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„Les Diaboliques“ von Henri-Georges Clouzot gilt als einer der wichtigsten Thriller, der je gedreht wurde und hat angeblich Alfred Hitchcock angestachelt, um sich die Krone des „Meister des Suspense“ wieder zurück zu holen. Doch vermag der mittlerweile 60 Jahre alte Film das moderne Kinopublikum und uns heute noch zu überraschen?

PD: Obwohl ich „Les Diaboliques“ nun schon einige Male gesehen habe, überrascht mich der Film doch immer wieder.

YP: Der Plot macht auch die die eine oder andere überraschende und unerwartete Wendung. Insgesamt bleibt er natürlich bis zu Schluss, sogar bis zur letzten Minute extrem spannend.

PD: Das beginnt ja schon damit, dass Ehefrau und Geliebte sich so gut verstehen. Während die Lehrerkollegen sich darüber echauffieren, kippt man überraschend schnell in dieses Bündnis mit hinein. Kein Wunder, bei dem Ekel, welches Michel (Paul Meurisse) ist. Im Gegensatz dazu gefiel mir die Darstellung von Véra Clouzot weniger. Vor allem ihre Sterbeszene enstpringt einer Schauspielschule aus alten Zeiten.

YP: Dass sich die Geliebte von Michel, Nicole (Simone Signoret) und seine Frau Christina (Véra Clouzot) so gut verstehen, macht eine/n ja auch ein wenig stutzig. Natürlich wir diese ungewöhnliche Freundschaft auch mit dem Werdegang noch skurriler. Jeder spielt jedem was vor. Das kann ein wenig anstrengend werden.

PD: Das hat mich bei der erneuten Betrachtung dieses Thrillers fasziniert: der Plot ist im Grunde unlogisch aber auch völlig zweitrangig. Man ergötzt sich an den Charakteren. Michels Grausamkeiten gegenüber seinem Umfeld, die eiskalte Nicole und die mit der Situation völlig überforderte Christina. Zudem gefiel mir auch Charles Vanel als Kommissar Fichet, von dem Roger Ebert schrieb, dass er die Vorlage für Peter Falks Columbo darstellt. Der einzige Charakter der ja nicht vorgibt etwas anderes zu sein, ist Christina. Selbst der Kommissar spielt ihr.

YP: Sich einer Logik entziehend würde ich jetzt vielleicht nicht sagen, überladen ist die bessere Bezeichnung. Es ist so dermaßen vollgespickt mit Twists, dass der nächste Twist den vorhergehenden überschreibt. So richtig kauft man Christina und Nicole das Komplott nicht ab. Ahnt ständig eine Verschwörung, aber dann kommt es sowieso anders. Ich finde schon, dass Christina was vorspielt, vielleicht nicht auf den ersten Blick wie Michel oder Nicole. Sie spielt nur die genügsamere Rolle, weil der Charakter ihrer Figur bis zum Schluss hin- und hergerissen bleibt.

PD: Da spielt vielleicht die „Vorbildung“ ein wenig mit, denn man weiß ja um ihr Schicksal. Eventuell war ich deshalb nicht so sehr davon überzeugt, dass sie etwas vorspielt. Es ist ja doch offensichtlich, dass sie mit der Situation nicht zurecht kommt. Etwa als der Pool ausgelassen wird und Michels Leiche dann doch nicht zu finden ist. Bei dem großen Finale bleibt zwar die wunderschön gruselige Einstellung mit dem aus der Wanne steigenden Michel und den Kontaktlinsen im Gedächtnis, aber man fragt sich schon, ob das wirklich alles so machbar ist und vor allem, ob es tatsächlich der „einfachste“ Weg war, um Christina und ihr schwaches Herz zu fordern.

YP: Scheinbar schon, denn als Publikum muss ma dan einfach mitspielen, um dem Film das abzukaufen. Mir ging es es neuerdings bei „Gone Girl“ genauso. Da muss man sich dem Film und dessen Plot einfach hergeben, sonst hat man nichts davon.

PD: Das ist eben der Reiz eines Thrillers, wenn er auch trotz des Wissens um die Wendungen und die Auflösung funktioniert. Das macht für mich „Les Diaboliques“ (oder das oft in diesem Zusammenhang zitierte „Psycho“) aus, dass man sich den Charakteren und der Entwicklung der Handlung widmen kann. Man beginnt auf andere Details zu achten. Etwa dass sich Christina und Nicole in einer reinen Männerwelt bewegen. Sie sind umgeben von Schülern und von missgünstigen Kollegen und Michel quält sie nach Belieben.

YP: Vielmehr als an „Psycho“ von Hitchcock erinnert mich dieser Film an „Ascenseur pour l’échafaud“ („Fahrstuhl zum Schafott“) von einem Landsmann von Clouzot, Louis Malle, aber vielleicht liegt es einfach nur an der zeitlichen Nähe zur französischen Nouvelle Vague. Was mich auch an „Les Dialoliques“ so beeindruckt, ist seine Zeitlosigkeit. Der Film feiert heuer mittlerweile nun sein 60-jähriges Jubliläum und trotzdem zählt er für mich zu den interessantesten Kriminalfilmen des letzten Jahrhunderts. Es ist auch naheliegend zu behaupten, dass dieser Film unweigerlich auch den Stil des Kriminalfilms ab 1960 mitbestimmt hat.

PD: Daran hatte ich noch gar nicht gedacht, aber es stimmt. Die zeitliche Nähe lässt einen an die anderen großen französischen Thriller denken. Auch wenn sie inhaltlich und stilistisch sich unterscheiden, so stehen sie für eine ganz bestimmte Art des französischen Kinos. In dem Zusammenhang fällt mir auch noch „Pickpocket“ von Robert Bresson ein. Alles Filme die vor allem als Charakterstudien funktionieren. Man vergesse auch nicht „Le salaire de la peur“ den Clouzot nur zwei Jahre zuvor drehte.

Kein Wunder, dass man ihn auch immer ein wenig in Bezug zu Hitchcock setzt. Dabei kenne ich von Clouzot keine anderen Filme, während ich beinahe alle Hitchcock-Arbeiten gesehen habe.

YP: Der Name Henri-Georges Clouzots ist – jetzt auch ausgenommen von Filmmenschen – für die restliche Bevölkerung nicht so gängig wie der Alfred Hitchcocks, oder sogar Jean-Luc Godards und Francois Truffauts. Was natürlich schade ist, weil mit „Le Diaboliques“ haben wir es mit einem filmgeschichtlich sehr frühen Thriller / Kriminalfilm zu tun, der Jahre vor „Psycho“ in die Kinos kam. Ich plädiere dafür, dass mehr Menschen sowohl Clouzot als auch „Les Diaboliques“ kennenlernen.

Mir gefallen auch die beiden Protagonistinnen Nicole und Christina, die im Mittelpunkt der Geschichte stehen. Mir scheint das aus heutiger Sicht beeindruckend. Protagonistinnen in Filmen gab es natürlich schon, allerdings sind Frauen, die einen Mord an einem (ihrem?) Mann planen und ausüben, eine Rarität. In diesem Falle ist es sogar die Ehefrau mit der Liebhaberin der Mannes, da ist der Spaß doppelt so groß.

PD: Der Fokus auf den beiden Frauen ist schon recht ungewöhnlich, vor allem wenn man bedenkt dass der Film 1955 entstand.
In „Le salaire du la peur“ hatte Clouzot eine rein männliche Geschichte erzählt, voller Schweiß und Anstrengungen. Dagegen wirkt zwar die Schule in „Les Diaboliques“ ein wenig schäbig, aber die beiden Frauen scheinen über alle Widrigkeiten erhaben zu sein. Auch war in der Dokumentation „L’enfer d’Henri-Georges Clouzot“, zum gescheiterten Film mit Romy Schneider, schön zu sehen, dass er die weiblichen Charaktere immer als wunderschön, aber auch unterschwellig gefährlich in Szene setzte.

Dein Plädoyer für mehr Clouzot und überhaupt mehr französische Filme, kann ich nur unterschreiben.