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Wir verabschieden uns bis Ende August in die Sommerpause. Zu finden sind wir aber nach wie vor auf Film im Dialog auf Twitter.
Wir wünsche allen einen wunderschönen Sommer und bewahrt einen kühlen Kopf …
09 Samstag Jul 2016
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Wir verabschieden uns bis Ende August in die Sommerpause. Zu finden sind wir aber nach wie vor auf Film im Dialog auf Twitter.
Wir wünsche allen einen wunderschönen Sommer und bewahrt einen kühlen Kopf …
29 Freitag Apr 2016
Posted TV
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American Crime Story, Boston Legal, David E. Kelley, How to Get Away with Murder, Murder One, Netflix, Shark, The Blacklist, Viola Davis
Die Serie „How to Get Away with Murder“ entwickelte sich für den Sender ABC zu einem Sensationserfolg. Angeführt von Viola Davis als kompromisslose Anwältin und Universitätsprofessorin Annalise Keating, wird man in ein verworrenes Mord- und Rechtskomplott hineingezogen. Wir werfen einen Blick auf die 1. Staffel des TV-Hits.
PD: Eine Sache gefiel mir bei „How to Get Away with Murder“ auf Anhieb, und zwar dass die meist nur in Nebenrollen zu sehende Viola Davis eine derart starke Hauptrolle zu spielen bekam.
YP: Tatsächlich wurde die Figur der Annalise Keating (Viola Davis) erst langsam eingeführt. Zu Beginn konzentrierte sich die Story auf diese Handvoll Studenten, die unterschiedlicher nicht sein könnten und die es in ihren Kurs schafften. Und überhaupt wie man eigentlich sofort ab der ersten Folge mitten im Geschehen ist und die Story quasi in Rückblenden erzählt wird, tut ihr bestmöglichstes zur Spannung. Das ist aber eine Anwaltsserie nach dem Motto „Traue keiner Person“.
PD: Ihr Auftritt ist ja wohl kalkuliert. Der Mythos der um sie aufgebaut wird, während die Kamera selbst beim Eintreten in den Hörsaal sie zunächst nicht zeigt. Wenn sie dann den Titel der Serie auf die Tafel geschrieben und sich selbstbewusst in die Kamera gedreht hat, weiß man ohnehin, wer der wahre Star hier ist. Da können die ein wenig hektisch eingeführten Studenten nicht mithalten. Als Anwaltsserie funktioniert „How to Get Away with Murder“ aber kaum. Das Jus-Studium und die einzeln eingstreuten Fälle dienen nur zur Ablenkung von der Haupthandlung, die ja immer wieder mit Vor- und Rückblenden aufgebaut wird.
YP: Als konservative Anwaltsserie funktioniert die Serie nicht, hier werden auch Genregrenzen verwischt, vor allem da die Erwartungen des Publikums stets übertroffen werden. Und mit jeder Folge kommt das Bröckeln der Fassade Keatings. Sie hat einen Liebhaber, während sich ihr weißer Ehemann mit einer Studentin vergnügt, die dann spurlos verschwindet. Eine der besten Szenen im Film ist, wenn sie ihre Perücke und die Maske abnimmt und in ihrer Verwundbarkeit vor dem Spiegel steht. Diese stille Szene war für mich auch ein Gänsehautmoment in der gesamten Serie.
PD: Schön, dass du diesen Moment ansprichst, denn die große Stärke liegt ja vor allem im Charakter von Annalise. Wenn sie sich mit ihrem Mann streitet, oder mit ihrer Mutter über ihre verleugnete Herkunft (inklusive geändertem Vornamen) und aktuellem ansehnlichen Lebensstil diskutiert, gelangt man ein wenig an den Kern dieses Charakters. Was Annalise antreibt, treibt auch die Serie an. Hingegen konnte ich nur selten wirklich Interesse für die dargebrachten Fälle aufbringen.
Gerichtssaaldrama und Thriller werden zwar schön miteinander verwoben, aber das Einarbeiten eines anderen Genres in den Gerichtssaal haben wir doch schon häufiger gesehen. Etwa bei Produktionen von David E. Kelley („Boston Legal“). Wenn es rein um die Darstellung der Arbeit am Gericht und rund um einen Fall geht, dann sind „American Crime Story: The People v O.J. Simpson“ oder „Murder One“ bessere Serien, die man sich ansehen kann.
YP: Die Werbung für „How to Get Away with Murder“ geht aber klar in die Richtung, dass alles um die Protagonistin herum aufgebaut wird. Die Mordfälle erscheinen dann tatsächlich nur am Rande, vielmehr stehen hier die persönlichen Beziehungen der Figuren untereinander im Mittelpunkt. Was mich auch gar nicht stört, das begrüße ich sogar. Denn hier haben wir es mit starken Figuren zu tun, die alle irgendwo Leichen im Keller vergraben haben.
Die Serie hat auch ein unglaublich schnelles Tempo. In einer Folge passiert sehr viel. Verpasst du eine Folge – was dank Streaming-Dienst natürlich nicht so schnell passiert, bist du schon zu weit im Geschehen fortgeschritten.
PD: Die starken Charaktere sehe ich nicht. Eher eine Ansammlung verlässlicher Nebenfiguren, die dem Hauptcharakter auch nicht zu viel Rampenlicht wegnehmen. Die einzelnen kleinen Dramen verblassen aber allesamt im Angesicht des großen Mord-Mysteriums. Das hohe Erzähltempo macht es notwendig, konzentriert zuzusehen, um die Wendungen auch nicht zu verpassen. Andererseits tauchen diese Wendungen derart häufig auf, dass es teilweise schon ein wenig in die Parodie abdriftet. Das Geheimnis rund um Frank (Charlie Weber), der sich am Ende nicht als Anwalt sondern eher als kaltblütiger Killer entpuppt (auch wenn das auch noch nicht die ganze Wahrheit ist), ging mir dann ein wenig zu weit. (willst du wirklich spoilern?)
Unterhaltsam ist das jedoch ohne jeden Zweifel. Da ich aber weder irgendeine Art der Werbung dafür sah (außer man zählt den Emmy für Viola Davis dazu), wusste ich auch nicht wirklich, was ich zu erwarten hatte. Als schwungvolle Thrillerserie ist das schon gelungen, allerdings wäre die Serie ohne die charismatische Darbietung von Davis ein wenig verloren. Das erinnert an andere „Star-Serien“ wie „Shark“ (James Woods) oder „The Blacklist“ (James Spader), die im Guten wie im Schlechten, sehr vom Hauptdarsteller abhängig sind.
YP: Wirklich reizvoll macht die Serie die großartige Darbietung Viola Davis, aber mir sind auch die anderen Charaktere mit ihren Storylines gut in Erinnerung geblieben. Es gab kaum Momente, wo ich mich gelangweilt habe. Für Davis ist das eine fantastische Gelegenheit, eine starke und ungewöhnliche Figur zu spielen, die viele Facetten zeigen kann. Durch das Tempo bleibt die Serie auch schnelllebig und einfach zu konsumieren. Trotz der Länge von ca 45 Minuten eignet sie sich ideal zum Binge-Schauen.
PD: Absolut. Es ist auch sehr schön eine so tolle aber viel zu selten in prominenten Rollen zu sehende Davis hier groß aufspielen zu sehen. Die Serie selbst steht jedoch nicht wirklich außerhalb der aktuellen Markt-Gewohnheiten. Es wird nichts neu erfunden, sondern bereits bekannte Formeln in einer attraktiven und angenehm konsumierbaren Form geboten. Langeweile kommt aber wirklich nie auf, auch wenn mir von den Charakteren bis zum Ende der 1. Staffel keiner sympathisch wurde.
YP: Das ist eben auch das Interessante. Wirklich sympathisch sind mir die Figuren auch nicht. Das sollen sie auch nicht sein, das ist gar nicht beabsichtigt von den MacherInnen. Ich glaube, nur deshalb ist es auch möglich, diese Distanz zu wahren. Da passieren ein paar nicht alltägliche Dinge und darauf muss man sich erst einmal einlassen können. Der zweiten Staffel gebe ich – sofern sie auf Netflix kommt – trotzdem eine Chance.
PD: Dafür sorgt ja auch schon der Cliffhanger am Ende der 1. Staffel. Auch wenn hier kein wirklich sympathischer Charakter vorhanden ist, möchte man doch die weiteren Wendungen und Drehungen der Handlung sehen. Vor allem aber, wie sich Annalise aus diesem Gewebe an Lügen und Täuschungen hinaus manövriert.
26 Freitag Feb 2016
Posted Filmdialoge
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Academy Awards, beasts of no nation, Liz Garbus, Netflix, Nina Simone, Oscars, Winter on Fire
Der für einen Academy Award in der Kategorie Beste Dokumentation nominierte und derzeit auf Netflix zu streamende Film „What Happened, Miss Simone?“ steht diese Woche im Mittelpunkt unseres ausnahmsweise musikalischen Dialogs.
PD: Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass mir der Name Nina Simone bis zu dieser Dokumentation sehr wenig sagte. Einige ihrer Songs kannte ich hingegen bereits sehr gut.
YP: Wie meinst du das? Du kanntest einige Songs, aber du wusstest nicht, von wem sie sind? Mir ist Nina Simone schon lange ein Begriff. Sie ist auch eine konstante Größe in der Popmusik, ihre Songs halten immer wieder in Coverversionen her. Ich denke da an das sehr bekannte Felix da Housecat-Cover von „Sinnerman“. Allerdings wusste ich nicht viel über ihr Leben, was sich jetzt mit dieser Dokumentation geändert hat.
PD: Mein Musikwissen füllt nicht gerade Plattenregale, weshalb ich zwar einige Songs sehr gut kannte, aber sie nicht mit ihr in Verbindung brachte. Das hat die Dokumentation zumindest geschafft, dass ich nun sehr viel mehr über die Person Nina Simone weiß. Allerdings hatte ich nach Liz Garbus‘ Film auch den Eindruck nun mehr über die Aktivistin Nina Simone zu wissen, denn über die Künstlerin.
YP: Aber gerade dieser Zugang macht „What Happened, Miss Simone?“ unglaublich sehenswert. Simones künstlerisches Schaffen geht Hand in Hand mit den politischen Gegebenheiten der Zeit, in der sie gelebt hat. Sie konnte gar nicht anders als politisch sein, bzw. muss man schon sehr privilegiert sein, um anzunehmen, Politik habe keinen Einfluss auf das Leben. Regisseurin Liz Grabus hat sich sowohl der musikalischen Ebene ihres Lebens als auch der politischen Ebene gleich bedeutend angenähert, bzw. sie hier filmisch nicht separat voneinander behandelt. Vor allem zeigt Garbus diese Ohnmacht gegen das vorherrschende und sehr rassistische System, welches Simones Leben von Anfang an bestimmt. Die sehr talentierte Miss Simone wollte klassischen Pianistin werden, wurde aber aufgrund ihrer Hautfarbe zur weiterführenden Ausbildung nicht zugelassen. Das muss man sich einmal vorstellen. Zum im Elternhaus unliebsamen Jazz kam sie aus Notwendigkeit und Protest. Heutzutage wird sie musikalisch dafür gefeiert. Das ist alles sehr politisch.
PD: Das macht die Dokumentation auch sehr sehenswert, keine Frage. Es entsteht durch den Zugang, den ihre Tochter Lisa bietet und mittels des reichhaltigen Archivmaterials ein sehr klares Bild von dem Menschen Nina Simone. So bleibt das keine sentimentale Faserschmeichlerarbeit wie etwa das völlig überschätzte „Searching for Sugar Man“.
Meine Kritik an Garbus richtet sich auch eher daran, dass ich das Gefühl hatte, sie gehe von einem Publikum aus, welches über die Künstlerin Nina Simone bereits alles wüsste. Deshalb entstehen die wirklich interessanten Passagen auch eher aus dem Privatleben heraus, welches mit vielen großartigen Archivaufnahmen illustriert wird und auch aus ihrer politischen Tätigkeit. Unter welchem Druck und welcher Benachteiligung sie leben musste, kann man sich ja selbst trotz des schön gespannten gesellschaftspolitischen Bogens um die Bürgerrechtsbewegung, nur schwer vorstellen.
YP: Liz Garbus wollte hier unter keinen Umständen Gefahr laufen, etwas zu präsentieren, was bereits allzu bekannt ist, was aber bei dieser Protagonistin nicht leicht ist. Daher ist dein Kritikpunkt in meinen Augen auch angebracht. Dieses Porträt ist definitiv als posthume Hommage gedacht und an das sehr außergewöhnliche Leben der Künstlerin Simone.
PD: Insofern bewegt sie sich auf ein wenig ausgetretenen Pfaden. Stilistisch ist das viel zu oft nur der reine „Talking Heads“-Film. Eine Einblendung zu Simone, dazu ein Weggefährte oder auch die Tochter, die dann ihre Sicht der Dinge wiedergeben und aus der Distanz das Leben und Werken von ihr interpretieren und erklären wollen. Ein Punkt der mich an sehr vielen Dokumentationen stört. Denn so liefert sich auch die Filmemacherin diesen Informationen regelrecht aus.
Belebt wird die Inszenierung vor allem durch das reichhaltig vorhandene Archivmaterial. Sowohl in Text- als auch Ton- und Bildform. Ihre Briefe und schriftlichen Einträge liefern dabei ein sehr einprägsames Bild davon, wie sie sich fühlte. Mein liebster Moment war aber, als sie beim Konzert eine Person zum Hinsetzen aufforderte. Da war sie in einem Moment der Publikumsliebling und im nächsten die das Geschehen diktierende Frau, die sich keinesfalls unterbrechen lassen wollte. Beeindruckend.
YP: Ich hatte auch eher das Gefühl, es handelt sich um eine solide Fingerübung und die Regisseurin baut sowieso auf den Überraschungseffekt des Inhalts, die Person Nina Simone gibt dann doch viel her. Es geht außerdem ein gewisser Personenkult um die Sängerin. Dramaturgisch begibt sie sich hier auf ziemlich altbekannten und wenig aufregenden Pfaden, und wie du schon sagt – geht sie inszenatorisch kein Risiko ein. Mich stört das an vielen Dokumentationen nicht, ich finde sie dann einfach etwas unkreativ.
Ins Kino wäre ich dann doch nicht dafür gependelt. Das liegt aber vor allem daran, dass ich mir kaum Dokumentarfilme im Kino ansehe – mit einigen Ausnahmen. Allerdings bin ich froh, dass „What Happened, Miss Simone?“ auf Netflix angeboten wird. So kann ich dann doch immer mein Repertoire erweitern. Ich muss auch zugeben, dass mich aber erst die Oscar-Nominierung auf den Film aufmerksam machte.
PD: Im Gegensatz zu „Beasts of No Nation“, wäre ich ebenso wenig für „What Happened, Miss Simone?“ ins Kino gepilgert. Die Dokumentationen von Michael Glawogger waren hingegen Fixpunkte im Kino. Zudem stehen Arbeiten rund um eine musikalische Strömung oder einen Musiker bzw. eine Musikerin für mich immer nur im Rahmen der Viennale im Blickpunkt, da es sich dieses Festival zur Aufgabe gemacht hat, einen Querschnitt der interessantesten Musik-Dokumentationen zu liefern. Würden nicht die Oscars anstehen, hätte ich wohl auch keine Notiz davon genommen, da ich auch thematisch nicht sofort hingezogen wurde. Vor allem arbeiten die meisten Filme in diesem Sub-Genre viel zu sehr damit, dass die gute Musik schon über die inszenatorischen Schwächen hinweg trösten wird. Nach dem Motto: Wer beschwingt mit dem Fuß mit wippt, wird sich schon gut unterhalten fühlen.
Im Gegensatz dazu, fand ich die andere für den Oscar nominierte Netflix-Doku „Winter on Fire“ thematisch interessant genug, um lange vor der Nominierung den Film zu streamen. Doch auch hier war ich eher ernüchtert. Inhaltlich habe ich bei beiden Netflix-Filmen einige interessante Punkte mitgenommen, doch auf künstlerischer Ebene ließen sie mich eher kalt zurück.
19 Freitag Feb 2016
Posted TV
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Dascha Polanco, House of Cards, Jason Biggs, Jenji Kohan, Kate Mulgrew, Laverne Cox, Matt McGorry, Michael Harney, Netflix, Orange is the New Black, Oz, Prison Break, Taylor Schilling, Uzo Aduba
Seit nunmehr drei Staffeln feiert die Netflix-Serie „Orange is the New Black“ große Erfolge auf dem Streaming-Portal, sowie bei Kritikern und Publikum. Basierend auf dem autobiographischen Werk von Piper Kerman folgt das Publikum der behütet aufgewachsenen Piper (Taylor Schilling) in den Alltag eines Frauengefängnisses. Wir besprechen die Hochs und Tiefs der bisher verfügbaren Episoden.
PD: Zunächst einmal war „Orange is the New Black“ ein famoser Werbe-Hit. Ohne die effektiv abzielende Werbung von Netflix wäre ich wohl kaum auf diese Serie gestoßen.
YP: Mir ist die Serie schon lange ein Begriff, Netflix habe ich erste ein halbes Jahr. Es hat mich bisher nie gereizt, die Serie zu sehen. Einige Wochen zuvor habe ich mir dann die erste Folge angesehen und bin jetzt fast alle drei Staffeln durch. Serien wie diese prägen den Begriff des „binge-watching“, d.h. sie sind perfekt darauf abgestimmt, in Schnellverfahren gesehen zu werden. Beim Schauen musste ich mich regelrecht bremsen, sonst wäre ich wohl noch bis in die Morgenstunden aufgeblieben. Überhaupt verträgt sich „binge-watching“ kaum mit dem Arbeitsleben mit regulären Bürostunden. Ausschlaggebend war nicht der Werbe-Hit, vielmehr bin ich auf den fahrenden Zug des Hypes aufgesprungen. Als im Herbst die 3. Staffel auf Netflix veröffentlich wurde, kam man auf Twitter unter keinen Umständen daran vorbei, auch wenn man wollte.
PD: Die Kunst des „binge-watching“ beherrsche ich bis heute nicht. Derweil bin ich gerade bei den Netflix-Serien froh, dass ich ohne Probleme eine Staffel in meinem eigenen Rhythmus sichten kann. Deshalb hat sich mein Seherlebnis von „Orange is the New Black“ über einen längeren Zeitrahmen und immer relativ zeitnah zur Veröffentlichung der jeweils aktuellen Staffel zugetragen. Wie auch schon bei „House of Cards“.
Der um die Serie ausgebrochene Hype war wirklich kaum zu übersehen. Dabei ist der interessanteste Aspekt, dass der Fokus von Piper sich im Laufe der Staffeln 2 und 3 auf die restlichen Insassinnen verschob. Vor allem die mit Kate Mulgrew herrlich besetzte Red ist immer wieder ein persönliches Highlight.
YP: Nachdem mich Piper und ihr Drama mittlerweile schon etwas nerven, bin ich wie du sehr froh über die Verschiebung des Blickwinkels. Red mit ihrer Rivalität zu V und die vielen Rückblenden dazu sind eine spannende Plotline. Überhaupt gefällt mir sehr gut, wie die Serie mit jeder einzelnen Folge mithilfe der Rückblenden eine Figur näher vorstellt.
PD: Was dennoch ein wenig negativ ins Gewicht fällt, ist die generelle Weichzeichnung im Gefängnisalltag. Ich müsste mich wohl auch intensiver mit dem Strafvollzugsystem in den USA auseinander setzen, aber es erscheint zum Teil schon sehr skurril, welche Freiräume die Frauen da zum Teil haben. Es verschwinden schon sehr oft Paare in der Kapelle und werden eher zufällig durch einen Wärter entdeckt werden.
Apropos Wärter. Dass auch dem Wachpersonal und der Verwaltung viel Raum eingeräumt wird, gefällt mir sehr gut. So werden alle Charaktere auf eine Ebene gestellt, und es kommt zu keiner Dämonisierung. Vor allem der traurige Alltag von Healy (Michael Harney) und seine gleichzeitige Selbstüberschätzung im Berufsleben fand ich gut gemacht.
YP: Tatsächlich ist mir diese Beobachtung auch durch den Kopf gegangen. Für mich ist das eher ein dramaturgischer Makel einerseits, andererseits sind sie in diesem Gefängnis unterbesetzt, das kommt oft zu Sprache, insofern erklärt sich das dann auch. Interessant gezeigt wird auch die Logistik des Gefängnisses, auch die gesamte Hierarchie wird gezeigt. Sogar mit politischem Skandal.
Healy ist auch so ein Charakter, den ich gar nicht ausstehen kann. Aber der kriegt auch einiges ab. Eigentlich wird da keiner verschont.
PD: Es gibt immer wieder Erklärungen oder Handlungsverläufe, die gewisse Freiheiten erklären, aber es bleibt dennoch eine Schwachstelle. Etwa die Isolationshaft von Nicky, oder auch das Finale der 3. Staffel. Natürlich war das ein schöner, kathartischer Moment für alle Insassinnen, aber es bewegte sich dann schon eher im Bereich eines Märchens. Zudem fragte ich mich, ob in einer Serie, die ein Männergefängnis so darstellen würde, eine derartige Szene jemals vorkommen würde.
Die männlichen Charaktere wirken immer wie Getriebene. Sie wollen aufgebauten Lebensentwürfen und Idealen aber auch Lebenslügen hinterher hecheln, und schaffen es nicht. Ob Healy, der nur eine Partnerin will, die sich für ihn interessiert, oder Caputo oder auch Pipers Freund Larry (Jason Biggs). Alle opfern sie am Ende alle hehren Ideale und machen das völlig Falsche. Wie Larrys Radiointerview, wie es ihm damit geht, eine Freundin im Gefängnis zu haben, was im Endeffekt nur den Zweck hatte, seine eigene Karriere in Schwung zu bringen.
YP: Interessant, dass du den Männern in der Serie einen ganzen Absatz widmest. Für mich sind das unbedeutende Randfiguren. Es war in keiner Sekunde nachvollziehbar, warum Piper mit Larry zusammen ist. Und wenn ich an „Pornstache“ denke, dann stellen sich mir die Nackenhaare auf. Auch ist es wegen der Männer im Allgemeinen, dass einige der Figuren überhaupt im Gefängnis sitzen. Apropos Männergefängnis: Es gibt es auch genug frauenlose Gefängnisfilme und -Serien, wenn du da weiter recherchieren willst.
Am Anfang habe ich mich oft gefragt, wie viel Wahrheit und Wahrscheinlichkeit hier transportiert wird und die wahre Geschichte hinter Piper gegoogelt, aber das hat mich dann nur davon abgehalten, das Gesehene uneingeschränkt aufzunehmen. Es ist komplett irrelevant. Gelungen ist das Aufzeigen dieser Ohnmachtssituation, in der sich die Frauen befinden. Auch ging ich bei den Szenen mit Gewaltinhalt (V und Red) ständig an meine Grenzen. Was ich aber besonders herausheben möchte und was die Serie – abgesehen davon, dass sie wirklich gut gemacht ist – sehenswert macht: wie hier die Geschlechterverhältnisse auf den Kopf gestellt werden und neu angeordnet werden. Und damit meine ich nicht die zwischen den Frauen und den Männern, sondern vielmehr zwischen den Frauen untereinander. Da gibt es eine Neuanordnung der Gesellschaftsordnung, nicht nur auf sozialer Ebene und zwischen den Ethnien. Laverne Cox als Sophie Burset ist da ein gutes Beispiel.
PD: Der Gefängnisfilm ist bislang hauptsächlich eine reine Männersache gewesen, das ist mir schon klar. Ich fand nur die Art und Weise, wie gewisse Szenen sich entfalteten sehr interessant. Vor allem das Finale der 3. Staffel. So eine Szene würde es in keinem Männergefängnis-Film geben, da das Klischee dort die Muskelbepackten Machofantasien bedient.
Den Männern habe ich gerade deshalb ein wenig Raum eingeräumt, da wir sie sonst unter den Tisch fallen gelassen hätten. Dazu sind die Rollen aber einfach zu gut gespielt, gerade in ihrer Widerwärtigkeit und Scheinheiligkeit. Natürlich liegt der Fokus aber auf den Insassinnen und da gibt es eine ganze Reihe toller Charaktere. Wie Uzo Aduba aus der zu Beginn der Serie hauptsächlich merkwürdig wirkenden Suzanne so viel Tiefe heraus holt, und man mit ihr mitfühlt, noch bevor man ihre ganze Hintergrundgeschichte kennt, blieb mir dabei am stärksten hängen. Neben Red ist sie meine Lieblingsfigur. Bei Piper beginnen sich die Probleme einfach zu oft zu wiederholen. Da ist es interessanter sich mit den Problemen von Sophia (Laverne Cox) zu beschäftigen. So ganz nebenbei und unaufgeregt geschieht das.
YP: Dann lassen wir sie eben unter den Tisch fallen, das ist kein großes Versäumnis. Wie ich schon oben erwähnt habe, sind sie in meinen Augen Randfiguren, trotzdem werden sie aber in der Darstellung nicht marginalisiert. Was aber in „Oz“ und „Prison Break“ und deren Darstellung mit Frauenrollen eindeutig der Fall ist. Du siehst hier nicht nur das Finale der 3. Staffel, wie du es nie in einem Männergefängnisfilm sehen würdest: Das liegt auch daran, dass sich dir die bisher präsentierten Blickwinkel im Mainstream-Kino oder in den Hauptabendprogramm-Serien sehr eingeschränkt präsentiert haben. Diese Zeiten sind nun – und ich sage das über die Maßen erleichtert – endgültig vorbei.
Hier werden die Geschlechterverhältnisse auf den Kopf gestellt. Medial kennen wir Gefängnisse als frauenlose Räume und Räumlichkeiten. Hier aber sind es die Frauen, deren Welt und Leben sich darin abspielt. Das ist ziemlich einzigartig in dieser Form. Die Stärke der Serie liegt in der vielschichtigen Repräsentation von vielen Figuren, egal welchen Geschlechtes (und ja, es gibt mehrere als zwei). Die Abwesenheit der Schwarzweißmalerei in der Charakterzeichnung ist auch so ein Punkt. Niemand ist besonders gut, auch ist niemand abgrundtief schlecht. Das ist so viel mehr als nur „guilty pleasure“-Fernsehen.
PD: Charaktere unter den Tisch fallen lassen, möchte ich aber aus Prinzip nicht. Denn für die Erzählung sind ja alle Charaktere entsprechend wichtig. Der Handlungsstrang von Daya (herrlich gespielt von Dascha Polanco) und ihrer geheimen Beziehung zum Wärter John Bennett (Matt McGorry) ist so ein Beispiel. Die auf den Kopf gestellten Geschlechterrollen, wie man sie sonst aus Gefängnisfilmen und -serien kennt, führt in „Orange is the New Black“ dazu, dass die Frauen die Kontrolle über das Geschehen übernehmen müssen, da die Männer marginalisiert werden. Das ist keine Kritik, das finde ich gut.
Wichtiger ist aber die schon angesprochene Stärke, der ausbalancierten Charakterzeichnung und vor allem der im Gefängnis vorherrschenden Konflikte. Es wird auch keine heile Welt vorgespielt. Die Latinas bleiben so unter sich, wie auch die White Trash-Frauen. Mir imponiert die Unaufgeregtheit, die aber erst im Laufe der Serie entstand. Zu Beginn sitzt das Publikum noch mit Piper in einem Boot und klammert sich natürlich an ihren Erzählstrang, da man ebenso fremd ist, in dieser Gefängniswelt. Je tiefer sie in diesen Mikrokosmos eindringt, desto mehr kann man sich auch auf die anderen Charaktere einlassen, und es fällt auch schwer, sich eine Favoritin heraus zu picken. Denn selbst so unsympathische Frauen wie Pennsatucky bekommen immer mehr Facetten.
YP: In einer der ersten Folgen aus der zweiten Staffel fehlt Piper und mir ist das erst ganz spät in der Folge aufgefallen. So sehr hat sich der Fokus auf die anderen Insassinnen verlagert. Die Männer werden eben keineswegs marginalisiert, sie spielen einfach keine Hauptrollen. Daher hat es mich auch gewundert, dass es für dich erwähnenswert ist. Jeder Figur ist hier jeder nur ein Mittel zum Zweck, so schreitet die Handlung voran und so brauen sich Konflikte zusammen. Unaufgeregt beschreibt es ganz gut. Jede und keine Figur eignet sich zur Identifikation mit dem Publikum. Sympathieträgerinnen gibt es viele, aber hauptsächlich deswegen, weil irgendwie alle zugänglich und menschlich dargestellt werden.
18 Freitag Dez 2015
Posted Filmdialoge
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Alec Baldwin, Aloha, Bill Murray, bradley cooper, Cameron Crowe, Emma Stone, John Krasinski, Netflix, Rachel McAdams
Die romantische Komödie „Aloha“ von Cameron Crowe hat es trotz imposanter Starbesetzung nicht auf die heimischen Leinwände geschafft, sondern landete direkt auf Netflix. Zurecht oder zu Unrecht?
YP: Lass mich meine Gedanken zum Film in Zuckerwatte verpackt ausdrücken: Was für ein schwacher und uncharmanter Film!
PD: Es ist doch erstaunlich wie ein süßlich-bunter und voller hübscher Menschen vollgestopfter romantischer Film, so gar keine positive Emotion in einem wecken kann. Überall sah ich die Ansätze zu gutem Kino und die wurden dann im Keim erstickt. Vor allem weil das alles ja auch schon einmal im Ansatz keinen Sinn ergab.
YP: Ich hatte u.a. ein Problem mit dem männlichen Hauptdarsteller. Leider finde ich Bradley Cooper schauspielerisch (nicht nur hier) nicht gut. Abgesehen davon ist er mir total unsympathisch. Der hatte den ganzen Film hindurch sowieso nur eine Grimasse drauf. Dann gibt es da Emma Stone, die ich sehr gerne mag, aber in „Aloha“ fragte ich mich, was sie hier verloren hat. Sie ist als Brian Gilcrests manic pixie dream girl und love interest Captain Ng (mit hawaiianischen und chinesischen Vorfahren!!!) total fehlbesetzt. Darüber hinaus spielt sie auf Teufel komm raus, es passt auch gar nicht zur Rolle (oder zur Emma Stone, die eigentlich sehr witzig ist). Hauptsächlich aber wird sie dabei gezeigt, wie sie Gilcrest verliebt anstarrt.
PD: Abgesehen davon, dass ich auch kein sonderlich großer Fan von Bradley Cooper bin, war auch sein Charakter ein großes Mysterium. Was befähigte den von ihm gespielten Brian Gilcrest dazu, im Namen eines vermögenden Unternehmers, Verhandlungen mit der indigenen hawaiianischen Bevölkerung durchzuführen? Zudem war Gilcrest auch nicht viel mehr, als eine erneut aufgegossene Version des nach Sinn oder auch einer zweiten Chance suchenden Mannes, wie sie Crowe schon so oft präsentierte. Am ehesten erinnerte mich Coopers Darstellung an jene von Orlando Bloom in „Elizabethtown“.
Emma Stone fand ich nicht unbedingt fehlbesetzt. Ihr Charakter war schlicht unglaubwürdig. Sie spielte es mit der Verve und der Dynamik eines Screwball-Charakters á la Rosalind Russell in „His Girl Friday“. Doch während Russell dereinst einen nachvollziehbaren Hintergrund bekam, war Captain Ng einfach nur anwesend, um Gilcrest aus seinem Elend zu erretten. Ich nahm Stone keine Sekunde lang ab, dass sie tatsächlich beim Militär tätig ist. Das waren hübsche Kostüme, in denen sie für Cooper und das Publikum attraktiv zu wirken hatte.
YP: Zwar habe ich „Elizabethtown“ gesehen, einen bleibenden Eindruck hat er nicht hinterlassen. Bis auf „Jerry Maguire“ gefiel mir eigentlich kein Film von Crowe. In „Aloha“ haben auch nur die Nebendarstellerin und der Nebendarsteller einen Eindruck hinterlassen. Rachel McAdams Figur hat wenigstens Biss und John Krasinski hat ein paar gute Szenen. Bill Murrays exzentrischer Milliardär hat wenigstens auch ein paar witzige Lines.
Gilcrests Broterwerb war für mich auch ein Mysterium. Der gesamte Plot wirkte eher fragwürdig und danach, dass bestimmte Ereignisse vorkommen mussten – zusammengeschustert wurden – egal wie sehr das an den Haaren herbeigezogen wirkte oder gar logisch nachvollziehbar war. Vielmehr wirkte Crowes Film wie eine stimmungsvolle Liebeserklärung an Hawaii. Was er auch war, weil die Stärke des Films liegt auch in den Bildern.
PD: Mit Cameron Crowes Werk kam ich durch seinen autobiographisch gefärbten Musikfilm „Almost Famous“ in Berührung, und das ist immer noch ein wunderschöner Film, den ich mir immer wieder ansehen kann. Danach blieb eher der Wunsch, einen tollen Film von ihm zu sehen. Zumindest unterhielt mich „Vanilla Sky“ in manchen Abschnitten, auch wenn dadurch eher Interesse am spanischen Original und Alejandro Amenábar geweckt wurde.
Von der Figurenzeichnung, sind auch einige interessante Ansätze zu sehen, doch keine einzige verhält sich wie eine reale Person. Rachel McAdams als Gilcrests Ex-Freundin hatte aber auch einzig die Aufgabe, ihn verträumt anzusehen und Dialoge zu führen, die ein wenig die Handlung erklären. Krasinski als Woody hatte zwar den humorvollen „Er spricht nicht“-Spleen, aber nicht einmal das wurde durchgängig gehalten. So haben Tracy und Woody dann auch plötzlich Eheprobleme, weil der Film das offenbar gerade für nötig erachtet.
Immer wenn Bill Murray im Bild war, oder auch Alec Baldwin, dann hatte ich gehofft, dass jetzt ein wenig Drama und Leben in die Handlung gelangen würden. Stattdessen begnügten auch sie sich mit dem – humorvollen – Vortragen von Dialogen, die eine völlig unklare und unterentwickelte Handlung erklärten. Dass dann mittendrin Murray und Emma Stone eine absurde Tanzeinlage haben, hat mir den Rest gegeben. Das hatte schon mehr von „A Very Murray Christmas“.
YP: Vielleicht wollte Cameron Crowe einfach nur auf Hawaii drehen, der Rest – einschließlich dem Plot (ein sehr schwaches Drehbuch, der Plot ging scheinbar nicht über ein Storyboard hinaus) hat sich dann rein beiläufig ergeben. Und weil ein Budget da war, hat man halt ein paar namhafte Hollywood-Stars wie Cooper, Stone, McAdams, Murray und Krasinski engagiert, fertig ein Happy-Go-Lucky-Streifen. Oder so. Meinte man. Leider hat es dazu nicht gereicht, eben aufgrund dieser lieblosen Behandlung vorab.
Dieser Film ist aber auch nur aus dem Grund nicht spurlos an mir vorbei gegangen, weil es vorab bereits Kritik aus der Branche an der Besetzung gab. Das weißgewaschene Hawaii. Die Stereotype im Film sind sehr problematisch.
PD: Dieses Gefühl des „bezahlten Urlaubs“ hatte ich in letzter Zeit häufig bei Adam Sandler. Zwar glaube ich nicht, dass dem nun auch bei Cameron Crowe dies der Fall war, es würde aber viel erklären.
Da sticht ja vor allem die Besetzung von Emma Stone hervor. Dass sie im Film sowohl hawaiianische als auch chinesische Wurzeln haben soll, erschien mir wie ein schlechter Scherz.
YP: Filme mit Adam Sandler halte ich grundsätzlich gar nicht aus.
Die Ahnenlinie von Stones Figur ist ein Scherz, über den sich die Figuren untereinander auch mokieren. Sie erwähnt das auch bei jeder Gelegenheit. Das ist ein Film von Weißen für Weiße. Schlimm daran ist nur, wie die Unterschiede zwischen den Festland-Amerikanern zu den Insel-Bewohnern manifestiert werden. Da wird regelrecht schwarzweiß gemalt.
PD: Crowe wollte angeblich einen Liebesbrief an Hawaii filmen, aber da hat er dann doch eine sehr gesonderte Sichtweise präsentiert. Ng hätte als schräg-charmanter Charakter funktioniert, wenn dieser eben auch besser ausgearbeitet gewesen wäre. Abgesehen von verträumten Blicken und der immer wieder erwähnten Ahnenlinie, gab es hier aber nichts, woran man sich festhalten konnte.
Vielleicht scheiterte „Aloha“ aber daran, dass ich einfach keine Ahnung hatte, worum es da ging. Der Raketenstart war schließlich der Moment, an dem ich endgültig das Interesse verlor.
11 Freitag Dez 2015
Posted Filmdialoge
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A Very Murray Christmas, Amy Poehler, Bill Murray, George Clooney, Jason Schwartzman, Lost in Translation, Michael Cera, Miley Cyrus, Netflix, Rashida Jones, Sofia Coppola
Zum zweiten Mal arbeiten Bill Murray und Sofia Coppola zusammen. Nach dem gefeierten „Lost in Translation“ bieten sie der Filmwelt per Netflix ein Weihnachtsspecial. Was hat das mit Stars gespickte „A Very Murray Christmas“ zu bieten?
PD: Wenn ein Weihnachtsspecial bereits im Titel einen Meta-Scherz über den Hauptdarsteller bietet, dann darf man sich als Zuseher auch nicht darüber wundern, dass ein Großteil des Reizes in eben dieser Meta-Ebene liegt. Weihnachtliche Festtagsstimmung wird eher verhalten serviert.
YP: Vielmehr erinnerte mich das an einen überlangen und mit Weihnachtssongs gespickten Clip aus SNL. Aber wie du da nicht in Weihnachtsstimmung geraten konntest, jede Sekunde des einstündigen Videos platzt aus allen Nähten vor Weihnachten. Ungern habe ich es mir nicht angesehen, aber ich bin nie über ein Schmunzeln hinausgekommen.
PD: Bei Stichwort Weihnachtsspecial fällt mir zunächst einmal die jährlich servierte „Peter Alexander Show“ ein, und dem ist „A Very Murray Christmas“ gar nicht einmal so unähnlich. Die Songs werden durch ein paar launige Sketche zusammengehalten, die mich auch eher an SNL erinnerten, ehe alles schließlich am Ende in glitzernden Festtagskitsch mit Miley Cyrus und George Clooney versinken kann. Bei Bill Murray hatte das aber stets etwas Melancholisches und Trauriges. Der Moment, in dem er aufwacht und aus dem Fenster blickt, ist wie das Versprechen zu einem Film, in dem es erneut um die Einsamkeit eines von seinen vorgeblichen Freunden verlassenen Entertainers wider Willen geht.
Ich habe das auch mit einem Schmunzeln beobachtet, aber wirklich darin versunken bin ich nie. Um so richtig in Weihnachtsstimmung zu geraten, benötige ich „A Nightmare Before Christmas“, „A Charlie Brown Christmas“ oder eine der Weihnachtsepisoden von „Married…with Children“.
YP: Einer meiner Lieblingsweihnachtsfilme ist „Christmas Vacation“. Ich mag es weder allzu rührselig noch besinnlich. Weihnachtssongs kann ich mindestens eine Woche lang ausstehen, dann kann ich sie für ein Jahr nicht mehr hören.
Hierbei gefiel mir aber auch der Nonsens-Faktor. Erfreulich waren die vielen bekannten Gesichter aus der Film- und Serienlandschaft Hollywoods. Zeitweise fühlt man sich aber schon in das Setting von „Lost in Translation“ zurückversetzt. Dann aber sieht man Bill Murray mit einem Plüsch-Geweih und schlagartig wird einem bewusst, wo man wieder ist.
PD: Chevy Chase und die Griswold-Familie in Weihnachtslaune. Ja, das ist natürlich auch ein immer wieder gern gesehener Klassiker. Das gefiel mir auch an dem Netflix-Special mit Murray, dass die Rührseligkeit hier nicht die Oberhand gewann. Selbst die Darbietung der Weihnachtslieder bekam eine verschrobene Note, wenn etwa Chris Rock zwangsrekrutiert wird und völlig schief mit Murray im Duett singt. Die beste Gesangsdarbietung gab es ja von Maya Rudolph, nur so nebenbei.
Auch der Auftritt von Clooney war sehr charmant und ganz seinem Image entsprechend, wenn er im Hintergrund am Klavier steht und Martinis mixt.
Das „Lost in Translation“-Gefühl wurde ich aber nie wirklich los, gerade wenn Bill Murray versuchte, die Menge in Stimmung zu versetzen. Gerade da schien es mir, als würde man einer Quasi-Fortsetzung zusehen.
YP: Chris Rocks Auftritt hat dem Special eine komödiantische Note verliehen. Bei Bill Murray schwingt immer etwas Melancholisches mit, was auch hier gut zur Geltung gekommen ist. Bei George Clooney ist es mittlerweile aber schon so, dass es immer diese Starfigur Clooney ist.
Ich fand es witzig, wie im Special mit der Verwischung zwischen Schauspieler und Filmfigur – bei Murray, Clooney, Cyrus – kokettiert wird, wohl wissend, dass es natürlich nur eine Show ist und wir es hier nicht mit den Personen zu tun haben, sondern mit Schauspielern und Schauspielerinnen, die den Job machen.
Für Sofia Coppola war das wohl eine Fingerübung, wobei die eingeschlagene Richtung in Bezug auf das Genre sehr ungewöhnlich für sie ist. Zwar nicht großartig ein Wagnis, aber ungewöhnlich.
PD: Ich war völlig überrascht davon, dass Sofia Coppola hier die Regie inne hatte. Genau genommen wirkte das wie ein Routinejob für eine TV-Crew, aber Coppola drückte eine gewisse eigene Note drauf, indem sie Murray immer wieder in diesen einsamen Momenten zeigte. Dafür gelangen ihr manche Comedy-Momente (abgesehen vom herrlichen Chris Rock) weniger. Die Dialoge von Amy Poehler und Julie White oder auch der nicht sonderlich unterhaltsam geratene Kurzauftritt von Michael Cera. Dazu war etwa auch die Geschichte um Elliott (Jason Schwartzman) und seine Braut (Rashida Jones) hauptsächlich langweilig und nur deshalb erinnerungswürdig, da Murray sich zur Braut hinsetzte, mit dem Hinweis, dass es die Menschen scheinbar aufheitert, wenn sie Fotos mit ihm machen.
Da greift man auch wieder auf das Image Murrays zurück, um die lose Handlung am Laufen zu halten. Insofern haben mir die Auftritte von Clooney und Miley Cyrus gut gefallen, denn sie spielen die Rollen, die man mit ihnen verbindet. Der Versuch daraus mehr zu machen, wäre schön gewesen, aber Coppola begnügt sich mit dem Glitzer und Glamour und das funktioniert dann schlußendlich auch irgendwie.
YP: Man lässt sich ja damit irgendwie berieseln. Und das bestimmt nicht ungern, wobei mir da einfach die Motivation zum Sichten fehlte. Dem Ganzen habe ich auch nur eine Change gegeben, weil du es für den Dialog vorgeschlagen hast. Unbedingt sehen musste ich es nicht. Jetzt, wo es vorbei ist, ist es erledigt. Es hat weder weh getan noch großartig inspiriert.
PD: Dieses Special hat seine Berechtigung für den 24.12. oder die darauf folgenden Feiertage. Jetzt finde ich es ein wenig deplatziert, aber das liegt wohl auch daran, dass ich Weihnachten nur an den Feiertagen ins Haus lasse. Zu einem Festtags-Klassiker, den ich mir regelmäßig zur passenden Zeit ansehe, hat es „A Very Murray Christmas“ nicht geschafft.
23 Freitag Okt 2015
Posted Filmdialoge
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abraham attah, beasts of no nation, cary joji fukunaga, idris elba, Jane Eyre, Netflix, sin nombre, streaming, true detective, Uzodinma Iweala
Nur zwei Filme („Sin Nombre“, „Jane Eyre“) und eine herausragende Serien-Staffel („True Detective“ mit Woody Harrelson und Matthew McConaughey) benötigte der kalifornische Filmemacher Cary Fukunaga, um sich in Hollywood festzusetzen. Das auf einem Roman von Uzodinma Iweala basierende Kriegsdrama „Beasts of No Nation“ ist aus vielerlei Gründen ein Ereignis.
PD: Ich bin mir im Endeffekt gar nicht so sicher, ob ich die Distributions-Strategie von Netflix so toll finde. Einerseits war es mir nun bereits möglich den neuen Film von Fukunaga zu sehen. Andererseits hätte ich das auch gerne auf der großen Leinwand gesehen.
YP: Cary Fukunaga hat hier auch nichts anderes gemacht, als einen Film für die große Leinwand zu drehen. Augenscheinlich wird das bereits nach fünf Minuten vom Film, sehr gut stellt man sich die Totalen auf der Kinoleinwand vor. Einerseits war das ein befremdliches Gefühl, einen soeben erschienenen und aktuellen Film zu streamen, andererseits kostet mich ein Kinoticket so viel wie das Netflix-Monatsentgelt. Und dann kommt da natürlich die Bequemlichkeit hinzu den Film jederzeit sehen zu können. Aber Kino ist eben Kino und diese Erfahrung kommt hierbei natürlich irgendwie abhanden.
PD: Darin liegt auch ein großer Reiz von „Beasts of No Nation“. Natürlich wäre die Geschichte des zum Dasein des Kindersoldaten gezwungenen Agu (Abraham Attah) schon allein aufgrund seiner Thematik interessant, aber die Möglichkeit per Streaming mehr oder weniger zeitgleich mit anderen Filmfans auf der Welt den Film zu sichten, macht das Projekt zu einem hoch interessanten Experiment in Sachen Distributionspolitik. Immerhin hat Netflix hier auch einen schwer verdaulichen Kriegsfilm für den Direktvertrieb gewählt und keine beschwingte romantische Komödie.
Dass Fukunaga seine ganze visuelle Kraft, die man ja schon von „Sin Nombre“, „Jane Eyre“ und der 1. Staffel „True Detective“ kennt, aufzeigt, hilft, dass man seine neueste Arbeit nicht rein auf den Vertriebs-Effekt hin reduziert. Wenngleich ich bis zur Begegnung zwischen dem Commandant (Idris Elba) und Agu benötigte, um wirklich in den Film hinein gezogen zu werden.
YP: Was hast du gegen beschwingte romantische Komödien? Wenn sie gut und gut gemacht sind, dann locken mich diese auch ins Kino.
Ich habe mir auch die Frage gestellt, ob ich den Film wohl auch im Kino gesehen hätte, wenn ich hierzulande die Möglichkeit gehabt hätte. Mit dem Hintergrund, dass ich ihn auf Netflix streamen kann. Allerdings kann ich die Frage natürlich nicht beantworten, auch wenn ich das Kino immer vorziehe. In den USA lief der Film ja auch – parallel zum Streaming-Angebot auf Netflix in 31 ausgewählten Kinos – Box Office Mojo zufolge – an. Was natürlich auch taktisch klug ist, sollte der Film Relevanz in der Award Season erlangen (was ich mir durchaus vorstellen kann, da sowohl Attah als auch Elba fantastisch spielen). Netflix bietet hier etwas noch nicht wirklich Dagewesenes an und vergrämt auch bestimmt die Front der Filmverleiher. Das ist auch ein mutiger Schachzug und gewissermaßen auch vorausblickend. Filmverleihern ist auch geraten, flexiblere Zukunftsmodelle in Betracht zu ziehen. Es muss nicht immer ein Entweder-Oder sein, manche Dienste können auch parallel existieren (Videotheken gibt es übrigens auch noch ein paar).
PD: Natürlich ist nichts gegen eine gut gemachte romantische Komödie einzuwenden, aber es macht doch einen Unterschied, mit welchem Exklusivmaterial der Streamingdienst seine Kunden anlocken will. Dass Netflix auch andere Seher bedienen will, zeigen sowohl der Vertrag für Adam Sandler oder die Fortsetzung zu „Crouching Tiger, Hidden Dragon“.
In Wien gibt es, wenn ich das richtig im Kopf habe, nur noch 12 Videotheken. Das ist ein aussterbendes Gewerbe, welches sich eventuell mit Spezialisierung retten kann.
Um aber auf den Film zurückzukommen. Es hängt für mich schon auch immer davon ab, inwieweit ein Film in den Kinos verfügbar ist und ob auch nicht zu viele andere interessante Werke meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die visuell einprägsame Arbeit von Fukunage hätte mich aber wohl dennoch ins Kino gezogen. Alleine der Wechsel der Farbpalette inmitten einer Kampfszene, sollte man entweder auf der großen Leinwand oder auf seinem Bildschirm zu Hause in völliger Dunkelheit sehen. Da verzeihe ich dann auch inhaltliche Schwächen und Längen.
YP: Zur Länge von „Beasts of No Nation“. Tatsächlich dauert der Film 2 Stunden und 17 Minuten. Das ist eine stolze Länge. Zu meinem Erstaunen wird die Story rund um Agu sehr flüssig erzählt, ohne große Konzentrationseinbrüche von meiner Seite. Mir gefällt auch der gesamte Aufbau und die Einleitung. Wenn ich mich über gespürte Längen aufrege und etwas zu bemängeln habe, dann betrifft es den Teil in der Mitte, als Agu auf die anderen Kämpfer trifft.
PD: Gerade diese Passagen haben mir wieder besser gefallen. Die Einleitung mit dem glücklichen Leben, umgeben von nigerianischen UN-Soldaten, war mir ein wenig zu langsam erzählt. Zudem wurde ich das Gefühl nicht los, dass hier nur das unschuldige Kind aufgebaut wurde, damit der Bruch zum mit Drogen vollgepumpten Kindersoldaten umso drastischer erscheint.
Dass diese Wandlung funktioniert, liegt auch im großartigen Spiel von Abraham Attah begründet. Er benötigt keine großen Gesten, sondern lässt seine Augen sprechen. Ganz langsam wird sein Blick immer dumpfer. Selbst am Ende, wenn er wieder in Sicherheit ist, spürt man, dass Agu nur sehr schwer die Kriegserlebnisse verarbeiten wird können.
YP: Gerade seine Kindheit wird für mich aber nicht als dramaturgisches Mittel gesehen, sondern einfach als eine Kindheit – durch den präsenten Krieg ohnehin im Ausnahmezustand. Von unschuldig sind wir weit entfernt. Durch die stationierten UN-Soldaten wird hier auch der Krieg von der ersten Minute an thematisiert. Sie haben keine Schule und verbringen tagein tagaus mit irgendwelchen witzigen Spielen und unterhalten sich selbst. (Die Episode mit dem ausgehöhlten Fernsehgerät ist grandios). Weil die Kamera ohnehin nur Agu begleitet, können wir quasi auch seine Beobachtungen teilen. Alleine daran sieht man, wie reif und wenig unbekümmert er für sein Alter ist.
PD: Unbekümmert ist die Kindheit natürlich nicht, aber mir war sie zu sehr nur ein Mittel zum Zweck. Da du Agus Blickwinkel ansprichst, dieser wird ja nicht immer stringent eingehalten. Immer wieder wechseln wir auch in die Perspektive des von Idris Elba beeindruckend dargebotenen Commandant, der ebenso manipulative Vaterfigur, wie auch betrogener Militär ist. Die Perspektive des Commandant hätte Fukunaga nützen können, um ein wenig Licht in den Konflikt zu bringen.
Stattdessen bleibt alles sehr vage und undeutlich. Es werden Truppen- und Allianznamen durch die Gegend geworfen, so dass es kaum möglich ist, sich wirklich in diesen Konflikt einzufühlen. Er bleibt zu sehr rein auf der symbolischen Ebene, für alle Kriege die je in Afrika stattgefunden haben und stattfinden.
YP: Ziemlich zum Schluss hin gibt es das Zitat vom sterbenden Lieutenant, der sagt: „Das war alles für nichts“. Wie Krieg nun mal in seiner Natur nicht anders sein kann als umsonst. Da war es gar nicht notwendig, diesen Konflikt für das Publikum zu sehr in seine Details zu zerlegen, für Agu war das einfach vage und undeutlich. Und genau das hat Fukunaga für mich gut umgesetzt und gezeigt. Alles für Nichts.
21 Freitag Aug 2015
Posted TV
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Ben Mendelsohn, Bloodline, Chloe Sevigny, Kyle Chandler, Netflix, Sam Shepard, Sissy Spacek, Slow West
Die erste von Netflix produzierte und von einem großen Studio gedrehte Serie „Bloodline“ verspricht auf den ersten Blick ein dichtes und düsteres Familiendrama zu werden. Wir haben die erste Staffel auf Herz und Nieren überprüft und wollen unserer Meinung Ausdruck verleihen.
Dieser Text enthält einige Spoiler!
PD: Meine erste spontane Reaktion nach den letzten Momenten der ersten Staffel, war Enttäuschung.
YP: Irgendwie hat „Bloodline“ keinen allzu großen Eindruck bei mir hinterlassen. Während der Sichtung dachte ich mir schon: irgendwie ist das anstrengend. Und tatsächlich wurde es dann nur Szenenweise anstrengend. Spannung will ich der Serie nicht absprechen, aber die Art, wie die Geschichten erzählt werden, das wirkt nach einiger Zeit richtig ermüdend. Mir kommt jede Folge der Serie so vor, wie oft die Cliffhanger-Serien ganzer Staffeln und ich bin „Game of Thrones“ gewöhnt.
Außerdem versprüht die Serie dann zeitweise einen Flair von „Denver Clan“ und „Dynastie“ nur ohne Weichzeichnungs-Optik der Achtziger Jahre. Die Familienintrigen sind die gleichen, vielleicht sind sie in „Bloodlines“ nicht so offensichtlich.
PD: Das überrascht mich jetzt dann doch. Schließlich hatte ich aus deinen ersten Reaktionen auf Twitter geschlossen, dass du der Serie regelrecht verfallen wärst. Jetzt bin ich richtig beruhigt, dass ich in meiner Ungeduld nicht völlig alleine bin.
Es hat schon seinen Sinn, dass sich die Konflikte recht langsam entwickeln und die Motive derer dann auch erst im Laufe der 13 Episoden offenbaren, aber während in den ersten Episoden die Voraus- oder Rückblenden (je nachdem, aus welchem Blickwinkel man es betrachtet) dominierten, kamen im weiteren Lauf der 1. Staffel immer mehr Cliffhanger zum Einsatz. Gute 50 Minuten ließ man so gut wie kein Tempo aufkommen, nur um dann zum Ende hin, dem Zuseher doch noch zu vermitteln, dass man sich die nächste Episode ansehen sollte.
Deshalb war ich dann auch enttäuscht, als die Staffel erneut auf einem Cliffhanger endete. Die Erzählung rund um die Heimkehr des schwarzen Schafes Danny Rayburn (Ben Mendelsohn) hätte als abgeschlossene limitierte Serie besser funktioniert.
YP: Dir entgeht auch wirklich nichts. Aber nachdem ich dir im Juli dermaßen überschwänglich vorgeschwärmt habe, gerate ich jetzt natürlich in Erklärungsbedarf. Tatsächlich war ich anfangs von der Serie sehr angetan, die ersten drei oder vier Folgen habe ich sogar an einem Tag im Binge-Modus eingesogen, die finde ich nach wie vor sehr sehenswert. Dann folge ein Durchhänger, der mit dem dramaturgischen Durchhänger in der Serie zusammenhängte. Was ist da eigentlich im Mittelteil der Staffel passiert?
PD: Für mich begann das Drama bereits in Episode 2. Während ich den Beginn noch wie einen langen Epilog bewertete, der die Figuren behutsam in Position brachte, zog sich der Handlungsbogen aller Figuren einfach viel zu lange dahin. Einzig bei Danny war ein wenig mehr Dynamik im Spiel, da er auch schlicht mehr erlebte. Zudem gefiel es mir, die viel zu selten gesehene Chloe Sevigny als seine Freundin zu sehen.
Ein wichtiger Punkt für die Serie war aber, der Tod des Familienpatriarchen (Sam Shepard). Dadurch wurden diverse Diskussionen, rund um den Verbleib von Danny im Familienverbund und auch -betrieb von Neuem entfacht, was ein wenig ermüdete. Vor allem da die Geschwister – bis auf Kyle Chandlers John – recht austauschbar wirkten.
YP: Diese Familiengeschichte entblättert sich zwar wie erwartet, aber in einem mühseligen Tempo, welches sich nicht gerade positiv an die Aufmerksamkeit des Publikums auswirkt. Wobei ich Sam Shepards Vater nicht als Patriarchen bezeichnen würde. Bei den Rayburns gibt es eine flache Hierarchie, das lässt sich auch gut an der Dynamik erkennen. Über Dannys Verbleib entscheidet schließlich jedes einzelne Familienmitglied und nicht der Vater alleine.
Eigentlich wäre es sehr doch einfach. Danny (Ben Mendelsohn) – der verlorene oder verstoßene Sohn, das schwarze Schaf der Familie – kommt zurück und gräbt ein bisschen in der Vergangenheit seiner Familie herum. Für seinen Vater und seine Geschwister ist er die Persona non grata obwohl alle anderen – buchstäblich – genug Leichen im eigenen Keller haben.
Eigentlich war Kyle Chandler (den ich seit „Friday Night Lights“ großartig finde) der Grund, warum ich überhaupt in die Serie reingeschaut habe. Nun stellt es sich nach der Sichtung von „Bloodline“ heraus, dass ich jetzt großer Ben Mendelsohn-Fan geworden bin.
PD: Meine Anhaltspunkte, um überhaupt mit der Serie zu beginnen, waren Sam Shepard, Sissy Spacek und Chloe Sevigny. Alle drei liefern auch gute Darstellungen, aber ihre Charaktere sind schon sehr oberflächlich geraten. Viel schlimmer fand ich da nur den Heißsporn Kevin (Norbert Leo Butz) und die Anwältin Meg (Linda Cardellini). Ihre Konflikte konnten mich so gut wie nie einnehmen. Es war mir schlicht egal, da der Hauptfokus auf John und Danny sowie die Beziehung zu den Eltern gelegt war.
Hätte sich die Serie mehr auf darauf konzentriert, anstatt die Charaktere in alle möglichen Nebenhandlungsstränge zu verwickeln – etwa Johns Ermittlungen zu den Immigranten -, wäre ich wohl mit einem positiveren Fazit aus der ersten Staffel heraus gekommen. So jedoch, fand ich es regelrecht traurig, wie eine fantastische Leistung wie jene von Ben Mendelsohn, in einer derart zähen und zerfahrenen Serie unterging.
YP: Wenn deine Anhaltspunkte sich auf diese drei Nebenrollen konzentrieren, dann überrascht mich deine Conclusio auch kaum. Von den Figuren Kevin und Meg war ich schlichtweg genervt, beide haben sich eindeutig nicht im Griff und dreschen auf Danny los. Mir gefielen vor allem jene Szenen mit John und Danny, den beiden ältesten Kindern der Rayburns.
Was allerdings wirklich gelungen rüberkam, war diese Hin- und Hergerissenheit der Moralvorstellungen aller Figuren. Bei manchen mehr (John, Danny), bei manchen weniger (Meg, Kevin).
PD: Die innere Zerrissenheit, was mit Danny zu geschehen habe, war bei John schön dargestellt. Kyle Chandler konnte da sehr viel vom Innenleben des Charakters offenlegen, so wie es Ben Mendelsohn mit einem einzigen Blick schaffte, von Bemitleidenswert zu Einschüchternd zu wechseln.
Allerdings kamen auch die Rayburn-Eltern ein wenig zu kurz. Sie schienen immer nur dann ins Geschehen miteinbezogen zu werden, wenn die endlosen Diskussionen rund um Dannys Verfehlungen, wieder mal einen Nullpunkt erreicht hatten. Das gilt vor allem für die Episoden, nach dem Tod von Sam Shepards Figur. Dass sich dies mit der zweiten Staffel wohl ändern wird, kümmert mich jedoch nicht mehr. Als in sich geschlossene Erzählung hätte „Bloodline“ mehr Charme gehabt.
YP: Nichtsdestotrotz möchte ich nicht ausschließen, dass ich mir die zweite Staffel ansehen werde.
PD: Hier könnte der Netflix-Algorithmus dafür sorgen, dass ich auch in die zweite Staffel hinein kippe. Bei meiner aktuellen Befindlichkeit, sehe ich allerdings wenig Grund, weshalb ich „Bloodline“ ohne Ben Mendelsohn weiter verfolgen soll.