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Der texanische Regisseur Richard Linklater hat dermaßen viele sehenswerte Filme gedreht, dass wir wahrscheinlich Bände mit Dialogen damit füllen könnten. Machen wir aber nicht, hier nur ein kurzer Streifzug durch sein beachtliches Werk.

PD: Was ist dein Lieblingsfilm von Richard Linklater?

YP: Gute Frage! Mit einer schnellen Antwort: eindeutig „Boyhood“. Bei dir?

PD: So sehr mir „Boyhood“ gefällt, aber da gefallen mir sowohl „Before Sunset“ als auch „Before Midnight“ ein klein wenig besser.

YP: Was ich schon sagen muss, die letzten 4 oder 5 Filme hat er es doch tatsächlich geschafft, sich qualitativ zu steigern. Von „A Scanner Darky“, über „Me and Orson Welles“, über „Before Midnight“, über „Bernie“ bis hin jetzt zu „Boyhood“. Es ist beeindruckend, was er in so kurzer Zeit auf die Beine stellt.

PD: Er hat sehr viele qualitativ hochwertige Filme in kurzer Zeit geschaffen und dabei auch noch in dem Zeitraum, in dem die von dir genannten Werke entstanden, an seinem großartigen „Boyhood“ gearbeitet. Das zeigt schon die Klasse Linklaters. Dennoch ist es doch ein wenig eine Achterbahnfahrt. Qualitativ gesehen.

„A Scanner Darkly“ (mit dem er ja an seinem experimentellsten Film, „Waking Life“, anknüpft) ist stärker als der löbliche aber zerfahrene „Fast Food Nation“ oder das süße aber doch etwas leichtgewichtige „Me & Orson Welles“.

YP: Was für „Boyhood“ und die „Before“-Reihe spricht, ist die Zeit. Er hat sich Zeit gelassen. Davon leben alle 4 Filme.

PD: Man merkt diesen Filmen auch die Reife an. Bei „Boyhood“ kann man die Einflüsse aus seinem gesamten Schaffen erkennen, während in der „Before“-Reihe nicht nur die Inszenierung ausgereifter wirkt, sondern auch die Charaktere und die Erzählung selbst. Kein Vergleich zu dem herrlich naivem „Before Sunrise“.

YP: Also nicht die Produktionszeit, sondern die Zeit dazwischen. In der schnelllebigen Industrie ist das fast ein Oxymoron. Da traut sich einer was. Das ist ganz was Besonderes.

PD: Seine besten Filme leben von der Zeit, die er sich nimmt. Auch wenn „A Scanner Darkly“ und „Fast Food Nation“ gemeinsam bei den Filmfestspielen von Cannes präsentiert wurden, so ließ er sich für die Nachbearbeitung von „A Scanner Darkly“ über ein Jahr Zeit. Dies sieht man der großartigen Adaption von Philip K. Dicks Roman auch an.

YP: Was Linklaters Filme außerdem noch auszeichnet: die Protagonisten weigern sich, erwachsen zu werden. Besonders die männlichen. Egal, ob Jesse aus der „Before“-Reihe, Mason aus „Boyhood“, oder die Teenager aus „Slacker“ und „Dazed and Confused“.

Und der Stellenwert, den er der Musik bzw. dem Soundtrack einräumt. Auch besonders in „Dazed and Confused“, „School of Rock“ und wieder „Boyhood“.

PD: So hatte ich das gar nicht betrachtet. Da ist schon etwas dran.

Es gibt aber auch Filme in seiner Werkliste, in denen die Männer sich mit Haut und Haaren einem anderen Lebensstil verschreiben. Die Bankräuber in „The Newton Boys“ inszeniert er als Männer der Tat, die wissen, dass ihnen das Leben nur diese eine Chance gibt und sie nehmen sie sich. Jack Black in „School of Rock“ mag zwar nicht ein Mann mit Verantwortungsbewusstsein sein, aber er bleibt auch an seinem Traumbild hängen, der Karriere als Musiker.

YP: Natürlich, nicht nur!

PD: Wichtig sind bei Linklater auch die etwas aus dem Rahmen fallenden Typen. So wie sie zuhauf in „Slacker“ auftauchen, oder auch in „Waking Life“, „A Scanner Darkly“ oder selbst in „Boyhood“ (der mit sich selbst sprechende Mann im Diner).

YP: Da steckt eben so viel drinnen. Wobei Celine aus den „Before“-Filmen eindeutig mein Lieblings-Linklater-Charakter ist. Und ich rechne ihm hoch an, dass er immer wieder tolle Frauenfiguren schreibt. Auch Violetta aus „Boyhood“. Das sind starke Frauen, die nicht durch die Mutterrolle definiert werden. Die Figuren sind nachvollziehbar und nicht einfach Einheitsbrei.

PD: Es stehen zwar die männlichen Figuren immer ein wenig im Vordergrund, wohl auch weil mit Ethan Hawke ein loyaler Mitspieler beinahe immer dabei ist, aber mir gefallen auch viele der von ihm kreierten weiblichen Charaktere. Etwa die von Uma Thurman gespielte Amy in „Tape“.

Der Film scheint sich um die Rivalität der beiden Männer (Hawke und Robert Sean Leonard) zu drehen, selbst als Amy auftaucht. Doch im Endeffekt sieht man, dass das Geschehen in ihren Händen lag. Diese Rolle der Kontrolle im Hintergrund hat er immer wieder eingebaut.

YP: Weil eben viele Aspekte in seinen Filmen autobiographisch gehandhabt werden. Wenn du dir „Boyhood“ anschaust und wie Linklater seinem Geburtsstaat diese bedeutende Rolle zugesprochen hat.

PD: Das macht auch den Reiz seiner Filme aus. Selbst wenn Stars wie Keanu Reeves oder Bruce Willis darin auftauchen, so ist er (bislang) nie im Hollywood-System gelandet. Er lebt und arbeitet in Austin (das er aber in „Boyhood“ ein klein wenig glorifiziert, für meinen Geschmack) und man merkt ihm auch diese Verbundenheit an.

YP: Das macht seine Filme umso authentischer.

Ich habe ja zum Beispiel einen Faible für diesen breiten Südstaaten-Akzent, wie in Matthew McConaughey in „Bernie“ spricht.

PD: McConaughey und Linklater. Eine Verbindung die ich zunächst ganz übersah. Dabei debütierte McConaughey ja in „Dazed and Confused“ und war ein toller Lead in „The Newton Boys“.
Der von dir erwähnte Musik-Aspekt ist ja auch mit der lebendigen Musikszene von Austin verbunden.

Authentisch fühlen sich alle seine Filme an. Einzig das Remake „Bad News Bears“ möchte ich, wohl weil es ein Remake ist, nicht so unbedingt sehen.

YP: Auch die „Before“-Filme, die alle eigentlich Übersee und in Europa spielen. Wien, Paris, Griechenland. Und sowohl Jesse als auch Celine vermitteln Authentizität. Das sind Figuren, wie sie der Realität entnommen sind.

PD: Wohl auch, weil der erste Film zum Teil auf einer Begebenheit beruht, die Linklater selbst widerfuhr.

YP: Wenn du dir nachträglich vor Augen führst, wer in „Dazed and Confused“ mit von der Partie ist und wer sich noch immer hoch im Kurs hält.

PD: Ben Affleck, Matthew McConaughey.

YP: In kleineren Rollen, aber dennoch: Renée Zellweger, Mila Jovovich.

PD: Wiley Wigins, mit dem er dann „Waking Life“ drehte. Parker Posey. Adam Goldberg.

YP: Wobei es schon immer die selben Gesichter sind, die man sieht: Ethan Hawke, Jack Black. Matthew McConaughey.

PD: An Zellweger konnte ich mich gar nicht mehr erinnern. Linklater arbeitet nun einmal offenbar auch gerne mit demselben Team. Selten dass einmal jemand wie Greg Kinnear in dieses Team hinein bricht, wie bei „Fast Food Nation“. Keanu Reeves hat zwar in „A Scanner Darkly“ hervorragend hinein gepasst, aber er war wohl auch ein wenig der nötige Promi-Schauspieler, um den Film zu finanzieren.

Mich erstaunt ja, wie sehr sich Linklater einerseits im Laufe seiner Karriere wandelte und doch in jedem seiner Filme, seinem Stil treu blieb. Von der Reife der „Before“-Filme oder dem Humanismus in „Boyhood“ ahnt man bei „Slacker“ oder „Dazed and Confused“ noch gar nichts. Während die Leichtlebigkeit und die Freude an der Musik in „School of Rock“ nun wirklich niemand überraschen dürfte.

YP: Es geht auch darum, dass er mit seinen Filmen erwachsen geworden ist. Dafür ist „Boyhood“ der beste Beweis. Nicht als Regisseur, weil diese Anfangsfilme sind an und für sich gelungen, aber als Mensch.

Die aktuelleren Filme finde ich viel reifer, ausgeklügelter, durchdachter.