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Film Im Dialog

~ Dialoge über aktuelle und weniger aktuelle Kinofilme

Film Im Dialog

Monatsarchiv: Mai 2014

Denis Villeneuve

30 Freitag Mai 2014

Posted by filmimdialog in Personalia

≈ Ein Kommentar

Schlagwörter

Canada, Denis Villeneuve, Enemy, Incendies, Kanada, Polytechnique, Prisoners, Xavier Dolan

Der franko-kanadische Regisseur Denis Villeneuve ist einer der aufregendsten Filmemacher der Gegenwart. In unserem neuesten Dialog blicken wir ein wenig zurück, auf seine Werkliste, die so unterschiedliche wie interessante Arbeiten umfasst wie „Polytechnique“, „Next Floor“ oder „Enemy“. Zudem bietet die Personalie Villeneuve auch einen willkommenen Anlass, um sich ein wenig mit der Filmszene Kanadas auseinander zu setzen.

YP: Villeneuves Frühwerk habe ich bewusst ausgespart. Dafür ist noch Zeit. Außerdem wollte ich die Begegnung mit dem Regisseur nicht ausreizen.

PD: „Incendies“ aus dem Jahr 2010 war der erste Film von Denis Villeneuve, der mir ganz bewusst auffiel. Was wohl vor allem an der Oscar-Nominierung lag. Dass er aber bereits seit 1994 im Geschäft ist, hat mich dann sehr überrascht.

Das zeigt, wie wenig man aus manchen Ländern zu sehen bekommt.

YP: Weil du es erwähnst, ich habe mir kanadische Regisseure und Regisseurinnen in Vorbereitung auf unseren Dialog angesehen. Da gibt es den großen David Cronenberg. Und dann sind mir noch Sarah Polley und ihr Großartiges „Stories We Tell“ aufgefallen. Dann natürlich und vor allem jetzt nach dem Jurypreis in Cannes Xavier Dolan, dessen Filme ich ungefähr zeitgleich mit denen von Villeneuve entdeckt hatte. Das muss 2011 gewesen sein. Erst heuer richtig wahrgenommen habe ich Jean-Marc Vallée , der “Dallas Buyers Club“ gedreht hat. Dann fällt mir noch Atom Egoyan ein.

PD: Guy Maddin wäre noch ein wichtiger kanadischer Filmemacher. Atom Egoyan hat seine Spur in den letzten Jahren ein wenig verloren, aber ja, er gehört zu den bekannteren Filmemachern Kanadas. David Cronenberg ist DER kanadische Filmemacher, den wohl jeder kennt. An Xavier Dolan musste ich auch denken, aber gerade bei ihm ist es schon sehr speziell, wie bekannt er ist. Seit seinem wundervollen Debüt „J’ai tué ma mère“ war jeder einzelne Film ein Ereignis und zumeist auf einem der großen Festivals zu sehen. Dabei ist der junge Mann gerade erst 25. Ein richtiges Wunderkind.

Villeneuve hingegen ist schon Mitte 40 und hat jetzt „erst“ seinen internationalen Durchbruch. All seine Filme waren auch zuvor nationale Hits oder Festival-Lieblinge, aber so wirklich ein wichtiger Name wurde er erst mit „Incendies“ und dann natürlich mit dem sehr straff inszeniertem „Prisoners“.

YP: Um bei Villeneuve zu bleiben. „Polytechnique“ ist aus 2009. „Incendies“ aus 2010. Und dann folgen „Prisoners“ und „Enemy“, beide aus 2013. Vier Filme in nur fünf Jahren ist eine beachtliche Leistung. Vor allem, wenn man sich die Qualität der Filme vor Augen führt. Ich halte „Polytechnique“ und „Enemy“ für kleine Meisterwerke und „Incendies“ und „Prisoners“ auf jeden Fall für Thriller mit hohem Anspruch.

PD: Umso überraschter war ich, als ich in diesem Interview mit ihm las, dass er nach „Polytechnique“ eine Pause einlegen wollte. Dann kommt er nur ein Jahr später mit einem so wuchtigen Film wie „Incendies“ zurück. Da überhaupt von einer Pause zu sprechen, finde ich schon gewagt. Womöglich war er aber auch nur geschlaucht von der Nacherzählung der wahren Ereignisse, die er in „Polytechnique“ darstellt. Der Film ist ja doch sehr kühl.

YP: Ich habe „Incendies“ auch 2011 gesehen und der Film war damals auch einer meiner Lieblingsfilme des Jahres. Ich weiß gar nicht, warum ich nicht näher auf den Regisseur eingegangen bin. Etwas, was ich bei Dolan durchaus gemacht hatte.

PD: „Incendies“ hat bei mir nicht wirklich viel ausgelöst. Ich bewunderte die clevere Inszenierung, aber die Handlung mit den vielen Twists, hat mir nicht so zugesagt. Dafür ist mir Villeneuve sehr wohl plötzlich ein Begriff gewesen, und das muss sich auch so sehr ins Unterbewusstsein eingebrannt haben, dass ich in Hinblick auf „Prisoners“ nur aufgrund der Tatsache, dass Villeneuve inszeniert, sehr interessiert war.

Dolan war auf jeden Fall aufgrund seines jungen Alters auch als Person interessant. Schließlich will man ja auch wissen, was hinter einem 19-jährigen Filmemacher steckt, der so ein Debüt hinlegt.

YP: Mir gefiel „Incendies“, ich empfand ihn als wuchtig. Beim Schauen erinnerte er mich an Stücke aus der griechischen Tragödie, richtig epochal. Beim genauen Hinsehen weiß man, dass der Film auf einem Theaterstück des Exil-Libanesen Wajdi Mouawad basiert.

PD: Interessant. Ich kann mir das gar nicht auf einer Theaterbühne vorstellen, zumindest nicht in der Form, in der es Villeneuve auf die Leinwand brachte. Es ist voller gewaltiger Schläge in die Magengrube, auch visuell.

Sein visueller Stil ist auch immer wieder beeindruckend anzusehen. Egal ob das strenge Schwarzweiß in „Polytechnique“, was auch gut zur Geschichte passt, oder die ausufernden und doch kontrolliert eingesetzten Farbpaletten in „Next Floor“ oder „Enemy“.

YP: Nicht zu vergessen diese ausgewaschenen Grautöne in „Prisoners“. Die Farben, in denen er seine Bilder taucht, bleiben richtig hängen. Für mich waren – die Lang- und Kurzfilme – allesamt bildgewaltige Ereignisse.

PD: Darin sehe ich seine größte Stärke. Es bleiben imposante Bilder hängen, aber auf der Handlungsebene macht er mir oft zu viele Drehungen und Wendungen. Bei „Prisoners“ wieder hat er einem sehr standardisiertem Drehbuch zu höheren Weihen verholfen. Denn so wirklich intelligent empfand ich das Gezeigte nicht.

Mir gefällt auch, dass Jake Gyllenhaal und er sich offenbar zu Höchstleistungen anspornen. Gyllenhaals Leistung in „Prisoners“ hat mich beeindruckt und „Enemy“ ist ohnehin ein kleines Gesamtkunstwerk, das exemplarisch für Villeneuves Art des Filmemachens steht.

YP: Ich kenne Villeneuves Frühwerk nicht, aber nehmen wir die Filme seit „Polytechnique“. Da scheint mir, als schicke er all seine Protagonisten auf ausgedehnte Odysseen. Richtige Irrwege. Das ist zumindest ein Versuch, die vielen Twists zu erklären. So fühlt es sich bei jedem Film an. Vor allem eben in „Enemy“, der mich zum Beispiel etwas an „Naked Lunch“ von David Cronenberg erinnerte.

PD: Bezüglich „Enemy“ musste ich merkwürdigerweise nicht an „Naked Lunch“ denken. Eher an Richard Ayoades „The Double“ und auch an den einen oder anderen Film von David Lynch. Ansonsten stimme ich zu, er führt in seinen Filmen die Charaktere auf ihre eigenen Wege und führt sie zum Schluss, mit neu erworbenen Kenntnissen, wieder zusammen. Erst dann erschließt sich das gesamte Bild.
Dabei fällt „Polytechnique“ ein wenig aus dem Rahmen, denn der handelt ja nicht nur von einer realen Tragödie, sondern fühlt sich auch formal strenger an. Ein wenig mehr wie „Elephant“ von Gus van Sant.

YP: Für einen Vergleich mit Lynch ist mir der Plot zu linear. Aber „Enemy“ ist der am wenig kommerziellste seiner Filme. Andererseits, er bietet nicht eine Auflösung, sondern einige. Das hebt ihn auch aus seinem Werk heraus.

Von den Kurzfilmen kenne ich „Next Floor“ und „120 Seconds to Get Elected“.

PD: Bei seinen Kurzfilmen scheint Villeneuve ja sogar eine Spur experimenteller zu agieren. „Next Floor“ ist visuell großartig ausgearbeitet, während „120 Seconds to Get Elected“ mit einfachsten Mitteln operiert. Das scheint eine Spielwiese für ihn zu sein.

YP: Ich würde sagen, diese sind auch gesellschaftskritischer. Ist „Next Floor“ eine Kritik am Massenkonsum und an der Maßlosigkeit, schient „120 Seconds“ die verbalen Verführungskünste moderner Demagogen aufzuzeigen.

PD:  Genau so habe ich es auch gesehen. In „120 Seconds“ rutscht der seine Reden schwingenden Politiker auch innerhalb weniger Sekunden vom Populistischen ins Faschistische. Es lag aber wohl auch an der Länge, dass dieser Kurzfilm weniger Eindruck hinterließ, denn „Next Floor“.

YP: „Next Floor“ legt auch eine gewisse Komik – die in seinen Langfilmen nirgends anzutreffen ist – an den Tag. Mich erinnerte der Film stark an „La Grande Bouffe“.

Godzilla

23 Freitag Mai 2014

Posted by filmimdialog in Filmdialoge

≈ Ein Kommentar

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Aaron Taylor-Johnson, Benicio del Toro, Bryan Cranston, Elizabeth Olsen, Gareth Edwards, Godzilla, Gojira, Juliette Binoche, Ken Watanabe, Pacific Rim, Roland Emmerich, Sally Hawkins

Zum 60-jährigen Jubiläum beschenken die Toho Studios sich selbst und das Publikum mit einer neuerlichen Hollywood-Variante ihres berühmtesten Monsters: „Godzilla“. In den Händen des vormaligen Independent-Regisseurs Gareth Edwards sieht die Riege mit ausnahmslos talentierten Darstellerinnen und Darstellern den monströsen Kreaturen beim Kampf zu. Über die Verzichtbarkeit des menschlichen Faktors, den Weg zum Multimillionen-Blockbuster und „Godzilla“-Regisseur Roland Emmerich sprechen wir in unserem neuen Dialog.

Spoilerwarnung!

PD: Ich war positiv überrascht, dass in „Godzilla“ relativ wenig von Godzilla zu sehen ist.

YP: Das kam auch dem Spannungsaufbau zugute. Wobei das letzte Drittel des Films zweifellos Monster-Bombast-Zerstörungskino war.

PD: Darauf habe ich aber auch lange genug gewartet. Gut zwei Drittel des Films, werden damit zugebracht, den eher weniger interessanten Charakteren dabei zuzusehen, wie sie nicht wissen, was sie tun sollen. Vor allem die ständig zur Schau gestellte Inkompetenz des Militärs war nach einer Weile ermüdend.

Da war es dann auch ein wenig eine Belohnung für das Publikum, am Ende die Monster in Action zu zeigen. Dabei hat Regisseur Edwards ohnehin selten eine Perspektive gewählt, in der man klassisch auf die Monster blickt. Stattdessen sieht man TV-Aufnahmen, den Blick der zur Erde hin stürzenden Fallschirmspringer, den Blickwinkel der sich in U-Bahn-Tunneln flüchtenden Menschen … das war schon kreativ inszeniert.

YP: Mir gefiel, dass das Publikum schon im ersten Drittel von „Godzilla“ merkt, wie viel Liebe im Detail steckt. Da hat Edwards seine Aufgaben ordentlich gemacht und seinen Film auch als Hommage an das Original von 1954 mit lauter Verweisen und Zitaten angelehnt. Mir schien der Plot gut zusammengeschustert.

PD: Als Hommage habe ich das gar nicht gesehen, eher als Fortführung des Originals von Ishiro Honda. Da gefiel mir auch die Einarbeitung des Archivmaterials, welches ziemlich deutlich machte, dass die Atom- und Wasserstoffbomben-Tests nur verschleierte Militäraktionen gegen Godzilla waren.

Richtig gut getroffen hat Edwards die Mischung aus Katastrophen, die man aus der nahen Vergangenheit kennt (Fukushima, Tsunami), und den Bezug zu den Mutos und Godzilla. Exakt in diesem Punkt, ist der neue Godzilla dem Original aus 1954 sehr ähnlich.

YP: Es stockt in der Mitte hauptsächlich wegen der nicht gut herausgearbeiteten Charaktere. Ich weiß, dass es so angelegt war, aber mir fehlten einfach Sympathieträger. Die vielen unzähligen Kindergesichter haben bei mir nicht funktioniert, die haben mich hauptsächlich deswegen irritiert, weil sie so offensichtlich platziert waren. Auch die Familiengeschichte war zu plakativ, zu zerfahren.

PD: Die Kinder haben mich auch irritiert. Der Subplot mit dem im Zug verloren gegangen Kind war einfach unnötig.

Von den menschlichen Charakteren gefiel mir einzig Bryan Cranston als Techniker im Atomkraftwerk. Ansonsten wurden da hervorragende Darsteller geradezu verheizt. Wenn man bedenkt, dass Elizabeth Olsen, Sally Hawkins, David Straitharn und Ken Watanabe die meiste Zeit nur herum stehen und mit weit aufgerissenen Augen in die Gegend schauen, kann man geradezu depressiv werden. Dafür spielt Aaron Taylor-Johnson den oberflächlichen Helden.

YP: Weit aufgerissene Augen und Münder, das hat bei mir ein paar Lacher verursacht. Nachträglich betrachtet war Johnsons Figur des Bombenentschärfers eigentlich total überflüssig. Er war stets der Deus-ex-machina, der IMMER zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Da hätte ich mir mehr von Watanabe und Hawkins gewünscht, aber die waren auch fragwürdig in die Handlung eingebettet.

Dafür fand ich die Einstellungen mit dem Hund, der Echse und dem Wolf richtig gelungen.

PD: Sobald sich Edwards um alles andere als um die Menschen kümmerte, wurde „Godzilla“ richtig gut.

YP: Als Bombenentschärfer gelingt es Johnson dann doch nicht, die Bombe zu entschärfen. Das ist doch einfach nur sehr ironisch.

PD: Das ist mir gar nicht so aufgefallen. Da war ich schon zu sehr daran gewöhnt, dass das Militär ja doch nie etwas schafft und die Sache im Endeffekt nur verschlimmert. Dass Johnson rein zufällig immer an den Orten auftauchte, an denen gerade die Monster wüten, war wirklich komisch.

YP: Der eigentliche Sympathieträger war im Grunde „Godzilla“ – oder wie Watanabes Figur einmal sagt „Gojira“, der ja dann der Weltenretter ist und nicht der Zerstörer.

PD: Das hat mich ein wenig überrascht, dass Godzilla sehr schnell zum „König der Monster“ und Helden wurde.

YP: Aber es ist nicht das erste Mal in der Godzilla-Franchise. Darum auch meine Bemerkung zu Beginn: Da hat jemand seine Aufgaben recht gründlich gemacht.

PD: Es ist eine ziemlich klare Anknüpfung an die bestehenden Godzilla-„Mythologie“, in der aus dem ursprünglich bösen Monster, ein wenig der Beschützer der Menschen wurde.

YP: Ich musste auch öfters an Guillermo del Toros letztjährigen Sommerblockbuster „Pacific Rim“ denken, wobei ich „Godzilla“ sogar eine Spur unterhaltsamer fand.

PD: Darauf wollte ich gerade näher eingehen. Während ich bei „Pacific Rim“ kaum dazu kam, die Action zu genießen, da ich so sehr mit den Logiklöchern beschäftigt war, konnte ich mich in „Godzilla“ ein wenig fallen lassen. Das hat wohl auch damit zu tun, dass die beste Darbietung gleich im ersten Drittel des Films zu sehen ist, und man später mit sehr gut inszenierter Action versorgt wird.

YP: Die Kämpfe zwischen Godzilla und den beiden M.U.T.O.s waren auch wirklich schön schaurig in Weltuntergangsstimmung-Farben inszeniert. Wenn ich an die Szene denke, wo die Militärs vom Himmel fallen, die Rauchschwaden, die zerstörten Gebäude – das war schön anzusehen. Der Schluss hat mich nicht überfallen, weil die Auflösung funktioniert. Aber dann tauchen wieder die Figuren auf und ich denke nur an einen Begriff: plump.

PD: Beim Fallschirmsprung gefiel mir auch, dass die Musik aus der Monolith-Szene aus „2001: A Spacey Odyssey“ benutzt wurde (http://www.youtube.com/watch?v=GPKg2c_bRCs).

YP: Aber seien wir uns ehrlich, es haben ohnehin die CGI-Monster Vorrang in solchen Filmen. Da scheinen mir die menschlichen Darsteller auch nebensächlich. Allerdings ist es auch nachteilig, wenn dann zu viele Fragen aufkommen, das trübt mir dann zu sehr das Sehvergnügen.

PD: Es ist ein Creature Feature. Da will ich auch das Hauptaugenmerk auf dem Monster haben. Gerade deshalb hätte ich nichts gegen eine gekürzte Version. Die 122 Minuten lassen sich aufgrund der schwach ausgearbeiteten Charaktere kaum rechtfertigen.

YP: Die Länge hat mich – vor allem in der Mitte des Films – gestört.

PD: Ken Watanabes einzige Funktion zum Beispiel war es, die Hintergründe der Monster zu erklären, was den Film immer wieder zum Stillstand brachte. Er durfte im Gegensatz zu Sally Hawkins auch ein wenig schauspielern. Hawkins, so wie Elizabeth Olsen oder Juliette Binoche, war anwesend. Allerdings nicht mehr. Eine Stichwortgeberin.

YP: Weiß man schon, was Roland Emmerich zu diesem Film sagt?

PD: Gute Frage. Bislang habe ich noch keinen Kommentar von Emmerich dazu vernommen. Ich bezweifle aber, dass er sich äußern wird. Für Kommentare über die Arbeiten anderer Filmemacher ist er nicht gerade bekannt.

YP: Wobei sein „Godzilla“ schon vergessen ist. Erst heute habe ich mir den Honest Trailer von den Screen Junkies zu seiner Version angesehen: https://www.youtube.com/watch?v=vtzSP8VjkcE

PD: Dass Gareth Edwards von einem 1 Mio-Low-Budget-Film zu einem 160-Mio-Blockbuster gewechselt ist? Das ist ja beispiellos.

YP: Findest du?

PD: Einem Low-Budget-Indie-Regisseur wurde noch nie so ein Budget hinterher geworfen. Dafür musste man sich zuvor immer an „Mid-Budget“-Projekten die Zähne ausbeißen. Etwa Christopher Nolan. Bevor er sich an Batman ranmachen durfte, musste er mit „Insomnia“ beweisen, dass er mit Stars und großem Budget umgehen kann.

Der Weg vom Indie-Regisseur zum Multimillionen-Projekt ist aber dennoch ganz neu. Vor allem da Edwards offenbar ein wenig kreative Freiheit besaß.

Marc Webb etwa, oder alle anderen Regisseure die bei Marvel-Filmen das Regiezepter führ(t)en, sieht man keinerlei eigenen Stil an. Das ist alles völlig anonym inszeniert.

YP: Das ist ein guter Punkt. Darum gefällt mir „Godzilla“ umso mehr, weil Edwards eben nicht „anonym“ inszeniert.

PD: …und da scheint eben auch das Studio sehr viel Vertrauen in Edwards gesetzt zu haben.

YP: Es wird aber nicht in die Hose gehen. Mir scheint, „Godzilla“ ist ideales Blockbuster-Material. Das Kino gestern war rammelvoll, bedenkt man, es war eine Montagsvorstellung in Wien.

PD: Na ja, das hat man damals beim Emmerich auch gedacht, und nach einem tollen Startwochenende, stürzte der Film grandios ab.

YP: Und trotzdem macht Emmerich noch Filme.

PD: Zu seiner Verteidigung: Ich fand „Anonymous“ richtig gut. Überraschend gut.

YP: Da gebe ich dir Recht, der ging aber in die andere Richtung von dem, was er sonst so machte. Mir fehlen irgendwie die Spielberg-Blockbuster, mit denen ich aufgewachsen bin. Der einzige Regisseur auf den Verlass ist, ist Nolan.

PD: Momentan ist Nolan DER Garant für gut gemachten Mainstream.
Spielberg hingegen hat in den letzten Jahren „War of the Worlds“ und „Indiana Jones and the Kingdom of the Crystall Skull“ verbrochen. Da ist es mir lieber, er konzentriert sich auf seine persönlicheren, kleineren Projekte á la „Lincoln“.

Michael Glawogger

16 Freitag Mai 2014

Posted by filmimdialog in Personalia

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Contact High, Megacities, Michael Glawogger, Nacktschnecken, Slumming, Whore's Glory, Workingman's Death

Viel zu jung verstarb der österreichische Filmemacher Michael Glawogger. Er hinterlässt ein bildgewaltiges Werk von Dokumentarfilmen und Spielfilmen. In diesem Dialog beschäftigen wir uns mit beidem und in welchem Bezug seine Filme zueinander stehen.

YP: Von allen Filmen, die ich von Glawogger nun kenne, ist „Workingman’s Death“ der beeindruckendste für mich. Kraftvoll, imposant, Grenzen ergründend. Visuell unvergleichlich mit  unvergesslichen Bildern.

PD: Das sehe ich genauso. „Workingman’s Death“ war auch der erste Film von Glawogger, den ich zu sehen bekam. Auf der großen Leinwand entfaltet sich diese Kraft der beeindruckenden Bilder, eingefangen von Wolfgang Thaler, noch um eine Spur mehr. Erst danach habe ich begonnen, mich mit anderen Arbeiten von ihm zu beschäftigen.

Dabei fiel mir auf, dass mir der Dokumentarist Glawogger mehr zusagte, denn der Spielfilmemacher Glawogger.

YP: Das ist eine Eigenschaft, die ihn als Filmemacher daher umso mehr auszeichnet. Seine Spielfilme haben mit dem Dokumentarfilmen auch kaum etwas gemeinsam. Eine unglaubliche Qualität liegt den Dokumentarfilmen zugrunde, wobei die Spielfilme kleine erlesene Genreperlen sind.

PD: Deshalb ist sein Verlust aus künstlerischer Sicht umso schmerzlicher. Seine Projekte waren immer darauf ausgelegt, Grenzen auszuloten. Er legte sich nicht auf bestimmte Formen fest. Deshalb ist ja auch seine ihn weltweit bekannt machende Dokumentarfilm-Trilogie „Megacities“ – „Workingman’s Death“ – Whores‘ Glory“, so beeindruckend, da er sich jeglicher moralinsaurer Kommentare verweigert.

Genau wie auch in seinen Spielfilmen, in denen es vor unsympathischen Charakteren nur so wimmelt. Doch er lässt jedem Charakter seinen Raum. Selbst wenn ich es mir, vor allem bei den Spielfilmen, öfter wünschte, dass er etwas rigider mit den Charakteren vorgegangen wäre.

YP: Meine erste Zusammenkunft mit Glawogger war sein Spielfilm „Nacktschnecken“, das muss vor 10 Jahren gewesen sein, irgendwann im Donnerstags-Nachtprogramm des Öffentlich-Rechtlichen. Ich kann mich erinnern, wie ich zu gleichen Teilen etwas verstört und begeistert war. Ein kleiner Film, voller Seitenhiebe auf die Gesellschaft und mit ungewöhnlichem Humor.

PD: Das hat ihn vom Komödien-Mainstream in Österreich abgehoben. Die typisch-österreichische Komödie ist im Stil von „Freispiel“ oder „Poppitz“ gehalten, doch Glawogger hat sich in seinen Genrearbeiten immer Ecken und Kanten geleistet. Oberflächlich leicht zugängliche Ware, die dann mit bitterbösem Humor oder auch bewusst gesetzten Albernheiten versehen waren. Da ist mir allerdings der auch visuell verspieltere „Contact High“ besser in Erinnerung geblieben als „Nacktschnecken“.

Eine eigenwillige Beziehung habe ich zu „Slumming“. Der Film selbst hat mich ganz anständig unterhalten, und die Darsteller waren allesamt gut – vor allem Paulus Manker als Obdachloser -, aber da ich damals Michael Glawogger interviewen durfte, hat dieser Film einen spezielleren Platz bei mir. Obwohl ich „Slumming“ gar nicht so beeindruckend fand.

YP: Ich frage mich, ob mir seine Spielfilme deshalb zusagen, weil sie in gewisser Weise diesen „österreichischen Humor“ haben, wenn es so etwas wie einen „österreichischen Schmäh“ überhaupt gibt. Die wirken auch sprachlich charmant. Und die Charaktere darin sind so herrlich bizarr und verspielt. Nichtsdestotrotz sind es die Dokumentarfilme, die mehr von Bedeutung sind. Mir scheint es auch, als waren die Spielfilme für ihn notwendige Beschäftigungen, die er nach seinen Reisen und Dokumentarfilmen gebraucht hat, um wieder hier anzukommen.

PD: Da bin ich mir gar nicht so sicher, denn auch in den Dokumentarfilmen gibt es sehr viele inszenierte Passagen. Mein liebster Abschnitt in „Megacities“ ist „The Hustler“, und die Geschichte, in der ein junger Mann mit dem Versprechen nach willigen Prostituierten übers Ohr gehauen wird, wirkt bis zu einem gewissen Grad inszeniert, zugleich aber auch unglaublich komisch. Diese Grenze zog er, so schien mir, keineswegs so genau.

Ich erinnere mich noch, dass Hans Hurch Glawoggers „Slumming“ nicht bei der Viennale aufführen wollte, da er dieses „Rotzbubenkino“ (http://www.falter.at/falter/2006/10/10/das-ist-rotzbubenkino/) nicht haben wollte. Darin liegt auch viel Wahrheit, denn sein Humor war schon sehr albern und verspielt. Darin liegt aber auch die Stärke seiner Komödien.

YP: Die Frage stelle ich mir gar nicht so, bei Betrachtung seiner (oder anderer) Dokumentarfilme. Natürlich gibt es Inszeniertes und inszenierte Passagen, da brauchen wir gar nicht über Dokumentarfilme zu sprechen. Es ist nun mal so, dass – wenn eine Kamera auf etwas gehalten wird – sich die Dynamik immer verändert. Wichtig ist mir, was dabei herauskommt und wie die Bilder wirken.

Da habe ich dann dieses Zitat am Ende von „Megacities“ im Kopf: „Escapism of any kind is good“. Das mit dem Eskapismus. Eskapismus für die Leute, die gefilmt werden; die Leute, die daran arbeiten. Und natürlich auch für das Publikum. Obwohl die Dokumentarfilme auch immer was Nüchternes haben.

PD: Genau in diesem Geiste funktionieren seine Dokumentarfilme dann auch besser, denn die Spielfilme. Obwohl ich ja „Contact High“ bei meiner erneuten Sichtung besser fand und mich einzig „Das Vaterspiel“ wirklich wütend aufgrund der mageren Qualität zurückgelassen hat.

In den Dokumentarfilmen scheint mir auch viel mehr Freiheit zu liegen. Er arbeitete sich zwar an einer Thematik ab (Leben im modernen urbanen Raum, Arbeiterklasse im 21. Jahrhundert, Prostitution), aber ließ sich davon nicht eingrenzen. Das führte dann zu diesen bildgewaltigen, weltumspannenden Werken. Die Spielfilme scheinen mir da ein wenig eingezwängt in ein erzählerisches Korsett.

YP: Ich bin bei dem Kapitel „Löwen“ aus „Workingman’s Death“ an meine Grenzen gegangen. Das haben sich mir Bilder offenbart, wo ich als Zuschauerin nicht mehr wusste, wie ich die verarbeiten soll. Wie die Menschen in ihrem Arbeitsalltag eingebettet sind. In was für einer anderen – mir gänzlich fremden – Welt sich das befindet.

PD: Das war wirklich ein Blick in eine völlig fremde Welt, auch in ein Afrika, wie man es nur selten auf der Leinwand zu sehen bekommt. Vor allem in dieser Intensität.

YP: Und das waren für mich die verstörendsten Bilder, weil sie auch so schonungslos offen gezeigt wurden. Ich konnte förmlich die Rauchschwaden spüren, den Gestank wahrnehmen. Interessant und äußerst positiv empfand ich dann zum Beispiel „Whore’s Glory“. Die jungen Frauen – wie sie gezeigt wurden, ihre Beziehungen zu den Freiern. Auch die Freier, die menschlich dargestellt wurden.

PD: “Whores’ Glory“ führt da einen Erzählstrang aus „Megacities“ weiter, und deshalb war ich zunächst skeptisch, aber genau dieser exakte Blick auf die Lebensumstände der Prostituierten hat mir sehr gut gefallen. Dass die Freier frei von der Leber weg sprechen, macht sie nicht unbedingt sympathischer (vor allem die Freier in Bangladesch erschienen mir zwischenzeitlich wie unkontrollierte Wesen), aber es gibt auch hier keine Wertung. Jegliche moralische Wertung, entsteht einzig im Kopf des Betrachters.

Transcendence

09 Freitag Mai 2014

Posted by filmimdialog in Filmdialoge

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Captain America, Christopher Nolan, Inception, Johnny Depp, Künstliche Intelligenz, Rebecca Hall, Transcendence, Wally Pfister

Ursprünglich wollte Christopher Nolan inszenieren, hat dann aber „Interstellar“ übernommen und Wally Pfister „Transcendence“ angetragen. Dieser konnte sich bei Filmen wie „Inception“ bisher einen Namen als Kameramann machen. Wie sich das auf Wally Pfisters Regiedebüt ausgewirkt hat und wie viel von Nolans Einfluss außerdem noch im Film steckt, wollen wir folgend besprechen.

YP: Ob du es glaubst oder nicht, mir hat der zweite „Captain America“ besser gefallen als „Transcendence“

PD: Inwiefern hat dir „Captain America“ besser gefallen?

YP: Erstens gibt es Ähnlichkeiten im Plot zwischen „Captain America“ und „Transcendence“. (Das Bewusstsein bzw. das gesamte Denkvermögen und Wissen von jemanden wird virtuell hochgeladen. Welche Sicherheits-Gefahren die virtuelle Welt mit sich bringt usw.) Zwar ist „Transcendence“ schöner anzusehen, aber die Comicverfilmung hat mehr Schmäh und macht dadurch auch mehr Spaß.

PD: Gut, diesen Vergleich kann ich nun nicht ziehen, da ich den neuesten „Captain America“-Film noch nicht gesehen habe. Ich stimme aber auf jeden Fall darin zu, dass „Transcendence“ nicht unbedingt ein humorvoller Film geworden ist.

YP: Nicht nur nicht humorvoll, das muss er nicht. Aber auch so ist der Film absolut zäh und langweilig. Konnte mich kaum mitreissen und ließ mich unbeeindruckt zurück. Schön und gut, er wirft ein paar Fragen auf, über die es sich nachzudenken lohnt. Das wars dann auch.

PD: Keineswegs. So sehr das Debüt von Wally Pfister auch narrative Probleme hatte (und davon gibt es ja doch einige), aber langweilig fand ich ihn keineswegs. Gestört hat mich eher, dass Pfister so viele interessante Themen anschneidet, aber nicht gründlich vertieft, sondern sich stattdessen auf die „Liebesgeschichte“ zwischen Will (Johnny Depp) und Evelyn (Rebecca Hall) versteift und genau darin liegt das Problem. Die emotionale Seite des Konflikts Künstliche Intelligenz vs. „echte“ Gefühle ist sehr schnell ausgearbeitet, alle anderen Aspekte bleiben viel zu oberflächlich.

Im Gegensatz dazu hat „Her“ den richtigen Zugang gefunden, und sich einfach auf einen Aspekt konzentriert.

YP: An „Her“ musste ich auch öfters denken, da der Vergleich auf der Hand liegt. Zugegebenermaßen, ich habe mir jetzt auch kein „Inception“-Spektakel erwartet, aber dadurch, dass der Film keinen roten Faden, bzw. Hering, findet, verliert er mich als Zuseherin. Es hätte nicht schlecht getan, hätte sich die Story mehr auf die Terror-Gruppierung konzentriert, denn auf Evelynes und Wills Beziehung. Die so keine war, sie hat mit einem Computer gesprochen, und es war unmissverständlich, dass es sich um einen Computer gehandelt hat. Erst zum Schluss kippte das um.

PD: Da muss ich dir widersprechen, ich finde das war ein spannender Aspekt, dass man sich eben die Frage stellen musste, ob es sich nun tatsächlich um Will, um eine Simulation von Will oder um eine computerisierte Fortführung von Wills Bewusstsein handelte, mit der Evelyn es zu tun hatte. Seine Reaktionen speisten sich aus den Erinnerungen, die ihm mitgegeben wurden, aber inwiefern er doch noch dem Menschen glich, der er war, ob er nur eine Simulation war oder doch ein weiter entwickeltes Wesen, das war bis zum Schluss nicht klar, sondern oblag dem Zuseher. Ich interpretierte die Entwicklungen in Nano-Technologie und der Transzendenz, mit der Will die Welt überziehen wollte, als die Handlungen eines neuen, eigenständigen Wesens.

Was die Terrorgruppe R.I.F.T. angeht. Zu Beginn hatte ich mich schon über deren Präsenz gefreut, da ich an die Terrorgruppierung aus David Cronenbergs „eXistenZ“ denken musste, aber mehr als ein nie klar ausformulierter Nebenplot, waren sie dann doch nicht. Das gefiel mir an Will als Künstliche Intelligenz. Er war nie wirklich ein Bösewicht. Genauso wie die Menschen nie wirklich die Guten waren. Es blieb alles im Graubereich.

YP: Ein Bösewicht war er nicht im traditionellen Sinne, aber Gutes getan hat er auch nicht. Seine Armee bestand aus Menschen, die er sich zunutze und willig gemacht hat. Er hat sie manipuliert, sie von sich abhängig gemacht. Dieser Aspekt seines Charakters hat mir nicht gefallen, ob es Wills Intelligenz war oder irgend eine artifizielle Computer-Intelligenz. Für mich war das ein Indiz dafür, dass es nicht der Mensch Will sein kann. Und so wie sich Evelyn von ihm distanziert hat, war er es auch nicht. Das Ende ist mir obendrein zu sentimental angehaucht gewesen. Echter Will hin oder her.

PD: Das ist ein schöner Punkt, der nicht schwarz-weiß inszeniert wurde. Einerseits hilft Will den Menschen, indem er sie von ihren Krankheiten heilt, andererseits infiltriert er sie und – in bester „Invasion of the Body Snatchers“-Manier – benutzt sie. Doch seine „Armee“ wird erst aktiv, als die US-Army mit ihrem Angriff beginnt. Es ist nicht klar, ob er überhaupt irgendwelche Pläne mit ihnen hatte.

Das Finale war mir auch zu sentimental, wie auch der Score von Mychael Danna zuweilen viel zu sehr ins Sentimentale kippte. Für jeden musikalisch grandios untermalten Moment (da kamen ein wenig Erinnerungen an den tollen Soundtrack von Steven Soderberghs „Solaris“-Remake hoch) gab es einen ebenso furchtbar-klebrig-süßen.

YP: Willst du damit sagen, dass sein Größenwahn ausschließlich im Dienste der Erforschung der Nanotechnologie stand?

PD: Die Problematik, wie er die Nanotechnologie eventuell einsetzt, ist natürlich sehr negativ besetzt und passt ins beste „Großer böser Bösewicht“-Schema. Doch auch hier: Er regeneriert die Umwelt, reinigt Flüsse und Ozeane, lässt Wälder von Neuem wachsen. Es ist ein schmaler Grat auf dem all diese Entwicklungen stattfinden. Die Angst, dass Will damit nur seinem eigenen Größenwahn dienen würde, stammt auch wieder von den Menschen.

YP: Offensichtlich haben wir beide diesen Aspekt ganz anders aufgefasst. Die Stärke des Films lag im Cast – wobei ich hier Johnny Depp herausnehme  – und in den Bildern. Auch wenn Christopher Nolan nur als Executive Producer angeführt wird, der Nolan-Schriftzug ist nicht zu leugnen.

PD: Ja, der Cast ist ein Hauptpunkt, weshalb man sich den Film ansehen soll. Dabei hat Depp zwar den Starfaktor und über ihn wird der Film auch verkauft, aber er verbringt den Großteil des Films doch relativ starr auf einem Computerscreen. Die Kameraarbeit von Jess Hall hat mich hingegen ein wenig enttäuscht. Es waren einige schöne Aufnahmen dabei, aber da ist man von Wally Pfister als Kameramann einfach mehr gewohnt.

Nolans Einfluss ist zwar nicht zu übersehen, aber im Gegensatz zu seinen Filmen, gefiel mir an „Transcendence“, dass es nicht in einem endlosen Actionfinale endete. Die Logiklöcher in der Handlung sind nicht gerade förderlich, für das Gelingen des Films. Darunter leiden dann auch ganze Charaktere, wie etwa die von Kate Mara gespielte Terroristin, oder Cillian Murphys FBI-Agent.

YP: Der Film wirft interessante Punkte auf, über die man sich Gedanken machen kann. Zum Beispiel die Gesellschaft ohne Internetzugang und was es bedeutet, ständig vernetzt und online zu sein. Außerdem das Expandieren des Bewusstseins. Ich kann nicht leugnen, dass da ein gewisser Reiz immer mitschwingt. Aber mich ließ der Film komplett leer zurück und ich hatte Schwierigkeiten dabei, gedanklich nicht abzudriften. Kathartische Action-Sequenzen à la „Captain America“ brauche ich bestimmt nicht, aber in „Transcendence“ passt für mich einiges nicht zusammen.

PD: Die Internetlosigkeit hat mich gar nicht so sehr interessiert. Viel mehr wie leicht es für Will war, an der Wall Street Geld zu verschieben, was der nächste Schritt in der Evolution wäre, würde eine künstliche Intelligenz mit den Ressourcen von Will Forschung vorantreiben und so weiter. Es ist im Grunde die etwas pessimistischere und weniger romantische Version von „Her“. Genau genommen kann man die beiden Filme auch hintereinander in einem Double Feature betrachten.

Was nicht zusammenpasst, sind eben die vielen Logiklöcher. Wie kann etwa niemand von der Regierung bemerken, dass in der Wüste eine riesige Serverfarm aus privaten Mitteln entsteht? Woher kam das Geld? Hat niemand untersucht, wie das Geld an der Wall Street verschoben wurde? Wieso wird über die Jahre nicht einmal versucht, Will aufzuspüren, oder Evelyn?

YP: Das mit dem Geld hat mich auch beschäftigt, sie wird Multi-Millionärin, ihr Unternehmen macht unglaublich hohe Summen an der Wall Street und niemanden fällt es auf, es kommen keine Journalisten usw. In der Wüste entsteht ein technologisches Babylon und niemand kommt dem auf die Schliche. Da ist weggelassen worden, aber es fehlt dann auch dem Publikum, damit die Geschichte ein rundes Ganzes ergibt.

PD: … und die Terrorgruppe entführt Wissenschaftler und mordet sich durch die Gegend, aber der Kern bleibt unbehelligt, obwohl die Behörden ja offenbar wissen, wo die sich herum treiben.

…und warum hat das FBI einfach nichts getan in etwa fünf Jahren? Der von Cillian Murphy gespielte Agent, wurde ja mehr oder weniger darüber informiert, dass bei der Fahndung nach Terrormitgliedern, das Bewusstsein von Will sich ins FBI-System gehackt hat, und es passiert…nichts. Niemand wird dadurch nervös, oder einfach nur aufmerksam. Das fehlt, aber dafür hätte es noch viel mehr Zeit nötig gehabt, oder einen Regisseur, der über solche Logiklöcher geschickter darüber inszeniert und nicht einfach nur woanders hinschneidet.

YP: Nichtsdestotrotz bleibt der Film ein ambitioniertes Regiedebüt von einem exzellenten Kameramann. Gute Regisseure fallen nun mal nicht vom Himmel. Nicht wie die Regentropfen.

PD: Da hätte die Nanotechnologie von Will vielleicht geholfen.

Gerade deshalb stehe ich dem Film vielleicht etwas milder gegenüber. Es ist ein sehr ambitioniertes Projekt, dass einfach die vielen großartigen Ideen nicht gut genug umzusetzen weiß. Leider.

YP: Das verstehe ich schon, aber mich um mein Kinovergnügen zu bringen, stimmt mich nicht sonderlich milde. Da kenne ich kein Pardon.

PD: So ging es mir eben mit „Noah“. Da fühlte ich mich um mein Kinovergnügen gebracht. Bei „Transcendence“ hatte ich zumindest das Gefühl, dass hier etwas versucht wurde. Der Film, so viele Fehler er auch in sich trägt, brachte mich zum nachdenken und zum grübeln.

Snowpiercer

02 Freitag Mai 2014

Posted by filmimdialog in Filmdialoge

≈ 4 Kommentare

Schlagwörter

Allison Pill, B-Movie, Chris Evans, Ed Harris, jamie bell, John Hurt, Joon-ho Bong, Kang-ho Song, Science-Fiction, Snowpiercer, Tilda Swinton

Nach langem Warten hat es die südkoreanisch-französische Co-Produktion „Snowpiercer“ von Starregisseur Joon-ho Bong endlich in die heimischen Kinos geschafft. Ob sich die Wartezeit gelohnt hat, welchen Effekt diese auf die Erwartungshaltung des Publikums hat und wie wichtig Humor auch noch für den düstersten Science-Fiction-Film ist, besprechen wir diese Woche in unserem Dialog.

Eine Warnung: Dieser Dialog beinhaltet so manchen Spoiler!

PD: „Snowpiercer“ hat ein grundlegendes Problem: den Hype.
Der Film ist so unglaublich lange in der Warteschleife gehangen, dass sich dadurch ein beinahe unmöglich einzulösendes Versprechen von Größe aufgebaut hat.

YP: Findest du? Kann schon sein. Obwohl er gar nicht auf diesen Hype angewiesen ist. Ich hätte ihn mir sowieso angesehen. Wenn nicht wegen Tilda Swinton, dann wegen Chris Evans oder Jamie Bell. Oder weil der südkoreanischer Regisseur Joon-ho mit Hollywood-Stars dreht.

PD: In gewissem Sinne finde ich schon, denn nachdem die Diskussion, ob und wie man den Film außerhalb von Südkorea zu sehen bekommen wird, wurden immer wieder Berichte laut, wie großartig „Snowpiercer“ nicht sei und wie grandios diese Sci-Fi-Vision doch ist. Das baut einen massiven Erwartungsdruck auf.

Angesehen hätte ich ihn mir ohnehin, und zwar weil ich „Memories of Murder“ von Joon-ho Bong geradezu verehre. Dadurch sehe ich jedem seiner neuen Projekte mit Vorfreude entgegen.

YP: Aber Hype und Qualität schließen sich manchmal aus. Um David O. Russell-Filme wird in Hollywood auch viel Wirbel geschlagen und ich finde keinen richtig gut. „Snowpiercer“ hat mir gefallen, er ist aber nicht überragend.

PD: Ein Hype entsteht auch, wenngleich in kleinerem Ausmaß, rund um beinahe jeden Jim-Jarmusch-Film, einfach weil es ein neuer Film von Jim Jarmusch ist, und er kann beinahe immer überzeugen.

„Snowpiercer“ hat mich auch auf fast ganzer Linie überzeugt. Das ist ein luxuriös ausgestattetes, überaus prominent besetztes B-Movie. Genre-Kost im besten Sinne, mit Archetypen anstatt fein ausgearbeiteter Charaktere und großartig-galligem Humor.

YP: Darauf wäre ich gar nicht gekommen: B-Movie.

PD: Für mich ist das eindeutig ein B-Movie, nur mit einem größeren Budget.

YP: Jetzt, wo du es sagst, keine Frage. Nur mir wäre das nicht in den Sinn gekommen. Als B-Movie ist der Film exzellent. Die Schubladisierung macht einiges aus.

PD: Zu Beginn dachte ich auch noch: Wäre das der Film eines chinesischen Regisseurs, dann würde man ihn wohl als Propaganda-Werk verteufeln. Die unterdrückte Arbeiterklasse, die sich gegen die Großindustriellen erheben.

YP: Bloß, dass Joon-ho Bong der James Cameron der südkoreanischen Filmindustrie ist. Oder besser gesagt: Christopher Nolan.

PD: Joon-ho würde ich auch eher als Christopher Nolan Südkoreas sehen. Er hat in beinahe jedem Genre seine Spuren hinterlassen. Dabei hat er mich bislang nur mit dem ebenfalls unglaublich gehypten „The Host“ schwer enttäuscht.

YP: Da haben wir wieder diesen Hype, der es oft unmöglich macht, Filme unbeeinflusst zu betrachten.

PD: Ja, der Hype. Bei vielen Filmen bin ich dann froh, wenn ich sie mit großem zeitlichem Abstand sehen kann. Dann ist der Hype kein Thema mehr.

YP: Mir ist aufgefallen, wie ungewohnt es ist, Filme aus der nicht-westlichen Welt zu sehen. Wo die Sprache nun gar kein Problem darstellt, da es Untertitel gibt, aber so viel wird dann anders interpretiert. Es wirkt manchmal befremdlich.

Zum Beispiel die Kampfszenen. Diese eine Szene mit dem Fisch, auf die ich aber nicht weiter eingehen will. Das war ein interessantes Bild, was ich auf Anhieb nicht verstanden habe. So ein Ritual, gewissermaßen.

PD: Ja, die Kampfszenen waren hervorragend choreografiert. Vor allem voller kleiner liebevoller Details. Etwa auch die kleinen Lichtblitze in der Dunkelheit während des Kampfes, oder die – mitten im Kampf – plötzlich in Feierlichkeiten ausbrechenden Kämpfer. Dieser plötzliche Stillstand. Wunderbar komisch.

Da ich die französische Graphic Novel noch nicht kenne, kann ich aber auch nicht sagen, wie viele Details da vom Regisseur stammen und welche schon in der Originalvorlage vorhanden waren.

YP: Apropos Komödie. Mir hätte „Snowpiercer“ auch nur halb so gut gefallen, hätte er auf seine Art von Humor verzichtet. Überall finden sich komödiantische – fast abstrakte – Elemente und feiner Humor. Sogar in den makabersten Situationen. Wenn du dir die Szene zurückrufst, wo ein Mann seinen Arm opfern muss, und hinter ihm sitzen dann die beiden Handlanger und einer der beiden döst auf der Schulter vom anderen. Das war doch ein herrliches Bild.

PD: Genau diese Exzentrik hat mir gefallen. Schließlich ist das ein Blockbuster, ganz gezielt als Mainstream-Entertainment deklariert und auf ein sehr breites Publikum zugeschnittenes Sci-Fi-Abenteuer, mit prominenten Darstellern, tollem Set-Design und richtig guter Action.

…und dann finden sich so viele komische Momente. Genau diese Folterszene ist mir auch in den Sinn gekommen, oder die erste Ansprache von Tilda Swinton als Mason. Ihre gesamte Darstellung ist voller Humor. Sie hat mich ein wenig an Javier Bardems absurd-komischen Auftritt als Bösewicht in „Skyfall“ erinnert.

YP: Ich finde aber nicht, dass der Film hierzulande ein breites Publikum ansprechen wird. Mainstream ist das – zumindest was die Definition des österreichischen Kinomainstreams betrifft – nicht. Das ist ein Film für das Viennale-Publikum.

PD: Was ist dann Mainstream? Mir gefiel „Snowpiercer“ sehr gut, obwohl er in einigen Momenten ein wenig mutiger hätte sein können, aber vom Grundkonzept, ist das doch pures Mainstreamkino. Da sehe ich, alleine schon von der Besetzung, nicht viel Unterschied zu einem Superhelden-Film.
Actionkino für das Viennale-Publikum.

YP: Mainstream: Peter Jackson, Ronald Emmerich, Ridley Scott. Ach, keine Ahnung. Aber „Snowpiercer“ bestimmt nicht!

PD: Nur weil Joon-ho Bong kein allzu bekannter Name ist und auch die Werbung sich mehr auf „Transcendence“ und den neuen „Spider-Man“-Teil konzentrierte, werden die Zuseherzahlen nicht wirklich explodieren.
Hierzulande ist ja auch jeder Film von Michael Bully Herbig ein Fall für Mainstream. auch wenn im Ausland den keiner sehen will.

YP: Ich definiere Mainstream so: Was die Masse sehen will und das hängt sicher mit der Bekanntheit des Regisseurs zusammen. Quentin Tarantino würde ich nicht zwingend als Mainstream bezeichnen, aber die Massen pilgern hierzulande ins Kino, wenn er „Django Unchained“ herausbringt. Ich würde mir wünschen, dass das Kinopublikum hier anstatt in „Transzendence“ und „The Amazing Spider-Man 2“ zu gehen, „Snowpiercer“ sehen. Da kriegt man viel mehr für sein Geld.

Inhaltlich hatte ich hatte Schwierigkeiten zu Beginn, das Zugkonstrukt als Perpetuum mobile zu begreifen.

PD: Damit habe ich mich kaum beschäftigt, da die Geschichte die Figuren von Station zu Station führt. Erst am Ende wurde mir klar, dass die „göttliche Maschine“ die Energie aus sich selbst gewinnt.

YP: Deus ex-machina sozusagen!

PD: Mich hat „Snowpiercer“, trotz des doch eher düsteren Themas, mit einem breiten Lächeln aus dem Kino entlassen. Es ist ja schon bezeichnend, dass nach dem Regisseur, die ersten Credits, für die Set-, Kostüm- und Make-Up-Artists sind, die man zu sehen bekommt. Die Darsteller (vor allem Tilda Swinton) geben ihr Bestes, doch sie stehen im Dienste der Maschine. So wie die Charaktere im Film. Sie stehen alle im Dienste der Maschine.

YP: Ich hatte auch ein positives Gefühl, nachdem ich das Kino verlassen habe.
Und ich muss sagen, dass das ein erfrischendes Ergebnis ist. Ich habe den Kult um die Stars einfach nur satt. Da sind mir Darsteller auch recht, die in den Hintergrund treten können. Darum war ich auch umso überraschter in „Snowpiercer“, wie gut das funktioniert. Wobei jetzt auch keine A-List-Stars mitspielen. Hier auch der Unterschied zu „Transcendence“ und dem sich in der Vordergrund drängenden Johnny Depp.

PD: Es war ja auch „schön“ zu sehen, wie unbarmherzig die Geschichte mit ihren Charakteren umgeht. Die Darsteller sind nicht unbekannt, aber eher etwas für Filmkenner (selbst Chris Evans ist noch kein so bekannter Name).

YP: Bei Chris Evans fand ich es umso witziger, als er hauptsächlich für „Captain America“ bekannt ist. Davor hat er ja nichts Interessantes gemacht. Und Swinton, Harris, Hurt, Spencer und Bell sind dann eher Charakterdarsteller. Und witzig ist auch die Verbindung von Ed Harris als Wilford und seinem Charakter in der „Truman Show“, wo er eine ähnliche Rolle innehatte.

PD: Genau denselben Gedanken hatte ich bei Ed Harris auch. Bei Chris Evans fallen mir auch nur die „Fantastic Four“- und „Captain America“-Filme ein. Ansonsten ist er für mich ein unbeschriebenes Blatt. Sehr viel Spaß machte mir auch Allison Pill als durchgeknallt-fröhliche Lehrerin.

YP: Es spielen ja auch koreanische Stars mit.

PD: Ja, etwa Kang-ho Song in der Rolle des Sicherheitsexperten. Ich muss aber zugeben, dass ich ihn hauptsächlich aus den Filmen die er unter Joon-ho Bong gedreht hat, und aus Chan-wook Parks „Bakjwi“ kenne. Vor allem in letzterem Film (eine Vampiradaption von „Therese Raquin“) ist er toll.

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