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Alex Garland, Dredd, John Wick, Judge Dredd, Karl Urban, Mad Max Fury Road, Pete Travis, sylvester stallone
Der von Alex Garland produzierte und geschriebene und von Regisseur Pete Travis inszenierte Action-Streifen „Dredd“ erwies sich im Jahr 2012 als Überraschungshit bei Filmfans weltweit. Inwieweit das moderne Reboot den Vorgänger „Judge Dredd“ aus 1995 (seinerzeit eine Comic-Adaption mit Sylvester Stallone als namensgebender Richter Dredd) in den Schatten stellt, wollen wir an dieser Stelle besprechen.
PD: Mittlerweile habe ich „Dredd“ drei Mal gesehen und mit jeder Sichtung gefällt mir dieses sarkastisch-gewaltätige Universum besser.
YP: Zwei Mal habe ich das Sequel nun gesehen und die Gewaltätigkeit – also die gewaltätigsten Szenen darin – versuche ich einigermaßen auszublenden, bzw. zu verdrängen. Wobei die Inszenierung ein visuelles Wagnis darstellte, vor allem diese ganzen Zeitlupen-Sachen. Wie notwenidig das war, sei dahingestellt. Begeistern kann ich mich aber hauptsächlich für die Inszenierung als kleines Kammerspiel.
Das musst du dir einmal vorstellen: wir haben da diese Post-Apokalyptische Welt Mega City One mit 800 Millionen Einwohnern und die gesamte Länge des Films geschieht in Peach Trees, einem Gebäudekomplex bestehend aus 200 Stockwerken. Gerade auf dieser Enge werden dir die Größenverhältnisse offensichtlich.
PD: Die Zeitlupen-Szenen sollen ja auch den Effekt der Droge Slo-Mo darstellen. Dies ist an einigen Stellen sehr effektiv umgesetzt, etwa beim ersten Einsatz von Dredd oder auch wenn Dredd und Anderson erstmals gemeinsam eine Wohnung stürmen. Regisseur Pete Travis nutzt diese visuelle Spielerei aber ein wenig zu sehr ab. Erst beim großen finalen Urteil gegen Ma-Ma (Lena Hadey) konnte ich diesem Effekt wieder etwas abgewinnen.
Die Gewalt ist aber geradezu essentiell für „Dredd“. So wird auch klar, weshalb die faschistoiden Judges überhaupt so viel Macht zugestanden bekommen. Die nackten Zahlen, dass 96 % der Bewohner von Peach Trees arbeitslos sind und der Block von der Ma-Ma-Gang kontrolliert wird, sind im Endeffekt ohne Wirkung, wenn man nicht die Auswirkungen zeigt.
YP: Da wird dir eine Dystopie ziemlich atmoshärisch etabliert und dargestellt, dass sich mir die Haare am Nacken aufstellen. Je mehr ich über „Dredd“ nun nachdenke, desto mehr ergeben sich Parallelen zu „Mad Max: Fury Road“, der bereits im August 2015 zu meinen Lieblingsfilmen des Jahres gehört. Nun mag das Setting ein anderes sein, da hierbei das Pendel in die andere Richtung ausgeschlagen hat (Überbewölkerung versus ein paar Überlebende, wuchernde Urbanisierung versus karge Wüstenlandschaft, Diktatur der Richter statt Diktatur eines Demagogen).
Vielleicht hat es etwas mit dieser kompromisslosen Herangehensweise zu tun. Beide Filme reden nicht um den heißen Brei herum, sondern kommen schnell zum Punkt. Ein großes Plus schreibe ich beiden zu, weil sie mich zu überraschen vermochten.
Um dich aus unserem Dialog zu „John Wick“ zu zitieren: „Mir gefiel der dunkle Grundton und auch diese Geradlinigkeit (oder auch Sturheit) von Wick. Da erinnerte er mich ein wenig an den ebenfalls sehr eindrucksvollen Action-Film “Dredd” mit Karl Urban.“
PD: Die Charaktere sind mir in „Dredd“ dann doch näher, als in dem sehr unterhaltsamen „Mad Max“. Es mag recht wenig sein, was man über die Judges erfährt, aber dennoch fieberte ich mit, ob sie ihren Auftrag erfüllen würden können. Das lag wohl auch an Karl Urbans perfekt eingesetzter Kinnpartie.
Die Comics habe ich nie gelesen, aber es erscheint mir im Film zumindest sehr klar, dass die in einem einzigen riesigen Wohnblock angesiedelte Handlung auch an die Vorlage angelehnt ist.
Der thematisch ähnliche Action-Reißer „The Raid“ hat mich da viel weniger mitreißen können obwohl da die Actionsequenzen einen hohen Unterhaltungswert haben.
Um noch einmal den Stellenwert der Gewalt in derartigen Filmen auszuführen: Es gibt dem Geschehen einfach einen ganz andere Qualität. Wenn ich mir etwa FSK 12-Blockbuster á la „Star Trek“ (wo Karl Urban Schiffsarzt McCoy mimt) oder „Man of Steel“ ansehe, dann fällt dort auf, wie folgenlos die Gewalt dort bleibt. In Filmen wie „Dredd“ hat diese übersteigerte Brutalität ihre Folgen.
YP: Aber gerade in beiden Beispielen, die du hier anführst, hat die Gewalt etwas Reißerisches, etwas Unterhaltsames an sich, die einem Massenpublikum vorgelegt werden soll, wobei in „Man of Steel“ mehr als in „Star Trek“. Oft ist es schwierig, die gezeigte Brutalität oder Gewalt zu rechtfertigen, Zack Snyder-Filme sind mir zu exploitativ und zuwider, wobei aber J.J. Abrams Neuauflage die alten Filme und Serien wie einen Kindergeburtstag aussehen lassen. Wir reden hier trotzdem von einer Zielgruppe, für die diese Art von Blockbustern gemacht wurden. Die Gewaltexzesse darin (mit „The Raid“ kann ich wenig anfangen) fungieren als dramaturgisches Mittel. Reflektierte Selbst- oder Gesellschaftkritik werden wir kaum in diesen Filmen finden.
Karl Urban fand ich insofern großartig darin, als er gänzlich Darsteller sein konnte, ohne irgendwelche Star-Attitüden auszuleben, wie es einem Tom Cruise schier unmöglich geworden ist, sich von dieser Starpersonen zu trennen.
PD: Die unterhaltsame Action wie in den beiden Blockbustern angeführt, soll dann aber auch innerhalb eines dramaturgisch tauglichen Rahmens stattfinden. Was nützt mir der „Rettet die Menschheit“-Hintergrund, wenn es im Grunde ja doch nur auf einen Zweikampf zwischen Bösewicht und Held hinausläuft, während im Hintergrund ungesehen die Menschen sterben.
Das war ja auch der Grund, weshalb die „Judge Dredd“-Adaption mit Sylvester Stallone nicht funktionierte. Das Grundkonzept des Charakters ist bis in die Knochen sarkastisch, die Gewalt tut weh. Im Stallone-Film war es aber genau diese unverfängliche oberflächliche Popcorn-Gewalt, garniert mit einem nervenden Sidekick, um noch die letzten Kanten abzuschleifen. „Dredd“ hat all das nicht nötig. Die Gewalt, egal ob ausgeführt von Ma-Ma oder den Judges selbst, schmerzt. Auch wenn die Handlung schließlich zu sehr auf Klischees ausweicht, wie etwa die korrupten Judges.
YP: Ich möchte noch unbedingt anmerken, dass ich die gute Lena Heady (einem breiteren Publikum als Cersei aus Game of Thrones bekannt) großartig fand als skrupellose Drogenbaronin Ma-Ma. Sie hatte so etwas Furchteinflößendes im Blick, dass sich mir stets die Nackenhaare aufstellten.
„Dredd“ gehört zu der Minderheit der Filme, indem es dem Reboot – hier fast mühelos – gelingt, das Original bzw. die filmische Vorlage in den Schatten zu stellen. Ein Umstand, den wir der Feder von Alex Garland und der Regie von Pete Travis zu verdanken haben. Garlands knackige Story wird stilsicher von Travis szenisch umgesetzt. „Judge Dredd“ aus 1995 frönt hingegen mehr dem „style“ als der „subtance“. Wenig verwunderlich auch, wirft man nur einen kleinen Blick auf die schon fast aufregend anmutenden Kostümentwürfe von Gianni Versace höchstpersönlich.