ist das glaube ich? Ja, da wird eine Verbindung hergestellt. Zwar will Friedkin wohl zeigen, wie sehr der Mörder Schwule hasst, aber im Endeffekt verbindet er nur die Clips mit dem Mord auf eine unangenehme Weise. Interessant wäre jetzt natürlich „Interior. Leather Bar.“ endlich mal zu Gesicht bekommen. Ein Film (von James Franco) über eine Sequenz in „Cruising“, die es dann nicht in den fertigen Film geschafft hat.

YP: Angeblich handelt es sich dabei um 40 Minuten Material. Wobei, da fällt mir ein: in einem Interview beschwert sich Guiraudie über den Widerwillen, den Pacino bei den Kussszenen mit Männern angeblich an den Tag gelegt habe. Er spielt einen heterosexuellen Charakter, der undercover in der Schwulenszene ermittelt. Finde den Widerwillen insofern keineswegs befremdlich, als er als Figur eine Rolle spielen muss.

PD: Da ist viel rausgeflogen und das Medienecho rund um den Film war ja so schon sehr – sagen wir mal – holprig. Pacinos Widerwillen verstehe ich ein wenig, aber er spielt eben einen Polizisten, der undercover ermittelt. Da ist es – auch aus Sicht des Charakters – klar, dass er irgendwann mal einen Mann küssen wird. Bei Pacino bin ich mir nicht sicher. Ich habe beinahe alle seine Filme gesehen, Interviews, Interview-Bücher und Artikel gelesen und weiß, dass er für eine Rolle, an die er glaubt, sehr viel bereit ist zu tun. Aber rund um „Cruising“ gab es viele Probleme und es ist angeblich auch der Film, den Pacino bereut jemals gedreht zu haben. So gesehen, war ihm vielleicht während der Dreharbeiten der ganze Proteststurm rund um den Film bereits unangenehm und er merkte, wie sich das entwickeln sollte.

YP: Was „Crusing“ betrifft, sprechen wir von den 80ern. Heute haben wir 2013 und noch immer verlassen Menschen bei gay sex das Kino.

PD: Noch immer ist in vielen Medien das Hauptthema der explizit gezeigte Sex, aber da ist es wieder unwichtig, ob es sich um homosexuelle oder heterosexuelle Szenen handelt. Siehe etwa „Nymphomaniac“.

YP: Ohne den explizit gezeigten Sex wäre „L’inconnu du lac“ das ein ganz anderer Film geworden. Der Sex ist wichtig, um die Geschichte zu erzählen. So banal das klingt, aber du kannst keinen authentischen Film über Cruising in der Schwulenszene machen und den Sex ausblenden. Dann wäre es kein authentischer Film

PD: Meine vollste Zustimmung.“Cruising“ ist ja auch ein eigenartiger Film. Ein A-List-Star in einem Mainstream-Thriller, der sich in die Cruising-Szene begibt und dabei Sex und blutige Morde verknüpft, aber weder das eine noch das andere wirklich konsequent durchdenkt, sondern auf halbem Blockbuster-Weg stecken bleibt. Und das von William Friedkin. Sonst hätte er auch niemals ein R-Rating erhalten und mit einem NC-17 brauchst einem großen Studio gar nicht erst zu kommen.

Spoiler!

Guiraudie hingegen hat sich die Zeit genommen, um seine Handlung langsam und konsequent aufzubauen. Jede Szene wirkt natürlich. Ob die Gespräche am Strand, die Morde oder auch die sexuellen Handlungen. Gut, es sind auch zwei völlig unterschiedliche Filme. Mir gefiel auch die Regelmäßigkeit. Alles folgte einem Rhythmus, mit dem Eintreffen am Parkplatz, wo scheinbar immer dieselben Autos standen über die Gespräche und schließlich hin zum Sex im Gebüsch.

YP: Guiraudie zeigt in „L’inconnu du lac“ die Morde nicht wirklich – zumindest nicht aus der Nähe. Der erste – wunderbar inszenierte – ist in der Totalen. Dann der zweite im Gebüsch, wo man zwischen sexueller Handlung und Mord gar nicht unterscheiden kann. Und dann der dritte, auch weit entfernt.

PD: Ja, stimmt. Mir gefiel auch, dass die Morde, vor allem der zweite, nicht so klar zu erkennen waren. Die Folgen zeigte er aber dafür umso deutlicher.

YP: „L’inconnu du lac“ hat bei den Filmfestspielen in Cannes den Regiepreis in der Schiene „Un certain regard“ gewonnen.

PD: Einen Preis, den er völlig zu Recht gewonnen hat. Ohne diesen Erfolg in Cannes wäre der Film aber wohl kaum international verliehen worden. Jim Jarmusch sagte ja einmal, dass er Preise nicht unbedingt mag aber wenn sie dabei helfen, die Filme zu verkaufen…

YP: Für weniger arrivierte Filmemacher sind Festivalpreise sehr wichtig.

PD: Gerade die „Un certain regard“-Reihe ist eine sehr feine Nebenschiene, in der sich Filme wiederfinden, die im Hauptbewerb übersehen worden wären.

YP: Zu der gestrigen Vorführung im Stadtkino im Künstlerhaus will ich noch etwas erzählen: Ein junges heterosexuelles Pärchen ist vor mir gesessen. Bzw. sind sie mehr über einander hergefallen in der ersten halben Stunde des Films. Bei der ersten expliziten Sexszene haben sie dann den Kinosaal verlassen. Das hat mich sehr verwundert. Ich hätte sie gerne gefragt, warum sie gegangen sind. Weil ihnen die Sexualität – die auf die Leinwand projizierte – zu viel geworden ist? Oder, weil sie im falschen Film gesessen sind. Das merkt man aber schon früher und nicht erst nach 40 Minuten.

PD: Das mag gar nichts heißen. Oft genug ist doch die Dunkelheit des Kinosaals nur der Rückzugsort, um übereinander herzufallen und wenn es dann zu „heiß“ wird, dann entfernt man sich in privatere Gefilde. Oder sie wollten eigentlich in ein Erotikkino und bemerkten zu spät ihren Fehler. Wer weiß.

YP: Aber warum sind sie überhaupt im Film gesessen? Weil Der Standard davon berichtete? Weil der Film auf der Viennale gezeigt wurde?

PD: Womöglich beides.

YP: Was mich irritiert hat, ist vielmehr die Selbstverständlichkeit mit der die beiden ihre Zuneigung zueinander publik machen und zeigen – eben im Kino, also in einem öffentlichen Ort und dann einen Film verlassen, der dies mitunter auch thematisiert. Und ich wette, die beiden hätten den Saal nicht verlassen, würde der Film heterosexuellen Geschlechtsverkehr dermaßen  offenkundig zeigen!

PD: Noch viel interessanter finde ich, dass es sich offenbar um ein heterosexuelles Paar handelt, welches sich bei explizit gezeigten homosexuellen Handlungen dazu verleitet sieht, offenbar so schnell wie möglich miteinander zu schlafen oder wonach ihnen gerade der Sinn stand. Glaubst du, es hat sie irritiert? Für mich klingt es so, als hätte es sie eher angeheizt.

YP: Nein, die sind ja bei der ersten etwas – offenherzigeren – Szene aus dem Kino gestürmt!

PD: Ach so. Dann habe ich das falsch verstanden. Ich wette ja, bei einer lesbischen Sexszene wären sie sitzen geblieben.

YP: So wie du habe ich das gar nicht betrachtet.

PD: Das letzte Mal, dass ich sah, dass Personen bei einer expliziten Szenen einen Film verließen, war bei der Vergewaltigungsszene in „Irreversible“.

The Counselor

06 Freitag Dez 2013

Posted by filmimdialog in Filmdialoge

≈ 2 Kommentare

Schlagwörter

Brad Pitt, Cameron Diaz, Cormac McCarthy, Gladiator, Michael Fassbender, Penelope Cruz, Ridley Scott, Russell Crowe, Savages, The Counselor

Filme von Ridley Scott sind stets Pflichttermine im filmischen Kalender und wenn er dann auch noch ein Drehbuch von Cormac McCarthy verfilmt, sollte doch eigentlich nichts schief gehen. Ein Gespräch über philosophische oder doch nur aufgesetzte Dialoge, Auslassungen in der Handlung und die Vielseitigkeit von Ridley Scott. Zudem versuchen wir die wichtige Frage zu beantworten, womit genau Cameron Diaz Angst verbreitet.

YP: Welche Szene aus „The Counselor“ ist dir am meisten in Erinnerung geblieben? Das war doch – wenn irgendwas – dann ein bildgewaltiger Film. Sehr auf das Visuelle verlagert.

PD: Das war dann wohl Cameron Diaz und ihr Ritt auf beziehungsweise mit dem Ferrari. Ridley-Scott-Filme sind immer sehr auf die visuelle Ebene fixiert, aber zumeist schafft er es auch darüber hinaus eine interessante Geschichte zu erzählen. In diesem Fall war das Drehbuch eine Ansammlung von Logiklöchern und Möchtegernphilosopischen Dialogen.

YP: Die Szene ist von Reiner (Javier Bardem) schön nacherzählt worden und schön gegengeschnitten von Scott. Aber ehrlich gesagt: so besonders fand ich das dann auch wieder nicht. Was war denn bitte dabei?

PD: Die Szene steht für mich sinnbildlich für das ganze Problem des Films. Reiner erzählt dem Counselor (Fassbender) diese Anekdote von seiner Freundin und dem Ferrari, und am Ende fragt der Counselor „Warum erzählen sie mir das?“ und Reiner meint „Ich weiß auch nicht.“ Das war die meiste Zeit mein Gefühl in diesem Film. Warum sehen wir das? Keine Ahnung. Was blieb dir in Erinnerung?

YP: Zwei Szenen: Einerseits die Jagdszene mit den Geparden, weil die Landschaft einen großen Stellenwert bekommen hat. Die Geparden sind Teil der Natur und die Tatsache, dass sie Malkina (Cameron Diaz) als Schmusekatzen zweckentfremdet, fand ich sehr befremdlich. Und natürlich die rohe Gewalt in der Szene, wo Westray (Brad Pitt) im wahrsten Sinne des Wortes an Kopf und Kragen gegangen wird.

PD: Das fand ich wieder ein wenig verlogen. Der Film hat kein Problem auf recht drastische Art und Weise Gewalt darzustellen, den Zuseher mit der Aussicht auf Gewalt geradezu zu locken (etwa das Gespräch von Westray mit dem Counselor, bezüglich Folterungen und Enthauptungen) und dann wird dies gegen Ende des Films mit einer Demonstration verzweifelter Bürger gegen die Gewalt gegengeschnitten. Das war unglaublich verlogen.

YP: Allerdings handelt es sich um sehr verlogenes Gewerbe.

PD: Das Geschäft ist verlogen, schön und gut, aber die Szene mit den Demonstranten war völlig unpassend.

YP: Ach, das hatte vielleicht auch mit der Verzweiflung vom Counselor zum Schluss hin zu tun. Zu wissen, es werde mit 100 %-iger Sicherheit etwas eintreffen, wovor er sich so fürchtet und nur darauf zu warten, wann das sein wird?

PD: … und deshalb die Demo-Szene vor der Kirche? Nach dem Motto: Du bist nicht allein in deinem Leid? Nein, das war Mitleidsgeheische mit einem Charakter, der sehr wohl wusste, was er tut.

YP: Die Szene war nicht befremdlich. Es sind viele junge Frauen in dieser Gegend verschwunden. Mit der Szene war es so, als wollten sie uns zeigen, was mit den vielen verschwundenen Frauen passiert ist. Wir wissen ja, was dann folgt … Vielleicht war das ein Erklärungsversuch und ein Aufzeigen, wo die ganzen Frauenleichen der Juarez-Region hingekommen sind.

PD: Das kauf ich dem Film nicht ab. Tut mir leid, aber das hat mich in keinster Weise berührt oder nachdenklich gestimmt oder auf die Situation der Frauen in Juarez aufmerksam gemacht.

YP: Die unzusammenhängende Erzählweise des Films, das Auslassen von wichtigen Details, keine Einführung der Charaktere, das hat mich alles nicht gestört. Die Dialoge stehen für sich. Es wird eine Geschichte erzählt, aber der Zuschauer wird nicht bedient.

PD: Ich habe kein Problem mit Auslassungen oder Verknappungen, auch auf der Dialog-Ebene, wenn man es sinnvoll macht. Bei „The Counselor“ hingegen gibt es Auslassungen, die schlicht keinen Sinn ergeben und beinahe jeder Charakter ergeht sich in metaphorischen Gleichnissen. Es klingt nicht nur alles gleich, sondern mit der Zeit auch lächerlich.

YP: Nein, es wurde trotzdem viel mehr erzählt als schließlich gezeigt wurde. All diese Gespräche z.B. jenes des Counselor mit Westray über Snuff Filme usw. Das hätte auch gezeigt werden können. Scott entschied sich dagegen.

PD: Als Westray seine amüsanten exzentrischen Auftritte hatte, waren diese Metaphern amüsant, aber wenn dann schließlich vom mexikanischen Gangster bis zum Counselor und Reiner sich allesamt nur noch in Metaphern unterhalten, wurde es mühsam und gestelzt. Die Charaktere sind überhaupt so ein Thema. Was genau wusste Laura (Penelope Cruz) von den Geschäften ihres Göttergatten?

YP: Sie wird wohl eins und eins zusammengezählt haben. Du kriegst nicht einfach so einen 3,9-Karat-Diamantring geschenkt und stellst keine Fragen. Ich kaufe dem Film Vieles nicht ab, aber er ist vollbepackt mit Informationen, man muss nur wissen, wo man nachschaut.

PD: Mir erschien er eher überladen mit Andeutungen, und die „man muss nur wissen, wo man nachschaut“-Sache, ist dann eben eine Sache des Regisseurs. Der muss dann schon auch entscheiden, was er zeigt und was nicht. Die Dialoge alleine können den Film nicht tragen, dann wäre es ein Theaterstück.

YP: Mich hat ja diese Schwarzweißmalerei bei den Figuren gestört. Was etwa hatte Laura mit Malkina zu tun? Dieses Treffen im Clubhaus am Pool.

PD: Eben. Wieder eine Szene die einfach in der Luft hängt. Malkina amüsiert sich über Laura, über ihren Glauben, über ihre Kirchgänge und später ist Malkina bei der Beichte. Auch so eine völlig wirr in die Geschichte geworfene Szene, die zwar ganz amüsant anzusehen war, aber nichts brachte. Weder für die Ausformung des Charakters, noch für die Handlung.

YP: Darum habe ich auch die Vorlage von Cormac McCarthy gelesen und ob du es glaubst oder nicht: diese lieferte mir keine neuen Erkenntnisse. Bin nicht schlauer als nach dem Film. Das Wenige, was ich nach dem Film wusste, hat sich nur noch mehr manifestiert. Ich wage zu behaupten, dass die Vorlage sehr gut von Scott umgesetzt wurde.

PD: Ich wage eher zu sagen, dass Scott sich sklavisch an die Vorlage (es war ja McCarthys 1. Drehbuch) fesselte. Das ist keine gute Arbeitsweise. Ein guter Regisseur muss auch bei einer Autorenlegende mal das Drehbuch überarbeiten, wenn es wo nicht passt.

YP: Nein, der Schluss ist anders. Er hat einige Szenen weggelassen, auch abstrakte Szenen. Das hätte dann andere noch abstraktere Formen angenommen. Mich faszinierte Malkinas Charakter. Sie ist im Gegensatz zur jungfräulichen Laura sehr facettenreich und macht scheinbar, was sie will, ohne Rücksicht auf Verluste.

PD: Diaz hat sie ganz passabel gespielt, auch wenn ich ständig das Gefühl hatte, dass etwa Charlize Theron aus dem Charakter viel mehr heraus geholt hätte. Bei Diaz war Malkina kalt, aber das war es auch schon. Kalt.

YP: Malkina ist in der Vorlage dunkelhaarig. Allerdings spielt sie Diaz so grazil, wie es ihre Geparden sind. Willst du sagen, sie ist so austauschbar?

PD: Diaz war austauschbar. Das liegt aber nicht gerade am scharf ausgefeilten Charakter. Doch da kann man jeden Charakter her nehmen, vom Counselor (der aber ganz bewusst eine Hülle bleibt) über Reiner und Laura hin zu Malkina. Alles sehr flache Charaktere. Auch der Reiz in Westray, liegt rein in der Darstellung und nicht im Charakter. Ich hatte grundsätzlich mit Brad Pitt die meiste Freude. Er spielte diesen weit gewanderten Gangster mit so viel Gusto und Freude. So wie er die Dialoge rüber brachte, von knallhart zu amüsiert wechselte. Das hat Spaß gemacht. So wie Woody Harrelson in „No Country for Old Men“ und wenn man genau ist, ist das im Grunde derselbe Charakter.

YP: Das ist eine Schauspielerin, die 2 Jahrzehnte lang einen Typ Frau gespielt hat und jetzt spielt sie eine sehr düstere Gangsterin. Eben nicht einmal eine Gangsterbraut. Sicher hätte ich mir Charlize Theron auch gut in dieser Rolle vorstellen können. Und Brad Pitt sucht sich seine Rollen mittlerweile gut aus. Auch wenn es – wie in diesem Fall – nur Nebenrollen sind.

PD: Also düster fand ich Malkina nicht, nur kalt und das konnte sie auch schon zuvor, das ist jetzt keine Überraschung. In „Vanilla Sky“ etwa oder selbst die egoistische Lehrerin in „Bad Teacher“. Pitt hat spätestens mit „Troy“ aufgehört den Schnuckel-Typ zu spielen. Der weiß mittlerweile sehr gut, was er tut. Mir gefiel er ja auch in dem unterschätzten „Killing Them Softly“ aus dem Vorjahr.

YP: Düster, weil ich nicht wissen will, was für Geheimnisse sie mit sich rumschleppt. Es gibt Gründe, warum sie so kalt ist. Sogar Reiner – ihrem Lover – ist sie unheimlich.

PD: Sie hat eine gewisse bedrohliche Ausstrahlung an sich, aber hauptsächlich ist sie eiskalt. Wenn sie Reiner eröffnet, dass sie nicht da sein wird, wenn „die Axt fällt“, dann weiß Reiner genau, dass sie nur auf sich selbst schaut. Das ist kalt aber nicht unbedingt düster. Angst hatte er eher nach dem Ferrari-Stunt.

YP: Sie kennt aber auch keine Grenzen. Das hat mir Angst gemacht.

PD: Die wurden aber nicht unbedingt gezeigt. Da fand ich den mexikanischen Boss düsterer, der so gemütlich beim Kaffee über Mord und Totschlag sprechen konnte, wenngleich mir sein pseudo-philosophisches Geschwafel gehörig auf den Geist ging.

YP: Die Dialoge und die Bilder waren zweifellos das Beste am Film. Die Dialoge, weil sie metaphorisch zu verstehen sind.

PD: Die Dialoge waren aber derart aufgesetzt. Wenn du den meisten Charakteren beinahe immer dieselben Dialoge in den Mund legst, verlieren sie ihre Wirkung. Wie schon erwähnt: Wenn Westray seine Metaphern anbringt, ist das humorvoll aber wenn dann auch noch Reiner, der Counselor, Malkina etc. sich in Metaphern ergehen, ist das nur noch öde.

YP: Mir fällt gerade ein, entweder wird viel geredet in „The Counselor“ oder gar nicht. Diese vielen langen wortlosen Einstellungen, wo die Kamera den Figuren auf Schritt und Tritt folgt, z.B. dem The Green Hornet am Motorrad oder dem Wire-Man in der Wüste. Das war schon fesselnd.

PD: Das erinnerte mich an die besten Szenen in „Breaking Bad“, wohl auch aufgrund der Wüstenlandschaft.

YP: … oder an „Savages“ von Oliver Stone.

PD: An „Savages“ musste ich auch sehr oft denken und mir gefiel „Savages“ besser. Da war zumindest nur ein Charakter der pseudo-philosophischen Blödsinn gefaselt hat. Ich frage mich, ob ein anderer Regisseur den Mut gehabt hätte, sich etwas mehr über die Vorlage hinwegzusetzen, denn Ridley Scott. John Hillcoat hatte ja für „The Road“ ein paar Rückblenden eingebaut. Das ist nicht viel, aber eine kleine eigene Note.

YP: Schwer zu sagen. Eventuell David Fincher? Der hätte es düsterer gestaltet, nicht minder bildgewaltig.

PD: Womöglich eher ein jüngerer Filmemacher. Cary Fukunaga oder Rian Johnson.

YP: Selber Gedanke! Allerdings passt Scott doch gut. Es ist eigentlich unglaublich, er macht Filme wie „Prometheus“, „A Good Year“, „Robin Hood“ und „Kingdom of Heaven“, dann „The Couselor“, um ein paar Filme der letzten Jahre zu nennen. Wobei „Kingdom of Heaven“ und „Robin Hood“ richtig schlecht waren. Ein vielseitiger Regisseur.

PD: Das spricht ihm ja keiner ab. Vielseitig ist er, aber von den genannten Filmen war „Prometheus“ der einzige der auch unterhaltsam war…obwohl der in der zweiten Hälfte auch in sich zusammen fällt. Dennoch scheint mir, der letzte Scott-Film den ich richtig gut fand, ist „Matchstick Men“ (2003). Bis auf den sehr moralinsauren Schluss.

YP: Dazu fällt mir ein Video ein, Russell Crowe war in der Graham Norton Show, um „Man of Steel“ zu bewerben. Ab Minute 7:18 im Video folgt ein Zitat von Russell Crowe über die Zusammenarbeit mit Ridley Scott an „Gladiator“. Er sagt: „I would never ever recommend to make a movie that way. It’s just the way Ridley likes to make a movie.“ http://youtu.be/xxgj5FBP20Q

PD: Heißt wohl, Scott vertraut in Drehbuchfragen Russell Crowe und McCarthy. Deiner Lese-Erfahrung nach ist ja nicht gar so viel anders im Drehbuch von McCarthy denn im Film. Er war aber zu ängstlich, sich ein wenig vom Drehbuch zu entfernen bzw. dieses zu überarbeiten.

YP:. „Gladiator“ war 1999. Vielleicht hat er seitdem seinen Arbeitszugang geändert. Abgesehen davon hatte er ja bei „The Counselor“ ein 200 Seiten Manuskript in den Händen, also ganz so wie bei „Gladiator“ wird es nicht gewesen sein.

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