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Film Im Dialog

~ Dialoge über aktuelle und weniger aktuelle Kinofilme

Film Im Dialog

Monatsarchiv: August 2015

Dredd

28 Freitag Aug 2015

Posted by filmimdialog in Filmdialoge

≈ Ein Kommentar

Schlagwörter

Alex Garland, Dredd, John Wick, Judge Dredd, Karl Urban, Mad Max Fury Road, Pete Travis, sylvester stallone

Der von Alex Garland produzierte und geschriebene und von Regisseur Pete Travis inszenierte Action-Streifen „Dredd“ erwies sich im Jahr 2012 als Überraschungshit bei Filmfans weltweit. Inwieweit das moderne Reboot den Vorgänger „Judge Dredd“ aus 1995 (seinerzeit eine Comic-Adaption mit Sylvester Stallone als namensgebender Richter Dredd) in den Schatten stellt, wollen wir an dieser Stelle besprechen.

PD: Mittlerweile habe ich „Dredd“ drei Mal gesehen und mit jeder Sichtung gefällt mir dieses sarkastisch-gewaltätige Universum besser.

YP: Zwei Mal habe ich das Sequel nun gesehen und die Gewaltätigkeit – also die gewaltätigsten Szenen darin – versuche ich einigermaßen auszublenden, bzw. zu verdrängen. Wobei die Inszenierung ein visuelles Wagnis darstellte, vor allem diese ganzen Zeitlupen-Sachen. Wie notwenidig das war, sei dahingestellt. Begeistern kann ich mich aber hauptsächlich für die Inszenierung als kleines Kammerspiel.

Das musst du dir einmal vorstellen: wir haben da diese Post-Apokalyptische Welt Mega City One mit 800 Millionen Einwohnern und die gesamte Länge des Films geschieht in Peach Trees, einem Gebäudekomplex bestehend aus 200 Stockwerken. Gerade auf dieser Enge werden dir die Größenverhältnisse offensichtlich.

PD: Die Zeitlupen-Szenen sollen ja auch den Effekt der Droge Slo-Mo darstellen. Dies ist an einigen Stellen sehr effektiv umgesetzt, etwa beim ersten Einsatz von Dredd oder auch wenn Dredd und Anderson erstmals gemeinsam eine Wohnung stürmen. Regisseur Pete Travis nutzt diese visuelle Spielerei aber ein wenig zu sehr ab. Erst beim großen finalen Urteil gegen Ma-Ma (Lena Hadey) konnte ich diesem Effekt wieder etwas abgewinnen.

Die Gewalt ist aber geradezu essentiell für „Dredd“. So wird auch klar, weshalb die faschistoiden Judges überhaupt so viel Macht zugestanden bekommen. Die nackten Zahlen, dass 96 % der Bewohner von Peach Trees arbeitslos sind und der Block von der Ma-Ma-Gang kontrolliert wird, sind im Endeffekt ohne Wirkung, wenn man nicht die Auswirkungen zeigt.

YP: Da wird dir eine Dystopie ziemlich atmoshärisch etabliert und dargestellt, dass sich mir die Haare am Nacken aufstellen. Je mehr ich über „Dredd“ nun nachdenke, desto mehr ergeben sich Parallelen zu „Mad Max: Fury Road“, der bereits im August 2015 zu meinen Lieblingsfilmen des Jahres gehört. Nun mag das Setting ein anderes sein, da hierbei das Pendel in die andere Richtung ausgeschlagen hat (Überbewölkerung versus ein paar Überlebende, wuchernde Urbanisierung versus karge Wüstenlandschaft, Diktatur der Richter statt Diktatur eines Demagogen).

Vielleicht hat es etwas mit dieser kompromisslosen Herangehensweise zu tun. Beide Filme reden nicht um den heißen Brei herum, sondern kommen schnell zum Punkt. Ein großes Plus schreibe ich beiden zu, weil sie mich zu überraschen vermochten.

Um dich aus unserem Dialog zu „John Wick“ zu zitieren: „Mir gefiel der dunkle Grundton und auch diese Geradlinigkeit (oder auch Sturheit) von Wick. Da erinnerte er mich ein wenig an den ebenfalls sehr eindrucksvollen Action-Film “Dredd” mit Karl Urban.“

PD: Die Charaktere sind mir in „Dredd“ dann doch näher, als in dem sehr unterhaltsamen „Mad Max“. Es mag recht wenig sein, was man über die Judges erfährt, aber dennoch fieberte ich mit, ob sie ihren Auftrag erfüllen würden können. Das lag wohl auch an Karl Urbans perfekt eingesetzter Kinnpartie.
Die Comics habe ich nie gelesen, aber es erscheint mir im Film zumindest sehr klar, dass die in einem einzigen riesigen Wohnblock angesiedelte Handlung auch an die Vorlage angelehnt ist.

Der thematisch ähnliche Action-Reißer „The Raid“ hat mich da viel weniger mitreißen können obwohl da die Actionsequenzen einen hohen Unterhaltungswert haben.

Um noch einmal den Stellenwert der Gewalt in derartigen Filmen auszuführen: Es gibt dem Geschehen einfach einen ganz andere Qualität. Wenn ich mir etwa FSK 12-Blockbuster á la „Star Trek“ (wo Karl Urban Schiffsarzt McCoy mimt) oder „Man of Steel“ ansehe, dann fällt dort auf, wie folgenlos die Gewalt dort bleibt. In Filmen wie „Dredd“ hat diese übersteigerte Brutalität ihre Folgen.

YP: Aber gerade in beiden Beispielen, die du hier anführst, hat die Gewalt etwas Reißerisches, etwas Unterhaltsames an sich, die einem Massenpublikum vorgelegt werden soll, wobei in „Man of Steel“ mehr als in „Star Trek“. Oft ist es schwierig, die gezeigte Brutalität oder Gewalt zu rechtfertigen, Zack Snyder-Filme sind mir zu exploitativ und zuwider, wobei aber J.J. Abrams Neuauflage die alten Filme und Serien wie einen Kindergeburtstag aussehen lassen. Wir reden hier trotzdem von einer Zielgruppe, für die diese Art von Blockbustern gemacht wurden. Die Gewaltexzesse darin (mit „The Raid“ kann ich wenig anfangen) fungieren als dramaturgisches Mittel. Reflektierte Selbst- oder Gesellschaftkritik werden wir kaum in diesen Filmen finden.

Karl Urban fand ich insofern großartig darin, als er gänzlich Darsteller sein konnte, ohne irgendwelche Star-Attitüden auszuleben, wie es einem Tom Cruise schier unmöglich geworden ist, sich von dieser Starpersonen zu trennen.

PD: Die unterhaltsame Action wie in den beiden Blockbustern angeführt, soll dann aber auch innerhalb eines dramaturgisch tauglichen Rahmens stattfinden. Was nützt mir der „Rettet die Menschheit“-Hintergrund, wenn es im Grunde ja doch nur auf einen Zweikampf zwischen Bösewicht und Held hinausläuft, während im Hintergrund ungesehen die Menschen sterben.

Das war ja auch der Grund, weshalb die „Judge Dredd“-Adaption mit Sylvester Stallone nicht funktionierte. Das Grundkonzept des Charakters ist bis in die Knochen sarkastisch, die Gewalt tut weh. Im Stallone-Film war es aber genau diese unverfängliche oberflächliche Popcorn-Gewalt, garniert mit einem nervenden Sidekick, um noch die letzten Kanten abzuschleifen. „Dredd“ hat all das nicht nötig. Die Gewalt, egal ob ausgeführt von Ma-Ma oder den Judges selbst, schmerzt. Auch wenn die Handlung schließlich zu sehr auf Klischees ausweicht, wie etwa die korrupten Judges.

YP: Ich möchte noch unbedingt anmerken, dass ich die gute Lena Heady (einem breiteren Publikum als Cersei aus Game of Thrones bekannt) großartig fand als skrupellose Drogenbaronin Ma-Ma. Sie hatte so etwas Furchteinflößendes im Blick, dass sich mir stets die Nackenhaare aufstellten.

„Dredd“ gehört zu der Minderheit der Filme, indem es dem Reboot – hier fast mühelos – gelingt, das Original bzw. die filmische Vorlage in den Schatten zu stellen. Ein Umstand, den wir der Feder von Alex Garland und der Regie von Pete Travis zu verdanken haben. Garlands knackige Story wird stilsicher von Travis szenisch umgesetzt. „Judge Dredd“ aus 1995 frönt hingegen mehr dem „style“ als der „subtance“. Wenig verwunderlich auch, wirft man nur einen kleinen Blick auf die schon fast aufregend anmutenden Kostümentwürfe von Gianni Versace höchstpersönlich.

Bloodline – Staffel 1

21 Freitag Aug 2015

Posted by filmimdialog in TV

≈ Ein Kommentar

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Ben Mendelsohn, Bloodline, Chloe Sevigny, Kyle Chandler, Netflix, Sam Shepard, Sissy Spacek, Slow West

Die erste von Netflix produzierte und von einem großen Studio gedrehte Serie „Bloodline“ verspricht auf den ersten Blick ein dichtes und düsteres Familiendrama zu werden. Wir haben die erste Staffel auf Herz und Nieren überprüft und wollen unserer Meinung Ausdruck verleihen.

Dieser Text enthält einige Spoiler!

PD: Meine erste spontane Reaktion nach den letzten Momenten der ersten Staffel, war Enttäuschung.

YP: Irgendwie hat „Bloodline“ keinen allzu großen Eindruck bei mir hinterlassen. Während der Sichtung dachte ich mir schon: irgendwie ist das anstrengend. Und tatsächlich wurde es dann nur Szenenweise anstrengend. Spannung will ich der Serie nicht absprechen, aber die Art, wie die Geschichten erzählt werden, das wirkt nach einiger Zeit richtig ermüdend. Mir kommt jede Folge der Serie so vor, wie oft die Cliffhanger-Serien ganzer Staffeln und ich bin „Game of Thrones“ gewöhnt.

Außerdem versprüht die Serie dann zeitweise einen Flair von „Denver Clan“ und „Dynastie“ nur ohne Weichzeichnungs-Optik der Achtziger Jahre. Die Familienintrigen sind die gleichen, vielleicht sind sie in „Bloodlines“ nicht so offensichtlich.

PD: Das überrascht mich jetzt dann doch. Schließlich hatte ich aus deinen ersten Reaktionen auf Twitter geschlossen, dass du der Serie regelrecht verfallen wärst. Jetzt bin ich richtig beruhigt, dass ich in meiner Ungeduld nicht völlig alleine bin.

Es hat schon seinen Sinn, dass sich die Konflikte recht langsam entwickeln und die Motive derer dann auch erst im Laufe der 13 Episoden offenbaren, aber während in den ersten Episoden die Voraus- oder Rückblenden (je nachdem, aus welchem Blickwinkel man es betrachtet) dominierten, kamen im weiteren Lauf der 1. Staffel immer mehr Cliffhanger zum Einsatz. Gute 50 Minuten ließ man so gut wie kein Tempo aufkommen, nur um dann zum Ende hin, dem Zuseher doch noch zu vermitteln, dass man sich die nächste Episode ansehen sollte.

Deshalb war ich dann auch enttäuscht, als die Staffel erneut auf einem Cliffhanger endete. Die Erzählung rund um die Heimkehr des schwarzen Schafes Danny Rayburn (Ben Mendelsohn) hätte als abgeschlossene limitierte Serie besser funktioniert.

YP: Dir entgeht auch wirklich nichts. Aber nachdem ich dir im Juli dermaßen überschwänglich vorgeschwärmt habe, gerate ich jetzt natürlich in Erklärungsbedarf. Tatsächlich war ich anfangs von der Serie sehr angetan, die ersten drei oder vier Folgen habe ich sogar an einem Tag im Binge-Modus eingesogen, die finde ich nach wie vor sehr sehenswert. Dann folge ein Durchhänger, der mit dem dramaturgischen Durchhänger in der Serie zusammenhängte. Was ist da eigentlich im Mittelteil der Staffel passiert?

PD: Für mich begann das Drama bereits in Episode 2. Während ich den Beginn noch wie einen langen Epilog bewertete, der die Figuren behutsam in Position brachte, zog sich der Handlungsbogen aller Figuren einfach viel zu lange dahin. Einzig bei Danny war ein wenig mehr Dynamik im Spiel, da er auch schlicht mehr erlebte. Zudem gefiel es mir, die viel zu selten gesehene Chloe Sevigny als seine Freundin zu sehen.

Ein wichtiger Punkt für die Serie war aber, der Tod des Familienpatriarchen (Sam Shepard). Dadurch wurden diverse Diskussionen, rund um den Verbleib von Danny im Familienverbund und auch -betrieb von Neuem entfacht, was ein wenig ermüdete. Vor allem da die Geschwister – bis auf Kyle Chandlers John – recht austauschbar wirkten.

YP: Diese Familiengeschichte entblättert sich zwar wie erwartet, aber in einem mühseligen Tempo, welches sich nicht gerade positiv an die Aufmerksamkeit des Publikums auswirkt. Wobei ich Sam Shepards Vater nicht als Patriarchen bezeichnen würde. Bei den Rayburns gibt es eine flache Hierarchie, das lässt sich auch gut an der Dynamik erkennen. Über Dannys Verbleib entscheidet schließlich jedes einzelne Familienmitglied und nicht der Vater alleine.

Eigentlich wäre es sehr doch einfach. Danny (Ben Mendelsohn) – der verlorene oder verstoßene Sohn, das schwarze Schaf der Familie – kommt zurück und gräbt ein bisschen in der Vergangenheit seiner Familie herum. Für seinen Vater und seine Geschwister ist er die Persona non grata obwohl alle anderen – buchstäblich – genug Leichen im eigenen Keller haben.

Eigentlich war Kyle Chandler (den ich seit „Friday Night Lights“ großartig finde) der Grund, warum ich überhaupt in die Serie reingeschaut habe. Nun stellt es sich nach der Sichtung von „Bloodline“ heraus, dass ich jetzt großer Ben Mendelsohn-Fan geworden bin.

PD: Meine Anhaltspunkte, um überhaupt mit der Serie zu beginnen, waren Sam Shepard, Sissy Spacek und Chloe Sevigny. Alle drei liefern auch gute Darstellungen, aber ihre Charaktere sind schon sehr oberflächlich geraten. Viel schlimmer fand ich da nur den Heißsporn Kevin (Norbert Leo Butz) und die Anwältin Meg (Linda Cardellini). Ihre Konflikte konnten mich so gut wie nie einnehmen. Es war mir schlicht egal, da der Hauptfokus auf John und Danny sowie die Beziehung zu den Eltern gelegt war.

Hätte sich die Serie mehr auf darauf konzentriert, anstatt die Charaktere in alle möglichen Nebenhandlungsstränge zu verwickeln – etwa Johns Ermittlungen zu den Immigranten -, wäre ich wohl mit einem positiveren Fazit aus der ersten Staffel heraus gekommen. So jedoch, fand ich es regelrecht traurig, wie eine fantastische Leistung wie jene von Ben Mendelsohn, in einer derart zähen und zerfahrenen Serie unterging.

YP: Wenn deine Anhaltspunkte sich auf diese drei Nebenrollen konzentrieren, dann überrascht mich deine Conclusio auch kaum. Von den Figuren Kevin und Meg war ich schlichtweg genervt, beide haben sich eindeutig nicht im Griff und dreschen auf Danny los. Mir gefielen vor allem jene Szenen mit John und Danny, den beiden ältesten Kindern der Rayburns.

Was allerdings wirklich gelungen rüberkam, war diese Hin- und Hergerissenheit der Moralvorstellungen aller Figuren. Bei manchen mehr (John, Danny), bei manchen weniger (Meg, Kevin).

PD: Die innere Zerrissenheit, was mit Danny zu geschehen habe, war bei John schön dargestellt. Kyle Chandler konnte da sehr viel vom Innenleben des Charakters offenlegen, so wie es Ben Mendelsohn mit einem einzigen Blick schaffte, von Bemitleidenswert zu Einschüchternd zu wechseln.

Allerdings kamen auch die Rayburn-Eltern ein wenig zu kurz. Sie schienen immer nur dann ins Geschehen miteinbezogen zu werden, wenn die endlosen Diskussionen rund um Dannys Verfehlungen, wieder mal einen Nullpunkt erreicht hatten. Das gilt vor allem für die Episoden, nach dem Tod von Sam Shepards Figur. Dass sich dies mit der zweiten Staffel wohl ändern wird, kümmert mich jedoch nicht mehr. Als in sich geschlossene Erzählung hätte „Bloodline“ mehr Charme gehabt.

YP: Nichtsdestotrotz möchte ich nicht ausschließen, dass ich mir die zweite Staffel ansehen werde.

PD: Hier könnte der Netflix-Algorithmus dafür sorgen, dass ich auch in die zweite Staffel hinein kippe. Bei meiner aktuellen Befindlichkeit, sehe ich allerdings wenig Grund, weshalb ich „Bloodline“ ohne Ben Mendelsohn weiter verfolgen soll.

Slow West

14 Freitag Aug 2015

Posted by filmimdialog in Filmdialoge

≈ 3 Kommentare

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Ben Mendelsohn, Caren Pistorius, Dead Man, Jauja, John Maclean, Kodi Smit-McPhee, Meek's Cutoff, Michael Fassbender, Slow West, The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford

Der Trailer von „Slow West“ – dem Kinodebüt von John Maclean – verspricht auf den ersten Blick einen vielversprechenden Western. Doch genügt es Michael Fassbender in eine schön abgefilmte Landschaft zu stellen?

PD: Michael Fassbender hat es geschafft. Er ist mittlerweile in der Riege jener Schauspieler, deren Projekte ich mir ansehe, auch wenn ich nicht die geringste Ahnung habe, worum es überhaupt geht. Bei „Slow West“ war dies der Fall. Ich wusste nur, dass Michael Fassbender mitspielt und es wohl ein Western sein würde.

YP: Mittlerweile sind die Filme, in denen er mitspielt genauso gut wie seine Performances. Seit „Inglourious Basterds“ lasse ich keinen Film, in dem er mitspielt, aus und in letzter Zeit ist es sogar auch so, dass sein Name schon reicht, um mich ins Kino zu locken. Großartig finde ich auch, dass „Frank“ einen Österreich-Start (4. September 2015) hat. Dann gibt es da noch „Macbeth“ und „Steve Jobs“. Das klingt doch alles so aufregend …

PD: „Macbeth“ ist ohnehin eines meiner Highlights der kommenden Monate. Natürlich ist es toll, dass Fassbender seine Werke in die Kinos der ganzen Welt bringt, was jetzt aber nicht heißt dass ich von „Slow West“ völlig überzeugt war. Zumindest liefert der Film exakt was der Titel verspricht, einen dezidiert langsam erzählten Western. Das wird aber mit der Zeit auch zu einer Geduldsprobe, da die Charaktere keineswegs interessant sind.

YP: Dem Treiben im Film hätte ich Stunden zusehen können, mir gefiel das Tempo und keine Sekunde empfand ich das so wie du – im Gegensatz zu „Listen Up Philip“, den ich vor einiger Zeit gesehen habe und danach nervlich am Ende war. „Slow West“ hatte eine so angenehme Erzählweise, dass es eine Freude war, an dieser filmischen Entschleunigung teilzunehmen. Im Gegensatz zu den meisten Sommerblockbustern.

PD: Der langsame Stil und vor allem der lakonische Witz erinnerten mich stark an „Dead Man“ von Jim Jarmusch. Diesem Film hätte ich über Stunden zusehen können, aber nicht nur aufgrund des Erzählrhythmuses, sondern vor allem aufgrund der interessanten Charaktere. Was mir bei „Slow West“ fehlte, war zumindest eine Person, die eine spannende Hintergrundgeschichte zu bieten hatte. Das glich Regiedebütant John Maclean zwar durch wunderschöne Naturaufnahmen und einen bitterbösen Humor (das Salz welches wortwörtlich in die blutende Wunde gestreut wird) aus, aber vollends konnte es mich nicht überzeugen. Es ist ein respektabler Genrebeitrag, aber gerade im modernen Western gab es in den letzten Jahren etliche fantastische Beiträge, die ich da noch ein wenig darüber ansiedeln würde. Etwa „The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford“ von Andrew Dominik oder „Jauja“ von Lisandro Alonso.

Ebenfalls Filme die sich bewusst langsam entfalteten. Im ganz bewussten Gegensatz natürlich zum Blockbuster-Kino.

YP: Alleine viele der Einstellungen im Film waren eine wunderschön komponierte optische Wucht. Dass sich der Film so zurückgehalten hat, spricht für die Erzählung. Wunderbar auch die poetischen Textzeilen. Es gab so unendlich viele kleine Momente voller Bedeutung darin. Und ich habe noch gar nicht begonnen, über die großartige Besetzung jenseits von Michael Fassbender zu sprechen. Da haben wir einmal den Schurken Ben Mendelsohn, der auch irgendwie viel zu kurz kam – Rollenbedingt. Dann haben wir Caren Pistorius, die Rose verkörperte. Und dann haben wir noch das Greenhorn Jay Cavendish, den Western-Romeo, gespielt von Kodi Smit-McPhee (bekannt aus der US-amerikanischen Verfilmung von Thomas Alfredsons „Let The Right One In“.

Zu meinen Lieblingsszenen gehört übrigens die Szene im westerlichen Tante-Emma-Laden. Und wo Cavendish auf den Schriftsteller trifft.

PD: Schön, dass du die Szene mit dem deutschen „Schriftsteller“ ansprichst. Diese ist sehr humorvoll und mit bitterem Witz, vor allem da sich ja die oberflächliche Freundlichkeit schließlich in Verschlagenheit wandelt, aber sie steht für mich auch exemplarisch für den Rest der Erzählung. Diese besteht aus hintergründigen und zum Teil sehr lustigen Anekdoten aus der Reise von Jay, der bei fast jeder Begegnung mit anderen Abenteurern schließlich Leichen hinter sich zurück lässt.

Die Motivation für seine eigene Reise war mir aber viel zu schwach ausgearbeitet. Klar, er war in Rose (stark gespielt von Pistorius) verliebt und sie offensichtlich nicht in ihn, aber es erschien mir eher etwas oberflächlich in die Handlung hinein geworfen, damit man einen Grund hat, Jay auf die Reise zu schicken. Genau genommen hätte man Jay gar nicht benötigt. Silas (Fassbender) und Payne (da wurde bei Mendelsohn Potential liegen gelassen) wären auch so auf die Spur von Rose und ihrem Vater gestoßen und hätten früher oder später auch so das finale Duell mit ihr gehabt. So schön frühe Szenen mit Jay – etwa die Begegnung mit den drei Sängern – auch ist, so wenig brachte ausgerechnet der Hauptcharakter wirklich in die Erzählung mit ein. Abgesehen davon kannte ich Kodi Smit-McPhee zuvor vor allem aus „The Road“.

YP: Öfter musste ich dabei eher an „Meek’s Cutoff“ von Kelly Reichardt denken. Können wir bitte noch ein zwei Sätze zur musikalischen Komponente des Films sprechen. Den Score habe ich noch immer im Kopf, der hat einen unglaublich schönen Eindruck hinterlassen. Die Titelmusik begleitet mich schon seit Sichtung des Trailers, aber seit dem Film hat sich das bei mir richtig eingebrannt. Alleine dann das Antreffen der Trommler mitten im Nirgendwo ist so bizarr. Es verdeutlicht so die Örtlichkeit und doch fiel mir eine geografische Zuordnung nicht leicht. Wir haben europäisch anmutende Flüchtlinge, dann Französischsprechende Musiker, einen deutschen Schriftsteller mitten in wüstenartiger Landschaft. Das ist eine wilde Mischung und das wild beschreibt nicht die karge Western-Landschaft.

PD: Wenn ich so darüber nachdenke, dann blieb mir von der Musik kaum etwas hängen. Was mich überrascht, denn mein Gefühl während des Films sagte mir, dass mich dieser Soundtrack länger begleiten wird.

Das Zusammentreffen mit den Musikern mitten im Nirgendwo hat mir sehr gut gefallen. Das vermittelte den Eindruck eines Fiebertraumes, wie da plötzlich drei Männer stehen und vor sich hin singen. Es ist wahrscheinlich, aufgrund einiger Hinweise, sicher möglich, genau festzustellen, in welchem Teil der USA sich das Geschehen hätte zutragen sollen (vor allem da im Süden Neuseelands gedreht wurde), aber das erschien mir überhaupt nicht wichtig. Gezeigt wurde eine Idee eines Wilden Westens, wie ihn John Maclean sieht. Karg und voller skurriler Charaktere.

Richard Ayoade

07 Freitag Aug 2015

Posted by filmimdialog in Personalia

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Ayoade on Ayoade: A Cinematic Odyssey, Ben Stiller, Chris O'Dowd, Enemy, Garth Marenghi's Darkplace, Harold and Maude, Julian Barratt, Les Quatre Cents Coup, Submarine, The Double, The IT Crowd, The Mighty Boosh, The Watch, Wes Anderson

Er ist Stand-Up-Comedian, Schauspieler, Regisseur und Autor. Das britische Multitalent Richard Ayoade erlangte internationalen Ruhm mit seiner Rolle des Computer Nerds Maurice Moss in „The IT Crowd“ und verblüffte mit seinen Regie-Arbeiten „Submarine“ und „The Double“. Zuletzt publizierte er auch noch ein Buch mit dem vielsagenden Titel „Ayoade on Ayoade: A Cinematic Odyssey“. Doch ist er auch in all diesen Feldern gleichermaßen erfolgreich?

PD: Wann war deine erste Begegnung mit Richard Ayoade? Für mich war es sein Auftritt in der herrlichen Sitcom „The IT Crowd“ und neugierig geworden, stieß ich schließlich auf die kurzlebige satirische Horrorserie „Garth Marenghi’s Darkplace“ (gemeinsam mit seinem IT Crowd-Co-Star Matt Berry). Als Sitcom-Darsteller konnte er mich sofort überzeugen.

YP: Erstmals aufgefallen ist er mir natürlich auch in „The IT Crowd“. Das muss so um 2006 oder 2007 gewesen sein. Tatsächlich bin ich fast allen Serienbegeisterten in meinem Freundeskreis nachgelaufen mit dieser Serie, für mich erreichte sie bereits nach 2 Staffeln Kultfaktor. Niemand schien sich damals dafür zu interessieren. Bis auf eine Freundin. Die sah sich die erste Staffel an und empfahl mir daraufhin „The Mighty Boosh“, eine Comedyserie mit Noel Fielding, der in „The IT Crowd“ den großartigen Richmond spielte. Eines führte zum anderen, denn da gab es dann die zweite Begegnung mit Ayoade (der allerdings nicht so prominent vorkommt wie Fielding und Julian Barratt).

PD: „The Mighty Boosh“ kenne ich leider (noch) nicht, aber es war seine Arbeit an „Garth Marenghi’s Darkplace“, wo er ja sowohl eine wichtige Rolle einnahm aber auch Regie führte und an den Drehbüchern mitschrieb, dass mir langsam klar wurde, dass man es hier wohl nicht nur mit einem talentierten Komiker zu tun hatte. Dabei war er bei „The IT Crowd“, die mir auch so lange von Bekannten empfohlen wurde bis ich endlich nachgab, nicht einmal als der beste Darsteller in Erinnerung geblieben. Viel mehr funktionierte sein Charakter schlicht hervorragend im Zusammenspiel, mit Chris O’Dowds Roy. Der herrlich komische Cameo-Auftritt von O’Dowd in „The Double“ genoss ich dann auch aus dieser Erfahrung heraus.

YP: Am besten funktioniert für mich seine Moss-Figur eher im Zusammenspiel mit Katherine Parkinsons Jen. Da gibt es diese Widersprüchlichkeit, diese Gegensätzlichkeit. Natürlich auch mit O’Dowds Roy, aber seine Unbeholfenheit und Zaghaftigkeit bei Parkinsons vorlauter und überdrehter Jen ist einfach herrlich anzusehen. Tatsächlich habe ich mir auf deine Empfehlung hin dann „Garth Marenghi’s Darkplace“ angesehen, was mich aber eher kalt ließ und wenig begeisterte.

Und als Regisseur fiel mir Ayoade ohnehin dann mit „Submarine“ auf. Das ist doch ein exzellenter und reflektierter Debütfilm. Nicht so sehr überrascht war ich – eher erfreut darüber, wie gelungen der Film geworden ist. Das Coming-of-Age Drama hat ein gutes Tempo und ist – verglichen mit den im ähnlichen Kontext erwähnten Wes-Anderson-Filmen herrlich schwarz. Und in jeder Sekunde spüren wir Ayoades Liebe zum Geschichtenerzählen und der großen Leinwand.

PD: Katherine Parkinson hatte ihre besten Szenen vor allem mit dem sexistischen und derben Douglas Denholm (Matt Berry), aber natürlich war das Dreigespann eine Augenweide. Ansonsten hätte die Serie auch nicht funktioniert, wenn nicht die drei Charaktere sich gegenseitig hoch gepusht hätten.

Bei „Garth Marenghi’s Darkplace“ amüsiert mich immer wieder, wie hier mit den Klischees billiger Stephen King-Nachahmer (und Stephen King selbst natürlich) gearbeitet wird. Zudem zeigt Ayoade in seiner Darstellung als egomanischer Produzent-Schauspieler, eine völlig andere Seite als jene bekannte aus „The IT Crowd“. Das fand ich dann auch sehr enttäuschend, als er in seinem Hollywood-Debüt in der Ben Stiller-Komödie „The Watch“ den Großteil der Handlung nur im Hintergrund herum stehen muss.

Ben Stiller hat übrigens auch „Submarine“ mitproduziert. Diese Coming-of-Age-Geschichte erinnerte mich auch sehr an Truffauts „Les Quatre Cents Coups“ und, wohl aufgrund der vielen Feuerspiele von Jordana und des sehr einprägsamen Kleidungsstils von Oliver, auch an Hal Ashbys „Harold and Maude“. Doch auch wenn man all diese Referenzen sieht und erkennt, so bleibt der Film eigenständig. Allein Olivers Off-Erzählung, wie er versucht seinen eigenen Charakter zu definieren (indem er Pfeife raucht, oder Hüte trägt) ist zwar sehr von Wes Anderson geprägt, aber Ayoade hat einen eigenen erkennbaren visuellen Stil.

YP: Mit „The Watch“ konnte ich dann auch weniger anfangen. Dass Ben Stiller diesen Film mitproduzierte, wusste ich nicht, das ist doch ein witziges Detail. Auf jeden Fall kann Ayoades Debüt locker gegen Andersons Filme bestehen. „Submarine“ zeigt einen düsteren Achtzigerjahre-Look im einem wenig einladenden England, der natürlich nicht viel mit der warmen Siebzigerjahre-Optik in Wes Anderson Filmen zu tun hat. Und dann ist da noch dieser unzugängliche und oft eigensinnige Humor. Wobei ich natürlich nicht sagen kann, ob ich nicht einfach zu voreingenommen bin, da mir diese Art von Humor einfach zusagt. 

So auch in seinem Buch „Ayoade on Ayoade: A Cinematic Odyssey“. Allerdings hätte sich „Ayoade Versus Ayoade“ besser als Titel geeignet. Sein literarisches Werk ist nur für hartgesottene Fans, da sich Ayoade auf mehreren Metaebenen bewegt. Nach einiger Zeit wird das zwar ein bisschen anstrengend, aber dafür lesen sich diese Interviews sehr kurzweilig.

PD: Eigenwilliger Humor? Ja. Unzugänglicher fand ich dagegen „The Double“. Ayoade beschreibt in seinem nicht immer einfachen Buch sehr schön und mit bitterem Humor, dass er nach „Submarine“ auf der Suche nach einem Blockbuster war. Natürlich adaptiert man da eine Erzählung von Dostojewski.

Bei „Submarine“ stand noch mehr die Dualität der Erzählung im Vordergrund. Olivers Kampf um seine Beziehung zu Joanna und zugleich sein Kampf um die kriselnde Ehe seiner Eltern (herrliche Rollen für Noah Taylor und Sally Hawkins). Bei „The Double“ hatte ich stets den Eindruck, dass die Erschaffung einer düsteren und geradezu schmutzigen, bürokratischen Atmosphäre – ganz wie bei Terry Gilliam in „Brazil“ – wichtiger war, denn die Geschichte rund um Simon James (Jesse Eisenberg) und die Konfrontation mit James Simon (wieder: Eisenberg).

YP: Sein an Dostojevski angelehntes und visuell von Terry Gilliam und David Lynch inspiriertes „The Double“ geht aber dann auch stark in die Richtung „Enemy“ von Denis Villeneuve, dessen Werk wir hier besprochen haben. Seinen Zweitfilm hingegen fand ich aber dann anstrengender, wobei natürlich nicht weniger beeindruckend.

PD: Darin ähnelt sich „The Double“ aber auch seinem Buch. Es ist stilistisch beeindruckend, mit vielen humorvollen Sequenzen aber nicht immer leicht zu verdauen. Vor allem in literarischer Form ist mir der Meta-Humor von Ayoade oft zu viel auf einmal. Die Interview-Sitzungen zwischen Ayoade und Ayoade waren die reinste Freude, aber der Fußnoten-Wahn (und der gesamte Anhang), haben mir oft die Freude an der Lektüre genommen. Als Regisseur und Schauspieler kann ich kaum auf die neuste Arbeit von Richard Ayoade warten, aber als Buch-Autor darf er sich gerne ein wenig zurück nehmen.

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